BGH, 6. Zivilsenat - VI ZR 262/82 - Urteil vom 10.07.84
BGH, 6. Zivilsenat - VI ZR 262/82 - Urteil vom 10.07.84

Leitsatz

1. Für die Zerstörung eines Bastlerstücks, das als Unikat anzusehen ist (hier: Modellboot), kann nicht Wiederherstellung, sondern nur Wertersatz in Geld verlangt werden.

2. Der zu ersetzende Vermögenswert kann in solchen Fällen in der Regel nicht nach dem vergeblichen Aufwand für Material und Arbeitszeit geschätzt werden. Zu möglichen anderen Schätzungsgrundlagen.

Rechtszug
vorgehend OLG Köln 1982-09-17 20 U 37/82 VersR 1983, 377;
vorgehend LG Köln 1981-12-02 26 (76) O 413/79

Tatbestand

Der Kläger hatte in mehrjähriger Freizeitarbeit das Torpedoboot "Dachs" der Bundesmarine im Maßstab von 1 : 20 nachgebaut. Das Modell war schwimmfähig und mit Elektronik ausgerüstet, die die Ausübung der verschiedensten Funktionen erlaubte. Der Kläger nahm mit dem Boot verschiedentlich mit Erfolg an nationalen und internationalen Wettbewerben teil, die für die Erbauer ähnlicher ferngesteuerter Modellboote veranstaltet werden. Am 19. November 1978 hob der Beklagte, der den Kläger besucht hatte, das in der Wohnung aufbewahrte Modellboot, das ca. 2 m lang und ca. 45 kg schwer war, aus seinem Standgestell heraus. Es fiel ihm aus der Hand und zerbrach beim Aufschlag auf den Boden.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten Schadensersatz für das schwer zerstörte Modellboot. In erster Instanz hat er die Kosten einer Wiederherstellung, die seiner Ansicht nach auch dem Verkehrswert seines Bootes entsprächen, mit 68.170,-- DM angegeben und Zahlung dieses Betrages verlangt. In der Berufungsinstanz hat er unter Zugrundelegung geschätzter Reparatur- bzw. Wiederherstellungskosten von 98.000,-- DM seine Klageforderung auf insgesamt 90.000,-- DM erhöht.

Der Beklagte wendet sich nur noch gegen die Höhe der Schadensersatzforderung, die er für weit übersetzt hält.

Das Landgericht hat dem Kläger 10.000,-- DM zugesprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Berufungsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des Klägers auf die Anschlußberufung des Beklagten diesen zur Zahlung von 7.500,-- DM nebst Zinsen verurteilt. Mit seiner Revision begehrt der Kläger von dem Beklagten weiter die Zahlung von insgesamt 49.000,-- DM.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht - sein Urteil ist abgedruckt in VersR 1983, 377

(zustimmend Palandt/Heinrichs, 43. Aufl., § 251 BGB Anm. 3)
- führt im wesentlichen aus: Der Kläger könne seinen Anspruch nicht als Herstellungsanspruch auf § 249 S. 2 BGB stützen. Es sei bereits zu erwägen, ob dem Verlangen nach Ersatz der Reparaturkosten nicht die Vorschrift des § 251 Abs. 2 BGB entgegenstehe, weil die Herstellung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich sei. Jedenfalls sei das Boot vollständig zerstört. Da eine einigermaßen gleichwertige Ersatzsache nicht zu finden sei, sei die Herstellung als unmöglich anzusehen mit der Folge, daß der Kläger nur einen Anspruch auf Geldersatz nach § 251 Abs. 1 BGB habe. Da ein Markt für vergleichbare Modellboote, die ein Bastler in seiner Freizeit für eigene Zwecke erstellt habe, nicht bestehe, müsse der Verkehrswert nach § 287 ZPO geschätzt werden. Dieser Schätzung seien die Herstellungskosten für den Neubau eines Bootes zugrunde zu legen, zu denen unzweifelhaft die Materialkosten gehörten; diese habe der Sachverständige in seinem Gutachten mit 7.582, 30 DM zutreffend ermittelt. Etwaige Lohnkosten seien nicht hinzuzurechnen, weil das Boot sich als das Ergebnis gestalteter Freizeit darstelle, der ein meßbarer Vermögenswert nicht zukomme. Unter Berücksichtigung eines Abzuges unter dem Gesichtspunkt "neu für alt" seien dem Kläger im Ergebnis 7.500,-- DM als Schadensersatz zuzusprechen.

