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NRZ vom 15.01.02
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Wie bitte?

IM GERICHT / Aleida Plassmeier ist eigentlich artig. Sitzt aber trotzdem ständig auf der Anklagebank. Falls mal die Worte fehlen.

ANDREAS GEBBINK

     A m Landgericht Kleve ist Aleida Plassmeier die nette Dame aus der zweiten Reihe. Rechts neben dem Angeklagten ist ihr Platz. Und während der Verhandlung wird  sie ihm ein ums andere Mal helfen. Nicht in Sachen Rechtsbeistand, dafür sind die Juristen zuständig. Aleida Plassmeier. ist Dolmetscherin und greift niederländischen Angeklagten unter die Arme, wenn`s mit der Sprache hapert.

Wo ein ,,Dollmetzger"doch helfen kann

  Dass es mit der Sprache vor einem deutschen Gericht Probleme geben kann, ist manchem Angeklagten oft gar nicht bewusst. "Ich brauche keinen Dollmetzger", wies mal ein holländischer Angeklagter Aleida Plassmeier von sich, als er hörte, dass eine Frau ihm zur Seite sitzen soll. "Ja, ich hör`s", meinte sie schmunzelnd. "Ich helfe ihnen aber trotzdem". Während der Verhandlung war der Holländer froh, das lebendige Wörterbuch neben sich zu haben.

  "Niederländer denken schnell: och, das mit der Sprache ist kein Problem. Das schaffe ich schon. Aber meistens wird es ein fürchterliches Kauderwelsch", erzählt Aleida Plassmeier. Und Kauderwelsch muss - und darf - nicht sein. Die Gerichtshelferin springt ein, wenn der Richter nur Bahnhof versteht. So auch bei dem niederländischen Malermeister, der angab, dass er beruflich "Schilder aufstelle". Plassmeier erklärte: Maler heiße im niederländischen "schilder".

Bei der Übersetzung der beiden Sprachen gibt es viele falsche Freunde. Die Worte klingen ähnlich, die Bedeutung ist aber eine ganz andere", sagt die Übersetzerin. ,,Klopt  dat?",  fragte sie mal einen, der in der Kneipe die Möbel zerlegt hatte. Klar, meinte der Richter zu sich, der hat ganz schön gekloppt. War aber   nicht  gemeint:"Stimmt das?", wollte sie nur wissen.

 Seit zwanzig Jahren macht die Expertin ihren Job, kennt im Kreis Kleve jeden Gerichtssaal: Emmerich, Geldern, Kleve. In den Vollzugsanstalten hört sie sich die Gespräche der Gefangenen an. Vom Zoll wurde sie neulich nachts um eins aus dem Bett gerufen: Festnahme zweier holländischer Drogenkuriere in Kranenburg.

  In Sachen Amtssprache ist Aleida Plassmeier Profi. Vom Papageienschmuggel über DIN-Normen bis zu Drogen in ganzer Bandbreite kennt sie jede Feinheit. "Bei technischen Details wird`s schon schwieriger.

Man muss schon wissen, wovon die Rede ist

 In einer Verhandlung fiel mal das Wort Icewarmer. "Mein Gott, dachte ich, was zum Teufel ist ein Icewarmer. In solchen Fällen frage ich dann nach." Ergebnis näherer Betrachtung: Es handelt sich um eine automatische Autoheizung. (Vom Redakteur falsch verstanden, es ging um einen “Eiswarner”, eine Anzeige, die vor Glatteis warnt.)

 Ihren Klienten versucht sie so neutral wie möglich zu erscheinen: "Ich bin für den Angeklagten oder Zeugen die erste Ansprechpartnerin.   Ich spreche deren Sprache. Und jeder soll die gleichen Voraussetzungen haben", meint sie. Sympathien oder negative Vorurteile will Aleida Plassmeier unterdrücken.

Wer kann schon immer nur neutral sein?

 Gab es in ihrer zwanzigjährigen Laufbahn fiese Typen, denen sie lieber nicht geholfen hätte? "Da gab es mal einen älteren Herrn. Von dem hieß es, dass er wie ein Eisverkäufer den Kindern   Drogen beschaffte." Aleida Plassmeier denkt kurz nach und entschließt sich, nicht weiter zu erzählen: "Na ja, den habe ich nicht gemocht", bricht sie abrupt ab.

 Deutsch hat die Niederländerin aus Driel in Nimwegen studiert. Zwar nicht bis zum Ende, aber die Sprache wurde dennoch ihre große Leidenschaft. Übersetzt hat sie schon alles:  juristische Fachblätter, Protokolle, Koch-Rezepte und die Aufschriften auf Eierkartons. Weniger spannend.

Der Eierkarton bringt`s einfach nicht

 Aber zu den Gerichtsverhandlungen geht sie gerne, weil es da menschelt: "Man hört hier immer etwas Neues, und die Leute interessieren mich. Man muss sich auf jedermanns Sprache neu einstellen. Jugendliche benutzen viele amerikanische Ausdrücke, Erwachsene bilden längere Sätze." Aleida Plassmeier versucht, genau den Stil zu treffen, den ihre Klienten gebrauchen.

Zurzeit ist für sie Verwaltungsarbeit angesagt. Ihre aktuelle  Gerichtsverhandlung wurde unterbrochen. Nichts besonderes:  Zwei Marokkaner aus Holland und ein Berliner  - werden angeklagt, mit Rauschgift gehandelt zu haben. Grauer Alltag also.

 Die Akten müssen übersetzt werden. Für Aleida Plassmeier wird es ein langer Abend.

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