Auszüge des Indizierungsberichts: "Farbenfinsternis (Eisregen)"


Pr. 2692/03

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
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Entscheidung Nr. 6572 (V) vom 11.2.2004
bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 41 vom 28.2.2004

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat von Amts wegen auf die am 9.12.2003 eingegangene Anregung am 11.2.2004 gemäß § 23 Abs. 1 JuSchG im vereinfachten Verfahren einstimmig beschlossen: Die CD „Farbenfinternis“ der Gruppe „Eisregen“ wird in Teil A der Liste der jugendgefährdenden Medien eingetragen.

S a c h v e r h a l t

Die CD „Farbenfinsternis“ der Gruppe „Eisregen“ wird vertrieben von ................. Die CD enthält 11 Beiträge mit folgenden Titeln:

Titel 01: Meine Tote Russische Freundin
Titel 02: Im Reich der Fleischlichkeit
Titel 03: Deutschland in Flammen
Titel 04: Dreizehn
Titel 05: Dein Blut
Titel 06: Vorboten
Titel 07: Angst wird Fleisch
Titel 08: Schatten im Verstand
Titel 09: Mein Reich komme
Titel 10: Farbenfinsternis
Titel 11: Ein Jahr im Leben des Todes

Auf dem Cover der CD findet sich die gemalte Abbildung einer nackten Frau, die an ein Holzgerüst gefesselt ist und eine Gasmaske trägt. Auf der Rückseite findet sich als Illustration des Covers -ebenfalls gemalt- eine Gasmaske, aus deren zerstörtem Blickfenster Blut fließt.
Im Textbuch selbst findet sich zu jedem Titel eine gezeichnete Illustration, die den Inhalt des Textes visuell unterlegt. Die Darstellungen sind sämtlich durchzogen von Darstellungen verletzter bzw. toter, zum Teil stark blutender menschlicher Körper

Das gem. § 21 Abs. 4 JuSchG anregungsberechtigte ........... regt die Indizierung an, da die Texte auf der CD jugendgefährdende und zum Teil auch strafbare Inhalte hätten. Beispielhaft verweist der Anregungsberechtigte auf die Textpassagen, die er als jugendgefährdend einstuft.

Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht über die Absicht der Bundesprüfstelle, im vereinfachten Verfahren gemäß § 23 Abs. 1 JuSchG zu entscheiden, unterrichtet. Sie hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prüfakte und auf den der CD Bezug genommen. Die Mitglieder des 3er-Gremiums haben sich die CD bei normaler Laufgeschwindigkeit angehört und die Entscheidung sowie die Entscheidungsbegründung in vorliegender Fassung einstimmig beschlossen und gebilligt.

G r ü n d e

Die CD „Farbenfinsternis“ der Gruppe „Eisregen“, ................., war antragsgemäß zu indizieren.

Der Inhalt der CD ist offensichtlich geeignet (§ 23 Abs. 1 JuSchG), Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal „Gefährdung der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen oder ihrer Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ in § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG nach ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sowie höchstrichterlicher Rechtsprechung auszulegen ist.

Der Oberbegriff des Gesetzes „sittlich zu gefährden“, der im Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte (GjS) formuliert war, ist in dem seit dem 1.4.2003 geltenden Jugendschutzgesetz nunmehr ersetzt worden durch o.g. Begriff. Gleichwohl ist der anzulegende Prüfungsmaßstab für die Jugendgefährdung davon nicht berührt. Auch in der Begründung zum Jugendschutzgesetz (Drucks. 14/9013, S. 5) wird ausdrücklich erwähnt, dass sich die Beurteilungskriterien inhaltlich nicht durch die neue Formulierung verändert hätten.

Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 sind vor allem solche Medien jugendgefährdend, die unsittlich sind, verrohend wirken, zu Gewalttätigkeiten, Verbrechen oder Rassenhass anreizen. Verrohend wirkende Medien sind solche, die geeignet sind, auf Kinder und Jugendliche durch Wecken und Fördern von Sadismus und Gewalttätigkeit, Hinterlist und gemeiner Schadenfreude einen verrohenden Einfluss auszuüben. Das ist der Fall, wenn mediale Gewaltdarstellungen Brutali-tät fordern bzw. ihr entschuldigend das Wort reden. Das ist weiterhin dann gegeben, wenn Gewalt ausführlich und detailliert gezeigt wird und die Leiden der Opfer ausgeblendet werden bzw. die Opfer als ausgestoßen, minderwertig oder Schuldige dargestellt werden.

