Veganismus

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Veganismus bezeichnet eine Philosophie und Lebensweise, die versucht, „soweit wie möglich und praktisch durchführbar, alle Formen der Ausbeutung und Grausamkeiten an Tieren für Essen, Kleidung oder andere Zwecke zu vermeiden und darüber hinaus die Entwicklung tierfreier Alternativen zu fördern, was dem Nutzen der Tiere, Menschen und der Umwelt dienen soll“ (Definition der „Vegan Society“).

Die meisten Anhänger des Veganismus sehen in der Nutztierhaltung, wie beispielsweise für die Fleisch- und Milchproduktion, ein Verhältnis, das Ausbeutung und Leid bedingt. Das Leid hat den Ursprung in der Tötung von Tieren, die produktionstechnisch bedingt selbst in der Milch- und Eiererzeugung vorkommt. Über die Betrachtung des Leidens der Tiere hinaus spricht der Veganismus den meisten Tieren das Recht auf Leben, Unversehrtheit und Freiheit zu. Der Veganismus geht daher meist mit der Befürwortung von Tierrechten einher. Da menschliches Leben ohne Beeinträchtigung anderer Lebewesen nicht möglich ist, wird es als persönliche Entscheidung betrachtet, wo eine nicht vertretbare Schädigung beginnt. Einig sind sich die meisten Veganer in der Ausübung einer veganen Ernährung. Einige wenige Veganer konsumieren Honig, was andere Veganer vermeiden. Viele achten auch bei Kleidung (Leder, Wolle) und anderen Gegenständen des Alltags auf Tierproduktefreiheit (Waschmittel, Putzmittel, Kleinbildfilme, Kleber, Farben etc.).

Manchmal wird auch der strenge Vegetarismus als Veganismus bezeichnet. Diese Verwendung des Begriffs ist allerdings umstritten.

Inhaltsverzeichnis

Wortursprung

Das Wort vegan geht auf den Engländer Donald Watson zurück, der 1944 die Vegan Society als Abspaltung der englischen Vegetarian Society (engl. Vegetarier Gesellschaft) gründete. Ihn und eine Gruppe von Mitstreitern störte, dass der Begriff vegetarisch zunehmend als Abkürzung für ovo-lacto-vegetarische Ernährung gebräuchlich war. So erfand er aus dem Anfang und Ende von „vegetarian“ (engl. Vegetarier) ein neues Wort, welches symbolisch dafür steht, dass Veganismus mit Vegetarismus beginnt und ihn zu seinem logischen Schluss führt. Vor der Einführung des Begriffes Veganismus wurde dieser auch als Konsequenter oder Radikaler Vegetarismus bezeichnet. Es gab während und nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Einsatz der Vegetarian Society schon ovo-lacto-vegetarische Essensrationen, die Vegan Society erreichte u. a. die Versorgung mit extra Rationen von Nüssen für Veganer.

Das Adjektiv zu Veganismus lautet "vegan". In den deutschsprachigen Ländern wird oft auch das Adjektiv "veganisch" (als Ableitung aus Verganismus) gebildet. In der Fachliteratur wird der Begriff "veganisch" abgelehnt und findet keine Verwendung. Der Duden kennt nur den Begriff "vegan".

Anhänger des ethischen Veganismus sehen rein ernährungsbezogene Verwendungen des Begriffs Veganismus im allgemeinen sehr kritisch, weil sie eine mangelnde Abgrenzung und Vermischung von Lebensweise und Beweggründen befürchten. Besonders distanzieren möchten sie sich davon wegen des im allgemeinen fehlenden Zusammenhangs zu ihrer Ethik und entsprechend der nur selten vorhandenen Umsetzung in anderen Lebensbereichen als der Ernährung. Sie befürworten dafür stattdessen die Benutzung von Begriffen wie strenger Vegetarismus. Solche alternativen Bezeichnungen haben jedoch in der Realität nur wenig Anklang gefunden und beschränken sich fast ausschließlich auf die Verwendung durch die Anhänger des ethischen Veganismus selbst.

Formen des Veganismus

Entscheidend ist die Leidverminderung durch das Vermeiden von tierischen Produkten und Tiernutzung, doch innerhalb dieses Rahmens sind eine Vielzahl individueller Lebens- und Ernährungsweisen möglich. Im Gegensatz zum Vegetarismus gibt es im Veganismus keine feststehenden, gebräuchlichen Begriffe (wie z. B. „Ovo-Lacto-Vegetarier“). Es existieren eingebürgerte Begriffe, z. B. „Pudding-Veganer“ für Veganer, die wenig auf ausgewogene Ernährung achten und großteils Fertiggerichte und Süßes bevorzugen.

