Neuer Lesestoff aus den Cultural Studies

7. Juni 2011 von Verena
Dieser Text ist Teil 52 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Für die Anthologie „Dekonstruktion und Evidenz“ haben sich Kulturwissenschaftlerinnen der Universität Lüneburg zusammen getan, um soziale Kategorien wie „Geschlecht“, „Rasse“ und „Nation“ in ihrer medialen Darstellung zu untersuchen.

Die Einsicht, dass in medialen, wissenschaftliche und politischen Diskursen produziertes Wissen gesellschaftliche Wirklichkeit nicht abbildet, sondern ‚Wahrheit’ durch bestimmte Diskursregeln erst hergestellt wird und zudem immer mit Machtwirkungen verknüpft ist, zieht sich als roter Faden durch die Texte der Autor_innen dieses Bandes

Dieser Satz, den die vier Herausgeber_innen, Irina Hennig, Merle-Marie Kruse, Steffi Hobuß und Tanja Thomas ihrer Einleitung voranstellen, wird für die meisten ihrer Leser_innen nicht bahnbrechend neu sein, gibt aber den Hinweis, dass sich hier auch nicht Gender-Initiierte  zurecht finden können. Unter dem Stichwort „Ausgangspunkte“ folgen zwei Kapitel, die Grundsätzliches über poststrukturalistische Theorien vorstellen und auch wenn ich persönlich die Theorie nonchalant überblättert habe, ein Seitenblick zeigt mir, dass die grundlegenden Ideen und Prinzipien dekonstruktiver Theorie greifbar vermittelt wird.

Diesem Prinzip – anschaulich den theoretischen Ansatz darlegen und dann die Analyse mit gut dokumentierten Beispielen vorstellen – folgen auch die Aufsätze dieses Sammelbands. Egal ob Miriam Stehling die neoliberalen Prinzipien geschlechtsspezifisch verlangter Handlungen anhand von „Germany’s next Topmodel“ analysiert oder Wera Mohns Patten den „Konstruktionen von Mutterschaft und Gender in den Filmen Juno und Knocked Up“ nachspürt, die Autor_innen bleiben nah am Forschungsgegenstand und nutzen den popkulturellen Bezug alltagsnah.

Überhaupt liegt hier die große Stärke der Anthologie: Sie stellt die Verunsicherung der Autor_innen anhand der Beschäftigung von (De)Konstruktionen in Medienkulturen genauso bewusst heraus, wie das Positive der Weiterentwicklung von Gedanken und Wissen:

Wie wichtig ihnen in diesem Rahmen auch die Gelegenheit für die Reflexion über Denkbewegungen, der Austausch über Verstörung und Verunsicherung wie über Freude an Erkenntnisfortschritten war, haben die Autor_innen beschrieben. […] Die Beschäftigung mit Rassismus- und Nationalismustheorien oder Critical Whiteness Studies produziert häufig Phasen der Sprachlosigkeit angesichts der Anstrengung der Vermeidung, aber auch angesichts der Unvermeidlichkeit des Wiederholens von Verallgemeinerungen, kollektivierenden und differenzstiftenden Formulierungen. (weiterlesen…)


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Eine Replik auf „Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken“

20. April 2011 von Helga
Dieser Text ist Teil 51 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Gelber Buchtitel von: Warum Frauen glauben, sie könnten nicht einparken – und Männer ihnen Recht geben (der Titel ist in rot) darunter: Über Schwächen, die gar keine sind | darunter ein Comicbild von einem Mann am Steuer eines Wagens, mit einer blonden Frau im Pelzmantel als Beifahrerin Frauen können nicht einparken, Männer finden sogar ohne Karte noch ihr Auto in einer fremden Stadt wieder. Frauen orientieren sich an Gebäuden, Männer an Himmelsrichtungen – dass in diesen Klischees auch wissenschaftliche Wahrheit stecke, behaupteten besonders erfolgreich Barbara und Allen Pease. Zum Ärger der Psychologin Prof. Dr. Claudia Quaiser-Pohl und der Neurobiologin Dr. Kirsten Jordan. Beide erforschen in ihrer täglichen Arbeit, wie Männer und Frauen Informationen verarbeiten, vor allem, wenn es um die Orientierung geht. Zusammen mit 15 weiteren Wissenschaftler_innen stellen sie in „Warum Frauen glauben, sie könnten nicht einparken – und Männer ihnen Recht geben“ die Ergebnisse ihrer Arbeit vor und setzen sich dezidiert mit den Thesen der Peases auseinander.