II. Mit dieser Begründung hält das angefochtene Urteil der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Bei der Ermittlung des dem Kläger zu ersetzenden Verkehrswerts des zerstörten Modellbootes hat das Berufungsgericht das ihm nach § 287 ZPO eingeräumte Ermessen zur freien Schätzung des Schadens unrichtig ausgeübt, weil es dieser Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat.

1. Über die Ersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach besteht zwischen den Parteien kein Streit. Sie ergibt sich aus § 823 Abs. 1 BGB, weil der Beklagte das Eigentum des Klägers an dem Modellboot fahrlässig verletzt und diesem dadurch Schaden zugefügt hat. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Klägers nach § 254 Abs. 1 BGB sind dem Sachverhalt nicht zu entnehmen; der Beklagte beruft sich darauf auch nicht mehr. In welcher Form und in welchem Umfange der dem Kläger zugefügte Schaden von dem Beklagten zu ersetzen ist, richtet sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff BGB. Im Streitfall kann der Kläger, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, nicht nach § 249 S. 2 BGB den zur Herstellung des praktisch vollständig zerstörten Modellbootes erforderlichen Geldbetrag verlangen, sondern hat nur Anspruch auf Entschädigung in Geld nach § 251 Abs. 1 BGB. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe sind unbegründet.

a) Der auf Geldersatz gerichtete Schadensersatzanspruch nach § 249 S. 2 BGB ist seiner Funktion nach ein Herstellungsanspruch

(so schon BGHZ 5, 105, 109; allgemeine Meinung).
Der Geschädigte, der nach § 249 S. 1 BGB grundsätzlich die Herstellung desjenigen Zustands verlangen kann, der vor dem Schadensfall bestanden hat (sogenannte Naturalrestitution), soll bei Beschädigung einer Sache die Wahl haben, statt der vom Schädiger geschuldeten Reparatur oder Ersatzbeschaffung die Sache selbst wiederherstellen zu lassen und den dafür erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger zu verlangen. Der Anspruch setzt deshalb voraus, daß eine Herstellung der Sache überhaupt noch möglich ist
(vgl. u.a. Senatsurteile v. 13. Mai 1975 - VI ZR 85/74 - NJW 1975, 206 = VersR 1975, 1047 und vom 23. März 1976 - BGHZ 66, 239, 242 ff m.w.N.).
Daran hält der Senat fest. Fraglich kann im Einzelfall nur sein, ob ein Fall der Unmöglichkeit der Wiederherstellung vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn die beschädigte Sache irreparabel ist, also ein sogenannter Totalschaden vorliegt. Ist das zu bejahen, dann muß damit die Unmöglichkeit der Naturalrestitution nach § 249 S. 1 BGB noch nicht feststehen, wenn Herstellung durch Beschaffung einer gleichartigen und gleichwertigen Sache den Umständen nach in Betracht kommt und die Ersatzbeschaffung nicht unverhältnismäßig ist (§ 251 Abs. 2 BGB).

b) Die Wiederherstellung des zerstörten Modellbootes in Form einer Reparatur ist nicht möglich. Ebensowenig kann eine diesem Boot gleichartige und gleichwertige Sache beschafft werden. Deshalb kann es im Streitfall dahinstehen, ob das Wahlrecht des Geschädigten nach § 249 S. 2 BGB bei Zerstörung der Sache insoweit erhalten bleibt, als Naturalrestitution auf diesem Wege möglich ist, was das Berufungsgericht allein wegen des Wortlauts der Vorschrift verneint.