Vorwiegend wird auf Honig verzichtet, andererseits sprechen einige den Bienen Leidempfindungsfähigkeit ab. Vorwiegend werden lederfreie Alternativen bevorzugt, doch manche Veganer kaufen weiterhin Lederschuhe, begründet mit der „hohen Überschussproduktion“ von Leder durch die Milch- und Fleischtierhaltung, die durch eine sinkende Nachfrage nicht reduziert werden könne. Daunenjacken und -kissen und ähnliches werden abgelehnt, Wollprodukte als Ursache für den frühen Tod und teilweise auch Pein der Tiere angesehen. Die Welt ohne Jagd und ohne Tierversuche stellt ein Ideal dar. Allgemein werden unter Veganern alle möglichen Verhaltensweisen auf Leidvermeidungsmöglichkeiten geprüft, so sind auch Reiten, Zoos, Delphinarien, Zirkusse und anderes Gegenstand von Ablehnung und Diskussion.


Allgemein sind Veganer in allen Bevölkerungsgruppen und -schichten vertreten. Im subkulturellen Bereich gibt es sie in der Anarcho-Punk- und Straight-Edge-Bewegung. In der „alternativen Szene“ gibt es einige Strömungen, in denen Veganismus verbreitet ist.

Beweggründe

Ethik und Tierrechte

Die Entscheidung, vegan leben zu wollen, entsteht meist aus Gründen der persönlichen Ethik. Das aus dem Konsum tierischer Produkte resultierende Halten von „Nutztieren“ sowie das Jagen oder Schlachten von Tieren werden als Gewalt und Ausbeutung empfunden. Veganer gehen davon aus, dass alle Lebewesen ein Recht auf die Wahrung ihrer artspezifischen Bedürfnisse haben, und lehnen die Verletzung dieser Interessen, soweit es möglich ist, ab. Es gibt unterschiedliche Begründungen, aber einer der Kernsätze der Tierrechtsethik ist der Gleichheitsgrundsatz, dass man dort, wo Mensch und Tier gleich sind, sie auch mit gleichen Rechten behandeln sollte. Es gibt unterschiedliche Ansichten bei den Veganern, welchen Tieren wieviele Rechte zugesprochen werden sollen. (Begründungen und Ansichten siehe auch Tierrechte.) Kontrovers diskutiert wird unter Veganern auch, ob eine vegane Lebensweise allgemein moralisch vorgeschrieben werden sollte.

Zum Vermeiden von Eiern: Veganer führen an, dass das permanente Legen von Eiern bei Haushühnern angezüchtet ist (der wildlebende Vorfahre unseres Haushuhns, das Bankivahuhn, legt nur zwei- bis dreimal im Jahr ein bis zwölf Eier). Wenn die Legeleistung nach einem Jahr nachlässt, werden die Hennen meist schnell getötet. Von den Küken, die später die Legehennen ersetzen sollen, ist die Hälfte männlich. Diese werden deshalb in der Regel sofort getötet (vergast oder vermust) und in einigen Fällen der Nahrung der Legehennen beigefügt.

Zum Vermeiden von Milch: Veganer führen an, dass Kühe nur dann Milch geben, wenn sie jährlich neu besamt werden und regelmäßig Kälber gebären. Die Kälber gelangen danach auf den Fleischmarkt (siehe auch Herodes-Prämie). Von den Tieren wird eine hohe Milchleistung erwartet, weswegen sie nach wenigen Jahren nicht mehr produktiv genug sind und getötet werden. Die meisten Veganer vertreten darüber hinaus die Ansicht, dass es nicht notwendig ist, die Muttermilch anderer Spezies/außerhalb des Säuglingsalters zu trinken (siehe nächster Absatz: „Natürliche Ernährung“).

Ökologische Aspekte

Als weiterhin problematisch werden die mit der Massentierhaltung verbundenen Umweltschutz- und Naturschutzprobleme gesehen.

Herrschaftskritische Aspekte

Einige Menschen praktizieren Veganismus auch aus einer herrschaftskritischen Haltung. Veganismus und insbesondere Antispeziesismus wird hier als Teil einer anarchistischen Herrschaftskritik betrachtet. Diese Ansichten sind sehr stark mit ökologischen Aspekten verbunden. Allerdings ist ausschließlicher Veganismus hier nicht dogmatisch gefordert, auch freegane Arten der Lebensmittelbeschaffung (Containern, Diebstahl, Schnorren) sind hier vertreten.

