HGB § 348; BGB § 343

HGB § 348; BGB § 343

II. Zivilsenat, Urteil vom 13. Februar 1952 [ 13.02.52 ] i. S. H. (Kl.) w. H. (Bekl.)

II ZR 91/51

I. Landgericht Essen

II. Oberlandesgericht Hamm

 

Unter ganz besonderen Umständen kann, auch ohne daß § 348 HGB gegeben ist, die Herabsetzung einer vereinbarten Vertragsstrafe ausgeschlossen sein.

Die Parteien, Brüder, beendeten ein zwischen ihnen schwebendes Verfahren wegen einer einstweiligen Verfügung durch Vergleich vom 12. Juli 1950, der bis zum Erlaß des landgerichtlichen Urteils ihres Hauptprozesses gelten sollte. Dieses Urteil erging am 6. September 1950. In dem Vergleich verpflichteten sich die Beklagten, keine Kaffeehandelsgeschäfte in Westfalen, und der Kläger, keine derartigen Geschäfte im Rheinland zu tätigen. Beide Teile verpflichteten sich, »bei Verletzung einer der aufgeführten Verpflichtungen eine Vertragsstrafe von 10 000 DM zu zahlen«. Der Kläger verlangt unter der Behauptung, daß die Beklagten nach dem 12. Juli 1950 Kaffee laufend in Westfalen verkauft hätten, Zahlung der Vertragsstrafe. Wegen des Sachverhältnisses im einzelnen wird auf das Urteil des Senats in der Sache II ZR 88/51 *) verwiesen. Das Landgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner hierzu verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Vertragsstrafe auf 2 500 DM herabgesetzt, demgegenüber die von den Beklagten erklärte Aufrechnung durchgreifen lassen und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Verurteilung zur Zahlung von 7500 DM und wegen der Aufrechnungserklärung im übrigen zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen:

I.

Bei Abschluß des Vergleichs stritten die Parteien unter anderem darüber, ob den Beklagten jede geschäftliche Tätigkeit im Gebiet der früheren Provinz Westfalen verwehrt sei oder ob sie in diesem Gebiet nur unter ihrem Namen keine Kaffeegeschäfte treiben dürften. Diesen Streitpünkt legten sie für die Dauer des Vergleichs dahin bei, daß sich die Beklagten verpflichteten, keine Kaffeegeschäfte in Westfalen zu tätigen, unter welcher Firma auch immer dies geschehen möge. Das Berufungsgericht stellt rechtlich einwandfrei fest, daß die Beklagten hiergegen verstoßen und dabei schuldhaft gehandelt haben.

II.

Das Berufungsgericht hat an sich recht, wenn es die Voraussetzungen des § 348 HGB als nicht gegeben erachtet. Denn die Beklagten haben die Vertragsstrafe weder als Kaufleute versprochen noch ein Handelsgewerbe betrieben, in dem sie die Vertragsstrafe hätten versprechen können.

a) Die Beklagten waren zwar Kaufleute, als sie am 29. August 1949 die offene Handelsgesellschaft mit dem Kläger auflösten und das Wettbewerbsverbot vereinbarten. Entgegen der Ansicht der Revision hatten sie diese Eigenschaft aber nicht in bezug auf die von ihnen gegründete Columbus-Kaffee-GmbH. Denn das einzelne Mitglied einer solchen Gesellschaft und ihr Geschäftsführer sind keine Kaufleute, da die GmbH, die juristische Person, die Inhaberin des Handelsgewerbes ist (RGZ 85, 383; 120, 303; Würdinger in RGR Kom z HGB 2. Aufl. § 1 Anm. 13).

b) Es kommt auch gar nicht darauf an, daß die Beklagten bei Abschluß des Vergleichs, also bei Zusage der Vertragsstrafe, die beiden alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Columbus-Kaffee-GmbH waren. Denn sie haben den Vergleich nicht in dieser Eigenschaft, sondern für sich persönlich geschlossen; nur gegen sie persönlich war auch das Verfahren über die einstweilige Verfügung gerichtet.

