Zum Inhalt springen
Dezember 10, 2012 / der Red.

Rauchverbot-Bayern-Blog empfiehlt: Grieshabers Wissenschaftsdialog

Liebe Leser dieses Blogs,

lange war Funkstille bei Rauchverbot-Bayern-Blog, und von vielen habe ich gehört, dass sie die Beiträge hier gerne gelesen haben und sehr vermissen. Die lange Sendepause wurde zunächst durch berufliche Gründe ausgelöst. Aber als ich mich der Sache dann wieder hätte widmen können, waren längst andere Brennpunkte als Bayern beim Rauchverbot wichtig geworden – vor allem Nordrhein-Westfalen. Ich merkte, daß mein Konzept, über das Rauchverbot in Bayern zu bloggen, zu eng gefaßt war. Überlegungen, dieses Blog durch eines mit einem übergreifenderen Konzept zu ersetzen, sind dann aber leider nie über das Planungsstadium hinausgeraten – das ist der Fluch des Einzelkämpfers: Entweder man macht alles, oder niemand macht etwas. Ich muß einsehen, daß ich mir nicht mehr einreden kann, das Projekt wäre noch einmal wiederzubeleben. Es war eine tolle Zeit und eine spannende Aufgabe, aber es ist vorbei – leider.

Das Blog soll ungeachtet dessen weiter online bleiben. Erstens findet es auch jetzt noch, nach so langer Inaktivität, mehr Leser, als ich erwartet hätte. Und zweitens bietet es eine Momentaufnahme aus dem Jahr nach dem Volksentscheid in Bayern, die sicherlich von dauerhaftem Interessen sein wird.

Aber eigentlich schreibe ich das alles nur, weil ich ein anderes Blog gefunden habe, dessen Lektüre ich allen, die Rauchverbot-Bayern-Blog mochten, wärmstens als Ersatz empfehlen kann: Grieshabers Wissenschaftsdialog.

Professor Romano Grieshaber, der frühere Präventionsleiter der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe, ist mit seinen aufsehenerregenden Erkenntnissen zum Passivrauchen sicherlich jedem ein Begriff. Nun ist er unter die Blogger gegangen und nimmt mit spitzer Feder das jüngst beschlossene Rauchverbot in NRW, die Herzinfarktwunder, die WHO und ihren Heidelberger Ableger und vieles mehr aufs Korn. Lesenswert und vor allem auch verbreitenswerte Lektüre! Möge sie viele Leser finden.

Rauchverbot-Bayern-Blog

September 4, 2011 / der Red.

Was schwärmt denn da? – Wespennester, und wie man nicht mit ihnen umgehen sollte.

Der eine oder andere hat vielleicht diesen Spiegel-Online-Artikel gelesen. Kurzzusammenfassung:

Philip Morris versucht, in Großbritannien auf juristischem Weg an Forschungsdaten heranzukommen. Der Tabakkonzern ist interessiert an der Befragung Tausender Jugendlicher, etwa zur Gestaltung von Zigarettenschachteln. Wissenschaftler fürchten nun um die Integrität ihrer Arbeit.

Das Informationsfreiheitsgesetz gilt aber entweder für alle oder für niemanden. Es galt auch schon, als die Daten erhoben wurden. Wenn, wie die betreffende Hochschule einwendet, den Teilnehmern “schriftlich zugesichertworden” sei, “dass die Daten streng vertraulich und ausschließlich für wissenschaftliche Zwecke verwendet würden”, dann hat sie ein Versprechen gegeben, das sie angesichts der Rechtslage nicht hätte geben dürfen. Ohnehin fragt sich, wozu diese Studie gut gewesen sein soll. Auch in GB gilt nämlich, dass Jugendlichen unter 18 keine Tabakwaren verkauft werden dürfen. Und anders als bei uns gibt es für Zigaretten überhaupt keine Werbung mehr, auch nicht in Form von Plakatwerbung – die letzte Variante, die bei uns noch erlaubt ist.

