Ein Denkmal auf Zeit am Rhein

    "Meine Kunst ist keine, die sich darauf verläßt, daß die Menschen zu ihr kommen. Ich gehe zu den Menschen, und sie danken es mir."


    Das ist HA Schult, wie man ihn kennt. Der deutsche Aktionskünstler, Jahrgang 1939, bringt mit einem gewaltigen, 1,5 Millionen Mark teuren Aktionsspektakel seine Kunst wieder einmal medienwirksam ins Gespräch. Unter dem Slogan "Rhein-Geist" verknüpft Schult, von Bonn aus rheinabwärts bis Xanten, sechs Städte durch Bildtableaus zum "großten Bild der Welt".

    Schon in den sechziger Jahren, als der traditionelle Kunstbegriff in Happenings und Fluxus-Aktivitäten revolutioniert wurde, erregte Schult mit spektakulären Aktionen die Gemüter und kratzte am öffentlichen Gewissen. Von Anfang an wollte der Künstler provozieren, gesellschaftliche Probleme ins Bewußtsein heben. Die Stoffe seiner Aktionen sind Produkte der Industrie, Alltägliches der Massengesellschaft (auch der Müll ist kein Tabu). International bekannte Monumente und die Massenmedien gehören dazu. Und "die Inszenierung", so Elke Koska, Frau und Muse des Aktionsspezialisten, "muß perfekt sein, wir überlassen nichts dem Zufall."

    Auch nun am Rhein kann man Aktion in Perfektion betrachten. Bonn, Köln, Leverkusen, Duisburg, Düsseldorf und Xanten - das Zweiergespann macht diese Städte für drei Wochen zu Schauplätzen zeitgleicher Kunstereignisse. Mit 35 Assistenten wurde im größten Atelier der Welt, einer ausgedienten Autobahnmeisterei in Köln, im Akkord gearbeitet. Wie 1978, als Schult bei der Aktion "Ruhr-Tour" durchs Kohlerevier brauste, ist der Bus wesentlicher Bestandteil seines Konzepts. Ein "Rhein-Geist-Bus" ist das städteverbindende Vehikel das das Publikum von Stadt zu Stadt bringt. Und Schult wäre nicht Schult, wenn er nicht bei jeder dieser "Rhein-Geist-Reisen" selbst als "Reiseleiter in Sachen Kunst und Leben" stimmgewaltig die Interpretation seiner Aktionen gleich mitliefern würde.

    Der Noch-Regierungssitz Bonn ist die erste Station.
    Schult zeigt politisch Verdächtiges mitten vor dem Bundestag. Eine Mauer aus Worten verkündet:
    "Die Freiheit einer Gesellschaft ist so groß wie die, die sie ihrer Kunst gibt." Daß der Künstler ein Mann der Sechziger ist, zeigt seine Aktion in Köln: Ganz im Sinne der Aufbruchsstimmung dieser Zeit, als das Problem der großen Vereinsamung die Gemüter bewegte, wird ein einsamer Mensch auf einer Weltkugel umherirren. "Einen Stellvertreter für uns alle", sieht SchuIt in ihm.

    In Leverkusen wagt sich Schult an eine der großen Konsumikonen Deutschlands. Das Bayer-Kreuz - für Schult "eine Art Voraltar zum Kölner Dom" - soll farblich verändert werden. Darunter ist eine Stadt gebaut, verhüllt "von einem weißen Tuch des Vergessens". Auf das Auto, immer noch ein Fetisch für Schult, verzichtet er auch diesmal nicht . Hundert Exemplare davon verkeilte er zum Stau auf dem Düsseldorfer Altstadttunnel. Aus diesen "weißgetünchten Autoleibern" tönt Verkehrslärm und führt uns den alltäglichen "Wahn der Straße" vor. Mit einer anderen Art von Wahn wird Duisburg konfrontiert: Schrebergartenhäuschen auf einer Kohlenhalde zu einem Hochhaus gestapelt, bekrönt von den leuchtenden Lettern des Wortes Glück.

    Der Höhepunkt findet in Xanten statt. Eine Armee aus tausend Müllmenschen besetzt das Oval des Amphitheaters. "Wir produzieren Müll, sind aus Müll geboren und werden wieder zu Müll." So sieht Schult die Müllmenschen als Vertreter der Menschheit, die gleichsam eine vorweggenommene Archäologie verkörpern - und dazu noch eine, die sich selbst finanziert. Für tausend Mark könnte man Patron eines dieser Müllmenschen werden. Und nach "Rhein-Geist" folgt eine Tournee. "Die Müllmenschen gehen", so Schult, "stellvertretend für ihren Patron, in die Welt hinaus."