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24.12.2010

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Dreistufentest

Beginn des Inhaltes

Kein Einfallstor für Marktprimat / Der Dreistufentest darf nicht missbraucht werden

Beitrag von ARD Generalsekretärin Dr. Verena Wiedemann zum Dreistufentest, aus epd medien Nr. 68 2009 vom 29. August 2009

Wer die Erwartung hatte, mit der Entscheidung der Europäischen Kommission im Beihilfeverfahren zu ARD und ZDF und mit der zugunsten kommerzieller Medienanbieter in vielen Bereichen weit über die Auflagen der Kommission hinausgehenden Umsetzung dieser Entscheidung im 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag (RÄStV) würde ein gewisser Rechtsfriede um Auftrag und Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland eintreten, sieht sich getäuscht. Die derzeit laufenden Dreistufentests für den gesamten Bestand der Telemedienangebote von ARD und ZDF werden von den Wettbewerbern dazu genutzt, die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt erneut grundsätzlich in Frage zu stellen. Nachdem zuerst die Europäische Kommission und dann die Länder die Adressaten der Forderungen waren, den Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet auf die Rolle eines reinen Lückenfüllers zu reduzieren, sind es diesmal die Rundfunkgremien. Zur Untermauerung dieses Anspruchs beruft sich der VPRT auf von ihm in Auftrag gegebene Gutachten. RTL wiederum verlangt bei den Entscheidungen der Gremien im Dreistufentest eine Abwägung, bei der die Geschäftsinteressen kommerzieller Unternehmen zum Primat des Allgemeininteresses erhoben werden sollen.

Die Dreistufentests zum Telemedienbestand von ARD und ZDF haben grundsätzliche Bedeutung für die Zukunftsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Denn der genehmigte Bestand ist zugleich die Basis, von der aus sich künftig entscheidet, wie ARD und ZDF auf weitere Entwicklungen der öffentlichen Kommunikation in der digitalen Welt nach entsprechenden Dreistufentests reagieren können.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss publizistisch konkurrenzfähig sein


Das vom VPRT vorgelegte Gutachten der Ökonomen Haucap und Dewenter (Ökonomische Auswirkungen von öffentlich-rechtlichen Online-Angeboten – Marktauswirkungen innerhalb von Drei-Stufen-Tests, 2009) vertritt die These, die klassischen Marktversagenstatbestände würden im Internet keine Anwendung mehr finden. Daher, so die Gutachter, könnten öffentlich-rechtliche Angebote allenfalls vereinzelt in Bereichen von besonders hoher gesellschaftlicher und politischer Relevanz gerechtfertigt sein.

Diese Argumentation trägt jedoch weder ökonomisch noch rechtlich. Unabhängig davon, mit welchen ökonomischen Begründungen man die vielfältigen Defizite der Medienmärkte im Einzelnen belegen will, ob nun, wie das Bundesverfassungsgericht, mit den Gefahren der weltweiten Konzentrationsprozesse in Folge der Skaleneffekte der Netzwerkökonomie, ob mit der Meritorik oder, wie Haucap und Dewenter selbst, mit Informationsasymmetrien: Die pauschale Negierung eines Marktversagens im Internet durch den VPRT verwundert schon deshalb, weil eine erst kürzlich im Auftrag des Münchner Kreises u. a. von RTL Television, Premiere AG, Hubert Burda Media sowie die Landesmedienanstalten veröffentlichte umfassende wissenschaftliche Untersuchung zur gegenteiligen Schlussfolgerung kam (Holznagel, Dörr, Hildebrand, Elektronische Medien, Entwicklung und Regulierungsbedarf, 2008, S. 381-420). Diese Studie geht unter Einbeziehung von neuen, webbasierten Angeboten ausdrücklich von einem weiterhin bestehenden Marktversagen in den elektronischen Medien aus und konstatiert: „Lagern die öffentlich-rechtlichen Anbieter Inhalte im Internet aus, so ist dies aus ökonomischer Sicht positiv zu beurteilen. (…) Zudem kann davon ausgegangen werden, dass – im Sinne des dualen Rundfunksystems – die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender positive Implikationen auf die Angebote der privaten Anbieter im Internet haben werden.“ (S. 411).