Aber in England, wo natürlich noch ausführlicher darüber berichtet wurde, hat die Geschichte noch einen anderen Beigeschmack bekommen. Eine der betroffenen Forscherinnen, eine gewisse Linda Bauld,  behauptete nämlich in diesem Zusammenhang, von anonymen Anrufern verfolgt zu werden, und deutete an, dies sei möglicherweise im Auftrag der Tabaklobby geschehen. Eine auszugsweise Übersetzung:

Linda Bauld, Professorin für Sozialmanagement am Institut für soziales Marketing an der Stirling Universität, sagt, sie sei nicht auf das Ausmaß persönlicher Angriffe mit dem Ziel, ihre Arbeit über Rauchverhalten und für eine Anti-Rauch-Gesetzgebung vorbereitet gewesen 

“Ich hatte eine Serie anonymer Anrufe, die vor etwa einem Jahr angefangen haben”, sagte Professor Bauld. “Es sind Anrufe am Abend, wenn ich zu Hause bei meinen Kindern bin. Es ist eine unangenehme Erfahrung. Es geschah sechs oder sieben Mal, und immer von einer unbekannten Rufnummer. Überlicherweise nach einem neuen Beitrag [gemeint ist wohl ein Beitrag, in dem sie erwähnt wird] auf einer der wichtigsten Raucher-Websites. Sie [die Anrufer] nennen keinen Namen, sie sagen nur Dinge wie ‘Keep taking the money’ [sinngemäß: Du läßt dir deine Einnahmen auch nicht entgehen] oder ‘Wer sind Sie, sich in das Leben anderer Menschen einzumischen?’, und es fällt das eine oder andere Schimpfwort.” 

 Professor Bauld hat die Anrufe nicht der Polizei gemeldet, sondern hat die Absicht, vorsichtiger mit der Verbreitung ihrer Telefonnummer zu sein. Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Tabakkonzerne für die anonymen Anrufe direkt verantwortlich sind, aber Professor Bauld ist ein  legitimes Zeil für Kritik durch Big Tobacco durch die Prominenz ihrer Arbeit über Zigaretten und die Auswirkungen des Rauchverbots. Ihr Bericht zum Rauchverbot in England für das Gesundheitsministerium enthielt als Ergebnis, daß es positive gesundheitliche Wirkung hatte, während es keinen Beweis für offensichtliche negative Auswirkungen auf die Gastronomie hatte, wie von der Tabakindustrie wiederholt behauptet wurde. 

Lesern in Bayern fällt dabei bestimmt ein Detail ganz besonders auf, das in England wahrscheinlich niemandem aufgefallen ist. Ich habe es fett markiert. So, so – sie beklagt sich einerseits über anonyme Anrufe und Belästigungen, hat aber andererseits nicht die Polizei verständigt? Mit fast denselben Jammertiraden geht bei uns Sebastian Frankenberger seit inzwischen einem geschlagenen Jahr in den Medien hausieren! Bei ihm sollen es sogar Morddrohungen gewesen sein – aber, höchst seltsam, auch er hat diese Drohungen nach eigenen Angaben nicht der Polizei gemeldet. Warum eigentlich nicht? Eigentlich kann es dafür nur zwei Gründe geben: Entweder es gibt diese Morddrohungen und massiven Belästigungen in Wirklichkeit gar nicht, oder wenn es sie gibt, dann fühlt sich Frankenberger nicht persönlich gefährdet. Im letzteren Fall kann man unterstellen, daß er vielleicht sogar sehnsüchtig auf jeden Drohanruf wartet – denn die Heulsusen-Tour mit den Drohanrufen hat sich ja längst die einzige Methode für ihn herauskristallisiert, um ab und zu doch wieder einmal in die Medien zu gelangen. (Das alleine sollte für jeden Leser dieses Blogs, der nicht weiß, wohin mit seiner Wut, eigentlich schon Grund genug sein, solche Drohungen zu unterlassen!)

Vielleicht fragen Sie sich, warum ich so selten über Sebastian Frankenberger schreibe – obwohl die Zahl der Leser dieses Blogs immer sprunghaft nach oben schnellt, sowie ich ihn zum Thema mache. Die Antwort lautet: Mir liegt etwas daran, diesen Menschen so schnell wie möglich in die wohlverdiente Vergessenheit zurücksinken zu lassen – denn jede Aufmerksamkeit, die man ihm widmet, ist eine unverdiente Ehre für ihn. Daß es mit seiner Vergessenheit schon fast wieder geschafft ist,  zeigen die spärlichen Verkäufe seines neu erschienenen Buches*: Am Montag, den 29.8., dem offiziellen Erscheinungstermin, waren frühmorgens bei Amazon noch genau 15 Exemplare lieferbar. Heute, am Sonntagabend, dem 4.9., also ziemlich genau sieben Tage später, sind von diesen 15 Exemplaren immer noch 6 bei Amazon auf Lager, und das Buch liegt auf Verkaufsrang 106.757. Für ein Buch, das erst seit einer Woche ausgeliefert wird, sind diese Zahlen so eindeutig schlecht, daß sie keiner weiteren Kommentierung bedürfen.