In den ersten Kapiteln geht es um Aufbau und Funktionsweise des Gehirns und damit einige populäre Weisheiten: Bei Frauen kommunizierten die beiden Gehirnhälften besser miteinander, Männern fehlte dagegen ein eigenes Sprachzentrum im Gehirn. Für die erste Annahme gibt es bis heute nur uneindeutige und widersprüchliche Ergebnisse, die zweite Annahme ist lange widerlegt: Auch Männer haben ein Gehirnareal für Sprachen.

Auch Untersuchungen zum Einfluss der Sexualhormone stellen sie vor. So korrespondierten Schwankungen im Monatszyklus mit Schwankungen in einigen Testergebnissen. Vom Hormonspiegel auf die Berufseignung oder -neigung zu schließen ist den Autor_innen zufolge aber ein Fehler. Je nach Zyklusphase erreichten die untersuchten Frauen bessere Ergebnisse in Tests, die sie auch ansonsten gut bewältigten, aber auch in Tests, in denen sonst Männer die besseren Leistungen zeigten. Auch Männer sind vor Leistungsänderungen übrigens nicht gefeit – und inzwischen ist klar, dass ihr Testosteronspiegel ebenfalls deutlich schwankt, von tages- bis jahreszeitlichen Veränderungen.

In den weiteren Kapiteln werden verschiedene Studien zur räumlichen Orientierung und der Fähigkeit, Gegenstände mental zu rotieren, erläutert. Ausgewählte Testaufgaben zum selbst testen und die grafisch aufbereiteten Ergebnisse erleichtern dabei das Nachvollziehen. Tatsächlich gibt es verschiedene Strategien im räumlichen Denken, die auch von Männern und Frauen verschieden häufig genutzt werden. Allerdings gibt es keine ausschließlich weiblichen oder männlichen Strategien, oft werden sie auch kombiniert – von beiden Geschlechtern.

Hinter den Ergebnissen steht immer noch die Frage „Nature or Nurture“ (naturgegeben oder anerzogen). Handelt es sich wirklich um Unterschiede weil Mann und Frau verschieden sind oder werden wir verschieden gemacht? Abschließend beantworten lässt sich die Frage nicht. So erkunden Jungen ihre Nachbarschaft genauer als Mädchen und trainieren entsprechend ihren Orientierungssinn; Mädchen dagegen bewegen sich seltener alleine und meist auf denselben Wegen. Ob sie damit natürlichen Begabungen folgen oder von ihren Eltern sozialisiert werden, ist bisher ungeklärt. Ein spannendes Indiz ergab sich aus einer anderen Studie. Dort wurde nach der Motivation teilzunehmen gefragt: Die Teilnehmerinnen meldeten sich öfter, weil sie sich schlecht einschätzten und ihre Fähigkeiten verbessern wollten. Die Teilnehmer gingen bereits davon aus, dass sie gut abschneiden würden. Am Ende schnitten fast alle Teilnehmer_innen gleich ab.

Insgesamt bietet das Buch fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse statt populärer Weisheiten, verständlich beschrieben und ein ausführliches Literaturverzeichnis mit Originalartikeln und Wissenschaftsbüchern zum Weiterlesen. Damit ist mensch für die nächste „aber Frauen können einfach nicht einparken“-Diskussion bestens gewappnet.

Erschienen bei dtv, 192 Seiten, 9,50 €


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“Seitenwechsel”: Der Vorzeige-Homo ist nicht die Lösung

9. März 2011 von Nicole
Dieser Text ist Teil 50 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek


Schwarzer Buchtitel mit weißem Fußball und pinker Schrift: Seitenwechsel. Coming-out im FußballEs stehen viele wichtige Dinge drin in Tanja Walther-Ahrens‘ Buch Seitenwechsel. Coming-out im Fußball. Auf 176 Seiten geht es hier ein­mal durch die schwul-lesbische, queere Sport- und Lebenswelt, durch die homophoben und sexistischen Strukturen insbesondere des Fuß­balls, persönliche Erfahrungen von Sportler­_innen, Schiedsrichter_innen und Journalisten, garniert mit kleinen Crashkursen zu Judith Butler oder den europäischen Anti­dis­krimi­nie­rungs­richt­linien und eingeleitet mit einem Vor­wort von Theo Zwanziger, Präsident des Deut­schen Fußball-Bundes.

