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Die Reformation



Lateinisch: reformatio - Umgestaltung, Erneuerung
Bezeichnung des Zeitabschnitts und der Bewegung innerhalb der christlichen Kirche, die am Anfang des 16. Jahrhunderts ausgehend von Martin Luther die Vorherrschaft des Papstes in der westlichen Kirche beendete und zur Gründung protestantischer Kirchen führte.

Ursachen

Das Reich als die politische Organisationsform Deutschlands um 1500 war von einem Dualismus, der zwischen Kaiser und Ständen herrschte, bestimmt. Auch durch eine Reichsreform und die einberufenen Reichstage konnte er nicht aufgehoben werden. Politisch standen also Zentralgewalt und erstarkende Territorialgewalt in Deutschland einander gegenüber.
Während in den Städten die Einwohnerzahlen eher zurückgingen, war ein Zuwachs der Landbevölkerung zu verzeichnen. Die Bauern waren abhängig von der Grundherrschaft, was den Boden für soziale Spannungen bereitete.

Das Abendländische Schisma, im 14. Jahrhundert hervorgerufen durch das Avignonische Exil, hatte dem Ansehen der Kirche geschadet und forderte eine Auseinandersetzung um die Gültigkeit päpstlicher Macht heraus. Trotz ihrer Zielsetzung, der Umstrukturierung der kirchlichen Hierarchie, verliefen die daraufhin einberufenen Reformkonzilien (Konstanzer Konzil, 1414-1418 und Basler Konzil, 1431-1449) ergebnislos.

Das Papsttum erlebte in den Jahrzehnten nach den Konzilien einen Niedergang. Doch war das geistige Klima Deutschlands zwar rom- aber nicht kirchenfeindlich. Wallfahrt, Wunderglauben, Reliquienkult, Heiligenverehrung und Marienfrömmigkeit sowie kirchliches Stiftungswesen nahmen einen festen Platz im religiösen Leben der Menschen ein.

Ein Ausdruck des verstärkten Hervortretens nationalkirchlicher Bestrebungen war das Konkordat zwischen dem König und dem Papst in Frankreich, das 1516 die französische Kirche dem König unterstellte.

Bereits im 14. Jahrhundert hatte der englische Philosoph und Theologe John Wyclif scharfe Angriffe gegen das Papsttum, gegen den Ablasshandel, gegen Pilgerfahrten und gegen die Heiligenverehrung gerichtet. Er übersetzte die Bibel ins Englische und predigte in der Landessprache, um die Botschaft der Bibel dem Volk zugänglich zu machen. Die Lehren Wyclifs wurden in Böhmen von Jan Hus aufgenommen und weiterentwickelt. Zum Häretiker erklärt, wurde er 1415 vom Konstanzer Konzil zum Tod verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dies zog eine Folge weiterer Inquisitionsprozesse nach sich.

Während der italienischen Renaissance begann eine Neubesinnung. Sie trug dazu bei, dass der forschende Blick nun auf die Welt gerichtet war, die als vom Menschen gestaltbar und wandelbar erfahren wurde. Objekt und Ziel der Studien war der Mensch. Auskunft über ihn suchten die Gelehrten der Renaissance in antiker Kunst und Sprache zu finden.

Diese geistigen Impulse und besonders die Leitgedanken, die die Wichtigkeit der Sprachenkenntnis betonten, waren es, die den Humanismus bestimmten. Er löste die mittelalterliche Scholastik als herrschende philosophische und theologische Richtung Westeuropas ab. Dadurch verloren die Geistlichen ihr Monopol auf Studium und Lehre, das sie bis dahin innegehabt hatten, und Nichtkleriker begannen, sich mit der antiken Literatur zu beschäftigen. Gelehrte wie der italienische Humanist Lorenzo Valla kritisierten Bibelübersetzungen und andere Schriften, welche die Grundlage der kirchlichen Lehre und Überlieferung bildeten.