* Sorry, kein Link von mir. Wenn es Sie ernsthaft interessiert, bitte selber suchen. Ich bin schließlich keine PR-Agentur für abgehalfterte Nachwuchspolitiker. Danke.

Zurück zu Linda Bauld, denn ihr Vorwurf zielt in eine ganz andere Richtung als die immer wieder gleiche Frankenbergersche Leier, mit der er vor allem sich selbst zum Opfer zu stilisieren versucht in der Annahme, Mitleid zu heischen, sei eine erfolgversprechende Strategie für einen Nachwuchspolitiker, der sonst nicht viel zu bieten zu hat. Frau Bauld beschuldigt die Tabakindustrie, wenigstens indirekt hinter den anonymen Anrufen und den “vitriolic attacks” (in etwa übersetzbar mit “Giftspritzereien”) mit  zu stecken.

Indirekt beschuldigt sie damit auch die englischen Blogger, die für England die Auswirkungen des Rauchverbots beschreiben, genauso wie Rauchverbot-Bayern-Blog das für Bayern tut, im Auftrag der Tabakindustrie tätig zu sein. Das ist zwar nichts Neues, aber einer dieser Blogger, Frank Davis, hat Frau Bauld als Antwort auf diesen Angriff unter der Gürtellinie einen so lesenswerten offenen Brief geschrieben, daß mein erster freier Sonntag seit Monaten mir nicht zu schade war, ihn ins Deutsche zu übersetzen:

Brief an Linda. Von Frank Davis.

Am interessantesten ist, daß Akademiker wie Linda Bauld Blogs lesen, die pro Rauchen sind. Da ich ein solches Blog schreibe, kann es gut sein, daß sie meines liest. Sie kann durchaus auch diesen Blogartikel lesen. Also wird sich der Rest dieses Artikels direkt an sie richten. Ich werde mir Mühe geben, nicht giftig zu werden

Also, setzen Sie sich, Linda, und hören Sie mir gut zu:

Zunächst, es gibt keine organisierte Kampagne, denn es gibt keine Organisatoren, und am allerwenigsten sind das die Tabakkonzerne. So funktioniert das Internet nicht. Es gibt keine Kommandostrukturen und Hierarchieebenen wie bei Ihnen, wo Sie ja, glaube ich, eine Universitätsprofessorin sind, was mehr ist als ein Dozent oder ein Nachwuchswissenschaftler (wie ich einmal einer gewesen bin). Wir Pro-Rauchen-Blogger sind kein Bestandteil einer Organisation. Wir sind verschiedene Menschen. Über ziemlich viele Dinge sind wir oft wir nicht einer Meinung. Wir sind eine lose, wirbelnde Wolke von Individuen. Ein Schwarm.

Ein Teil Ihres Problems ist, daß Sie so fixiert auf die Tabakindustrie sind, die von der Tabakkontrolle seit 50 Jahren bekämpft wird, daß Sie nicht mitbekommen haben, daß sich dieser Schwarm  zu bilden begonnen hat,  unter den Millionen von Rauchern, die die Auswirkungen Ihrer Arbeit auf ihr gesellschaftliches Leben, ihre Familien, ihre Arbeit, ihr Selbstwertgefühl und ihre Brieftaschen spüren. Die einzige echte Verbindung zur Tabakindustrie ist, daß sie deren Produkte konsumieren. Sie haben so viel Verbindung zur Tabakindustrie wie die Durchschnittshausfrau zu Aldi oder Lidl oder wo sie sonst einkaufen. Sie arbeiten nicht für diese Unternehmen, und sie bekommen kein Geld von ihnen. Sie bekommen auch keine Anweisungen von ihnen, und sie werden von ihnen nicht angeführt.

 Lassen Sie sich also belehren: Wir sind keine Organisation. Und wir werden nicht von einem Tabakkonzern angeführt.