aa) Fehlerfrei hat das Berufungsgericht festgestellt, daß das Modellboot total zerstört worden ist, als es zu Boden fiel. Es durfte insoweit der Ansicht des Sachverständigen Sch., der seinem Gutachten Fotografien des zerbrochenen Bootes beigefügt hat, folgen. Der Kläger selbst hat vorgetragen, eine Reparatur komme praktisch einer Neuherstellung gleich. In der Tat waren nach dem unstreitigen Parteivorbringen nur noch wenige Einzelteile wiederverwendbar. Wollte man das Boot des Klägers reparieren, hätte man, wie der vom Kläger vorgelegte Kostenvoranschlag der Firma Modellwerkstätten D. & Sohn ausweist, im wesentlichen einen Neubau vornehmen müssen. Das gilt für den Rumpf des Bootes, für den statt der vom Kläger ausgeführten Holzkonstruktion die Herstellung einer Plastikform vorgeschlagen wurde, und für fast alle anderen Teile, die vom Kläger erdacht und ausgeführt worden sind; die von ihm eingebaute Elektronik hätte ohnehin durch eine andere ersetzt werden müssen, weil Ersatzteile für die veraltete Technik heute nicht mehr erhältlich sind. Es wäre auf diese Weise mithin nicht das alte Boot des Klägers ausgebessert worden, sondern ein zwar seinen Plänen nachempfundenes, aber neues, anderes Modell des Torpedobootes "Dachs" entstanden, das darüberhinaus, weil nicht vom Kläger selbst gebaut, für seine Zwecke, nämlich zur Teilnahme an Wettbewerben mit anderen Bastlern, unbrauchbar wäre und nur noch als Standmodell oder zu Vorführungen außerhalb von Wettkämpfen geeignet gewesen wäre. Demgegenüber ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß der Kläger selbst und die von ihm um Kostenvoranschläge gebetene Modellbaufirma in diesem Zusammenhang von der Möglichkeit einer "Reparatur" des Bootes gesprochen haben. Deswegen ist die Übergehung des darauf zielenden Beweisantrages des Klägers in diesem Zusammenhang kein Verfahrensfehler. Das Berufungsgericht durfte den unter Beweis gestellten Tatsachenvortrag,die "Reparatur" des Modells sei zu einem Preise von 98.000,-- DM möglich, dahin werten, daß diese "Reparatur" in Wahrheit nichts anderes darstellen würde als die Neuherstellung der total zerstörten Sache.

bb) Eine Herstellung des früheren Zustandes im Sinne des § 249 S. 1 BGB ist im Streitfall auch nicht durch eine gleichartige und gleichwertige Sache möglich, so daß es auf sich beruhen kann, ob der Aufwand für eine derartige Ersatzbeschaffung dem Beklagten wirtschaftlich zugemutet werden könnte (§ 251 Abs. 2 BGB). Sicher gibt es einen Markt für Schiffsmodelle, die mit vielfältiger Elektronik ausgestattet sind. Das vom Kläger in jahrelanger Eigenarbeit hergestellte Modell des Torpedobootes "Dachs" ist aber ein "nicht marktgängiges Einzelstück"

(so Esser/Schmidt, Schuldrecht, Bd. I., Allgemeiner Teil, 6. Aufl., S. 497, Fn. 25),
das bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die auch den wirtschaftlichen Wert für den Kläger zu berücksichtigen hat, nicht durch die Lieferung eines anderen, gewerbsmäßig hergestellten oder auf dem Markt erhältlichen Modells zu ersetzen ist. Es ist das Produkt aus der Erfindungsgabe und dem handwerklichen Geschick des Klägers, der es nach seinen Bedürfnissen und seinem Geschmack geplant und erstellt hat und zu diesem Zweck eigene Lösungen technischer Art entwickelt, das benötigte Material ausgewählt und es nach seinen für richtig erachteten Methoden bearbeitet hat. Ein solches Bastlerstück, das eben nicht nach allgemein zugänglichen Plänen und Gebrauchsanweisungen hergestellt wurde, ist nicht reproduzierbar. Es ist, wie ein Kunstwerk, ein Unikat. Ein möglicherweise käufliches Modellboot eines anderen Bastlers kann dieses Unikat nicht ersetzen, noch viel weniger ein Modell, das gewerblich in einer Werkstatt hergestellt wird.