c) Persönlich betrieben die Beklagten zur Zeit des Vergleichsschlusses nur mit ihrem Spirituosenhandel ein Handelsgewerbe. Nur insoweit nahmen sie persönlich am Umsatzverkehr teil und waren sie Kaufleute. Entgegen der Ansicht der Revision war darum die Zusage der Vertragsstrafe für sie aber noch kein Handelsgeschäft, denn sie bezog sich nicht auf ihren Spirituosenhandel. § 343 Abs 3 HGB bestimmt zwar, daß die im § 1 Abs 1 HGB bezeichneten Geschäfte auch dann Handelsgeschäfte sind, wenn sie von einem Kaufmann im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewerbes geschlossen werden. Ein gerichtlicher Vergleich gehört aber nicht zu den Grundhandelsgeschäften. Nach § 344 Abs 1 HGB gelten allerdings die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. Die von der Revision befürwortete Anwendung dieser Bestimmung scheitert aber daran, daß der Vergleich offensichtlich keine Beziehung zu dem Spirituosenhandel der Beklagten hat. Es bedarf daher nicht noch der Aufklärung, ob dieser Handel über den Umfang des Kleingewerbes hinausgeht (§§ 4, 351 HGB).

d) ...

e) Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, daß sich die Beklagten deshalb als Kaufleute behandeln lassen müßten, weil sie bei dem Vergleich als Kaufleute aufgetreten seien. Daß sie im Kopf des gerichtlichen Vergleichsprotokolls als Kaufleute bezeichnet worden sind, erklärt sich daraus, daß sie der Kläger in seinem Antrag als Kaufleute angesprochen hat, und kann darum nicht dahin gedeutet werden, sie seien bei Abschluß des Vergleichs ihrerseits als Kaufleute aufgetreten. Wäre dies aber der Fall, so könnte sich der Kläger hierauf nicht berufen, da er die tatsächlichen Verhältnisse gekannt hat. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob eine Vertragsstrafe dann nicht ermäßigt werden darf, wenn der Versprechende im Rechtsverkehr als Kaufmann aufgetreten ist, oder ob einer derartigen Anwendung des § 348 HGB die zwingende Vorschrift des § 343 BGB entgegensteht (vgl. dazu Hefermehl im HGB Kom § 348 Anm. 9).

III.

Gleichwohl durfte die Vertragsstrafe nicht herabgesetzt werden. § 343 BGB ist allerdings eine Vorschrift zwingenden Rechts, die noch dazu dem sozialen Schutz des Strafschuldners dient; der Nichtkaufmann kann daher grundsätzlich nicht auf die Herabsetzbarkeit der versprochenen Strafe verzichten. Auch ist von Gesetzes wegen (§ 348 HGB) die Strafherabsetzung nur dann ausgeschlossen, wenn ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes die Vertragsstrafe versprochen hat. Richtig ist auch, daß diese Voraussetzungen im Zeitpunkt des Vertragsstrafenversprechens gegeben sein müssen: Schließlich ist zuzugeben, daß die Beklagten während der Vergleichsdauer der Rechtsform nach nicht persönlich am Kaffeehandel in Westfalen teilgenommen haben und daß dies an sich die Columbus-KaffeeGmbH getan hat. Auf all das können sich aber die Beklagten wegen der besonderen Lagerung des Falles nicht berufen.