Wenn etwas in diesen Blogs und Foren und Newslettern geschieht, dann nicht, weil es organisiert worden wäre, sondern weil eine Person etwas schreibt und eine andere Person es liest und eine Antwort darauf gibt. So machen das noch weitere Personen, und als Nächstes schreiben sie alle über dieselbe Sache oder dieselbe Person (zum Beispiel über Sie). Ähnlich wie Leute in der Kneipe ziemlich oft alle über dasselbe reden, ohne daß irgendwer sagen muß: „Also, Leute: Das nächste Diskussionsthema ist Manchester United.“ Sie haben vielleicht selbst schon gelegentlich solche Erfahrungen gemacht – man nennt so etwas ein Gespräch. Das passiert einfach ohne Planung, ohne Memos oder Anweisungen. Und das ist es, was im großen Wirbel des unaufhörlichen Gesprächs geschieht, das sich Blogosphere nennt. Es sieht aus, als wäre es organisiert, aber das ist es nicht. Sie sind aber nicht alleine mit Ihrer Vermutung, es müsse organisiert sein – zum Teufel, auch die chinesische kommunistische Partei glaubt schließlich, es sei organisiert.

Zweitens: Dieser Schwarm wächst. Weil heutzutage viele zornige Raucher von ihm angezogen werden. Und nicht nur Raucher. Ziemlich viele in dem Schwarm rauchen gar nicht.

Viele von diesen Leuten sind stinksauer. Manche habe wegen der Rauchverbote ihre Arbeit verloren. Manchen wurde eine Krankenbehandlung verweigert. Manche (wie ich) haben ihre meisten Freunde verloren, seit die Rauchverbote in Kraft getreten sind, einfach deshalb, weil es nirgends mehr einen warmen, freundlichen Ort gab, um sich zu treffen. Manche haben Selbstmord begangen. Und manchen gefällt es einfach nicht, was mit den Rauchern gemacht wird.

Und, drittens, es sind verdammt viele. Es gibt konservativ geschätzt etwa 1.300 Millionen Raucher auf der Welt. Keinem von ihnen gefällt, was mit ihnen gemacht wird. Sehen Sie der Wahrheit ins Gesicht: Kein Raucher ist von Rauchverboten mehr angetan als ein Truthahn von Weihnachten. Es gefällt ihnen nicht, verbannt, ausgeschlossen, entnormalisiert, verunglimpft und dämonisiert zu werden. Den meisten Leuten würde so etwas nicht gefallen. Vielleicht sind nicht alle gleich zornig, aber sie alle werden nach und nach immer zorniger. Und wenn sie zornig genug sind, dann schließen sie sich dem immer größer werdenden, kreisenden Schwarm an.

Sie glauben, Ihr Feind sei Big Tobacco, aber diese Zeiten sind vorbei. Ihr Feind ist nun der immer weiterwachsende Schwarm zorniger Raucher auf der ganzen Welt, der nach und nach zu einem Super-Schwarm werden wird.

Alle in diesem Schwarm hassen Sie und Leute, die wie Sie sind. Sie hassen Sie abgrundtief.

Falls Ihnen das bislang noch nicht aufgefallen ist, dann vermutlich, weil Sie sie so angestrengt ignorieren. Sie gestatten weder Rauchern noch Tabak-Konzernen, an Ihren zahlreichen Konferenzen teilzunehmen. Sie wollen gar nicht wissen, was sie denken. Sie sehen Raucher als hirnlose Drogenabhängige, abhängig von Tabak. Das einzige, was Sie wollen, ist, sie dazu zu bringen, daß sie mit dem Rauchen aufhören. Nichts anderes zählt für Sie. Nicht, was sie denken, nicht was sie fühlen, was sie glauben oder was sie sagen. Sie haben sie entmenschlicht, zu einer Art Versuchsratten, die man schubsen und antreiben muß, wie man Ratten mit elektrischen Schlägen blinden Gehorsam aufzwingen kann.

Ich möchte Sie gerne darauf hinweisen, daß Sie damit falsch liegen. Raucher sind in Wirklichkeit so menschlich wie jeder andere auch, und auch so intelligent wie jeder andere, und sie bekommen so gut wie andere Leute mit, was mit ihnen gemacht wird. Es war nicht Ihr persönlicher Fehler, sondern der Fehler der gesamten Tabakkontroll-Bewegung, von ganz oben bis ganz unten: Sie glauben, Sie haben es mit Ratten zu tun, aber dem ist nicht so. Sie haben es mit Menschen zu tun, die genauso klug sind wie Sie auch, genauso sachkundig und genauso zielstrebig.

Diese gehässigen E-Mails und Anrufe, die Sie bekommen, wurden von niemandem organisiert oder geplant. Es ist ein Ausläufer des Schwarms, wie die Ausläufer eines Hurricanes. Aber sie werden nicht weniger werden, sondern mehr und häufiger werden. Sie sollten anfangen, sich Sorgen zu machen, wie lange es noch dauern wird, bis Ziegelsteine durch Ihre Fenster geworfen oder Botschaften an Ihre Haustür geschmiert werden. Das wird auch von niemandem geplant werden. Es wird einfach passieren.