Entscheidend aber ist, dass die Kommission weder in der deutschen Beihilfeentscheidung zu ARD und ZDF von 2007 noch in ihrer überarbeiteten Beihilfemitteilung zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk von 2009 überhaupt den Nachweis eines Marktversagens im Internet voraussetzt, um Telemedien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für rechtmäßig zu erklären. Sie hält diese Telemedien stattdessen immer dann für verhältnismäßig, wenn sich durch sie ein Mehrwert ergibt, weil sie soziale, demokratische und kulturelle Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllen (Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom Juli 2009, Rdnr. 81, 88). Denn für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelten die Privilegierungen des EG-Vertrags für die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge nach Art. 86 Abs.2 in Verbindung mit dem Amsterdamer Protokoll. Das europäische Recht erkennt hier ausdrücklich das europäische Gesellschaftsmodell an. Dessen Leitbild ist gerade nicht ausschließlich der europäische Binnenmarkt. Vielmehr haben in ihm Dienste der Daseinsvorsorge einen hohen Wert für die Gemeinschaft. Diese rechtliche Privilegierung besteht im Wissen darum, dass es auf Wettbewerbsmärkten, in denen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge mit privat erbrachten Dienstleistungen konkurrieren, notwendigerweise zu Rückwirkungen auf die Marktsituation der privaten Anbieter kommen muss. Die europäische Rechtsordnung behandelt diese Auswirkungen aber als im Grundsatz unvermeidlich und als deshalb hinzunehmen.

Durch das Amsterdamer Protokoll hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk gegenüber anderen Dienstleistungen der Daseinsvorsorge noch eine zusätzliche Privilegierung erfahren. Das Protokoll hebt die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für Demokratie, sozialen Zusammenhalt, kulturelle Vielfalt und Medienpluralismus hervor. Die Kommission gesteht den Mitgliedstaaten deshalb bei der Definition des Auftrags einen besonders weiten Ermessensspielraum zu, der sich gerade auch auf Telemedien und das Internet erstreckt. Die Kommission beschränkt ihre Rolle bei der Überprüfung der Auftragsdefinition ausdrücklich auf „offensichtliche Fehler“ und nennt als Beispiele hierfür kommerzielle Tätigkeiten wie die Werbung, den elektronischen Handel oder das Teleshopping.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht muss der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den Worten des Bundesverfassungsgerichts „im publizistischen Wettbewerb bestehen“ können (BVerfGE 119, 181 (218)). Nicht zulässig ist es, „dem privaten Rundfunk zwar die Aufgabe einer publizistischen Konkurrenz gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuzumessen, dem öffentlich-rechtliche Rundfunk aber eine solche Konkurrenz gegenüber dem privaten zu untersagen“ (BVerfGE 74, 297). Verfassungsrechtliches Leitbild für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist also der informierte und urteilsfähige Bürger, konstatiert der Rechtswissenschaftler Karl-E. Hain in einem kürzlich im Auftrag von ARD und ZDF veröffentlichten Gutachten. Den Bürgern sollen diejenigen medialen Angebote garantiert und unabhängig von den Unwägbarkeiten der Marktentwicklungen zugänglich sein, die in der Demokratie für die Meinungsbildung, die kulturelle Vielfalt und den sozialen Zusammenhalt als notwendig angesehen werden (Hain, Die zeitlichen und inhaltlichen Einschränkungen der Telemedienangebote von ARD, ZDF und Deutschlandradio nach dem 12. RÄStV, 2009, S. 41, 72). Zielvorgabe von Art. 5 Abs. 1 GG ist die Offenhaltung des Kommunikationsprozesses, mithin die Erhaltung von Publizistik (Schulz, Held, Kops, Perspektiven der Gewährleistung freier öffentlicher Kommunikation, 2002, S.9).

Ein entscheidender Maßstab für die Prüfung der Telemedienkonzepte im Dreistufentest ist daher die publizistische Konkurrenzfähigkeit von ARD und ZDF.

Grenzen des Auftrags: Vielfaltsgefährdung


Mit Hilfe des Gutachtens von Haucap und Dewenter und des von der RTL Gruppe entwickelten „Balancing-Tests“ fordern die kommerziellen Veranstalter, die Gremien dürften ein öffentlich-rechtliches Telemedienangebot nur dann genehmigen, wenn ein solches Angebot zu keiner Marktbeeinträchtigung führt (Mediengruppe RTL Deutschland, Dreistufentest, 2009). Damit nehmen die kommerziellen Wettbewerber für ihre Interessen das Primat vor allen anderen Interessen in Anspruch. Dies jedoch würde die europa- und rundfunkstaatsvertraglichen Regelungen in ihr Gegenteil verkehren.