Tanja Walther-Ahrens weiß, wovon sie schreibt. Sie ist selbst ehemalige Bundesligaspielerin, arbeitet heute hauptberuflich als Lehrerin, ist „neben­bei“ als Aktivistin bei der EGLSF (Euro­pean Gay and Lesbian Sports Federation) unter­wegs. Dass Homophobie nicht nur beim DFB, sondern auch in der Fanszene und in den Medien inzwischen ein Thema und nicht mehr nur ein Tabu ist, ist zu einem nicht geringen Teil ihr Verdienst. Irgend­wann dazwischen hat sie dann noch Zeit gefunden, dieses Buch zu schreiben, das sich nicht nur an ein Nischenpublikum richtet, wie sie selbst im Interview sagt:

Ich habe das Buch für eine breitere Masse geschrieben: für diejenigen aus der Community, die selbst mit Sport zu tun haben, und für die, die sagen „Nee, Sport, damit kannst du mich jagen.“ Aber eben auch für Leute, die aus dem Sportbereich kommen und denen das Thema Homo­sexualität nur wegen Martina Navratilova über den Weg gelaufen ist.

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Überflüssige Orgasmen und Hysterie – über die Erforschung der Frau

30. Dezember 2010 von Helga
Dieser Text ist Teil 49 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Weißes Buchumschlagbild mit goldener Schrift: Woman - Darunter klein und schwarz: An Intimate Geography – Ein aus 3 Strichen stilisierter weiblicher Intimbereich – NATALIE ANGIER Winner of the Pulitzer PrizeAls „eine wissenschaftliche Fantasie des Frauseins“ versteht Autorin Natalie Angier ihr Werk “Woman: An Intimate Geography”. Tatsächlich dreht sich alles um den Teil der Menschheit, der von der Wissenschaft bis heute noch zu oft vernachlässigt wird: Die Frau und alles, was sie ausmacht.

Warum gibt es einen weiblichen Orgasmus und warum wird die Durchschnittsbrust seit Jahrzehnten immer umfangreicher? Nur einige von zahlreichen Fragen, deren Antwort noch immer ausstehen. Hier fasst Angier die verschiedenen Theorien und Beweise zusammen, gibt Einblicke in die (männlich geprägte) Wissenschaftsgeschichte und zeigt die komplexen Verwicklungen mit Alltagskultur und Politik auf. Auch die Geschichte der weiblichen Hysterie, ausgehend von der Gebärmutter (griech. ὑστέρα/hystera) darf da nicht fehlen. Dabei geht es nicht nur um die harten Fakten von Gebärmutter und Genetik, sondern auch die gesellschaftliche Einordnung. Die Frau als schwaches, passives und weiches Wesen – naturgegeben sei das nicht.

Als Mutter, die sich für ihre eigene Tochter ein noch besseres und gerechteres Leben wünscht, zeigt sich Angier auch als ausgesprochene Feministin, die unter den tausenden Jahren patriachaler Traditionen die Möglichkeit zu mehr globaler, weiblicher Solidarität sieht. Ausgehend von Naturvölkern oder unseren nächsten Verwandten, die Affen, leht sie sich hier etwas aus dem Fenster. Aber schließlich soll das Buch auch mehr sein, als nur das Vorstellen wissenschaftlicher Erkenntnisse, eben eine „Fantasie“. Und: viele populäre Annahmen stehen auf wissenschaftlich wackligeren Füßen. Die Verbindung von Aggression und Testosteron ist so wenig bewiesen, wie evolutionäre Psychologie sich auf historische Fakten berufen kann. (weiterlesen…)


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Für den langen Winterabend: Die Autobiographie von Emma Goldman

27. Dezember 2010 von Verschiedenen
Dieser Text ist Teil 48 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Maike Landwehr, 1983 geboren und alleinerziehenderweise vom Vater großgezogen, erkannte schon früh die Idiotie von Geschlechterrollen. Auf die Verweigerung mit Puppen zu spielen und sich “niedlich” anzuziehen, folgte schließlich ein Studium in Hamburg, bei dem sie sich mit Männerphantasien und Frauenbildern in Geschichte und Literatur beschäftigt hat. Maike wird uns heute die Autobiographie „Gelebtes Leben“ von Emma Goldman vorstellen.

