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23. Januar 2009, Neue Zürcher Zeitung

Wenn Chefs bloss chinesisch verstehen

Auslanddienste als attraktive Objekte politischer Manipulation

Der Deutschen Welle wird vorgeworfen, sie habe sich durch chinesische Interessen manipulieren lassen. Dieser politischen Gefahr ist jeder Auslanddienst ausgesetzt. Schwierig wird die Kontrolle vor allem dann, wenn kaum jemand in Europa die Sprache des Ziellandes versteht. Einige Auslanddienste setzen darum unabhängige Beobachter ein.

Sabine Pamperrien

Seit Monaten steht der Auslanddienst Deutsche Welle in der öffentlichen Debatte. Die chinesischsprachigen Programme sollen allzu einseitig im Sinne der offiziellen chinesischen Propaganda berichtet haben. Einmal wurde allzu polemisch der Dalai Lama für seine Haltung in der Tibet-Krise angegriffen, ein andermal fehlte die kritische Distanz bei der Olympia-Berichterstattung. Inzwischen wurde bekannt, dass bereits im Jahr 2004 ähnliche Vorwürfe gegen das arabische Programm des Senders erhoben worden waren. Damals führte erst ein anonymer Hinweis dazu, dass eine grob verfälschende Übersetzung eines «FAZ»-Artikels von der Website entfernt wurde. Drei Wochen lang musste das Publikum annehmen, die «FAZ» teile antisemitische Ressentiments. Der Übersetzer wurde zwar entlassen. Aber als der irakische Schriftsteller und Journalist Najem Wali, damals freier Mitarbeiter, mit einer ganzen Fallsammlung auf ein möglicherweise grundsätzliches Problem hinwies, wurde er ignoriert. Fehlt beim renommierten deutschen Auslandsender eine wirksame Kontrolle?

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Als Kritiker in der Diskussion um die chinesischen Programme einen unabhängigen Beobachter forderten, wies der Intendant das Ansinnen zurück. Denn der Rundfunkrat hatte sich der Angelegenheit angenommen. Dabei erinnern sich ehemalige Mitarbeiter der Deutschen Welle, dass zu Zeiten des Kalten Krieges immer wieder und meist informell Beobachter gebeten wurden, fremdsprachige Beiträge zu sichten.

Was andere Auslandsender tun

Andere Auslandsender setzen regelmässig unabhängige Beobachter ein, um die Arbeit ihrer Fremdsprachenprogramme zu evaluieren. Dabei geht es nicht um Verdachte, sondern um routinemässige Kontrollen zur Qualitätssicherung. Bei Swissinfo werden etwa alle zwei Jahre die fremdsprachigen Programme durch externe Experten geprüft. Es sprächen die wenigsten Mitarbeiter Arabisch oder Chinesisch, so eine Sprecherin des Online-Dienstes. Das arabische Programm wurde zuletzt von einem arabischen Journalisten ausgewertet. Meist werde die Berichterstattung eines Monats gesichtet und unter den Aspekten Relevanz, Aktualität und Ausgewogenheit analysiert.

Bei der Voice of America (VOA) werden alle Fremdsprachenprogramme einmal jährlich einer Prüfung unterzogen. Dafür gibt es bei der Aufsichtsbehörde der US-Auslandsender eine für die Evaluation von Inhalt und Auftritt zuständige Abteilung. Beurteilt werden anhand einer Auswahl von Beiträgen sowohl die journalistische als auch die produktionelle Qualität. Falls es externe Beschwerden über Inhalte gibt, können Ad-hoc-Prüfungen oder auch mehrmalige Stichproben des entsprechenden Programms veranlasst werden. Betont wird bei der VOA, dass die Prüfung des Inhalts sich ausschliesslich auf die journalistische Leistung bezieht und nicht auf die Befolgung politischer Vorgaben.

