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5. Februar 2012, NZZ am Sonntag

Schweiz droht Stromausfall

Die Hüter über das Stromnetz warnen vor Blackout – Kältewelle verschärft die Lage

Hochspannung: Übertragungskapazität am Limit. (Bild: Keystone/ Steffen Schmidt)Zoom

Hochspannung: Übertragungskapazität am Limit. (Bild: Keystone/ Steffen Schmidt)

Ein Stromausfall in der Schweiz wird immer wahrscheinlicher. Wegen der Kälte kann laut der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid schon das kleinste Ereignis zur Panne führen.

Sarah Nowotny

Im aargauischen Laufenburg, wo die Swissgrid über das nationale Stromnetz wacht, macht man sich Sorgen. Swissgrid-Chef Pierre-Alain Graf sagt es so: «Die Wahrscheinlichkeit eines grösseren Stromausfalls ist in letzter Zeit gestiegen. In den nächsten Jahren bekommen wir ohne einen Ausbau des Netzes ernsthafte Probleme.» Für die Verbraucher besteht eine reale Gefahr. Konkret ist das Stromnetz laut Graf heute während mehr als zwei Monaten pro Jahr überlastet.

Akut stellt im Moment die Kältewelle die Hüter des Übertragungsnetzes vor Herausforderungen. «Der Stromverbrauch in Europa steigt jetzt. Im Moment exportieren wir zeitweise sogar Strom nach Frankreich – nämlich wenn die Franzosen ihre Elektroheizungen einschalten. Das ist ungewöhnlich, und die ständigen Umstellungen verlangen uns einiges ab», sagt Rudolf Baumann, altgedienter Fachmann bei Swissgrid. «Unser Aktionsradius ist wegen der Kältewelle eingeschränkt», fügt Graf hinzu. «Jetzt darf nichts Zusätzliches passieren, keine technische Panne, kein Eisregen, der Leitungen reissen lässt.» Swissgrid hat vorgesorgt: Mit den europäischen Nachbarländern wurden bereits im Herbst Verträge abgeschlossen, welche die Versorgungssicherheit garantieren sollen.

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Trotzdem hat es auch diese Woche wieder einen Moment gegeben, in dem den Experten nur rund 20 Minuten blieben, um technische Lösungen zur Stabilisierung des Netzes zu finden. Andernfalls hätte es zu grösseren Problemen bis hin zu einem Stromausfall kommen können.

Grossverbraucher ohne Strom

Die grösste Gefahr besteht dann, wenn das Netz überlastet ist und zugleich das am stärksten belastete Glied in der Versorgungskette ausfällt: Dabei kann es sich beispielsweise um eine Leitung, einen überhitzten Transformator oder um ein Kraftwerk handeln. Statistisch erfasst wird die Häufigkeit solcher Schreckensmomente erst seit wenigen Jahren. Dennoch sagt Graf: «Schon in dieser kurzen Zeit konnten wir eine Zunahme der kritischen Momente feststellen.» Das Schweizer Stromnetz sei am Limit, sagt Baumann. Dies zeigt zum Beispiel die Tatsache, dass die Planung der Fachleute, welche jeden Tag im Sinne einer sicheren Stromversorgung entscheiden, wo wie viel Strom wann durch die Schweiz fliesst, heute in 60 bis 80 Prozent der Fälle kurzfristig angepasst werden muss. «Das Stromnetz ist unberechenbarer geworden», sagt Baumann.

Aus diesem Grund denken die Swissgrid-Verantwortlichen bereits darüber nach, wie sie die drastischste Massnahme einsetzen wollen: den gezielten Abwurf von Stromkonsumenten. Eine Möglichkeit, die laut Eingeweihten im Raum steht, sind Verträge mit Grossverbrauchern. Swissgrid würde die Möglichkeit erhalten, ihnen im Notfall den Strom zu kappen. Im Gegenzug würde sie die Netzgesellschaft entschädigen.

Der Grund für die zunehmend schwierige Lage von Swissgrid: In den letzten Jahren hat der Stromverbrauch zugenommen, ohne dass das Netz ausgebaut wurde. Es sind neue Kraftwerke und vor allem viel erneuerbare Energie hinzugekommen. Die Auswirkungen davon lassen sich kaum voraussagen, denn Wind und Sonne sind nicht planbar. Auch der grenzüberschreitende Stromhandel als Folge der Marktliberalisierung hat stark zugenommen. Heute wird in ganz Europa dort Energie ins Netz eingespeist und gekauft, wo sie am günstigsten ist. «Wir müssen auf demselben Netz wie vor zehn Jahren viel mehr Stromflüsse verwalten», sagt Experte Baumann.