Sie wirken besorgt, und das sollten Sie auch sein – noch nicht jetzt, aber bald. Denn noch ist es nicht zu spät, um etwas daran zu ändern und den wachsenden Schwarm von Ihrer Haustür fernzuhalten.

Mein Vorschlag lautet: Geben Sie bekannt, daß Sie Ihre Meinung über das Rauchen und die Raucher geändert haben. Sagen Sie den Leuten, daß Sie begonnen haben zu bemerken, daß Raucher genauso wie andere Menschen sind, daß sie mit Respekt behandelt werden sollten und eine Würde haben – sie sind nicht nur dreckige Süchtige, die man wie eine Viehherde zusammentreiben kann. Schreiben Sie dem Gesundheitsminister und teilen Sie ihm mit, daß Sie glauben, die aktuelle Kampagne gegen das Rauchen habe sich als „kontraproduktiv“ herausgestellt (oder so ähnlich, ich bin sicher, Sie finden die richtigen Worte). Schlagen Sie vor, daß das Rauchverbot gelockert wird, weil es so, wie es ist, mehr Schaden als Nutzen mit sich bringt. Überzeugen Sie Ihre Kollegen von Ihren neuen Argumenten. Rufen Sie zu einem „Überdenken“ auf. Oder einem „Moratorium“.

Auf diese Weise – und nur auf diese – werden Sie den zornigen Schwarm vielleicht wieder beruhigen können. Und Raucher wie ich werden Sie für Ihre Einsicht und Ihren Mut bewundern. Und sie werden Sie in ihrem Kreis begrüßen wie ein anständiger Christ den verlaufenen Sohn oder das verlorene Schaf  - oder so ähnlich – begrüßen würde.

Falls das aber nicht funktionieren sollte, treten Sie von Ihrem Amt zurück und fangen Sie etwas anderes an. Ich bin sicher, Sie haben es leicht mit Ihren vielen Freunden und Kontakten, einen beruflichen Neuanfang zuschaffen. Bei mir in der Nähe öffnet demnächst ein neuer Sainsbury’s [eine Supermarktkette]. Ich bin sicher, Sie wären eine tolle Kassiererin.

Oder, noch besser: Verlassen Sie das Land und gehen Sie irgendwohin, wo Antiraucher bewundert werden – zum Beispiel Bhutan. Oder vielleicht auch Nepal. Auf diese Weise wären Sie aus dem Land und könnten unter einem neuen Namen weiterleben, wenn Ihre alte Wirkungsstätte an Ihrem früheren Universitäts-Institut abgefackelt wird und Ihre einstigen Kollegen an Laternenmasten aufgehängt werden.

Vor einigen Jahren hat die Antiraucherorganisation ASH Geschäfte in Großbritannien gewarnt, sie könnten angezeigt werden, wenn sie nicht dafür sorgen, daß in ihren Räumlichkeiten nicht geraucht wird. Es ist deshalb nur fair, Ihnen eine Gegenwarnung zu bieten und Ihnen freundliche, hilfreich gemeinte Begleitung anzubieten – ganz ähnlich wie die freundliche, hilfreich gemeinte Begleitung, die Sie selbst Rauchern bieten.

Nehmen Sie dies als eine Art Voodoo-Warnung.

Denn wenn Sie nicht selbst die nötigen wiedergutmachenden Schritte in dieser Situation unternehmen, wird der Schwarm der zornigen Raucher immer größer und größer werden, und er wird immer bedrohlicher und am Ende mächtiger werden, als Big Tobacco es je gewesen ist. Er wird zu einer elementaren Gewalt werden, die nicht mehr gestoppt werden kann. Und niemand wird dann mehr als jetzt imstande zu sein, ihn zu kontrollieren oder zu organisieren, als es jetzt möglich ist. Nicht einmal Ihre Freunde in Westminster.

Denken Sie darüber nach. Sie haben immer noch Zeit. Und wenn Sie Lust haben können Sie sogar einen Kommentar in meinem Blog hinterlassen, egal was für Fragen Sie haben.

Sie sind am Zug. Ich bin fertig. Und ohne im mindesten giftig zu werden.