In der Sache II ZR 88/51 hat das Berufungsgericht den Auseinandersetzungsvertrag vom 29. August 1949 dahin ausgelegt, der Kaffee-Großhandel in Westfalen habe den Beklagten auch dann verboten sein sollen, wenn sie unter einem anderen Namen als ihrem Familiennamen, als Gesellschafter einer GmbH oder auch nur als Geschäftsführer für ein fremdes Unternehmen aufträten. Der erkennende Senat hat dort in seinem Urteil ausgeführt, daß diese Auslegung rechtlich nicht zu beanstanden sei. Das Wettbewerbsverbot, das in dem Vergleich vom 12. Juli 1950 durch eine Vertragsstrafe gesichert wurde, traf daher die Beklagten schon in Auswirkung eines Vertrages, den sie als Kaufleute geschlossen hatten, und nicht erst auf Grund des Vergleichs. Es verbot ihnen jede Teilnahme am Kaffee-Großhandel in Westfalen, in welcher Rechtsform sie sich daran auch beteiligen sollten. Das wurde in dem Vergleich für die Dauer seiner Geltung ausdrücklich klargestellt und durch die Zusage einer Vertragsstrafe bekräftigt. Entgegen der Annahme der Revision geht es zwar nicht um eine Umgehung des Wettbewerbsverbots, sondern um seine Einhaltung in demjenigen Teil, der den Beklagten Kaffee-Großhandel in Westfalen als Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH fremden Namens untersagte, ganz abgesehen davon, daß nicht festgestellt ist, daß die Beklagten die Columbus-Kaffee-GmbH zu dem Zweck gründeten, das Wettbewerbsverbot zu umgehen. Aber wenn auch die Beklagten persönlich nicht dadurch am Umsatzverkehr teilnahmen und ein eigenes Handelsgewerbe betrieben, daß sie namens der Columbus-Kaffee-GmbH Kaffeegeschäfte vornahmen, so hatten sie sich doch zur Unterlassung derart mittelbaren Wettbewerbes verpflichtet. Es handelte sich dabei um eine Betätigung auf dem Gebiete des Handelsverkehrs, mochten die Beklagten dafür auch äußerlich nicht die Form persönlicher Teilnahme am Umsatzverkehr und den Betrieb eines eigenen Handelsgewerbes, sondern die Rechtsform einer GmbH anderen als ihres eigenen Namens wählen. Bei dem Vergleich ging es darum, durch eine Vertragsstrafe abzusichern, daß die Beklagten persönlich jedenfalls für die Dauer des Vergleichs nicht wieder diese mittelbaren Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot begingen. Mit Recht sieht das Berufungsgericht als Inhalt des Vergleichs an, daß die Beklagten dafür geradestehen wollten und sollten, daß die unter ihrer Geschäftsführung stehende GmbH für die Vergleichsdauer keine Kaffeegeschäfte in Westfalen vornehmen werde. Der Kläger hat sich am 12. Juli 1950 in Wiederholung seiner Zusage vom 29. August 1949 für die Vergleichsdauer verpflichtet, keine Geschäfte im Rheinland zu tätigen, und zur Einhaltung dieser Verpflichtung auch seinerseits eine Vertragsstrafe von 10 000 DM zugesagt; er gab diese Zusage als Kaufmann, sie war für ihn unweigerlich Handelsgeschäft, er könnte daher nicht Herabsetzung der von ihm versprochenen Vertragsstrafe verlangen, wenn er sie verwirkt haben würde. Der Vergleich enthält nur in der Gebietsabgrenzung verschiedene, sonst jedoch wörtlich übereinstimmend gefaßte Wettbewerbsverbote, und auch in den beiderseitigen Vertragsstrafenversprechen eine völlige Gleichstellung der Parteien. Schon der Gesellschaftsvertrag vom 2. September 1947 sah ein wenn auch andersartiges Wettbewerbsverbot vor und sicherte seine Einhaltung durch eine Vertragsstrafe von 10 000 RM. Die Parteien schlossen den Vergleich vor Gericht und durch ihre Anwälte. Des Schutzes vor unbedachtem Handeln bedürfen die Beklagten darum nicht. Unter allen diesen Umständen widerspricht es dem Sinn des Gesetzes und der Gerechtigkeit, den § 348 HGB nicht anzuwenden und den Beklagten die Berufung auf § 343 BGB zu verstatten (es folgen Ausführungen zur Aufrechnungsfrage).