Experten rechnen pausenlos

«Unser Stromnetz ist schon lange Teil von Europa, auch wenn wir nicht Mitglied der EU sind», sagt Swissgrid-Chef Graf. Deshalb könne die Versorgungssicherheit der Schweiz nur in Zusammenarbeit mit Europa gewährleistet werden. Eine wichtige Neuerung folgt in wenigen Monaten: Eine vorgelagerte Experten-Mannschaft wird in zwölf europäischen Ländern rund um die Uhr die geeignetsten Stromflüsse im Netz berechnen. Diese Gruppe, genannt Transmission System Operator Security Cooperation (TSC), soll also laufend Zweitmeinungen zu den Berechnungen der Fachleute in den einzelnen Ländern abgeben.

Um allerdings langfristig eine sichere Stromversorgung zu garantieren, führt laut Swissgrid-Chef Graf kein Weg an einem Ausbau der Hochspannungsleitungen vorbei (siehe Interview): «Wir müssen die Bewilligungsverfahren massiv straffen und dürfen dabei auch vor Enteignungen nicht zurückschrecken.»


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10 Leserkommentare:
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Andreas Diethelm (6. Februar 2012, 23:58)
Hegt und pflegt eure Sündenböcke

Die Energiesituation in unserm Land, wäre wirklich desolat - die geistige - falls die vorliegenden Kommentare für die intellektuelle Situation unseres Landes repräsentativ wären, was ich nicht annehmen möchte. Eigentlich könnte sich die NZZ die Artikel sparen, der Rot-Grün-Ausländer-Reflex läuft ab, sobald die Überschrift entziffert ist. Zum Textinhalt fällt einem offenbar nichts ein, der Frust kann auch so abgeladen werden. "Stromlücke", das Mantra der Stromwirtschaft, der politische Blackout vor laufendem Fukushima-GAU, der wohlfeile Appell an die menschliche Urangst vor Dunkelheit und Kälte, hat offenbar bei einigen den Verstsnd aufgeweicht. Gedanken daran, wo elektrischer Strom engespart werden könnte, sind dann eben nicht mehr möglich. Migros will offenbar 10% ihres Sortiments streichen - und niemand wird etwas bemerken. Und wenn sie bloss 10% drin lassen würden, fehlte uns noch immer nichts. Hegt und pflegt eure Sündenböcke weiter.

Markus Böni (6. Februar 2012, 17:24)
Sehr guter Vorschlag Herr Fischer und zusätzlich

könnten noch bei allen bekannten rot-grünen Politikern sowie duschenden Bundesrätinnen sofort Smart grid Zähler installiert werden so, dass die Bewegten als erste real den Winter erleben können nachdem ihnen der Fernabschaltung die Erkenntnisse bringt, einbezogen werden könnte auch noch die 2000 Watt "Forschungsabteilung" der ETH

Rafiq Tschannen (6. Februar 2012, 15:37)
Stromausfall - denken wir dann mal an den Rest der Welt

In Baghdad gibt es, 9 Jahre nach der 'Befreiung', immer noch nur stundenweise Strom. In vielen anderen Laendern ist es aehnlich ... Viel Spass!

Heinrich F. Fischer (6. Februar 2012, 12:03)
Nicht Grossverbraucher abschalten, Stadtkreise abschalten!

Es ist schon absurd: da sollen Grossverbraucher abgeschalten werden, die überhaupt gar keinen Einfluss auf den politischen Prozess haben. Schaltet doch lieber bestimmte Stadtkreise ab - jene, die "Vorreiter" bei der Energiewende sind und blind für jeden linksgrünen Blödsinn stimmen. In Zürich wären das die Kreise 4 und 5, dazu ganz Basel und Bern. Dem Verursacherprinzip wäre damit Rechnung getragen.

