04.07.08

Bundesrat

Künstliche Befruchtung – Kasse soll alles zahlen

Der Bundesrat hat sich dafür ausgesprochen, dass die Krankenkassen wieder die vollen Kosten für künstliche Befruchtungen übernehmen. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause wurde jedoch entgegen den Plänen kein Gesetzentwurf zur Sterbehilfe verabschiedet. WELT ONLINE gibt einen Überblick über die Sitzungsergebnisse.

Der Bundesrat ist heute zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammengekommen. Die Länderkammer traf eine große Zahl von Beschlüssen auf sehr unterschiedlichen Gebieten.

So sollen etwa die Kosten für eine künstliche Befruchtung nach dem Willen des Bundesrates wieder vollständig von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Ein Antrag des Saarlands, Sachsens und Thüringens fand die Unterstützung der Länderkammer.

Mit dem Start der Gesundheitsreform Anfang 2004 war die Regelung zur Kostenübernahme für Kassenpatienten eingeschränkt worden. Dies entlastet die Kassen um rund 100 Millionen Euro im Jahr. Seither beteiligen sie sich finanziell nur noch an drei Versuchen, sich einen Kinderwunsch durch künstliche Befruchtung zu erfüllen. Die betroffenen Paare werden zudem zur Hälfte an den Kosten beteiligt. Dadurch sank die Zahl der künstlichen Befruchtungen um bis zu 50 Prozent.


Keinen Gesetzentwurf verabschiedete der Bundesrat in Bezug auf die Sterbehilfe . Stattdessen verurteilte die Kammer gewerbliche Beihilfe zur Selbsttötung verurteilt und sprach sich für eine gesetzliche Verbotsregelung noch in diesem Jahr aus. "Einer 'Kommerzialisierung des Sterbens' muss unter allen Umständen Einhalt geboten werden", heißt es in dem mit Mehrheit beschlossenen Entschließungsantrag.


In dem von 13 Bundesländern kurzfristig vorgelegten Antrag wird die Möglichkeit angesprochen und offen gehalten, "die Gründung einer Vereinigung und eine maßgebliche Rolle in einer solchen Vereinigung", deren Zweck auf eine gewerbliche Sterbehilfe ausgerichtet sei, unter Strafe zu stellen. Das solle geprüft werden. Dieser Punkt war vor der Sitzung zwischen den Ländern massiv umstritten.

Härtere Strafen für Verbrechen aus Hass

Mehrere Entscheidungen des Bundesrats bezogen sich auf Kriminalität und Justiz. Künftig können nicht nur Erwachsene, sondern auch Jugendliche nach Verbüßung einer Haftstrafe in Sicherungsverwahrung genommen werden. Der Bundesrat billigte am die vom Bundestag im Juni beschlossene Neuregelung, die eine nachträgliche Sicherungsverwahrung bei schwersten Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung vorsieht. Angewendet werden kann es außerdem in Fällen von Raub- oder Erpressungsverbrechen mit Todesfolge. Voraussetzung ist allerdings, dass gegen den jugendlichen Täter eine Strafe von mindestens sieben Jahren verhängt wurde. Zudem muss die Tat bei dem Opfer eine schwere seelische oder körperliche Schädigung verursacht haben.

Rassistische und fremdenfeindliche Straftäter sollen nach dem Willen des Bundesrats künftig härter bestraft werden. Die Länderkammer entschied, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Der von den Ländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern vorgelegte Entwurf sieht vor, dass menschenverachtende Beweggründe des Täters bei der Strafzumessung als erschwerender Umstand gelten sollen. Ziel sei es, die Bevölkerung besser vor Straftaten zu schützen, die von Hass und Vorurteilen geprägt sind.


Richter könnten somit regelmäßig kurze Freiheitsstrafen von unter sechs Monaten verhängen, wenn eine Tat aus negativen Vorurteilen heraus begangen wurde. Bisher sind Richter bei der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen eingeschränkt und greifen meist auf Geldstrafen zurück.