Der Umstand, daß der Kläger sich zum Ersatz für das Boot mit einem anderen, nicht gleichwertigen und gleichartigen Boot zufrieden geben würde, führt nicht zu einem anderen rechtlichen Ergebnis. Zwar ist es nicht ohne Bedeutung, ob der Geschädigte gewisse Abweichungen der Ersatzsache hinzunehmen bereit ist, vor allem wenn eine Geldentschädigung nach § 251 Abs. 1 BGB zu keinem befriedigenden Ausgleich führen könnte

(dazu Staudinger/Medicus, BGB 12. Aufl., § 249 Rdn. 204, 206 m.w.N., vor allem aus der Rechtsprechung vor der sogenannten Währungsreform im Jahre 1948).
Indessen geht es im Streitfall nicht um einen Sachverhalt, der Anlaß zu einer solchen Betrachtungsweise geben könnte. Der Senat vermag der Revision auch nicht darin zu folgen, daß der Anspruch auf Naturalrestitution schon immer dann gewährt werden müsse, wenn nur der durch "Herstellung" erreichbare Zustand dem hypothetischen Zustand, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde, näher komme als derjenige, der ohne "Herstellung" erreicht werde. Eine derartige Ausweitung der Naturalrestitution verlangt auch nicht der Vorrang des Integritätsinteresses vor dem Kompensationsinteresse, dem die Regelung in §§ 249 ff BGB Rechnung trägt; das Integritätsinteresse hat seine notwendige Grenze dort, wo keine Möglichkeit besteht, die verlorene Integrität zurückzugewinnen. Es ist auch unrichtig, daß der Geschädigte anderenfalls stets leer ausgehen würde. Ihm bleibt der Kompensationsanspruch nach § 251 Abs. 1 BGB, der freilich insoweit versagt, als der Schaden auf ideellem Gebiet liegt und wirtschaftlich gesehen keine Vermögenseinbuße des Geschädigten besteht. Diese gesetzlich gewollte Folge muß der Geschädigte hinnehmen; sie kann nicht durch eine über den Gesetzeszweck hinausgehende ausdehnende Auslegung des § 249 BGB umgangen werden.

2. Der Kläger kann mithin, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, Anspruch auf Ersatz seiner durch die Zerstörung des Modellbootes eingetretenen Vermögenseinbuße in Geld nur nach § 251 Abs. 1 BGB beanspruchen. Dabei geht es letztlich darum, den sogenannten Verkehrswert der Sache zu ermitteln, weil sich im Streitfall dieser Schaden nur in ihrem Verlust konkretisiert hat. Diesen Wert hatte das Berufungsgericht nach Ermittlung der verfügbaren und relevanten Schätzungsgrundlagen nach § 287 ZPO zu schätzen. Die von ihm dazu angestellten Erwägungen sind indessen ungeeignet, nachprüfbare und einsichtige Aussagen über den Wert des Modellbootes vor seiner Zerstörung zu machen.

a) Soweit ein Markt für die zu ersetzende Sache vorhanden ist, ist der Preis, der durch Angebot und Nachfrage gebildet wird und der im allgemeinen der Wiederbeschaffungswert ist, ein geeigneter Anknüpfungspunkt, den wirtschaftlichen Wert der Sache in Gestalt des Tauschwerts in Geld zu bemessen