Nach Art. 86 Abs.2 EG-Vertrag kann eine einzelne Dienstleistung der Daseinsvorsorge dann beihilferechtlich bedenklich sein, wenn sie den Handel zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinträchtigt, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Diese beihilferechtlichen Grenzen können bei dynamischer Marktbetrachtung im Falle einer auf Dauer angelegten Marktverstopfung erreicht sein, falls also den Wettbewerbern die gewerbliche Tätigkeit unmöglich gemacht oder der Markteintritt potenzieller Wettbewerber verhindert würde.

Allerdings verlangt das Amsterdamer Protokoll selbst bei möglichen schwerwiegenden Marktauswirkungen, dass den „Erfordernissen der Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags Rechnung zu tragen ist.“ Das heißt, dass die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, also einen nachhaltigen und spürbaren Beitrag zum sozialen, demokratischen und kulturellen Leben in den Mitgliedstaaten zu leisten, durch eine beihilferechtliche Untersagung nicht gefährdet werden darf. Es besteht also aller Anlass zur Gelassenheit gegenüber den Drohungen des VPRT, er ginge „wieder nach Brüssel“, wenn seinen Forderungen im Rahmen der Dreistufentests nicht vollumfänglich Rechnung getragen würde.

Die verfassungsrechtliche Entsprechung einer langfristigen Marktverstopfung kann in einem öffentlich-rechtlichen Telemedienangebot gesehen werden, das die Meinungsvielfalt nachhaltig reduzieren würde; unterhalb dieser Schwelle jedoch kann ein Telemedienauftrag, der das Funktionserforderliche beinhaltet, gerade nicht unverhältnismäßig zulasten der privaten Wettbewerber sein (Hain, S. 66). Die bisherige und nach wie vor ungebrochene, überaus dynamische Entwicklung kommerzieller Medienangebote im deutschsprachigen Internet zeigt jedenfalls, dass der Bestand der Telemedienangebote von ARD und ZDF, um dessen Prüfung es in den gegenwärtigen Dreistufentestverfahren geht, weder vielfaltseinengend noch marktverstopfend gewirkt hat.

Wesenselement des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Freier Zugang für alle


Nach dem Willen der kommerziellen Veranstalter sollen auch Bezahlangebote in die Abwägung des publizistischen Wettbewerbs auf der zweiten Stufe der Dreistufentests einbezogen werden. Zugleich sollen die freie Empfangbarkeit und die Werbefreiheit aber keine Kriterien sein dürfen, die im Rahmen der Abwägung des qualitativen Beitrags zum publizistischen Wettbewerb zugunsten des Angebots öffentlich-rechtlicher Telemedienangebote eine tragende Rolle spielen. Dabei beruft sich der VPRT beispielsweise auf die von ihm bei Rechtswissenschaftler Dörr in Auftrag gegebene Stellungnahme (Dörr, Das Verfahren des Drei-Stufen-Tests, 2009).

,Als Erwiderung hierauf ist Knothe, Staatskanzlei Schleswig-Holstein, beizupflichten, wenn er aus der persönlichen Sicht eines Vertreters der Länder warnt, dass der Wille des Staatsvertragsgebers nicht überinterpretiert und die Reichweite der gesetzlichen Regelungen nicht überstrapaziert werden dürfe (Knothe, Schwer nachvollziehbar – Zum Dörr-Gutachten in Sachen Drei-Stufen-Test, epd medien Nr. 60 v. 1.8.2009, S.5-9). So habe der Gesetzgeber selbst in § 11 f Abs.4 Satz 3 RStV mit der Wortwahl der „frei zugänglichen“ Angebote zum Ausdruck gebracht, dass er in Übereinstimmung mit der Beihilfeentscheidung der Kommission, die an dieser Stelle von „kostenlosen“ Angeboten spricht, Bezahlangebote gerade nicht in die Abwägung des publizistischen Wettbewerbs mit einbeziehen wollte.

Dies ist konsequent. Denn der freie Zugang zu den Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist ein Wesenselement seines Auftrags. Dies sieht so auch die Kommission in ihrer Rundfunkmitteilung unter Hinweis auf den Grundsatz der Universalität, also der garantierten Zugangsfreiheit für alle (Rundfunkmitteilung, Rdnr. 83). Jeder Bürger soll unabhängig von seinem Einkommen zu den öffentlich-rechtlichen (Telemedien-)Angeboten Zugang haben und für seine Meinungsbildung davon profitieren. Publizistisch messen lassen kann und darf sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk also nur mit Angeboten, die ebenso wie er selbst an der Meinungsbildung der gesamten Bevölkerung mitwirken. Dies schließt solche Angebote, die nur gegen Entgelt einem von vornherein begrenzten Nutzerkreis zugänglich gemacht werden, grundsätzlich aus.

