06. Februar 2009 15:32 Uhr

Religionspädagoge Werner Tzscheetzsch äußert sich  

Er ist kein "Kirchenverfolgter"

Es war ein einmaliger Vorgang: Ein Theologie-Professor erklärt sich für nicht mehr geeignet – worauf ihm der Erzbischof die Lehrbefugnis entzieht. Im Gespräch mit der BZ schildert Werner Tzscheetzsch seine Beweggründe.

Dass der Papst Theologie-Professoren die kirchliche Lehrbefugnis wegnimmt ist nicht neu, wie prominente Beispiele wie Leonardo Boff und Hans Küng in der Vergangenheit zeigten. Einmalig dagegen ist, dass nun mit Werner Tzscheetzsch ein Theologie-Professor von sich aus erklärt, den kirchlichen Anforderungen an einen theologischen Hochschullehrer nicht mehr entsprechen zu können (worauf ihm Erzbischof Robert Zollitsch die Lehrerlaubnis entzogen hat).

Darf nicht mehr lehren: Theologie-Professor Werner Tzscheetzsch. | Foto: Ingo Schneider
Der Freiburger Religionspädagoge Werner Tzscheetzsch tut es, wie er sagt, "nicht aus Jux und Tollerei". Vielmehr sei es das Ergebnis eines Jahre langen Prozesses: "Ich habe nach und nach für mich erkannt, wie wichtig Autonomie für mich ist – und wie groß gleichzeitig die kirchliche Angst vor dieser Autonomie."

Religionsverständnis weitete sich

Viele schlaflose Nächte hat der 58-jährige Freiburger hinter sich. "Dieser Schritt ist mir nicht leicht gefallen, aber es ist ein Punkt gekommen, an dem ich die Entscheidung nicht weiter hinausschieben kann – weil es von meinem Lebenslauf her nicht mehr passt." Sein Verständnis von Religion und Religiosität sei mit der Zeit viel weiter geworden. Weiter als eine Theologie jedenfalls, die definitiv über Gott redet und weiß, was richtig und was falsch ist. "Wenn aber Gott das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende ist, dann hat darin viel mehr Platz, als man gemeinhin meint."

Wunsch nach Lehre, die näher am Leben ist

Mit einer Wohlfühlmystik hat das nach Überzeugung Werner Tzscheetzschs nichts zu tun. Eher mit einer Anstrengung, Gott universell zu denken und zu glauben. Deshalb: "Ich kann persönlich mit vielem nichts mehr anfangen, was zu lehren vorgegeben wird." Auch nicht mit manchen populär-kirchlichen Erwartungen, dass im Religionsunterricht Glaube vermittelt werden soll. Schließlich habe er sich von Berufs wegen ständig mit den Lebenswelten von Menschen auseinandersetzen müssen, nicht zuletzt mit seiner eigenen. Nach dem Studium der Theologie und der Erziehungswissenschaften (beide mit Diplom abgeschlossen) arbeitete er als Bildungsreferent beim Bund der Deutschen Katholischen Jugend der Erzdiözese Freiburg. Er war Direktor der Katholischen Akademie für Jugendfragen in Altenberg bei Köln. Acht Jahre lang war er Akademischer Rat im Institut für Praktische Theologie der Universität Freiburg, wo er seit März 1995 den Lehrstuhl für Religionspädagogik und Katechetik innehat(te).

Erzbischof Robert Zollitsch hat Professor Werner Tzeetzsch die Lehrbefugnis entzogen. Foto: Michael Bamberger



"Ich kann persönlich mit vielem nichts mehr anfangen, was zu lehren vorgegeben wird."

Werner Tzscheetzsch
"Dabei ist mir die Frage nach Gott so wichtig geworden, aber ich finde sie in der Kirche nicht so aufgehoben, wie ich es mir wünsche." Gerade weil ein Lehrer nach Ansicht des Religionspädagogen eben nicht nur eine Rolle als Lehrer spielt, sondern auch Mensch ist, und die Rede von Gott immer eine symbolische Rede ist, will er manche Legitimationsanstrengungen nicht mehr mittragen.

"Grundelement unserer Gesellschaft"

Gleichwohl hält Werner Tzscheetzsch, den sein Tübinger Kollege Albert Biesinger einen "wertvollen Querdenker" nennt, Religionsunterricht nach wie vor für unverzichtbar. Allerdings nicht als Glaubensvermittlung im engeren Sinne, sondern als Bildungsaufgabe, wie es die Würzburger Synode der deutschen Bistümer schon in den 1970er Jahren deutlich machte. Denn: "Religion gehört zu den Grundelementen unserer Gesellschaft, und ohne Wissen um das Christentum ist vieles in dieser Gesellschaft nicht zu verstehen." Freilich werde dieser bildungstheoretische Hintergrund von vielen in der Kirche gar nicht angemessen gewürdigt. Er ist eben nicht der verlängerte Arm der Kirche in der Schule . "Der Religionsunterricht hat gerade so sein Recht in der Schule, und ich halte es nach wie vor für sinnvoll, den Menschen das für sie Bedeutsame an Religion zu vermitteln."

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Dass sie fürs Leben bedeutsam ist, ist für den Vater dreier erwachsener Kinder keine Frage. Schließlich gebe es zum einen die Erfahrung, dass es so etwas gibt wie Gut und Böse. Zum anderen begegneten Menschen immer wieder der Religion mit ihren philosophischen Fragen nach dem Woher und dem Wohin. "Es gibt die Möglichkeit der religiösen Wahrnehmung, sonst gäbe es keine Religion."

Im Einklang mit dem eigenen Leben

Werner Tzscheetzsch spricht auch über seine Erfahrung von Einsamkeit, "die darin besteht, dass ich Abschied nehmen muss von der Illusion, allen alles vermitteln zu können". Seine Entscheidung sei indes keine gegen sein bisheriges Leben. Und es ärgere ihn, dass ihm sein persönlicher Weg nicht geglaubt werde. "Was ich jetzt tue, ist letztlich die Wiederholung meiner Antrittsvorlesung." Sie stand 1995 unter der Überschrift "Selbstkundgabe". Dazu gehört nicht zuletzt dies: Weder will er nun Bischof oder Kirche "in die Pfanne hauen; noch eigne er sich als "Kirchenverfolgter". Nach seiner Entscheidung jedoch beobachtet er: "Ich scheine gerade als Kleiderständer zu dienen, an den alle möglichen Leute ihren Mantel hängen."

Dabei hat er, der zwar noch Vorlesungen halten muss, aber keine Prüfungen mehr abnehmen darf, nur getan, was für ihn um seines Lebens willen an der Zeit war. Die Studierenden, die ihn als Lehrer und Mensch sehr schätzen, bedauern, dass er ihnen nun verloren geht, können seine Entscheidung aber auch verstehen. Von der Werner Tzscheetzsch sagt: "Dieser Schritt ist nicht mutig, sondern eigentlich nur konsequent." 

Autor: Gerhard M. Kirk