(zuletzt Senatsurteil vom 4. Mai 1982 - VI ZR 166/80 - NJW 1982, 1864).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gibt es aber keinen solchen Markt für das vom Kläger hergestellte Unikat. Dem steht nicht entgegen, daß es einzelne Interessenten geben mag, die bereit wären, ein solches Produkt liebevoller Bastlerarbeit zu erwerben und dafür unter Umständen viel zu bezahlen. Um einen Marktpreis zuverlässig ermitteln zu können, bedarf es der Feststellung einer ernsthaften Nachfrage als Grundlage für objektivierbare Preisvorstellungen des Verkehrs. Daran fehlt es; auch der Kläger hat dazu nichts Konkretes vortragen können. Selbst wenn ihm gesprächsweise einmal von einem Interessenten der Bundeswehr, wie er behauptet hat, für das Modell 200.000 DM geboten worden sein sollten, würde das nichts darüber aussagen, ob diese Summe der angemessene Marktpreis wäre, also den Verkehrswert der Sache angeben könnte.

b) Ein Vermögensschaden kann aber, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, auch dann vorliegen, wenn kein Markt für den zerstörten Gegenstand vorhanden ist

(Grunsky, Aktuelle Probleme zum Begriff des Vermögensschadens, 1968, S. 36; ders. in MünchKomm. vor § 249 BGB Rz. 13).
Entscheidend ist, ob die Verkehrsauffassung der Sache einen Geldwert beimißt. Das trifft auch für solche Sachen zu, die nicht ohne weiteres wieder "zu Geld zu machen" sind, die aber, wollte man sie für sich haben, Geld kosten würden, und die der Verkehr als durch Geld kompensierbar ansieht
(ähnlich dazu Zeuner, Schadensbegriff und Ersatz von Vermögensschäden, AcP 163 1962 S. 386 f.).
Unzweifelhaft ist aus dieser Sicht heraus das Modellboot des Klägers keine "wertlose" Sache gewesen, sondern ein Boot, das nach der allgemeinen Verkehrsauffassung, obwohl nicht marktgängig, ein in Geld meßbarer Vermögensgegenstand ist, anders als solche Gegenstände, denen der Verkehr gerade keinen Geldwert beimißt und die ihren ideellen Wert nur für den Eigentümer oder Besitzer haben
(etwa Briefe, Fotoalben ohne antiquarischen Wert und dgl.; vgl. auch OLG Köln, OLGZ 73, 7 ff. - Hirschgeweih -).
Es müssen in diesen Fällen dann nur mangels eines Marktwertes andere, plausible Indikatoren gefunden werden, die den Geldwert bestimmen und deshalb Grundlage für eine Schätzung der wirtschaftlichen Vermögenseinbuße des Geschädigten durch den Verlust der Sache gemäß § 287 ZPO sein können.

c) Die Schätzungsgrundlagen, die das Berufungsgericht in Betracht gezogen hat, sind nicht geeignet, den Geldwert des zerstörten Modellbootes zu ermitteln. Im Bereich der gewerblichen Güterproduktion stehen zwar die Herstellungskosten regelmäßig in einem inneren Zusammenhang zu dem (Markt-)Wert des Produktes. Schon dort aber können für die Preisbildung auf dem Markt andere Faktoren ausschlaggebend sein. Wer dagegen wie der Kläger ein Schiffsmodell bastelt, um mit ihm an Wettbewerben teilzunehmen, produziert nicht für den Markt auf Grund einer Kosten-Nutzen-Kalkulation, die Materialeinsatz und Arbeitsaufwand am Marktwert der Sache orientiert. Welchen Wert ein derartiges Produkt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hat, hängt letztlich weder von der Art, der Menge und den Kosten des verwandten Materials, noch von dem Arbeitsaufwand ab. Einen Ersatz für nutzlos gewordene Aufwendungen bei der Herstellung des Produktes kann der Kläger nicht verlangen; er hat seinen Anspruch auf diesen Aspekt auch nie gestützt. Es geht vielmehr nur um den Geldwert des Ergebnisses seiner Leistung. Wäre sein Modell mißlungen, könnten die aufgewandten Materialkosten nicht einmal die untere Grenze des Sachwertes bilden; das Modell kann dann wirtschaftlich ganz wertlos sein. Andererseits kann das fertige Produkt u.U., wenn es das gelungene Ergebnis besonderer geistiger und handwerklicher Fähigkeiten ist und im Verkehr als solches anerkannt wird (etwa gar als "Kunstwerk" anzusehen ist), weit mehr wert sein als die Summe der Materialkosten und der aufgewandten Arbeitsstunden, bewertet nach tariflichen Maßstäben, die das Landgericht, dem Sachverständigen folgend, zugrundegelegt hat. Das bedeutet für den Streitfall: Der Betrag, den der Kläger für die von ihm verbauten Materialien aufgewandt hat, besagt über den Vermögenswert des Modellbootes nichts. Er ist deshalb auch keine geeignete Schätzungsgrundlage. Ebensowenig ist es von Belang, wie lange der Kläger an dem Modell gearbeitet hat, geschweige denn, ob er dafür seine Freizeit geopfert und ob ihm die Arbeit Vergnügen gemacht hat oder nicht. Die Erwägung des Berufungsgerichtes, daß der Verlust von Freizeit als solcher nicht als Vermögensschaden angesehen werden könne, ist in diesem Zusammenhang rechtlich verfehlt. Allein bedeutsam ist, wie das fertige Modellboot nach der Verkehrsanschauung in Geld zu bewerten ist, d.h. mit welchem Betrag es in die Vermögensbilanz des Klägers einzustellen war.