Mit Vehemenz fordert jedoch gerade RTL von den Gremien das Gegenteil und verlangt, dass es ein für alle Kinder in Deutschland frei zugängliches Vorschulkinderangebot des KiKa im Internet deshalb nicht geben dürfe, da sich die Eltern von rund 70.000 Kindern ein Abonnement für das entgeltpflichtige Internetportal des Toggolino Club leisten würden. Dieses Argument ist Teil einer Gesamtstrategie und erklärt sich aus den umfassenden, aber für die Verbraucher höchst intransparenten Verschlüsselungsplänen des Unternehmens für die digitale Welt insgesamt, die mit der so genannten Grundverschlüsselung im Kabel und bei DVB-T 2 sowie mit der Einführung von HD Plus als Pay-TV schon sehr weit fortgeschritten sind. Die gesellschaftlich verantwortbare Schlussfolgerung aus diesen für die Verbraucher und Bürger problematischen Entwicklungen kann aber nicht sein, Pay-Angebote zum Maßstab des publizistischen Wettbewerbs zu machen, sondern umgekehrt den für alle frei zugänglichen Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umso mehr publizistisches Gewicht beizumessen.

Auch die Haltlosigkeit des VPRT-Arguments, die Werbe- und Kostenfreiheit dürften schon deshalb nicht als Qualitätsmerkmale der öffentlichen-rechtlichen Telemedienangebote gelten, weil sie gesetzlich vorgeschrieben seien, erschließt sich spätestens mit dem Hinweis darauf, dass auch die inhaltlichen Qualitätsmaßstäbe für den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie etwa Breite und Ausgewogenheit des Angebots oder der Beitrag zu Medienkompetenz und gesellschaftlichem Zusammenhalt, gesetzlich vorgeschrieben sind. Sollten, weil im Gesetz verankert, also auch diese Kriterien für die Qualität des publizistischen Beitrags öffentlich-rechtlicher Angebote keine Rolle spielen dürfen?

Sieben-Tage-Frist als gesetzliche Privilegierung


Es ist nicht weiter verwunderlich, dass kommerzielle Medienanbieter von den Gremienvertretern auch fordern, sie müssten die von den Rundfunkanstalten beantragten Verweildauern drastisch einschränken, um mögliche negative Marktauswirkungen zu minimieren. Als Beleg für diese These gilt die Behauptung, die 7-Tage-Frist sei der gesetzliche Normalfall, von dem nur in Ausnahmefällen abgewichen werden dürfte.

Tatsächlich bedeutet die Regelung in § 11 d Abs. 2 Nr. 1 RStV, wonach Sendungen und sendungsbezogene Telemedien bis zu 7 Tage zum Abruf vorgehalten werden dürfen, ohne dass es dazu eines Dreistufentests bedürfte, eine gesetzliche Privilegierung. Das heißt, der Gesetzgeber geht ohne weitere Prüfung davon aus, dass Telemedienangebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die bis zu sieben Tage im Netz frei zugänglich sind, auf jeden Fall im öffentlichen Interesse liegen. Für die ersten sieben Tage sieht der Gesetzgeber deshalb auch weder eine Begründungspflicht für die Rundfunkanstalten noch eine vorherige Äbwägung mit anderen Interessen vor.

Knothe stellt ausdrücklich klar, dass die Länder mit dieser Vorschrift den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerade nicht haben einschränken wollen. Zwar sei eine nachvollziehbare Begründung erforderlich, wenn Inhalte länger als 7 Tage bereitgestellt werden sollen, daraus sei aber noch kein „besonders zu begründender Ausnahmefall“ herzuleiten.

Hain weist darüber hinaus zu Recht darauf hin, dass eine strikte Frist von 7 Tagen, nach deren Ablauf öffentlich-rechtliche Telemedien aus dem Netz genommen werden müssten, ganz erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen müsste. Denn die Verweildauern entscheiden mit darüber, ob die Telemedien die für die Erfüllung des Funktionsauftrags notwendige publizistische Relevanz im Internet entfalten können und werden so von der Programmautonomie der Rundfunkanstalten und ihrer Entwicklungsgarantie geschützt (Hain, S.95). Das Bundesverfassungsgericht weist die Entscheidung über die zur Erfüllung des Funktionsauftrags als nötig angesehenen Inhalte und Formen des Programms den Rundfunkanstalten zu: “Eingeschlossen ist grundsätzlich auch die Entscheidung über die benötigte Zeit und damit auch über Anzahl und Umfang der erforderlichen Programme“ (BVerfGE 119, 181 (219)).

