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Straßenverkehrsordnung

26.01.2005
 

Mitbenutzung von Busspuren durch Radfahrer

Erarbeitet mit Unterstützung des Bundesministeriums für Verkehr

Inhalt:
Richtiges Verhalten
Anlass
Verkehrssicherheit
Förderung des Radverkehrs
Voraussetzungen
Die Umsetzung
Alternativen
Quellen

Richtiges Verhalten

Unsere Bitte an die Radfahrer:
  • Fahren Sie beim Herannahen von Bussen möglichst rechts und halten Sie gegebenenfalls auch an. Es ist ein Gebot der Fairness, dass Einzelpersonen der zügigen Beförderung von vielen Bus-Fahrgästen nicht im Wege stehen sollten.

  • Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zu einem attraktiven öffentlichen Personennahverkehr, der viele Fahrten mit den Pkw überflüssig macht. Das dadurch gewonnene bessere Verkehrsklima in unseren Städten kommt gerade den Radfahrern wieder zugute.

  • Nehmen Sie an Haltestellen besondere Rücksicht auf ein- oder aussteigende Fahrgäste.

  • Benutzen Sie nur die Busspuren, die ausdrücklich für den Radverkehr freigegeben sind.
  • Beim Verlassen der Busspur ist erhöhte Vorsicht geboten. Dies gilt insbesondere auch vor Einmündungen, an denen die Busspur in eine Rechtsabbiege-Spur umgewandelt wird.

Unsere Bitte an die Busfahrer:
  • Sie tragen besondere Verantwortung im Straßenverkehr. Bitte nehmen Sie deshalb auch Rücksicht auf die Verkehrsteilnehmer, die die Busspur nicht rechtzeitig freimachen (können). Dies gilt insbesondere für Radfahrer. Haben sie Verständnis dafür, dass sich Radfahrer von einem dicht auffahrenden Bus bedroht fühlen und entsprechend unsicher reagieren. Halten Sie deshalb immer einen ausreichenden Abstand ein.
  • Beim Überholen von Radfahrern sollte der Seitenabstand mindestens 1,5 m betragen. Überholen Sie nur mit mäßiger Geschwindigkeit.

Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse
für Radfahrer freigegeben

 

Anlass

Seit dem 01.09.1997 bietet die Straßenverkehrsordnung die Möglichkeit, Radverkehr auf Bussonderfahrstreifen mit zuzulassen, um die Fahrradnutzung und die Verkehrssicherheit zu fördern.

Eine Freigabe von Busspuren für Radfahrer kommt nur auf Straßen in Frage, wo kein als benutzungspflichtig gekennzeichneter Radweg vorhanden ist.

In einer Reihe von Städten sind Busspuren durch die Straßenverkehrsbehörden auch schon früher für den Radverkehr freigegeben worden (z. B. Berlin und Münster). Die Erfahrungen dort zeigen, dass es dabei kaum zu Unfällen kommt und der Busverkehr nur wenig gestört wird.

Verkehrssicherheit

Auf den für Radfahrer freigegebenen Sonderfahrstreifen gibt es nur selten überraschende Konflikte, da Überholvorgänge weniger häufig sind als auf normalen Fahrbahnen und Bus- und Radverkehr aufeinander eingestellt sind.

Wenn Radfahrer auf baulichen Radwegen oder auf dem Gehweg geführt werden, kommt es an den Haltestellen zu Konflikten mit wartenden Fahrgästen und mit Ein- und Aussteigern. Diese Konflikte werden bei der Führung des Radverkehrs auf der Busspur vermieden.

Vorteile für Radfahrer

  • geringe Störung des Radverkehrs
  • zügige Befahrbarkeit
  • keine Konflikte mit ein- und aussteigenden Fußgängern an Haltestellen
  • Sicherheit und Komfort sind allgemein sehr hoch.

Dies hängt vor allem von der Breite der Busspur ab, und der Frequenz der Busse und sonst noch auf dem Sonderfahrstreifen zugelassenen Fahrzeuge

Förderung des Radverkehrs

In der Regel sollte auf einer Straße ein gemeinsam nutzbarer breiter Sonderfahrstreifen angelegt werden, statt eine Trennung in einen Sonderfahrstreifen und einen schmalen Radweg vorzusehen. Gerade außerhalb der Spitzenstunden des Busverkehrs lässt sich so auch ein erheblicher Komfortgewinn für den Radverkehr erzielen, denn Radfahrer können sich gut überholen und, wenn dadurch niemand behindert wird, nebeneinander fahren.