Es wäre vermutlich das Beste für Linda, wenn sie das wirklich lesen würde – und es ist nicht ausgeschlossen, daß sie es tut, denn es gibt Indizien dafür, daß auch bei uns das DKFZ und die Leiterin des dortigen WHO-Kollaborationszentrums für Tabakkontrolle Martina Pötschke-Langer einschlägige Diskussionsforen verfolgen und immer im Bilde darüber sind, was gerade über sie geschrieben wird.

Wäre ich an Lindas Stelle, ich bekäme es außerdem langsam tatsächlich mit der Angst zu tun. Nicht alleine, daß auch in GB die fetten Zeiten für die überwiegend staatlich finanzierte Antiraucherbewegung sichtlich ihrem Ende zugehen: Jetzt haben sie so lange pausenlos nach eigenem Belieben über die Tabakindustrie herziehen können, ohne daß die irgendeinen Versuch der Gegenwehr unternommen hätte – aber haben sich Leute wie sie denn ernsthaft eingebildet, die sei inzwischen nur noch ein Popanz, mit dem sie Kinder und brave Bürger erschrecken können? Auch ohne dafür von Big Tobacco bezahlt zu werden: Es ist mir eine kleine Genugtuung, daß die Tabakindustrie, die jabekanntermaßen ihre Kunden mit den Rauchverboten und der Greuelpropaganda, der Diskriminierung und Diffamierung weitgehend alleine gelassen hat, nun jedenfalls ihre Zähne wieder zeigt, wo sie betroffen ist von neuen Vorschriften, die sie nun wieder primär selbst zu schädigen drohen. Auch wenn es mir persönlich vermutlich überhaupt nichts bringt – es geschieht den Antis jedenfalls recht, daß sie sich eingebildet haben, auf einen Halbtoten einzuprügeln, und auf einmal fängt der an, sich doch wieder zu wehren.

Gleichzeitig und völlig unabhängig davon gibt es aber auch noch den Schwarm, den Frank Davis beschreibt.  Gustave Le Bons Klassiker “Die Psychologie der Massen”, ursprünglich erschienen 1895, bietet auch für das Internetzeitalter zutreffende Beobachtungen und scharfsinnige Analysen des Verhaltens des Menschen als Bestandteil einer begrenzt kopfstarken Gruppe – wie derjenigen, der Linda Bauld sich zugehörig fühlt – wie auch als Bestandteil einer aufgeputschten Menschenmenge. Wer nicht begreifen konnte, wie es zu den Plünderungen in London, in Birmingham und anderswo kommen konnte, dem sei geraten, dieses auch heute noch sehr aktuelle Buch zu lesen und dabei klüger zu werden.

Aber wer noch weiter denkt, der wird bei der Lektüre dieses Buches immer wieder innehalten, um sich zu fragen, was Le Bon wohl heute, im Jahr 2011 geschrieben hätte. Ich bin sicher, den Begriff des “Schwarms” hätte er ohne Zögern aufgegriffen. Wir erleben gerade das Heraufziehen eines neuen Zeitalters der Massen unter völlig neuen Vorzeichen, und was das bedeutet, weiß im Moment noch niemand – dass ein “Schwarm” einen Verteidigungsminister zum Rücktritt zwingen kann, wenn er aufgebracht genug ist, gibt vermutlich nur eine leise Vorahnung von den Kräften, mit denen man es dabei zu tun bekommt.

September 2, 2011 / der Red.

Gastgewerbe-Statistik für noch Fortgeschrittenere ;-)

(mit herzlichen Dank an den Facebook-User und Leser dieses Blogs NicoTin, der mich auf diese Sache gebracht und die statistischen Daten aufgespürt hat, die sich vor meinem sonst so scharfen Auge erfolgreich verborgen hatten.)

Ein Nachtrag zu meinem Blogartikel “Gastgewerbe-Statistik für Fortgeschrittene”:

Statistiken und ihre Interpretation sind wahrhaftig eine Wissenschaft für sich. Da gibt es ja einmal die sogenannte “nominale” Umsatzentwicklung, das heißt, es wird einfach zusammengezählt, was die Kneipen in Euro und Cent eingenommen haben. Und dann gibt es noch die “reale” Umsatzentwicklung, in der der Kaufkraftverlust durch Inflation mitberücksichtigt wird. Wenn ein Wirt im Jahre 2011 einen Euro kassiert, kann er für diesen Betrag ja weniger einkaufen als im Jahr 2005 – das Basisjahr, mit dessen Hilfe die “reale”, also die inflationsbereinigte Umsatzentwicklung ausgerechnet wird.