Maßgeblich dafür, diese Funktion zu erfüllen sind ausschließlich publizistische Kriterien (Hain, S.104). Und da Telemedien durch ihre zielgenaue und vor allem individuelle Adressierung ein hohes publizistisches Wirkungspotenzial aufweisen (Hasebrink, Schulz, Held, Macht als Wirkungspotenzial, Zur Bedeutung der Medienwirkungsforschung für die Bestimmung vorherrschender Meinungsmacht, 2009), ist der publizistische Beitrag öffentlich-rechtlicher Telemedien potenziell umso größer, je länger sie im Netz stehen.

Programmfreiheit erfordert mittleres Abstraktionsniveau


Nach einer weiteren Forderung der kommerziellen Wettbewerber sollen die Rundfunkanstalten ihre Telemedienkonzepte in noch größerer Detailtiefe vorlegen und auch die Kosten gegenüber der Öffentlichkeit detailliert aufschlüsseln.

Der Gesetzgeber verlangt von ARD und ZDF jedoch für die Telemedienkonzepte aus gutem Grund lediglich einen mittleren Abstraktionsgrad. Aus ihnen sollen sich der Charakter des Angebots, die Zielgruppe und die Verweildauer ergeben. Die Auswahl einzelner Inhalte und die Gewichtung dieser Inhalte im Rahmen des publizistischen Gesamtkonzepts, etwa in Form themenbezogener Portale, unterliegen ebenso der Programmfreiheit der Programmmitarbeiter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wie die flexible Gestaltung und nutzergerechte Aufbereitung dieser Inhalte, etwa durch interaktive Elemente. Im Übrigen reicht beim Dreistufentest des Bestands ein Klick ins Internet, damit die Wettbewerber bis hinunter auf Einzelseiten die zur Genehmigung angemeldeten Telemedien analysieren können.

Beim Detaillierungsgrad der Kosten, die für die einzelnen Telemedienangebote aufgewandt werden, muss zwischen verschiedenen Verfahrensstufen differenziert werden. Die Rundfunkanstalten ermitteln diese Kosten zunächst anhand der KEF-Vorgaben, die nach verschiedenen Kostenarten unterscheiden. Danach werden z. B. die anteiligen Redaktionskosten ebenso berücksichtigt wie die Kosten für IT und Verbreitung. Bei der Veröffentlichung dieser vertraulichen Unternehmensdaten lässt der Gesetzgeber die Nennung des Gesamtsaufwands ausreichen. Denn Sinn und Zweck der Kostendarstellung in den Telemedienkonzepten ist es, den Rundfunkgremien und nicht etwa den Wettbewerbern den finanziellen Aufwand zu erläutern. Für die hierzu stattfindenden internen Beratungen der Gremien legen die Rundfunkanstalten differenzierte Aufschlüsselungen nach den Kostenarten vor.

Darüber hinaus weist Knothe in diesem Zusammenhang ausdrücklich und zu Recht das Ansinnen von Dörr zurück, wonach die Gremien den finanziellen Aufwand gegen den Beitrag zum Allgemeininteresse im Wege einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuwägen hätten. Genau dies habe der Staatsvertragsgeber und mit ihm die Kommission gerade nicht verlangt. Der publizistische Mehrwert lasse sich zu diesem Zeitpunkt nur erahnen, so dass es nur darum gehen könne, den Gremien die voraussichtlichen Kosten für die Telemedien nachvollziehbar darzulegen (Knothe, S. 6). Diese Entscheidung des Gesetzgebers entspricht den Vorgaben aus der Beihilfeentscheidung der Kommission zu ARD und ZDF, wonach die Angaben der Gesamtaufwendungen ausreichen. Die Kosten für die Telemedienangebote spielen beihilferechtlich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitskontrolle nämlich nur insoweit eine Rolle, als eine Überkompensation verhindert werden soll. Für diese Prüfung ist im Wege der nachträglichen Finanzkontrolle ausdrücklich die KEF vorgesehen.

Auch wenn es kommerzielle Wettbewerber nicht hören möchten: Der Gesetzgeber hat den Dreistufentest als ein Verfahren zwischen den Rundfunkanstalten und ihren Gremien festgelegt. Gutachter und Dritte dienen den Rundfunkgremien dabei als Quelle für Informationen. Eigene Verfahrensrechte haben sie gerade nicht. Die Versuche, mit ständig neuen Einwänden und Hürden im Dreistufentest den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nachhaltig in der Erfüllung seines gesellschaftlichen Auftrags zu behindern, stehen daher im eklatanten Widerspruch zu den vom Gesetzgeber erarbeiteten Zielsetzungen des Verfahrens.

Stand: 29.08.2009

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