Roboter holt Hochexplosives
aus Uni-Gebäude
55 Liter Chemikalien ergaben gefährliche Mischung - Spezialisten
des Bundesgrenzschutzes bargen Fass aus dem Keller der Bonner Uni
Von Robert Kulka
und Heinz Engels (Fotos)
 
 
Bonn. Der Kampfmittelräumdienst winkte dankend ab, als die Untere Wasserbehörde der Stadt Bonn
Montagnachmittag um Hilfe bei der Entsorgung von 55 Litern mutmaßlichen Acetonperoxyds bat. Denn mit
herkömmlicher Munition hatte das wenig zu tun, was im Keller des Universitätsinstituts für Bodenkunde an
der Nußallee 11-13 lag. Über das BKA nahm die Feuerwehr Kontakt zu Spezialisten des
Bundesgrenzschutzes (BGS) in Hangelar auf, die mit einem ferngesteuerten Roboter dem brisanten blauen
Kanister zu Leibe rückten.Vermutlich aus Unwissen oder Arglosigkeit war eine Mischung aus
hochkonzentriertem Wasserstoffperoxyd, Acetonitril und Aceton angerührt worden, die sich zu
Acetonperoxyd verbinden kann, das in fester Form die gewaltigen Eigenschaften von Nitroglycerin
entwickelt, sowohl in der Zerstörungskraft als auch in der Empfindlichkeit. Als den Chemikern dämmerte,
was sie da zusammengebraut hatten, alarmierten sie die Behörden.
 
Ausrüstung:
Mit einem Großaufgebot
an Helfern und Material
war die Feuerwehr
ausgerückt.

40 Mann der Berufsfeuerwehr rückten um 16.40 Uhr mit den verschiedensten Fahrzeugen aus, darunter ein
Rettungswagen, ein Löschzug und der Spezialzug "Gefährliche Stoffe und Güter" aus Bad Godesberg. Die
Männer erwartete ein kitzeliger Auftrag. Wie Einsatzleiter Josef Schaaf ausführte, reagiert die Mischung auf
Wärme, Reibung und Stöße. Und dann explodiere sie nicht einfach, sondern detoniere, mit einer
Geschwindigkeit von 5 300 Metern pro Sekunde. In Verbindung mit Wasser büßt Acetonperoxyd seine
Gefährlichkeit allerdings ein, so dass es für die Rettungskräfte galt, das blaue Fass möglichst sanft aus dem
Haus ins Freie zu schaffen und zu fluten.Das war im wesentlichen Aufgabe des Hangelarer Entschärfers und
seines Roboters. Das ferngesteuerte Kettenfahrzeug ist zwar kaum größer als ein großer Hund, verfügt aber
über eine Videokamera und einen sensiblen Greifarm und ist ausgesprochen wendig. Nachdem die
Feuerwehrleute das Areal vor dem Haus in dem auf 80 Meter evakuierten Viertel mit Planen ausgelegt
hatten, machte sich die orangefarbene Raupe auf den Weg in den Keller.
 

Aus dicker Folie
bestand das Bassin,
in dem die gefährliche
Mischung gewässert wurde.

Kurz vor 20 Uhr gab der Feuerwehrchef zum ersten Mal Entwarnung, als er mitteilte, das Fass sei im Freien.
Nachdem das Gelände unter Wasser gesetzt worden war, öffneten BGS-Leute das Fass unter Ausschluss
der Öffentlichkeit. Wie das ging, blieb ihr Geheimnis, immerhin gab es einen deutlichen Knall. Schaaf
tauchte dann den schwimmenden Kanister ein und verdünnte dessen Inhalt gründlich. "Dabei stand mir der
Schweiß auf der Stirn", räumte er später freimütig ein. Auch sei er nicht versucht gewesen, sich durch einen
Blick ins Fass davon zu überzeugen, welche Konsistenz die Chemikalie tatsächlich habe. So wird es ein
Geheimnis bleiben, welche Gefahr der Nußallee tatsächlich drohte. Über die Auswirkung einer Detonation
mochte Schaaf nicht allzusehr spekulieren. Im Freien hätte der Explosionsdruck nur wenig Widerstand
gefunden, vermutlich aber doch die Fensterscheiben im abgesperrten Areal zerborsten. Bei einer Explosion
im Keller aber "können Sie sich gerne die ein oder andere Hauswand hier wegdenken," so Schaaf. Das
hinreichend verdünnte Gemisch wurde schließlich kontrolliert über die Kanalisation entsorgt.

Die Universität konnte Montagabend noch keine umfassende Stellungnahme abgeben. Der Abteilungsleiter
Sicherheit/Umweltschutz, Dietrich Reichard, machte zunächst menschliches Versagen als Ursache geltend
und stellte für Dienstag weitere Informationen in Aussicht.

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