Mittwoch, 03.10.2007
Seeeis Absturz 2007
Viele haben schon davon berichtet: 2007 hat alle Rekorde in der Arktischen Seeeis Bedeckung gebrochen, und zwar in einer wirklich erstaunlichen Art und Weise. Die erste Figur zeigt den historischen Seeeis-Bedeckungsdatensatz vom Bill Chapman (NSIDC and University of Illinois, Chicago) für die Sommer Monate. Die Beobachtungen beruhen erst seit ca. 1978 auf soliden Satelliten Datensaetzen. Trotzdem, ein Blick auf Figur 1 genügt und es ist klar, dass 2007 ein ungewöhnliches Ereigniss ist.
Figur 1: Historische Seeeisbedeckung basierend auf den NSIDC Daten.
Versucht man es statistisch ein wenig präziser zu beschreiben, kann man die Streuung um die obige Mittelkurve mal als einen statistischen Prozess beschreiben. Wie man in Figur 2 sieht, ähnelt die Streung um den geglätteten Trend (oben) einer sogenannten Gausskurve mit einer Varianz von sigma=0.3. Wäre das Ereigniss 2007 innerhalb dieser stationären Statistik zu beschreiben, würde es sich nur alle paar 100 Millionen Jahre (Rückkehrzeit) ereignen. Ein unsinniges Ergebnis offensichtlich. Es belegt, dass etwas Ungewöhnliches 2007 passiert ist, und dass der Klimawandel eben nicht nur die langjährigen Trends (rote Kurve Figur 1) beeinflusst, sondern auch die Streuung um diese Trends herum.
Figur 2: Wahrscheinlichkeitsverteilung der Seeeisdaten um den langjährigen Trend herum. 2007 ist ausserhalb einer vernünftigen statistischen Beschreibung basierend auf den bisherigen Daten.
Was bedeuted das für den zukünftigen Klimawandel? Sicher ist es verfrüht aufgrund eines Ereignisses die Klimamodelle zu verwerfen. Klar ist aber, dass der momentane Trend, so nicht von den Modellen erfasst wird, und schon gar nicht so ein Ereigniss wie 2007.
Figur 3: Vergleich der arktischen Seeeisbedeckung von Modellensemble Rechnungen mit der beobachteten Bedeckung bis 2007 einschliesslich. Adaptiert von Stroeve et al.
Meine Kollegin Valerie Masson-Delmotte hat zB in Figur 3 in die Graphik von Stroeve/Holland, die bereits ein Auseinanderdriften der von den Modellen berechneten und der beobachteten Seeeisbedeckung anzeigt, das Ereignis 2007 miteingetragen. Die meisten Modelle zeigen ein Verschwinden des Sommer-Seeeises erst um das Jahr 2070 herum an. Und wenn dann doch alles viel schneller geht?
Hier noch ein paar Links zum Thema:
NYT
Realclimate
Kommentare
Wie aus Eisbohrkernen bekannt, haben sich Temperatursprünge von Kaltzeiten innerhalb von wenigen Jahrzehnten ereignet. Meine Frage: Hat es auch so rasche Temperatursprünge zu Warmzeiten hin gegeben?
(Eem-Warmzeit Erdmitteltemperatur ca. 16°C)
Ich glaube nicht, dass man das (schnelle Wechsel zu Kalt und nur langsame zu Warm) so sagen kann. Der Aufbau der Eisschilde dauert sicher sehr lange (mehr als 30.000 Jahre) und ihr Abbau geht relativ schnell (das meiste passiert in ein paar 1000 Jahren), trotzdem sind beide Prozesse auf menschlicher Skala nicht wirklich "schnell". Schnelle Prozesse sind zB die sog. Millenäre Variabilitaet im Nordatlantik während des Glazials. Diese hat einen relativ langsamen und kontinuierlichen Abfall und dann einen abrupten (Groessenordnung vieleicht 50 Jahre) Anstieg. Es sind im Nordatlantik also gerade die Aenderungen zu waermeren Phasen abrupt. Siehe zB hier:
http://www.nature.com/nature/journal/v431/n7005/fig_tab/nature02805_F2.html
Der Seeeis Absturz 2007 mag ja bezogen auf die beobachtete letzten 30 Jahren schon ungewöhnlich sein, aber was wissen wir über das Seeeis in den warmen 20ger Jahren oder im Mittelalter oder zur Römerzeit? Liegt nicht die Vermutung nahe, dass Änderungen in Meeresströmungen ein deutlich größeres Wirkungspotenzial haben als eine Temperaturerhöhung von 0,6K?
Die letzen 30 Jahre sind per Satellite beobachtet. Davor gibt es immerhin Beobachtungen vor Ort, die zwar schwaer auf die gesamte Arktis zu extrapolieren sind, immerhin nahemegen, dass nicht wie 200 in den 20er Jahren schon einmal vorher passiert ist. Fuer noch weiter zurueckliegende Zeiten kann man wahrscheinlich nicht viel sagen. Hier noch eine interessante Analyse der Seeeisdaten in der Nord und Suedhemisphaere.
http://tamino.wordpress.com/2007/10/08/sea-ice-north-and-south-then-and-now/