Außerhalb Italiens waren es vor allem Erasmus von Rotterdam in den Niederlanden, John Colet und Thomas Morus in England, Johannes Reuchlin in Deutschland und Jacques Lefèvre d?Étaples in Frankreich, die unter Nutzung des neuen Wissens die Kirchenpraxis der Untersuchung unterzogen. Ihr Anliegen, eine genauere Kenntnis der Heiligen Schrift zu erlangen, wurde zur Grundlage der Kritik, die Martin Luther, Johannes Calvin? und andere Reformatoren an der Kirche übten. Sie betrachteten allein die Bibel als Quelle religiöser Autorität. Entscheidend für die Verbreitung neuer Ideen und des Schrifttums war die Erfindung des Buchdrucks. Neben der humanistischen Pädagogik führte die deutsche Mystik zur Verinnerlichung des religiösen Lebens.

In den durch wirtschaftliche Neuorientierung erblühenden Städten etablierte sich ein erstarkendes Bürgertum. Die großen Entdeckungen jener Zeit erweiterten das geographische Vorstellungsvermögen.

Deutschland und die lutherische Reformation

Als im Herbst 1517 Martin Luther seine 95 Thesen, in denen er Theorie und Praxis des Ablasshandels kritisierte, veröffentlichte, hatte er den ersten Schritt über die theologischen Fundamentalfragen hinaus in den Bereich der kirchlichen Praxis unternommen. Damit war der Weg zu einer weiterführenden Kirchenkritik geebnet.

Die päpstlichen Behörden befahlen Luther, sich der kirchlichen Gewalt zu unterwerfen. Er fuhr jedoch fort, sich für Reformen einzusetzen. Luther übte Kritik an der Papstkirche, dem System der Sakramente und hielt daran fest, dass der Glaube des Einzelnen auf der Bibel basieren müsse. 1518 wurde der Prozess wegen Verbreitung neuer Lehren und Verdachts der Ketzerei eröffnet. In einem theologischen Streitgesräch mit Johannes Mayer, genannt Eck, verteidigt Luther 1519 in Leipzig seine Ideen (Leipziger Disputation). Nach einem ersten Verhör in Augsburg folgte im Juni 1520 die Bannandrohungsbulle. Luther verbrannte sie nach ihrem Eintreffen vor seinen Studenten in Wittenberg. Dieser Akt war ein Symbol des endgültigen Bruches mit der Papstkirche. Die Bannbulle von 1521 bewirkte die endgültige Exkommunikation.

Im April 1521 musste sich Luther vor Kaiser Karl V., Fürsten und Vertretern der Kirche auf dem Wormser Reichstag verantworten. Da er sich weigerte, seine Thesen öffentlich zu widerrufen, wurde über ihn die Reichsacht (Wormser Edikt) verhängt.

Der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise nahm seinen Professor in Schutz. In der Zeit der Zurückgezogenheit auf der Wartburg übersetzte der Reformator das Neue Testament ins Deutsche und verfasste Schriften, in denen er seine Grundsätze darlegte.

Längst hatten Luthers Ideen ihre Anhänger gefunden. Mönche verließen ihre Klöster, Priester lösten sich vom Zölibatsgelübde. In Wittenberg lösten die kompromisslosen Forderungen von Andreas Bodenstein (genannt Karlstadt), der sich an die Spitze der Wittenberger Reformation gestellt hatte, Unruhen aus. Luther stellte sich einem radikalen Vorgehen entgegen. Er beurteilte die Spiritualisten, die jegliche Bindung des göttlichen Geistes an Bibelwort und Sakramente leugneten, als "Schwärmer".

Diejenigen, die an der althergebrachten Ordnung festhielten, d. h. der Kaiser, die meisten Fürsten und der höherrangige Klerus, unterstützten die Papstkirche. Die lutherische Lehre dagegen wurde von den norddeutschen Fürsten, dem niederen Klerus, Kaufleuten und großen Teilen der Bauernschaft befürwortet. Sie sahen in den Veränderungen ihre Chance zur größeren religiösen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Zwischen 1521 und 1525 trug die steigende Zahl von Flugschriften zur Verbreitung der reformatorischen Ideen bei.