„Gelebtes Leben“ (im Original: Living my Life) – der Titel passt: Emma Goldman (1869-1940) hat ihr Leben gelebt, oft kompromisslos, häufig uneigennützig und immer unangepasst. Mit 20 Jahren betrat eine junge Frau die Großstadt New York, sie selbst zählte ihre Lebensjahre später von diesem Zeitpunkt an, denn die Stadt und die Menschen, die sie hier traf und kennenlernte, politisierten sie stark und weckten einen äußerst rebellischen Geist in ihr. In den damals noch jungen Vereinigten Staaten herrschte eine politische Realität, gegen die sie ihr Leben lang ankämpfen sollte.

Der so genannte Haymarket Riot war brutal und für mehrere der Mitorganisatoren tödlich niedergeschlagen worden und veranlasste neben Goldman noch viele andere, sich gegen die menschenverachtende Arbeitssituation in Fabriken und Betrieben zu wehren. Goldman war es dabei wichtig, nicht in einen starren Dogmatismus zu verfallen, sondern stets auch die Meinungen ihrer Mitstreiter_innen wie die ihrer Gegner_innen anzuhören. Ihr besonderes Anliegen war die Durchsetzung der Redefreiheit in ihrem Land. Einem Land, das sich selbst als Demokratie bezeichnete, dessen ständige Missachtung demokratischer Rechte Goldman jedoch täglich registrierte. (weiterlesen…)


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Das wird mir alles nicht passieren

11. November 2010 von Barbara
Dieser Text ist Teil 47 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

In ihrem neuen Buch „Das wird mir alles nicht passieren… Wie bleibe ich FeministIn“ erzählt die österreichische Autorin Marlene Streeruwitz (geboren 1950) von Situationen, die es häufig gibt: Eine Frau erfährt, dass ihr Liebhaber seine Ehefrau trotz vieler Versprechen nicht verlassen wird, eine Kranke wird von ihrem Mann mit der Pflegerin betrogen, ein Hausmann ist unglücklich neben seiner immens erfolgreichen Gattin. Die Geschichten sollen kein düsteres, trauriges Abbild des Lebens sein, sondern uns vielmehr aufrütteln, jeden Tag aufs Neue für Freiheit und das Recht auf Würde zu kämpfen. Und uns nicht von gut gemeinten Patentrezepten für ein perfektes Leben beirren lassen! Ich habe in Salzburg mit der Autorin gesprochen.

Haben Sie einen Ratschlag für die junge Frauen-Generation, die Berufsleben und Familienplanung noch vor sich haben? Gibt es Fehler, die zu vermeiden sind?

Ich würde ihnen raten, keine Angst vor Fehlern zu haben, weil in den Fehlern das Leben natürlich am meisten enthalten ist. Aber sie sollten versuchen, die Fehler so zu minimieren, dass sie sie managen können. Also, dass es nicht zu viele Fehler auf einmal gibt, und dass dieses große Unglück, das wir ja kennen in Frauenbiografien, dass das nicht über sie hereinbricht.

Ich würde auch immer raten, dass Frauen darauf achten, dass ihre Partner sie nicht zwingen, ihre eigenen Welten aufzugeben. Wenn jemand das verlangt, bedeutet das, das Eigene aufzugeben und sich eben hinzugeben. Das ist ein Machtverlust, der sehr genau zu überlegen ist.

Ich hatte beim Lesen Ihres Buches das Gefühl, das die von Ihnen beschriebenen Beziehungen auch daran scheitern, dass Menschen sich in Abhängigkeiten gebracht haben. Romantik hin, Romantik her, wie kann man das denn schaffen, dass man sich selbst in einer Partnerschaft nicht vergisst?