Reto Müller (6. Februar 2012, 11:14)
Verträge mit Grossverbrauchern

Eine interessante Idee: Swissgrid schliesst Verträge mit Grossverbrauchern zu deren "Abwurf" ab. Doch wie soll das rechtlich umgesetzt werden? Kein einziger Grossverbraucher wird direkt von Swissgrid beliefert. Es gibt also keine bestehende direkte vertragliche Beziehung. Zudem haben alle Endverbrauchern in der Grundversorgung gemäss Stromversorgungsgesetz ein Recht auf jederzeitige Belieferung mit genügend Strom. Zudem: Die "Bewirtschaftung" bei Mangellagen ist eigentlich eine Aufgabe der zustädigen Bundesstellen...

Walter Kunz (6. Februar 2012, 11:02)
Anderer Meinung

Machen wir uns nichts vor denn der laufend steigende Energiebedarf
hängt doch in manchen Beziehungen zweifellos mit dem übermässig
hoch gepuschten Bevölkerungswachstum zusammen worüber
eigenartiger Weise höchst selten die gesprochen wird. Als Tipp an die
Hüter des Stromnetzes wie wäre es ganz entgegen der landläufigen
Gewinnsucht weniger Energie zu exportieren.

Heinrich F. Fischer (6. Februar 2012, 09:28)
Wir brauchen diesen Stromausfall!

- - Wer nicht hören will muss fühlen. Mit Argumenten kommt man der „Energiewende“ und der absurden Idee der „2000 Watt – Gesellschaft“ leider nicht bei. Wenn unsere linksgrünen (vermeintlichen) Avantgardisten in einer kalten Wohnung sitzen; der Apple – Kram nicht mehr funktioniert und auch kein Restaurant mehr kochen kann (O-Ton: Ich verbrauche nicht viel Strom, ich gehe auswärts essen, erst dann wird Vernunft einkehren.

Daho Gnung (6. Februar 2012, 08:53)
Gesamtwirtschaftlich rechnen

Wir werden immer mehr Strom brauchen! sofort heisst es mehr, stärkere Leitungen bauen! wie wär es aber, wenn sich die Grossen auch für kleine lokale und sofort nutzbare Beiträge einsetzen würden? Mit Photovoltaik auf jedem dach udn allen südexponierten fassaden könnte lokal der Strom grad wieder ins Haus geführt werden. Wie wird das einberechnet? statt Jammern möchte ich auf der Webseite diese Berechnung einsehen können, was wir wirklich brauchen! Enteignung wird dann nicht mehr nötig sein. aber es müssen alle am gleichen Strick ziehen!

Peter Kuhn (6. Februar 2012, 08:24)
Die Weitsichtigen

Haben wir eventuell zu viele Stromverbraucher im Land? Mehr Leute brauchen mehr Strom, oder? Vielleicht werden unsere weitsichtigen Eliten, die vorausschauenden Gescheiten und ganz speziell die sendungsbewussten Umweltler eines Tages noch zähneklappernd, mit blauen Lippen, triefender Nase und mit 3 übereinander gezogenen Winterpullis, nebst den untergezogenen Mitternachts-Keilhosen (lange Unterhosen) darum bitten, doch ja wieder ein KKW einzuschalten. Denn immer mehr Leute im Land, expandierende und neue Unternehmen, sowie der gelobte ÖV brauchen auch ein paar KW mehr Strom! Nicht zu denken, was geschehen würde, wenn Probleme mit Heizöl und Gas auftreten würden. All dies ist gar nicht so ausgeschlossen, liebe Abschalter

Rene Kunz (6. Februar 2012, 06:41)
Energiebedarf!

Ist es die Kälte alleine oder hat nun die Stromnachfrage erzeugt durch das fortlaufende und vernunftlose Grundstücks-und Wohnungswirtschaft (Immobilien) Wachstums den Grenzwert der Energie Versorgung erreicht? Und es wird in der Schweiz immer noch unbekümmert und offensichtlich ohne Verstand weiter gebaut. Die ehemalige 'grüne' Schweiz ist nun ein Energie-hungriges Beton Kasino geworden. Höchste Zeit für einen soliden Immobilien Baustop in der Schweiz. Nach Berechnungen des vierteljährlichen UBS Immobilienblasen-Index befindet sich der Schweizer Immobilienmarkt nun auch auf einem riskanten Niveau. Ökonomen warnen vor dem Platzen der Blase. Hello, haben die verantwortlichen Schweizer Behörden je etwas von der implodierten Immobilien Blase und Pleite in den USA gelernt, wenn sie überhaut noch etwas lernen?

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