Schon früh hatte es Bauernunruhen gegeben, doch sollte erst der Bauernkrieg (1524-1526) zu einer weit greifenden Bewegung werden, die im Wirken Thomas Müntzers ihren Höhepunkt und 1525 bei Frankenhausen ein jähes Ende fand. Der Aufstand war für die Bauern ein Versuch, ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Dabei erhofften sie die Befreiung von bestimmten Diensten, zu denen sie ihren geistlichen und weltlichen Herren gegenüber verpflichtet waren. Die Aufständigen übernahmen verstärkt reformatorisches Gedankengut und die religiöse Sprache zur Formulierung ihrer Wünsche.

Die Bauern waren nicht die Ersten, die sich gegen die bestehende Ordnung zur Wehr setzten. Schon unter den Reichsrittern hatte sich Widerstand gegen kaiserliche und kirchliche Bevormundung geregt. Franz von Sickingen kämpfte bis zu seinem Tod 1523 für die Durchsetzung einer Reichsreform und für die Konsolidierung des Rittertums.

Nach Ende der Bauernunruhen spitzte sich der Konflikt zwischen Lutheranern und Katholiken zu. Die Reichstage (Nürnberg 1522 und 1526, Speyer 1524) endeten ohne Entscheidung über die Durchsetzung des Wormser Edikts. Letztlich erbrachte der Reichstag in Speyer 1526 einen Kompromiss. Die deutschen Fürsten sollten sich frei für die Lehre Luthers entscheiden können. Drei Jahre darauf wurde der Reichstag erneut einberufen, und die päpstliche Kirche erklärte diese Übereinkunft für ungültig. Die Minderheit der evangelischen Stände verfasste dagegen eine Protestation. Damit wurde das öffentliche Zeugnis für die in Worms verurteilte Sache zum Charakteristikum der reformatorischen Bewegung, und diejenigen, die aus dieser Erneuerungsbewegung der christlichen Kirche hervorgingen, wurden als Protestanten bezeichnet.

Philipp Melanchthon verfasste 1530 das Augsburger Bekenntnis, eine zusammenfassende Darstellung der Lehre Luthers. Es wurde auf dem Augsburger Reichstag vorgetragen und danach zur theologischen Grundlage der neuen lutherischen Kirche. Ein gesamtprotestantisches Bekenntnis allerdings konnte es nach dem Scheitern des Marburger Religionsgespräches 1529 zwischen den hinsichtlich der Abendmahlsfrage zerstrittenen evangelischen reformatorischen Bewegungen nicht werden.

Da eine Anerkennung von Seiten des Kaisers nicht möglich war, schlossen sich die protestantischen Fürsten 1531 zum Schmalkaldischen Bund zusammen. Durch Kriege mit Frankreich und den Türken in Anspruch genommen, war der Kaiser zunächst auf friedliche Ausgleichsversuche bedacht. Nach dem Ende der Auseinandersetzungen verbündete er sich jedoch mit dem Papst sowie mit Herzog Moritz von Sachsen im Kampf gegen den Schmalkaldischen Bund. Damit begann ein innerdeutscher Religionskrieg. Militärisch unterlegen, mussten sich die Protestanten den kaiserlichen Forderungen unterwerfen. Eine Wendung ergab sich erst, als sich Moritz von Sachsen mit anderen Fürsten gegen den Kaiser stellte und für die Protestanten eintrat. Der Kaiser zog die Konsequenz aus der politischen und religiösen Pattsituation. 1555 wurde auf dem Augsburger Reichstag ein Religionsfrieden geschlossen. Er garantierte die Religionsfreiheit aller Herrscher der deutschen Staaten, wobei die Untertanen den Glauben des Herrschers annehmen mussten. Von nun an galt: Cuius regio, eius religio ("Wessen das Land, dessen die Religion"). Der Protestantismus war damit offiziell anerkannt.

Luthers Wort von der Freiheit des Christenmenschen ist immer wieder als Aufruf zur Schaffung einer Gesellschaft freier und gleicher Menschen verstanden worden. Die sozialreformerischen und sozialrevolutionären Einflüsse der Reformation sind im deutschen Bauernkrieg, bei den Wiedertäufern, im Genfer Gottesstaat Calvins, im niederländischen Aufstand und im englischen Puritanismus wirksam geworden. Von der protestantischen Idee des Widerstandsrechtes führte auch ein Weg zur amerikanischen (1776) und französischen Revolution (1789).


siehe auch: Reformation in Thüringen