Busspuren tragen sowohl zur Beschleunigung des Linienverkehrs als auch - bei Freigabe für Radfahrer - zur Beschleunigung des Radverkehrs bei. Gleichzeitig wird die Zahl der Fahr- oder Parkspuren für den übrigen Fahrzeugverkehr beschränkt.

Voraussetzungen

Radverkehr kann nach der Verwaltungsvorschrift der StVO auf Busspuren, also auf dem rechten Fahrstreifen, zugelassen werden. Voraussetzungen sind, dass

  • die Flüssigkeit des Verkehrs mit Linienomnibussen nicht beeinträchtigt wird,
  • die Schaffung benutzungspflichtiger Radwege oder andere Maßnahmen, welche die Sicherheit des Radverkehrs auf der Fahrbahn gewährleisten, bei Einrichtung des Sonderfahrstreifens nicht möglich sind und
  • die Verkehrsstruktur und die unterschiedlichen Benutzungsansprüche dies im Einzelfall vertretbar erscheinen lassen.

Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse dürfen nur dann für den Radverkehr zugelassen werden, wenn der Radverkehr auf dem Sonderstreifen nicht durch den Linienbusverkehr gefährdet wird.

Wo es vernünftig ist, Radverkehr auf Busspuren zuzulassen, hängt vor allem von drei Kriterien ab:
  • Lage,
  • Breite/Geschwindigkeit/Länge und
  • Verkehrsaufkommen.

Lage

Die Freigabe von Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse für Radfahrer kommt insbesondere dann in Betracht, wenn Busspuren in Randlage liegen.

Die StVO schließt jedoch nicht mehr aus, dass auch Busstraßen oder auf einer mittleren oder linken Fahrbahn ausgewiesene Sonderfahrstreifen für Busse auch für den Radverkehr freigegeben werden können. Gerade in Kreuzungszufahrten können örtlich auch solche Lösungen sinnvoll sein.

Breite/Geschwindigkeit/Länge

Die rechtliche Möglichkeit zur Freigabe von Busspuren für Radfahrer hängt nicht von bestimmten Breiten ab. Aus Verkehrssicherheitsgründen ist bei Busspuren, auf denen sich Überholvorgänge häufen, jedoch besonders auf eine ausreichende Breite zu achten. Für Radfahrer freigegebene Busspuren sollten entweder so breit sein, dass Radfahrer von Bussen gefahrlos innerhalb der Spur überholt werden können oder so schmal sein, daß Überholen ohne Ausweichen in den Nachbarfahrstreifen ausgeschlossen ist. Zwischenbreiten sind nur im Einzelfall zu verantworten oder auf kurzen Streckenabschnitten (z. B. Aufstellspur einer Kreuzungszufahrt) vertretbar.

Auf Busspuren mit einer Breite zwischen 4,00 m (bei niedrigen Geschwindigkeiten) und 4,75 m können sich Busse und Radfahrer innerhalb ihres Fahrstreifens überholen, ohne auf eine danebenliegende Fahrbahn auszuweichen. Auf mindestens 4 m breiten Busspuren kann der Radverkehr deshalb an Haltestellen sicher an wartenden Bussen vorbeifahren.

Sind die Verhältnisse beengt, sind die Busspuren in der Regel nur 3,00 m bis 3,25 m breit. Damit hat zwar ein Linienomnibus ausreichend Platz innerhalb des Fahrstreifens. Aber Radfahrer können an Haltestellen Linienbusse nur dann überholen, wenn sie den danebenliegenden Fahrstreifen (mit) benutzen. Die Wahrscheinlichkeit für auftretende Verzögerungen sowie die tatsächlich eintretenden Zeitverluste für einen Bus sind umso kleiner, je kürzer der entsprechende Streckenabschnitt zwischen den Haltestellen oder Ausweichmöglichkeiten ist. Streckenabschnitte ohne Ausweichmöglichkeiten sollten bei einem durchschnittlichen Radverkehrsaufkommen und ebener Strecke in der Regel nicht länger als 300 m sein. Vor allem bei sehr geringen Radverkehrsmengen und an Gefällstrecken sind längere Abschnitte vertretbar.