Auch beim BBC World Service werden repräsentative Teile der fremdsprachigen Programme regelmässig von unabhängigen Stellen rückübersetzt und von leitenden Mitarbeitern ausgewertet, um Unvoreingenommenheit und Ausgewogenheit des Angebots sicherzustellen. Massstab sind die redaktionellen Leitlinien, die als umfassendste Sammlung journalistischer Ethik weltweit angesehen werden. Der BBC Trust prüft alle nationalen und internationalen Dienste der weltgrössten Sendeanstalt. Das Aufsichtsgremium entstand 2007 aus dem Rundfunkrat.

Qualität und Erfahrung statt Proporz

Anders als früher orientiert sich die Zusammensetzung des Trusts nicht mehr am Proporz gesellschaftlicher Gruppen, sondern an Qualität und Erfahrung, lobt Hans Kleinsteuber vom Institut für Rundfunkökonomie der Universität Köln. Zur Unterstützung seiner Tätigkeit kann der Trust unabhängige Gutachter beauftragen. Zum Einsatz kommen je nach Fragestellung speziell zusammengestellte Kommissionen, wissenschaftliche Institutionen oder anerkannte Expertenorganisationen wie das Royal Institute of International Affairs. Diese Untersuchungen schliessen Rückübersetzungen ebenso ein wie Meinungsäusserungen von Nutzern der Programme in den Zielgebieten. Seit Gründung des Trusts haben entsprechende Untersuchungen bereits mehrfach zu Kritik an der Ausgewogenheit bestimmter Schwerpunkte wie etwa der Wirtschaftsberichterstattung geführt.

Mike Gardner vom BBC World Service betont, dass der Sender rigoros Kritik von Hörern nachgeht. Die BBC greife umstrittene Themen auf und provoziere leidenschaftliche Reaktionen. Deshalb komme es immer wieder zum Vorwurf der Einseitigkeit. Sachlichen Beschwerden werde nachgegangen und die Art und Weise des Herangehens an Themen entsprechend neu justiert. Der Menschenrechtler Wei Jingsheng sagte beispielsweise, dass die BBC anlässlich eines Besuchs des chinesischen Botschafters in Washington fälschlicherweise berichtet hatte, Präsident Bush habe erst den Botschafter und dann eine Gruppe von Menschenrechtlern empfangen. Es sei umgekehrt gewesen und eine Geste Bushs, die in China entsprechend kritisiert worden sei. Weis Hinweis an die BBC führte zur sofortigen Korrektur. «Völlig unproblematisch», betont er. Ebenso würden die US-Sender bei berechtigter Kritik verfahren.

Vorwürfe zurückgewiesen

Bei der Deutschen Welle blieben Leserbriefe von chinesischen Hörern ebenso unbeantwortet wie später entsprechende offene Briefe an den Deutschen Bundestag, auch jener Wei Jingshengs. Der Rundfunkrat befand auf Basis von knapp 50 rückübersetzten Texten aus einem Konvolut von 10 000 gesicherten Beiträgen eines Jahres, dass alle Vorwürfe haltlos seien. Der Intendant räumte hingegen ein, dass bei den Stichproben erhebliche journalistische Mängel entdeckt wurden; er kündigte umfassende Qualitätssicherungsmassnahmen an. Unter anderem war aufgefallen, dass Interviews nicht sinngemäss übersetzt wurden. Kritiker sehen sich bestätigt in ihrem Vorwurf, dass die geheim tagenden Rundfunkräte sich als Interessenvertreter der öffentlichen Sender verstünden.

Dabei gilt für die Deutsche Welle eine noch wenig beachtete gesetzliche Neuerung. Der Auslandsender ist bereits seit 2005 verpflichtet, unter Hinzuziehung des Sachverstands Dritter aus dem In- und Ausland eine fortlaufende Bewertung seiner Angebote und von deren Wirkungen durchzuführen und zu veröffentlichen. Der Gesetzgeber wollte damit Transparenz schaffen. Die Bürger sollen prüfen können, was der aus Steuermitteln finanzierte Sender mit ihrem Geld macht.


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