In Bayern, wo die Uhren bekanntlich ein bisschen anders gehen, haben die Statistikfachleute aber aus irgendwelchen Gründen auf die Verwendung der beiden Begriffe “nominal” und “real” verzichtet. Stattdessen steht dort “in jeweiligen Preisen” (= nominal) und “in Preisen von 2005″ (= real).

Statistik ist doch auch so schon kompliziert genug. Muss man da die Leute dann auch noch auf falsche Fährten führen?

Zu kompliziert war die Statistik auch für die Nichtrauchersekte “Pro Rauchfrei”. In meinem Blogartikel hatte ich folgende Meldung zitiert:

Der Verband Pro Rauchfrei [...] verweist [...] auf unbestechliche Daten der Landesämter von Bayern und NRW. Demnach stieg auch in den Wintermonaten von Januar bis April 2011 der Umsatz in der Getränkegastronomie, also in Kneipen und Bistros von BAYERN, um 0,4 % während er im Raucherland NORDRHEIN-WESTFALEN um 2,3 % fiel. Auch in der Speisegastronomie hat BAYERN ein um 3% höheres Wachstum erzielt (NRW nur 2,2%). Und bei den Beschäftigtenzahlen büßte NRW gar 6,3 % ein (Bayern nur 1,6 %).

Die Daten für NRW, auf die sich Pro Rauchfrei bezieht, liegen nunmehr endlich auch mir vor. Pro Rauchfrei erwähnt in seiner Pressemitteilung folgendes nicht:

In NRW wird statistisch – jedenfalls bei den Zahlen der nominalen Umsatzentwicklung – die Getränkegastronomie (bezeichnet als “Ausschank von Getränken”) noch ein weiteres Mal unterschieden, nämlich in “Schankwirtschaften” (vulgo “Kneipen”) und “sonstige getränkegeprägte Gastronomie”. Betrachtet man diese Zahlen, so stellt man fest, dass sich das nominale Minus der Getränkegastronomie in Höhe von 1,5 (real dann 2,3 – der von Pro Rauchfrei angegebene Wert) folgendermaßen zusammensetzt:

  • Schankwirtschaften: + 2,5
  • sonstige getränkegeprägte Gastronomie – 8,6

Es sei Berufeneren überlassen, herauszufinden, woran die “sonstige getränkegeprägte Gastronomie” in NRW gerade krankt. Den Kneipen jedenfalls scheint es gut zu gehen. Und ganz bestimmt besser als denen in Bayern. Aber wie sehen die betreffenden Werte eigentlich für Bayern aus?

Der Chronist muss an dieser Stelle mit Bedauern passen. Leider ist ein Vergleich zu Bayern nämlich nicht möglich, weil

  • in der bayerischen Statistik eine Unterteilung bei “Ausschank von Getränken” gar nicht vorgenommen wird und
  • die Unterteilung auch für NRW für die realen Umsätze aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen fehlt.

Es sei Berufeneren überlassen, nach den Ursachen für den Einbruch der “sonstigen getränkegeprägten Gastronomie” in NRW zu forschen, was auch immer damit überhaupt gemeint ist. Die Behauptung, den Kneipen in NRW ginge es schlechter als denen in Bayern ist so jedenfalls eindeutig nicht haltbar.

Daß triumphierend darauf verwiesen wird, Speiselokale in Bayern hätten höhere Umsatzzuwächse zu verzeichnen als in NRW, kann wiederum nur als schlechter Witz betrachtet werden. Selbstverständlich ist das so! Schließlich waren die weitaus meisten Speiselokale in Bayern ja schon mit dem alten Rauchverbot Nichtraucherlokale. Für sie hat sich mit dem Rauchverbot ja gar nichts geändert.

August 31, 2011 / der Red.

99 Kneipenschließungen

Der bayerische Kneipenfriedhof ist es vermutlich, durch den Rauchverbot-Bayern-Blog den meisten bekannt ist – denn auch in den Zeiten, in denen ich gezwungen war, mich mit Blogartikeln rarer zu machen, als es mir selbst lieb war, und natürlich auch die Zahl der Besucher stark nachgelassen hat, trudelten doch immer mal wieder Mitteilungen von Lesern ein, in deren Nähe eine Kneipe wegen des Rauchverbots geschlossen hatte. Es ist eine traurige Chronistenpflicht, die Folgen des Rauchverbots auf diese Weise faßbar zu machen, den Geschädigten Namen und Gesichter zu geben – aber eine, die ich für unverzichtbar halte.