Wir wollen alle ein schönes Leben führen, wir wollen ein spannendes Leben führen, wir wollen ein sexuelles Leben führen, wir wollen ein erotisches Leben führen … Natürlich ist es ganz unrealistisch anzunehmen, dass uns das alles gelingen wird. Deshalb müssen wir immer wieder die Grundfrage stellen: „Ist das jetzt alles richtig für mich?“

Wir brauchen Personen, die durchgängig als Beobachter und Zeugen des eigenen Lebens existieren. Die gute Freundin oder die guten Freundinnen sind für eine Frau sehr wichtig, weil daran gesehen werden kann, wie weit sich eine Person von sich selbst entfernt. Zum Beispiel, um mit einem Mann mitzukommen. Mit einer solchen Unterstützung kann sie sagen, „…ist das jetzt gscheit oder ist es nicht gscheit“. Und ich finde auch, wenn eine Frau sagt, „es ist nicht gscheit“, aber es zahlt sich aus für sie, und sie weiß, welche Konsequenzen es sind, dann sollte sie es selbstverständlich machen. Denn diese Angst vor Unglück, darum kann es nicht gehen. Das ist auch etwas, was ich an diesen Emanzipations-Ratgebern nicht mag. Unglück ist eine selbstverständliche Folge von selbstverständlichem Leben und muss halt bewältigt werden.

Marlene Streeruwitz, „Das wird mir alles nicht passieren… Wie bleibe ich FeministIn“. Fischer-Verlag, 9,95 EUR. Auf der Website http://wie.bleibe.ich.feministin.org/ kann über die Geschichten diskutiert werden, sie können sogar online weiter geschrieben werden … und die Autorin liest und diskutiert mit.

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Spuren ins Jetzt: Hedwig Dohm – eine Biografie

19. Oktober 2010 von Verschiedenen
Dieser Text ist Teil 46 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Maike Landwehr, 1983 geboren und alleinerziehenderweise vom Vater großgezogen, erkannte schon früh die Idiotie von Geschlechterrollen. Auf die Verweigerung mit Puppen zu spielen und sich “niedlich” anzuziehen folgte schließlich ein Studium in Hamburg, bei dem sie sich mit Männerphantasien und Frauenbildern in Geschichte und Literatur beschäftigt hat. Maike wird uns heute die Hedwig Dohm Biographie “Spuren ins Jetzt” von Isabel Rohner vorstellen.

Die Frage „Wer war eigentlich Hedwig Dohm?“ ist hier schon einmal beantwortet worden. Diese Frage widmet sich auch die aktuelle Biographie der Literaturwissenschaftlerin und Mitherausgeberin der “Edition Hedwig Dohm“, Isabel Rohner.

Zu Recht verdient Rohner den Preis für die erste wirkliche Biographie über Hedwig Dohm, denn sie lässt sich nicht dazu hinreißen, das fiktive Werk einer Radikalen der ersten deutschen Frauenbewegung mit dem Leben der Person Dohm zu verwechseln und zu vermengen. Das erfreuliche Ergebnis ist eine kenntnisreiche Annäherung an eine faszinierende Frau, die als eine der Ersten bereits 1873 für die totale politische Gleichstellung der Frau eintrat und vehement aktives und passives Wahlrecht für sich und ihre Geschlechtsgenossinnen forderte. (weiterlesen…)


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Frauen als Täterinnen und die Kategorie Gender als Gewaltakt

30. September 2010 von Nadine
Dieser Text ist Teil 45 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Frauen als Täterinnen und Unterstützerinnen eines patriarchal organisierten Gewaltsystems wurden seit Beginn der Frauenbewegung immer wieder benannt, doch selten führte diese Benennung zu einer methodologischen und epistemologischen Veränderung innerhalb feministischer Forschung und Kritik. Unversalisierbar schien die Auffassung, das Patriarchat stelle eine allumfassende ausschließlich von Männern initiierte und ausgeübte Form der Unterdrückung von Frauen dar. Zu tief saßen Trauma und Scham über die Gewaltverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, an denen Männer und Frauen im gleichen Maße beteiligt waren, unter denen Männer und Frauen im gleichen Maße litten.