Die strengen Regeln gegen Geldwäsche gelten künftig auch für die Bekämpfung des Terrorismus. Nach dem Bundestag stimmte auch der Bundesrat der Neuregelung zu, derzufolge insbesondere Bargeschäfte mit hohen Beträgen einer schärferen Kontrolle unterliegen. Wer ein Bargeschäft vornimmt, bei dem mehr als 15.000 Euro den Besitzer wechseln, muss grundsätzlich die Identität desjenigen überprüfen, der ihm das Bargeld gibt. Hat er einen Verdacht, muss er diesen den Behörden melden.

"Ausbildungsbonus" ist im Bundestag umstritten

Im Kampf gegen Übergewicht dringen die Bundesländer auf die rasche Einführung einer farbigen Kennzeichnung von Lebensmitteln. Der Bundesrat setzt sich für ein Modell mit Farbgestaltung, Symbolen und einer einheitlichen Bezugsgröße wie etwa eine Tagesration der Inhaltsstoffe ein. Dies soll Vorschlag für ein europäisches Modell sein.

Für die Ausbildung von schlecht qualifizierten Jugendlichen sollen Betriebe einen finanziellen Anreiz bekommen. Der Bundesrat billigte trotz Einwänden den vom Bundestag bereits beschlossenen "Ausbildungsbonus" zur Schaffung von bis zu 100.000 zusätzlichen Lehrstellen.

Der Bonus soll Betriebe motivieren, bereits im neuen Ausbildungsjahr auch Schulabbrecher, Sonderschüler oder Jugendliche mit schlechten Zeugnissen einzustellen. Dafür sind Zuschüsse zwischen 4000 und 6000 Euro vorgesehen. Die Hälfte davon soll nach Ablauf der Probezeit, die andere Hälfte nach Anmeldung des Lehrlings zur Abschlussprüfung ausgezahlt werden.

Wohngeld wird deutlich erhöht

Die CSU muss bei ihren umstrittenen Plänen für rasche Steuersenkungen auf Unterstützung der Länder vorerst warten. Der Bundesrat schickte eine entsprechende Gesetzesinitiative der bayerischen CSU-Regierung in die Ausschüsse. Die CSU strebt unter anderem die Wiedereinführung der Pendlerpauschale an. Gefordert wird ferner eine Anhebung des Kindergelds und des Kinderfreibetrags im nächsten Jahr. Dies wird aber - unabhängig von der CSU-Forderung - in der Koalition bereits länger diskutiert. Insgesamt verspricht die CSU Steuersenkungen von 28 Milliarden Euro in den nächsten vier Jahren. In Bayern wird im September ein neuer Landtag gewählt.

Nach der Zustimmung des Bundesrats wird das Wohngeld erstmals seit acht Jahren wieder erhöht: Zum 1. Januar 2009 steigt es von durchschnittlich 90 auf 142 Euro im Monat. Wohngeld bekommen in Deutschland derzeit rund 800 000 Menschen, darunter etwa 300.000 Rentner. Die Bezieher von Wohngeld erhalten künftig erstmals auch einen Zuschuss zu den Heizkosten, die seit 2000 um etwa 80 Prozent stiegen.


Schließlich stand auch noch der Klimaschutz auf der Tagesordnung: Der Bundesrat gab grünes Licht für einen Großteil des Klimapakets der Bundesregierung gegeben. Der Anteil des Öko-Stroms am Energieverbrauch soll bis 2020 verdoppelt werden. Auch die Wärme aus erneuerbaren Energien wird ausgebaut. Hauseigentümer müssen von 2009 an in Neubauten Heizungen einbauen lassen, die zum Teil mit Öko-Energie heizen. "Intelligente Stromzähler" sollen beim Energiesparen helfen. Die gleichzeitige Nutzung von Strom und Wärme aus Kraftwerken wird verstärkt. Die Ländermehrheit forderte, die Förderung hierfür von derzeit 750 Millionen Euro pro Jahr zu erhöhen.

dpa/AP/AFP/cn
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