Bei Zwischenbreiten (3,30 m bis 3,95 m) können Radfahrer zwar an haltenden Bussen vorbeifahren. Für Busse fehlt hier jedoch der erforderliche Seitenabstand zum Überholen des Radverkehrs. Radfahrer können durch Linienomnibusse nur dann mit einem ausreichendem Seitenabstand (1,50-2,00 m) überholt werden, wenn diese den nächsten Fahrstreifen mitbenutzen. Deshalb kommen solche Lösungen aus Verkehrssicherheitsgründen und aus Gründen der Flüssigkeit des Busverkehrs nur ausnahmsweise, z. B. nur bei niedrigem regelmäßigem Busverkehr in Frage.

Sind auf einer Straße nur niedrige Kfz-Geschwindigkeiten (Tempo 30) zugelassen, so sind die unteren Breitenmaße der je Klasse angegebenen Spannbreite ausreichend. Bei höheren Geschwindigkeiten (Tempo 50) gelten die oberen Breitenangaben.

Auf Brücken und an exponierten Stellen sind wegen des Seitenwinds Breitenzuschläge zu berücksichtigen.

Verkehrsaufkommen

Schmale für Radfahrer geöffnete Busspuren sind dort vertretbar, wo
  • wenig Busse verkehren. Nach der VwV zur StVO rechtfertigt erst ein Verkehrsaufkommen von 15-20 Linienomnibussen / Spitzenstunde die Einrichtung eines Busfahrstreifens.
  • das Radverkehrsaufkommen einer Straße gering ist oder wenn auch andere, nicht benutzungspflichtige Führungen für den Radverkehr vorhanden sind (z. B. ein "anderer Radweg", ein Seitenstreifen oder ein Fußweg - "Radfahrer frei"), und deshalb ein Teil des Radverkehrs - vor allem die Ungeübten - die Busspur meiden kann.
Oft wird argumentiert, langsame Radfahrer behinderten schnellere Busse auf schmalen gemeinsamen Spuren. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Radfahrer die Busse an Haltestellen nicht überholen können und die gemeinsame Spur von dem haltenden Bus dadurch leer läuft, so dass der Bus anschließend zügig weiterfahren kann.

Damit es auf dem Sonderfahrstreifen selbst möglichst selten zu Konflikten zwischen Radfahrern und anderen Fahrzeugen kommt, sollen dort nach Möglichkeit nur Linienomnibusse, jedoch keine weiteren Kraftfahrzeuge (Taxi, Lkw) zugelassen werden.

Die Umsetzung

Entscheidung

Ob die in der Straßenverkehrsordnung verankerte Möglichkeit, Radverkehr auf Busspuren zuzulassen, im Einzelfall genutzt wird, hängt vom örtlichen Engagement ab. Die Initiative zur Einrichtung solcher Busspuren und zur Prüfung der Zulassung kann von Mitgliedern örtlicher Initiativen (z. B. Aktive des ADFC), den Verkehrsbetrieben, Mitarbeitern des örtlichen Straßenverkehrs- oder Stadtplanungsamts, von Politikern oder anderen interessierten Personen und Behörden ausgehen.

Die Prüfung und Anordnung der Zulassung des Radverkehrs auf Busspuren obliegt alleine der Straßenverkehrsbehörde. Die Verwaltungsvorschrift der StVO trägt jedoch der besonderen Bedeutung des ÖPNV dadurch Rechnung, dass die Freigabe von Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse im "Benehmen mit den Verkehrsunternehmen" erfolgen muss. Die Verkehrsbetriebe erhalten also jeweils die Möglichkeit, ihre Einwände bei der Straßenverkehrsbehörde vorzutragen.

Da eine Freigabe von Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse nicht flächendeckend möglich ist, sondern im Einzelfall entschieden werden muss, empfiehlt es sich
  • alle Busspuren aufzulisten,
  • die örtlichen Verhältnisse zu klären (benutzungspflichtiger Radweg vorhanden, Länge und Breite der Busspur),
  • die Busbelegung (Zahl der Busse in der Spitzenstunde/am Tag/am Wochenende) zu ermitteln und
  • geeignete Busspuren bzw. Streckenabschnitte auszuwählen, dafür einen Kennzeichnungsvorschlag zu machen und bei Bedarf ergänzende Maßnahmen vorzuschlagen (z. B. Änderung einer Fahrbahnmarkierung).

Alternativen

Wenn die Freigabe eines Sonderfahrstreifens zum gemeinsamen Befahren durch Radfahrer und Linienomnibusse sinnvoll erscheint, dieser aber aufgrund der örtlichen Verhältnisse nicht als Busspur (Z 245 StVO) gekennzeichnet werden soll oder wegen fehlender Einhaltung der erforderlichen Kriterien nicht gekennzeichnet werden kann, können alternative Beschilderungen gewählt werden.

