bre. Noch vor Jahresfrist verkündete der neu gewählte SVP-Bundesrat Christoph Blocher anlässlich einer Veranstaltung der von ihm präsidierten Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz (Auns), dass er nach den Wahlen 2003 nicht als Bundesratskandidat zur Verfügung stehen werde. Inzwischen wurde er nicht nur als einziger Kandidat portiert, sondern ging gar als Sieger aus der historischen Wahl hervor. Mit grosser Genugtuung nahm die rund 41'000 Mitglieder, Gönner und Sympathisanten zählende überparteiliche Bewegung davon Kenntnis.
Da das Präsidium des Rechtsaussen-Stosstrupps mit dem Amt eines Bundesrats jedoch nicht vereinbar ist, wird Blocher von der Spitze dieser Organisation zurücktreten müssen. Dies bedeute einen herben Verlust, sagt deren vollamtlicher Geschäftsführer Hans Fehr gegenüber der NZZ.
In der Tat war es Christoph Blocher, der die Auns 1986 zusammen mit dem damaligen Berner FDP-Nationalrat Otto Fischer und weiteren Gegnern eines Beitritts zu den Vereinten Nationen gegründet hatte. Und Blochers politischer Aufstieg ist eng verknüpft mit dem von der Auns erfolgreich bekämpften EWR-Vertrag von 1992.
«Heimat für kompromisslose Patrioten»
Wie verkraftet die Auns Blochers Abgang? Wer in ihren Reihen nun lange Gesichter erwartet, sieht sich getäuscht. Ganz im Gegenteil: Längerfristig werde die Rolle der Auns gar bedeutungsvoller, erläutert Fehr, der für die Zürcher SVP im Nationalrat sitzt. Seine Einschätzung der Lage gründet auf der Tatsache, dass die nunmehr mit zwei Bundesräten in die Landesregierung eingebundene SVP wohl vermehrt zu Kompromissen Hand bieten müsse.
Wer konsequent gegen die Öffnung der Schweiz eintritt, kann sich laut Fehr möglicherweise nicht mehr hundertprozentig von der SVP vertreten fühlen. Deshalb stelle die Auns eine Alternative zur Bundesratspartei dar. Nach den Worten des Geschäftsführers wird die überparteiliche Bewegung - als solche möchte er sie wahrgenommen haben - zur «letzten politischen Heimat für kompromisslose Patrioten» in Fragen der Unabhängigkeit und Neutralität.
Dieses - und nur dieses - aussen- und sicherheitspolitische Feld gedenkt die Auns auch in Zukunft zu bearbeiten. «Schuster, bleib bei deinem Leisten», bemerkt Fehr hierzu. Man wolle sich nicht verzetteln und zur Partei mutieren, welche zu einer Vielzahl von politischen Themen Stellung beziehen müsse. Angesprochen auf die Tatsache, dass gerade er von der SVP-Parteileitung die Aufgabe übernommen hat, für die Beibringung der notwendigen 50'000 Unterschriften gegen die Mutterschaftsversicherung zu sorgen, will Fehr klargestellt wissen, dass er dies als SVP-Nationalrat tue und nicht als Auns-Geschäftsführer.
Papabili für Blochers Nachfolge
Von den Auns-Gremien noch nicht beschlossen ist das weitere Prozedere betreffend Nachfolge des zurücktretenden Präsidenten Blocher. Als mögliche Variante wird eine Interimslösung mit den Vizepräsidenten angestrebt. Zurzeit sind dies der Walliser Jean-Dominique Cipolla und der neu gewählte Schwyzer SVP-Nationalrat Pirmin Schwander. Das Präsidium wird an der nächsten Mitgliederversammlung im Mai 2004 in Bern wiederbesetzt.
Das präsidiale Anforderungsprofil umfasst zwei Punkte: Der Neue soll Einsitz im Bundesparlament haben und in seiner Meinungsbildung weitestgehend unabhängig sein. Wer als Nachfolger Blochers in Frage kommt, zeigt ein Blick in das Auns-Mitteilungsblatt «Grauer Brief» vom vergangenen September. Im entsprechenden Rating der linientreuen Parlamentarier tauchen so bekannte Namen wie Christoph Mörgeli, Ulrich Schlüer, J. Alexander Baumann, Toni Bortoluzzi, Ulrich Giezendanner oder Marcel Scherer auf - allesamt Mitglieder der SVP.
Obwohl von Christoph Blocher in der Vergangenheit Wert darauf gelegt worden ist, dass seine Vizepräsidenten aus anderen Parteien (vornehmlich der FDP) stammen, ist die Personaldecke diesbezüglich um einiges dünner. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die ehemaligen Freisinnigen Luzi Stamm und Christian Miesch zur SVP übergelaufen sind. Bleiben folgende drei FDP-Nationalräte, die nach Einschätzung der Auns eine klare Politik zugunsten der Unabhängigkeit und Neutralität - sprich gegen den EU-Beitritt - betreiben: Philipp Müller (Aargau), Walter Müller (St. Gallen) sowie der omnipräsente Zürcher Filippo Leutenegger. Ohne bisher offiziell angefragt worden zu sein, erklärte dieser allerdings unlängst, dass er für das Amt nicht zur Verfügung stehe. - Ob Fehrs Vision der Auns als Stachel in der Konkordanz Realität werden wird oder nicht, ist schon jetzt klar: Eine Person von ähnlichem politischem Profil und Überzeugungskraft wie Blocher ist weit und breit nicht in Sicht.
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