Die Täter-Opfer-Dichotomie begann erst in den 1980er Jahren brüchig zu werden, als kritische Feminist_innen die These der Mittäterinnenschaft nachhaltig innerhalb feministischer Diskurse etablieren konnten und so eine selbstkritische Perspektive auf das Geschlechterverhältnis eröffneten. Christina Thürmer-Rohr trug einen wesentlichen Teil dazu bei, das feministische Selbstbild zu überdenken und feministischer Forschung einen anderen methodologischen Zugang an die Hand zu geben, Herrschafts- und Machtformen zu analysieren und zu hinterfragen.

In „Die unheilbare Pluralität der Welt – von Patriarchatskritik zur Totalitarismusforschung“ fasst Thürmer-Rohr den feministischen Diskurs des 20. Jahrhunderts grob zusammen und erläutert in chronologischer Abfolge politisches Denken und Handeln des Feminismus mit seinen jeweiligen Epistemen in Bezug auf Gewalt, Macht und Herrschaft. Weiter verknüpft sie Erkenntnisse der Totalitarismus- und feministischer Forschung und rekurriert dabei immer wieder auf Hannah Arendt, die Anerkennung von Dialog und Pluralismus forderte und in der Vielfalt und Verschiedenheit von Menschen ein Mittel gegen totalitäre Bewegungen, Systeme und Denkansätze sah.

Die inhaltliche Nähe zu Arendts Erkenntnissen zu Formen totaler Herrschaft fußt auf Thürmer-Rohrs eigener Biografie: Ihr Vater war in der Zeit des Nationalsozialismus Offizier der Wehrmacht. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt Thürmer-Rohr sich kritisch mit ihren eigenen traumatischen Erfahrungen und ihrer Rolle als Frau in einem totalitären System, als Familienmitglied eines seiner Unterstützer_innen und dem Funktionieren des Systems selbst auseinander zu setzen. Später wendet sie sich gegen ihren Vater.

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Sex gleich Fastfood?

11. Mai 2010 von Verena
Dieser Text ist Teil 44 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Wer von zunehmender Sexualisierung und Pornofizierung der Gesellschaft spricht, muss sich oft den Vorwurf gefallen lassen, prüde zu sein.

Die Niederländerin Myrthe Hilkens hat es trotzdem gemacht. In „McSex. Die Pornofizierung unserer Gesellschaft“, klagt sie den zunehmenden Sexismus in Werbung und Popkultur sowie seinen gesellschaftlichen Nachwirkungen an. Und dabei geht es der Autorin keineswegs um den moralischen Zeigefinger, sondern um einen genaueren und verantwortungsvolleren Blick hinter das Motto „Ich vögel also bin ich“, das heute zu einseitig zur Identifikationsfindung genutzt werde.

Aufgeschlossen aber nicht mit sperrangelweit geöffneten Türen nähert sich die Autorin ihrer These der pornofizierten Gesellschaft, zu der es schon im Vorwort der wunderbaren Mithu Sanyal heißt, Problem sei nicht, dass Sexualität gezeigt werde, sondern wie.

Selber als Musikjournalistin mit dem täglichen Gepimpe und Gehoe im HipHop-Videos konfrontiert, ist Myrthe Hilkens einerseits müde ob des Mangels an Kreativität und Erneuerungsdrang in der Populärkultur, andererseits attestiert sie Jugendlichen den immensen Druck, all dem entsprechen zu wollen. Die Jugendlichen nicht dumm zu halten, aber auch nicht mit einem – dem individuellen Entwicklungstempo unangemessenem – Angebot zu überfüttern, das ist Hilkens’ Ansatz.

Hilkens wechselt zwischen gesellschaftlicher Historie und ihrer eigenen Familiengeschichte, persönlichen Eindrücken und Anekdoten sowie jüngere Studien und Veröffentlichungen zum Thema. Dazwischen finden sich Gesprächsprotokolle oder Emails von überwiegend Jugendlichen, die ihre sexuellen oder pornographischen Erfahrungen schildern. Dadurch wirkt „McSex“ locker und umgänglich geschrieben, entbehrt aber nicht das theoretische Fundament, auf das emotional geführte Diskussionen nun mal besser aufbauen.