Der verfahrensgegenständlichen CD kommt eine solche verrohende Wirkung zu. Die auf der verfahrensgegenständlichen CD aufgezeigten Liedtexte schildern eine Vielzahl brutaler und grausamer Tötungsszenen. Durch die dargestellten Gewalt- und Tötungshandlungen wird versucht, die Anziehungskraft des Hörers auf Musik und Text zu gewinnen.

Die Textbeiträge leben ausschließlich von brutalen, grausamen und geschmacklosen Szenen. Die Darstellung exzessiver Gewalt und Grausamkeit wird zum Selbstzweck erhoben. So finden sich beispielsweise in dem Titel 09 „Mein Reich komme“ Ansätze von Kannibalismus („Deine Haut, so blutig rot/.../Ihr Geschmack so reif und zart).
Darüber hinaus enthalten einzelne Liedtexte (z.B. Titel 01 „Meine tote russische Freundin) die Beschreibung sexueller Handlungen mit den grausam zu Tode gebrachten Opfern. Die Opfer werden zum bloßen Objekt degradiert, an welchem die krankhaften, menschenverachtenden Bestrebungen des in der Ich-Form Erzählenden ausgeübt werden. Handlungen, wie das Trinken des Blutes, das Häuten und Töten des Körpers werden als Spiel bagatellisiert, wodurch der Verbrechensgehalt des Dargestellten völlig in der Hintergrund zu rücken droht. Die Textinhalte verharren in der schwelgerischen Aneinanderreihung von grausamen Folter- und Mordszenen an lebenden Menschen, die einschließlich der sexuellen Szenenfolgen beim Zuhörer sadomasochistische Gefühle und Begierde wecken sollen.

Im einzelnen kann auf die auf der CD enthaltenen Liedtexte verwiesen werden.


Die Jugendgefährdung ist auch offenbar, da sie durch die Befürwortung der Anwendung von Gewalt gegen Menschen für den Betrachter klar und zweifelsfrei zutage tritt.

Die Gremien der Bundesprüfstelle haben bei ihren Entscheidungen über die Indizierung eines Mediums immer auch darauf zu achten, dass die Grundrechte der Verfahrensbeteiligten gewahrt bleiben, insbesondere die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG und die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Da die Kunstfreiheit auch die Wahl eines jugendgefährdenden, insbesondere Gewalt und Sexualität thematisierenden Sujets sowie dessen Be- und Verarbeitung nach der vom Künstler selbst gewählten Darstellungsart umfasst, ist zu prüfen, ob die Voraussetzung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 vorliegen und wie die Belange der Kunstfreiheit im vorlie-genden Falle zu gewichten sind. Die verfahrensgegenständliche CD darf die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen. Denn nach der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Definition ist alles Kunst, was sich darstellt als „freie schöpferische Gestaltung, in der Erfahrungen, Eindrücke oder Fantasien des Urhebers zum Ausdruck gebracht werden“. Da die CD als Kunst im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG anzusehen ist, aber auch dem Jugendschutz Verfassungsrang zugebilligt wird, ist der Abwägungsprozess zwischen Kunstschutz und Jugendschutz vorzunehmen. Wenn man die Schwere der Jugendgefährdung, unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Anwendung von Gewalt gegen Menschen befürwortet wird sowie den Kunstgehalt der CD gegenüberstellt, müssen die Belange der Kunstfreiheit ganz eindeutig hinter denen des Jugendschutzes zurückstehen.

Ein Fall von geringer Bedeutung gem. § 18 Abs. 4 JuSchG kommt wegen der Schwere der Jugendgefährdung nicht in Betracht.


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung des 3er-Gremiums im vereinfachten Verfahren ist vor einer Klageerhebung zunächst eine Entscheidung des 12er-Gremiums der Bundesprüfstelle herbeizuführen.
Eine Anfechtungsklage gegen diese abschließende Entscheidung kann sodann innerhalb eines Monats ab Zustellung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz 1, 50667 Köln, erhoben werden. Die Klage ist gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesprüfstelle zu richten (§§ 25 Abs. 1, 2, 4 JuSchG; 42 VwGO). Sie hat keine aufschiebende Wirkung.

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