Sichtweise: HPM privat

Der Fußballfan

HPM im Tiefschnee

Die Privatperson

 

Neugierde ist wohl meine Haupteigenschaft, und ich fühle mich als Freigeist voller Leidenschaft, wie es ein Lebensfreund so wohlmeinend formuliert. Meine Familie hat in mir schon im Jugendalter die Sehnsucht ausgelöst, unabhängig zu sein. Erlebte Ungerechtigkeit machte mich „rebellisch“ – gegen autoritäre Lehrer, die noch die Nazizeit verklärten, ebenso wie gegen meinen Vater. Gleichzeitig bin ich ein ewiger Zweifler, ein Nicht-Gläubiger, hinterfrage alles und jeden, erst recht mich selbst. Das kann quälend sein. Unsicherheit versteckte ich lange Zeit, wie andere auch, oft hinter Überheblichkeit. Doch in den vergangenen Jahren, so hoffe ich jedenfalls, fand ich mehr und mehr zu einem klaren Blick. Niemand muss mir mehr etwas beweisen, ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Und so ist es gut so, wie es ist.
 
Lebensthema
 
Die Gerechtigkeit wurde zu meinem Lebensthema. Seit 1972 bin ich ein „political animal“ – leider oder zum Glück. Zuvor, als Kind, faszinierten mich Baustellen. Baupolier schien mir ein kaum erreichbarer Traumberuf, später war es Architekt. Das Interesse an der Architektur ist geblieben. Seit ich in der Politik bin, begriff ich aber endlich, wie kostbar Familie und echte Freunde sind. Mein Sohn Manuel Kaspar und meine Frau Heike – sie wurden mir wichtiger als alles andere.
Dazu zwei Leidenschaften: Fußball und Tiefschneefahren.
 
Ratlosigkeit
 
Seit 1981 ist mein Hauptwohnsitz wohl ein Sitzplatz in einem Flughafen oder einem Flugzeug. Nur sehr selten verbringe ich drei Tage hintereinander im selben Bett. Zwei Mal wohl habe ich die Welt gesehen – als Buchautor und Journalist. In der Politik bewege ich mich weitgehend im Dreieck Brüssel-Strassburg-Wien. Hinzu kommen die USA, wo ich regelmäßig an Universitäten Vorträge halte und China: Ohne das Reich der Mitte im Blick zu haben, kann man die Welt heute nicht mehr verstehen.
    
Die heftige Debatte 1972 zu den Ostverträgen – den Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit Polen – politisierte mich, die schon live übertragenen Diskussionen aus dem Bundestag in Bonn elektrisierten mich. Ich war pickelige 14 Jahre alt, in einer reinen Bubenschule. 
 
Willy Brandt hat mich politisch geprägt, nicht Bruno Kreisky. Der war mir als Vorarlberger zunächst zu sehr märchenonkelig.
 
Geboren am 11. August 1957 in Bregenz am Bodensee, hinein in eine aufstiegsorientierte Kleinbürgerfamilie, erfülle ich die meisten Vorstellungen, die sich mit dem Sternzeichen Löwen verbinden...
 
Vorarlberger Kalifornier
 
Das prägendste Jahr meines Lebens durfte ich mit gerade 16 in Kalifornien als Stipendiat verbringen. Zu spät für die Flower-Power-Jahre und die Höhepunkte der Anti-Vietnam-Demonstrationen, aber nahe genug am Campus der University of California in Berkeley, um dort wöchentlich Avantgarde-Filme zu sehen und die Atmosphäre der Telegraph Avenue aufzusaugen. Natürlich war ich links, sehr sogar. Darum kam ich auch wieder nach Europa zurück, denn die USA unter Richard Nixon hielt ich für einen hoffnungslosen Fall.
 
In Österreich hingegen glaubte ich, dass mit Kreisky der gesellschaftliche Fortschritt erst richtig beginnen würde. Ja, das Politische faszinierte mich, auch der politische Journalismus. In den USA hatte ich bereits einiges an Handwerk gelernt, in „Media“- und „Speech“-Classes und vor allem als „Macher“ einer kritischen Schülerzeitung – „The Other Hand“. Das Porträt, das ich damals über die „Symbionese Liberation Army“ schrieb, die soeben die Zeitungserbin Patricia Hearst in der Nachbarschaft entführt hatte, rief polizeiliche Ermittler auf den Plan. Und ich verstand die Welt nicht mehr – wie absurd im Land der Meinungsfreiheit.    
 
Wiener Zirkel
 
Zurück in Vorarlberg ging ich noch einmal zwei Jahre ans Bundesrealgymnasium Dornbirn. Das Lernen fiel mir stets leicht, so blieb viel Zeit für die neue Schülerzeitung „Rübe“ und die Sonderausgaben „Zwiebel“, mit der wir prügelnde Lehrer und Altnazis outeten. 
 
Die „gruusig unabhängige“ (Eigendefinition) „Rübe“ brachte uns den ersten (und einzigen) „Staatspreis für Schülerzeitungen“ ein. Die Vorarlberger Schuldirektion freute sich, bis wir ihr sagten, dass wir absichtsvoll beim Wettbewerb nur jene beiden Ausgaben eingereicht hatten, die an der Schule selbst verboten worden waren.
 
