archäologisch: Keine Experimente!

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Qualitätssicherung für Museumspädagogik?

 

Um es vorweg zu sagen, ich bin für Museumspädagogik, auch wenn dies in den folgenden Ausführungen vielleicht nicht immer offensichtlich ist. Ich bin für die spielerische Umsetzung und den Lerneffekt, den gute Museumspädagogik haben sollte. Die Museumspädagogik kann im Idealfall Besuchern -und damit meine ich nicht nur zwangsrekrutierte Schulklassen auf Wandertag- Vergangenheit zeigen, anschaulich machen und vielleicht sogar begreifbar und begreiflich machen. So weit so gut, mag sich der geneigte Leser denken, aber wann tritt schon der Idealfall ein? Bei motivierten Mitarbeitern, motivierten Schülern, Lehrkräften, bei schönem Wetter im Freilichtmuseum? All diese Faktoren tragen sicherlich zu einer gelungenen session bei wie jeder, der sich einmal auf dem Feld der Museumspädagogik versucht hat, vermutlich bestätigen wird. Interessant wird die Sache jedoch, wenn wir versuchen einmal Qualitätsmaßstäbe an die Museumspädagogik anzulegen.

museumspaedagogik


Dies kann auf mancherlei Arten und mancherlei Anknüpfungspunkten geschehen: An die Art und Weise der Vermittlung, fachliche, pädagogische und menschliche Qualifikation derer die vermitteln und nicht zuletzt an die Qualität und Authentizität Materialien, die bei museumspädagogischen Vorführungen, Mitmachtagen etc. verwendet werden.

Also, verweilen wir ein wenig bei der Frage ...wie bring ich's meinen Kindern bei...
 

Ein Experiment?

Immer wieder gerne genommen ist da der große bunte Bereich des Bastelns & Bauens, Backens und Töpferns. Lassen wir also vor unserem geistigen Auge die Angebote uns bekannter Museen und Institutionen vorbeiziehen. Was sehen wir? Brotbacken, Tonperlenbacken, Feuersteinschlagen und so weiter und so fort. Betrachtet man die Broschüren zum Thema fällt einem dabei häufiger das Wort experimentelle Archäologie ins Auge. Ein Wort, das vielen Kollegen in der Archäologie, egal ob sie sich damit nun tatsächlich beschäftigen oder nicht, sehr fließend über die Lippen geht. Ein Fall für die Qualitätssicherung? Qualitativ hochwertige Produkte erkennt man häufig am Namen. Doch paßt der Name oder Begriff experimentelle Archäologie, wenn wir mit Horden von nöligen Schülern und ihren meist schlecht vorbereiteten Lehrern uns an einem Montagmorgen um 8.30 Uhr im Feuerschlagen versuchen und uns bemühen auch noch dem motorisch ungeschicktesten beizubringen wie ein Handbohrer funktioniert und wie man Wolle spinnt? Eher nicht. Ähnlich äußert sich hierzu Martin Schmidt vom Freilichtmuseum Oerlinghausen in einem Artikel, wenn er schreibt:

    Selbst die banalste praktische Tätigkeit wird als Experiment gefeiert. Der laxe Umgang mit der Begrifflichkeit (des Experimentes) erscheint ähnlich unangemessen, als würde man jede Autofahrt zu seinem Arbeitsplatz als Testfahrt verkaufen. (Schmidt 2000: 81).

Schmidt bemängelt neben dem lockerten Umgang mit den Begrifflichkeiten Experiment, experimentell, etc. auch die Qualität der Werkzeuge und der Materialien, die in der Museumspädagogik teilweise zum Einsatz kommen: Pappdeckel, Paketschnur und bunte Lederreste. Doch neben all diesen unerfreulichen Dingen die meist bei Schulklassen Anwendung finden, sollte man die bunte Riege derer nicht aus den Augen verlieren, die Kurse und Programme für Kinder und Erwachsene anbieten. Es werden ihrer immer mehr und das nicht nur im musealen Mutterschoß, sondern auch auf dem privaten freien Markt. Ein gerade zu inflationäres Auftreten von archäologischen Bastelpogrammen, archäologischen Kindergeburtstagsfeiern, Betriebsausflügen etc.

Auch hier erscheint es mir wichtig noch einmal den Gedanken von Martin Schmidt aufzugreifen, ist Museumspädagogik experimentelle Archäologie? Und wenn nicht, verdient das was man auf -zugegebenermaßen höherem Handwerklichen Niveau- mit Erwachsenen töpfert, bastelt und baut diesen Begriff? Ich denke nein. Es geht bei den meisten Kursen dieser Art um das Erlernen oder schlichtes Ausüben von prähistorischem oder mittelalterlichen Handwerk.

Erinnern wir uns an die Definition eines Experimentes:

    Eine planmäßig veranstaltete Beobachtung durch die etwas entdeckt, bestätigt oder gezeigt werden soll.

Legt man dies zugrunde werden wohl nur einige Veranstaltungen mit dem Begriff Experiment zu versehen sein. Doch erscheint mir dies nur eine Marginalie zu sein.
 

Der Sinn ist?

Was, so fragt man sich, soll denn bei all den Veranstaltungen eigentlich vermittelt werden? Fachwissen? Die Gewißheit, daß es in der Steinzeit echt schwer war und wir es heute saubequem haben? Sicherlich etwas von allem. Veranstaltungen solcher Art sollten aber auch im besten Fall dazu dienen, daß was man vielleicht zuvor im Museum gesehen oder in einer Einführung gehört hat zu verarbeiten, erfahrbar zu machen. Doch dazu gehört mehr als das Vorführen oder Erlernen von Techniken und das Steinzeit -zum- selber- machen um jeden Preis. Schmidt führt das Problem weiter und fragt sich, warum methodisch-theoretische und sozialgeschichtliche Themen in der Museumspädagogik eigentlich ein solch stiefmütterliches Dasein fristen (Schmidt 2000: 83). Das gleiche gilt für die bereits erwähnten Programme für Erwachsene. Eigentlich schade, wenn man bedenkt, daß Leben in vergangener Zeit eben nicht nur aus Silberschmiedetechniken, Bogenschießen und Töpfern bestand.
 

ex und hopp

Qualitätssicherung für Museumspädagogik? Ja, auf alle Fälle, aber besonders und in verschärftem Maße für all das, was sich sonst noch so auf dem Markt tummelt und in den oben genannten Bereichen aktiv ist. Doch seien wir nicht allzu betrübt, wenn der hier ausgesprochene Wunsch nur ein Wunsch bleibt: Im Gegensatz zur Museumspädagogik, die durch ihr meist schulisches Klientel und die Ansiedlung in der Institution Museum eben nicht, oder zumindest bislang nicht, allzu schmerzhaften Regulationen des freien Marktes unterliegt, ist die Situation für die Privaten Anbieter eine ganz andere...der Markt mendelt todsicher Altes und Langweiliges auf Dauer weg.
 

Schmidt, M. (2000): "Museumspädagogik ist keine experimentelle Archäologie", in: Experimentelle Archäologie und Museumspädagogik, Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 20: 81-89.

heiho

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© archäologisch - Erstveröff. 16.02.2001
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