Angreifbar macht sich Hilkens trotzdem. Denn zum einen bewegt sich sich doch recht stark in dem ihr bekannten Umfeld der Musik- und Videoclipkultur und spannt den Bogen kaum über Jugendkulturphänomene wie Pornoflatrateparties oder den Internetpornokonsum hinaus. Zum anderen vermitteln vor allem die ausgewählten Emails und Berichte der Jugendlichen eine start auf Betroffenheit ausgelegte Auswahl – ein Versuch, auch mal einen Blick auf die andere Seite der Medaille zu werfen und positive Aussagen aufzugreifen, wäre wünschenswert gewesen. Immerhin widmet sich die Autorin in einem Kapitel auch den Möglichkeiten „guter“ Pornos, der PorYes-Bewegung und unterstreicht darin noch mal in Anliegen, keinesfalls die Spielverderberin sein zu wollen. Aber der Rest scheint einfach von dieser aufgestauten Wut der Autorin geprägt, die sich nun endlich mal all das von der Seele geschrieben hat, was sie seit Jahren ankotzt. Das muss kein Fehler sein, trübt aber bisweilen die klare Sicht.

Denn solange Hilkens es mit „McSex“ nicht darauf angelegt hat, ein Grundlagenwerk zum Thema „Pornofizierung und Gesellschaft“ zu schreiben, ist ihr Buch trotzdem eine Bereicherung. Und auch wenn man manche Ansichten oder Forderungen Hilkens’ anders sehen sehen kann, ist sie so gut wie nie besserwisserisch oder rechthaberisch, aber kämpferisch für ihre Sache eintretend. Und das steckt zweifellos an.

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Differenz, Dekonstruktion oder Gleichheit?

3. Mai 2010 von Nadine
Dieser Text ist Teil 43 von 52 der Serie Die Feministische Bibliothek

Welche der drei wesentlichen Paradigmen der Frauen- und Geschlechterforschung können substanzielle Chancengleichheit garantieren und verwirklichen? Wie funktionieren die drei Konzepte in ihrer praktischen Umsetzung? Wo liegen Stärken und Schwächen der Konzepte und wo schlagen sie sich in aktuellen Gleichstellungspolitiken nieder?

Gudrun-Axeli Knapp* versucht in ihrem Text “Gleichheit, Differenz, Dekonstruktion: Vom Nutzen theoretischer Ansätze der Frauen- und Geschlechterforschung für die Praxis” Antworten auf diese Fragen zu finden, und kommt zunächst zu sehr nüchternen Ergebnissen: Noch immer dienen Erfahrungswissen und pragmatische Herangehensweisen als Grundlage von Gleichstellungspolitik für Frauen und Männer. Zu selten, und wenn überhaupt stark verkürzt, wird auf fundiertes Wissen der Frauen- und Geschlechterforschung bei der Gleichstellungsarbeit zurückgegriffen. Das führt nicht selten dazu, dass Gleichstellungspolitik in einer Sackgasse landet, nicht zielführend ist und zum Teil das Gegenteil erreicht: Eine Festschreibung von Geschlechterdifferenzen.

Sie plädiert für eine „theoretisch reflektierte Praxis“, die Wissenschaft und Politik nicht einander entgegenstellt, sondern beide als einander inkludierende und interdependente Vorgehensweisen betrachtet. Dabei genügt es nicht, aktuelle Erkenntnisse der Wissenschaft für Gleichstellungsarbeit zu operationalisieren: Für Knapp sind Erkenntnisse der Frauen- und Geschlechterforschung keine starren Patentrezepte für die Umsetzung von Chancengleichheit und Gleichbehandlung.

Diese können je nach Kontext, in den sie eingebettet sind, variieren und je nach (Anwendungs-)erfahrung und Betrachtungsweise eine gewisse Eigendynamik entwickeln. Auch Geschlechter- verhältnisse sind immer wieder im Wandel begriffen und Differenzen zwischen den Geschlechtern historisch gewachsen. Und können sich trotzdem in verschiedenen Gesellschaften und Gruppen unterschiedlich repräsentieren. Praxiserfahrungen von Gleichstellungspolitiken und wissenschaftliche Erkenntnisse beziehen sich also wechselseitig aufeinander, während sie sich selbst verändern und verändert werden.

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