So können auch Radwege (Radfahrstreifen) und Fahrradstraßen für Linienomnibusse freigegeben werden (Z 237 StVO oder Z 244 StVO + Zusatzzeichen 1024-14 oder 1026-32). Diese umgekehrte Vorgehensweise verbessert in erster Linie die rechtliche Situation für den Radverkehr. Busse dürfen einen solchen Sonderstreifen benutzen, müssen dies aber, im Gegensatz zu den mit Z 245 StVO gekennzeichneten Busspuren, nicht. Den Busfahrern ist also freigestellt, auch einen anderen geeigneten Fahrstreifen zu wählen oder zum Überholen von Radfahrern den gemeinsamen Fahrstreifen zu verlassen. Busse dürfen auf Radwegen nur "mäßig schnell" (Radfahrertempo, ca. 25 km/h) fahren.

Möglich sind auch Ausnahmeregelungen für Radverkehr und Linienomnibusse bei Sperrungen für den sonstigen Verkehr. So können Radfahrer und Busse beim Verbot der Einfahrt oder bei der Kennzeichnung von für den Fahrzeugverkehr gesperrten Fahrbahnen (Z 267 oder Z 250 StVO) durch Zusatzzeichen "Radverkehr / Linienomnibusse frei" ausgenommen werden. Eine weitere Lösung ist die Zusatzregelung "Linienomnibusse frei" bei einer für den Kfz-Verkehr gesperrten Fahrbahn (Z 260 und Zusatzzeichen).

Argumente zur Unterstützung

Da die Abmarkierung von Sonderfahrstreifen in der Regel zu Lasten der Fläche geht, die vom allgemeinen Kfz-Verkehr genutzt werden kann, kommt es häufig zu Widerständen gegen neue Sonderfahrstreifen. Es ist denkbar, dass gemeinsame Sonderfahrstreifen für Linienomnibusse und Radfahrer zu Lasten der Kfz-Fahrbahnen mit der geballten Durchschlagskraft von Radfahrerlobby und ÖPNV-Lobby leichter durchgesetzt werden können, als reine Radfahrstreifen oder reine Busspuren.

In stark frequentierten Innenstadtgebieten erscheint der Flächenbedarf für einen ausschließlich Linienomnibussen vorbehaltenen Sonderfahrstreifen häufig zu hoch, wenn dieser minuenlang unbenutzt ist und beispielsweise nur in der Hauptverkehrszeit alle drei oder fünf Minuten (dies entspricht 12 Bussen/h) befahren würde. So kann die Zulassung von Radverkehr auf Busspuren auch erst die Möglichkeit eröffnen, einen Sonderfahrstreifen überhaupt einzurichten.

Die Ausweisung von ausschließlich Bussen vorbehaltenen Sonderfahrstreifen kann zu Gefahren führen, wenn der Radverkehr statt auf dem Busfahrstreifen zwischen dem allgemeinen Fahrzeugverkehr und den Bussen geführt werden müßte. Erst die Zulassung von Radverkehr ermöglicht in solchen Fällen überhaupt die Anlage einer Busspur.

Quellen: BiS - Büro für Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung / Stadt Münster (Hg.): Gemeinsame Benutzung von Sonderfahrstreifen durch Bus- und Radverkehr, Köln/Bonn/Bocholt 1995.

Bouska, W.: Mehr Sicherheit und Attraktivität durch die Einführung der sog. "Radfahrer-Novelle" in: Moderne Radverkehrsanlagen und Fahrrad-Infrastruktur. Dokumentation Fachveranstaltung vom 13.12.96, Hg. Landeshauptstadt München, Büro Bürgermeister Hep Monatzeder.

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (Hg.): Empfehlungen für Radverkehrsanlagen. ERA '95. Ausgabe 1995. Köln.

Schneewolf, R.; J. Rieck; U. Schäfer: Beobachtung Busspuren. Teilgutachten (Manuskript) im Rahmen des Gemeinschaftsprojektes von IVU und KOMMUNALDATA 1990/92: Harmonisierung Fahrrad - ÖPNV. Im Auftrag der BVG. Berlin 1991 (unveröffentlicht).

VDV: Hinweise zur Umsetzung der Änderungen der StVO zur Förderung des Radverkehrs. Arbeitspapier. Stand Juni 1997.


Autoren: Tilman Bracher, Rainer Bier, Jörg Thiemann-Linden
 

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