Als Schulsprecher konnte ich oft nach Wien und lernte dort viele Jugendliche gut kennen, die später in Österreichs Politik eine wichtige Rolle spielten – Andreas Rudas, Alfred Gusenbauer, Christoph Matznetter, Josef Cap, Othmar Karas und und und.
 
Eigentlich wollte ich nach Berlin, nach Westberlin, in die schon 1976 aufregende Stadt. So wurde ich Klassenbester, um den Numerus Clausus an der Freien Universität Berlin zu schaffen – also Matura mit Auszeichnung. Doch mein Vater verweigerte mir jede finanzielle Unterstützung, falls ich nicht in Österreich ein - in seinen Augen seriöses – Studium beginnen würde.
 
Auch Wiener um Markus Peichl und Rudolf Dolezal lockten, so inskribierte ich Jus in Wien, außerdem Publizistik, Politologie, Soziologie, Geschichte und Volkswirtschaft – und verdiente so schnell wie möglich mein eigenes Geld. Nach einem Jahr schrieb ich, dank der Vermittlung von Peter Pilz, erstmals beim „“Extrablatt“ - und trampte nach der ersten juristischen Staatsprüfung zu Günter Wallraff. Es war der deutsche Herbst 1977.
 
Deutschland
 
Die deutsche Politik hat mich ehrlicherweise stets weit mehr interessiert als die österreichische. Deutschland ist ein Faktor in der Welt, es ist relevant, was dort geschieht. Und das Arbeiten dort geht oft sehr professionell und kompetent vor sich. So war es nur folgerichtig, dass ich mich um die internationale Positionierung unserer ersten Bestseller kümmerte – „Gesunde Geschäfte“ und „Bittere Pillen“.
 
1984 schloss ich das ungeliebte Jusstudium in Wien ab, schon seit Jahren war ich da auf Recherche- und Vortragstouren. 1985, mit knapp 27 Jahren, dann das Jobangebot meines Lebens: Korrespondent beim Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
 
Heirat
 
1984 auch die erste Heirat, mit Susanne Matthes, Tochter eines Arztprofessors in Heidelberg. Sie ist heute leitende Kinderärztin am St. Anna-Kinderspital in Wien. Die Scheidung und gleichzeitig der aktive Einstieg in die Politik wurde zu der bislang schmerzhaftesten Erfahrung in meinem Leben. Doch in dieser Zeit bin ich aufgewacht. Seither pflege ich Freundschaften intensiv, bin von der - in Wien überdurchschnittlich - zelebrierten Scheinheiligkeit vieler Menschen angewidert – und mit meinen internationalen Freunden und meiner Familie glücklich.
 
2004 heiratete mich Heike Kummer aus Freudenstadt. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, wuchs im Niemandsland Siegerland südlich von Dortmund auf, studierte Politikwissenschaften und Soziologie in Tübingen, und ist jetzt in Stuttgart im Management von Daimler für die Aus- und Weiterbildungspolitik im Gesamtkonzern zuständig. Sie ist eine wunderbare, einnehmende und in der Lebensmitte verwurzelte Frau – und meine engste berufliche Mitstreiterin. Nach ihrer schweren Operation 2007 kämpfte sie sich mit ansteckender, bewunderswerter Zähigkeit wieder ins Leben zurück. Wow. Langsam kann ich mich sogar in ihre Liebe zu großen Tieren hineinempfinden. Kater Kunibert ist ohnehin schon seit Jahren ein Star in his own right.
 
Und, weil es hier wohl stehen muss: Nebenher habe ich mich ehrenamtlich in diversen NGO´s betätigt:
 
Mitbegründer des Ökologie-Instituts Wien (1985)
Mitglied der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler e.V.
Mitglied des Advisory Board der Zeitschrift Prospect, London
Aufsichtsrat bei Greenpeace Deutschland, bis 1999
Mitglied des Club of Rome
Gründer der "Europäischen Transparenz-Initiative" (ETI) (2000)
 
Leben
 
Für mein Leben diskutiere ich gerne. Genau so gerne habe ich meinem Sohn alle Harry-Potter-Romane vorgelesen (stimmt nicht, die letzten 300 Seiten fehlen noch), und ich freue mich auf jede Stunde und jedes Telefonat mit ihm. Die sind derzeit leider rar, da Manuel Kaspar auch einen erfüllenden Freundeskreis gefunden hat und strebern muss. Aber zu Weihnachten werden wir am Arlberg im Tiefschnee wieder Zöpfe flechten. Das ist für mich die Definition von Glück. Manuel Kaspar hat im Sommer 2010 seine Schule abgeschlossen und studiert jetzt Medizin am Imperial College in London.
 
Sterben
 
„Für wen oder was würden Sie sterben?“, hat mich einmal André Heller gefragt, mit dem mich in den 90ern ein fast zärtliches „Sie“ verband. Damals wusste ich die Antwort nicht. Vielleicht ist dies persönlich das Beste, was mir durch den Einstieg in die Lügenwelt der aktiven Politik passiert ist: Heute weiß ich es, ohne auch nur einen Sekundenbruchteil nachdenken zu müssen.

 

Siehe auch: "News": Der Rebell