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Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik Deutschland


Die Bundesregierung beanspruchte für die Bundesrepublik Deutschland das Recht, "bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes" zu sein. Adenauer formulierte diesen Alleinvertretungsanspruch erstmals am 21. Oktober 1949 vor dem Deutschen Bundestag, bis Bundeskanzler Willy Brandt im Oktober 1969 von zwei deutschen Staaten einer Nation sprach und damit die DDR de facto anerkannte.

Grundgesetzauftrag Aus dem in der Präambel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland formulierten Auftrag an "das gesamte deutsche Volk, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden", leitet die Bundesrepublik den Anspruch ab, eigentlicher Kernstaat des wiedervereinigten Deutschlands und Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches zu sein.
Gründung der DDR Der Sowjetunion bietet die Konstituierung der Bundesorgane und die Inkraftsetzung des Besatzungsstatuts Anlass, die Bildung einer deutschen demokratischen Republik zuzulassen. Am 7. Oktober 1949 wird in der sowjetischen Besatzungszone ein zweiter Staat auf dem Gebiet des Deutschen Reiches proklamiert.
Keine Anerkennung Damit ist die Bundesregierung gefordert, Stellung zu beziehen. Adenauer hat schon Mitte September 1949 öffentlich klargestellt, dass eine Anerkennung des in der Sowjetzone errichteten kommunistischen Regimes nicht in Frage komme. Mithin lehnt er jegliche Bestrebungen ab, die DDR auch nur de facto als Staat zu respektieren, was zudem den Status seiner Regierung schmälern würde. Unter Hinweis auf die Bundestagswahl verlangt er freie Wahlen in der sowjetischen Besatzungszone und beharrt auf die Zugehörigkeit der Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie zu Deutschland. Desgleichen ist für ihn nach dem Bekenntnis der CDU der DDR zur Staatsgründung auch die Spaltung der Christlich-Demokratischen Partei Deutschlands perfekt.
Alleinvertretung In der zweiten Oktoberhälfte formuliert die Bundesregierung ihre deutschlandpolitische Grundposition gegenüber der DDR. Adenauer proklamiert am 21. Oktober vor dem Deutschen Bundestag erstmals das Recht für die Bundesrepublik, "bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes" zu sein. Diesen Alleinvertretungsanspruch wiederholt er am 26. Oktober in einem Schreiben an die Alliierte Hohe Kommission. Gleichzeitig spricht er der DDR das Recht ab, ver­bindlich für das deutsche Volk, insbesondere hinsichtlich der Regelung der Oder-Neiße-Grenze, Stellung zu nehmen.
Stützpfeiler seiner Argumentation ist nach wie vor die mangelnde Legiti­mität des anderen deutschen Staates, dessen Regierung nicht - wie im Falle der Bundesregie­rung - aus freien Wahlen hervorgegangen ist, an denen 23 Millionen wahlberechtigte Deutsche teilgenommen haben. Auch in der Folgezeit bleibt für die Bundesregierung die Forderung nach freien Wahlen in der DDR die elementarste Voraussetzung für jeden weiteren Schritt in Richtung staatlicher Einheit Deutschlands. Der amerikanische Hohe Kommissar, John McCloy, wiederholt am 16. Februar 1950 in einem Schreiben an Adenauer lediglich die Formulierung des Alleinvertretungsanspruchs für Deutschland, den der Bundeskanzler in seinem Schreiben vom Oktober 1949 formuliert hat, enthält sich aber jeder Bewertung.
Interpretative Note In einer Interpretativen Note einigen sich die drei westlichen Außenminister im September 1950 auf eine Formel für die Definition des Status' der Bundesrepublik. Darin bekräftigen sie einerseits den Alleinvertretungsanspruch der Bundesregierung, enthalten ihr aber andererseits die Anerkennung als Regierung Gesamtdeutschlands vor. Es ist der Spagat zwischen einem politischen Alleinvertretungsanspruch, den die Bundesregierung künftig international für sich reklamieren kann, und dem Offenhalten der völkerrechtlichen Regelung. Die drei Westmächte bewegen sich somit weiterhin auf der Rechtsgrundlage der Viermächte-Regierungsvereinbarungen über Deutschland. Das liegt in ihrem und auch im Interesse der Bundesregierung. Zugleich ist nämlich ein Modus gefunden worden, durch den die Bundesregierung politisch ihr internationales Ansehen verbessert, ohne daß sich faktisch an den Rechtsgrundlagen etwas ändert.
Anerkennung durch Brandt „Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein", erklärt der neugewählte Bundeskanzler Willy Brandt am 28. Oktober 1969 in seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag. Mit dieser staatlichen Anerkennung der DDR rückt die Regierungskoalition aus SPD und FDP von der Praxis der CDU/CSU-geführten Bundesregierungen ab und gibt damit praktisch den von der Regierung Adenauer formulierten Alleinvertretungsanspruch auf.
Literaturhinweise

H. Buchheim: Adenauers Deutschlandpolitik, in: Konrad Adenauer. Ziele und Wege (1972); G. Buchstab: Adenauer und die Wiedervereinigung. Die Weitsicht des ersten Bundeskanzlers ermöglichte die Einheit in Freiheit, in: Die Politische Meinung 45 (2000) 373; R. Morsey: Die Deutschlandpolitik Adenauers. Alte Thesen und neue Fakten (1991); Ders.: Die Deutschlandpolitik Konrad Adenauers, in: HPM 1 (1994).

Hanns Jürgen Küsters

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