d) Der Geldwert des Modellbootes läßt sich mithin mangels eines Marktpreises nur durch einen Vergleich mit ähnlichen Objekten, die einen Marktpreis haben, finden, wobei außer fehlender Marktgängigkeit und den damit verbundenen Abstrichen an einem etwaigen Einsatz zu Vermögensdispositionen Unterschiede in der Qualität, Quantität, Erhaltungszustand, Gebrauchswert und dergl. bei der notwendigen, hier besonders freien richterlichen Schätzung berücksichtigt werden müssen

(ähnlich im Ergebnis Zeuner aaO S. 386 ff.; Köndgen, Ökonomische Aspekte des Schadensproblems, AcP 177, 1, 13; Brinker, Die Dogmatik zum Vermögensschadensersatz, 1982, S. 326, 328 ff; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, Allgemeiner Teil, 13. Aufl., S. 449 ff.).
Der Kläger hat dafür brauchbare Ansatzpunkte vorgetragen: Gäbe es einen Markt für Standmodelle in einer dem Boote des Klägers vergleichbaren Qualität und Quantität, läge es nahe, daß der Kläger mindestens den dafür zu zahlenden Preis als Geldentschädigung verlangen könnte. Darüberhinaus wird es innerhalb des immer bedeutsamer werdenden Marktes der Freizeitgestaltung einen Markt für gewerblich produzierte, mit Elektronik versehene Schiffsmodelle geben, die wenigstens insoweit dem Boote des Klägers verglichen werden könnten. Ihr Preis könnte ebenfalls einen Anhalt für die Schätzung bilden. Endlich hat der Kläger unter Beweisantritt und Anführung von Einzelheiten dargetan, daß es jedenfalls einen Gewerbebetrieb gibt, der auf Bestellung von Kunden Modellboote anfertigt und verkauft. Der dafür auf dem Markt zu erzielende Preis könnte - wiederum unter Berücksichtigung der Besonderheit fehlender Marktgängigkeit des Bootes des Klägers - auch eine geeignete Schätzungsgrundlage sein. All dem ist das Berufungsgericht von seiner unzutreffenden rechtlichen Sicht aus nicht nachgegangen.

3. Das angefochtene Urteil beruht auf dem aufgezeigten Rechtsfehler. Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat nicht möglich. Ob der vom Kläger jetzt noch geforderte Schadensersatzbetrag von insgesamt 49.000 DM gerechtfertigt ist, hängt von der erforderlichen weiteren Aufklärung des Sachverhaltes und der dann gebotenen Neuschätzung nach § 287 ZPO ab, die dem Tatrichter obliegt. Der Kläger wird dann Gelegenheit haben, seine in der Revisionsbegründung wiedergegebenen weiteren Einwände gegen das angefochtene Urteil dem Berufungsgericht vorzutragen.

Fundstelle(n)
BGHZ 92, 85
NJW 1984, 2282
JuS 1985, 59

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