Spiritualität

Es gibt darüber hinaus auch Veganer, die aus spirituellen Gründen vegan leben. Motive können unter anderem Ansichten über die Seele von Tieren, die Sehnsucht nach einem stärkeren Einklang mit der Natur oder auch religiöser Art sein. Die spirituellen Gründe sind im wesentlichen deckungsgleich mit den spirituellen Gründen der Vegetarier.

Gruppen, die den veganen Lebensstil ganz oder in Strömungen vertreten:

  • Der Jainismus legt teilweise das Prinzip des Ahimsa soweit aus, dass die Mönche immer einen Besen mit sich führen, mit dem sie den Weg vor sich fegen, um nicht versehentlich ein Insekt zu zertreten. Die jainistischen Priester tragen ein Tuch vor Mund und Nase, um nicht versehentlich ein Insekt einzuatmen und dadurch zu töten. Selbst Pflanzen werden vom „Töten“ verschont: in bestimmten Lebenphasen werden nur Früchte verzehrt, die die Pflanzen „freiwillig“ hergeben; von einem Familienvater wird dieses Verhalten nicht erwartet.
  • Im Hinduismus ebenso wie im Buddhismus gilt vegetarische Ernährung als ethisch überlegen, und einige Richtungen sind strikt vegan.
  • Die neue religiöse Bewegung Universelles Leben versucht, über Tierschutzthemen im Bereich Veganismus Fuß zu fassen. Von der als Prophetin verehrten Gabriele Wittek sind aber keine weiteren von Gott oder einem Erzengel im nachhinein überlieferten Diätvorschriften oder besonderen Rezepte bekannt. Jedoch wird von den zugehörigen Betrieben auch Honig produziert und vertrieben, was bei den meisten Veganern auf Ablehnung stößt[1].

Siehe auch

Quellen

  1. Video vom "Sender Neu Jerusalem" Kapitel 4.3: "Ein emsiges Volk: Die Bienen"

Literatur

  • Beardsworth, A./Keil, T. (1992): The Vegetarian Option: Varieties, Conversions, Motives, and Careers. In: The Sociological Review 40, S. 253–293
  • Breyvogel, Wilfried (2005): Ein Einführung in Jugendkulturen. Veganismus und Tattoos. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
  • Brooks, R./Kemm, J.R. (1979): Vegan diet and lifestyle. A preliminary study by postal questionnaire. In: The proceedings of the Nutrition Society 38(1), S. 15A
  • Carmichael, Richard (2002): Becoming Vegetarian and Vegan. Rhetoric, Ambivalence and Repression in Self-Narrative. Diss. Loughborough University
  • Clements, Kath (1996): Vegan. Über Ethik in der Ernährung & die Notwendigkeit eines Wandels. Göttingen
  • Grube, Angela: Vegane Lebensstile. Diskutiert im Rahmen einer qualitativen/quantitativen Studie, ibidem-Verlag, Stuttgart 2006, 150 Seiten
  • Langley, G. (1999): Vegane Ernährung. Göttingen
  • Marcus, E. (1997): Vegan. The New Ethics of Eating. New York
  • McDonald, B./Cervero, R.M./Courtenay, B.C. (1999): An Ecological Perspective of Power in Transformational Learning. A Case Study of Ethical Vegans. In: Adult Education Quarterly, 50(1), S. 5–23
  • Povey, R./Wellens, B./Conner, M. (2001): Attitudes towards following meat, vegetarian and vegan diets: an examination of the role of ambivalence. In: Appetite 37(1), S. 15–26
  • Rinas, Bernd-Udo (2000): (Art)gerecht ist nur die Freiheit. Gießen: Focus-Verlag
  • Schmitt, Beate (2003): Ohne Milch und ohne Ei – Allergien und Laktose-Intoleranz. Rezepte und Praxistipps für den Familienalltag. Darmstadt: Pala-Verl. (2. Aufl.)
  • Schwarz, Thomas (2005): Veganismus und das Recht der Tiere. Historische und theoretische Grundlagen sowie ausgewählte Fallstudien mit Tierrechtlern bzw. Veganern aus musikorientierten Jugendszenen. In: Breyvogel, Wilfried (Hg.): Eine Einführung in Jugendkulturen. Veganismus und Tattoos. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 69–163

Weblinks

Wikis zu Veganismus

Wikibooks: Veganes Leben – Lern- und Lehrmaterialien


Kritik am Veganismus

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