Das Ende einer Münchener Kneipe.

Heute habe ich den neunundneunzigsten Eintrag vorgenommen. 99 Kneipen, die wegen des Rauchverbots geschlossen haben, das bedeutet 99 Orte sozialen Lebens, die aufgegeben wurden, Tisch- und Thekengemeinschaften, die zerbrochen sind, und Inhaber, die nicht mehr imstande waren, von einem oft zuvor jahre- oder jahrzehntelang auskömmlichen eigenen Geschäft ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Es ist angebracht, an dieser Stelle allen, die sich beteiligt haben, auch im Namen der bayerischen Gastronomie, meinen Dank auszusprechen. Denn eines steht fest: Ohne die tätige Mithilfe so vieler Leser wären diese Schließungen zum allergrößten Teil niemals dokumentiert worden. Ohne jetzt durchgezählt zu haben, maximal 10 der im Kneipenfriedhof dokumentierten Schließungen wurden mir über Medienberichte bekannt. Den Rest habe ich von euch erfahren.

Was genau bedeutet das, wenn im bayerischen Kneipenfriedhof 13 Monate nach Inkrafttreten des Rauchverbots 99 Kneipenschließungen gemeldet wurden? Ist das viel oder wenig?

Die Antwort lautet: Es ist viel, obwohl es in Bayern jedes Jahr um die 10.000 Gewerbean- und abmeldungen in der Gastronomie gibt (die Daten lassen sich hier recherchieren) und deshalb knapp hundert Betriebe hin oder her kaum ins Gewicht zu fallen scheinen. Denn erstens gab es 2009 mehr Anmeldungen in der Gastronomie als Abmeldungen, und im Jahr 2010 hat sich dieses Verhältnis umgekehrt – trotz positiver wirtschaftlicher Entwicklung und wachsender Zuversicht im Jahr 2010 nach einem Jahr 2009, das noch stark von Krisenstimmung, Kurzarbeit und Zukunftsängsten geprägt war.

Im Jahr 2009 haben  trotz aller wirtschaftlichen Unruhe in Bayern 10.531 gastronomische Betriebe eine Neuanmeldung riskiert. Dem gegenüber standen 10.287 Abmeldungen – unter dem Strich gab es also zum Jahreswechsel 2009/2010 244 gastronomische Betriebe mehr als ein Jahr davor. Ganz anders aber das Bild zum Jahreswechsel 2010/2011:  9956 Gewerbeanmeldungen in der Gastronomie standen nunmehr 10.213 Abmeldungen gegenüber – das Minus von 257 gastronomischen Betrieben hatte den Zuwachs des Vorjahres sogar noch übertroffen, und es gab nun wieder weniger gastronomische Betriebe in Bayern als im Dezember des Jahres des Finanz-Supergaus 2008. Mit einer natürlichen Fluktuation lassen sich solche Schwankungen dann doch nicht mehr erklären, zumal dann, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eigentlich genau für die entgegengesetzte Entwicklung gesprochen hätten.

Zweitens aber gab es bei jeder dieser Schließungen mindestens einen gut begründeten Verdacht, daß das Rauchverbot dafür der alleinige Grund oder doch wenigstens einer der wichtigsten Gründe gewesen ist.

Diesen Verdacht kann ich natürlich nicht überprüfen. Das muß ich aber auch gar nicht. Jeder, der im bayerischen Kneipenfriedhof eine Falschmeldung entdeckt, hat die Möglichkeit, mir das mitzuteilen. Denn natürlich gibt es die ab und zu. Ebenso kann es vorkommen, daß ein hier verzeichnetes Lokal einen neuen Pächter findet und wiedereröffnet wird – auch das wird von mir, falls es gemeldet wird, vermerkt – aber es sei darauf hingewiesen, daß die Wiedereröffnung eines Lokals unter neuer Leitung und vielleicht mit neuem Konzept die Pleite seines Vorgängers natürlich nicht ungeschehen macht – und vor allem auch nicht die manchmal verheerenden Folgen für den früheren Inhaber.

Ebenso sei noch einmal darauf hingewiesen,  daß der Kneipenfriedhof nicht vollständiger sein kann als die Meldungen, die bei mir eingehen. Ich schätze, daß ich von zwischen zehn bis zwanzig Prozent aller Schließungen erfahren habe, die zu Recht als Rauchverbotsfolgen hätten dokumentiert werden können – und das halte ich für einen ausgesprochen guten Wert. Aber das soll mich nicht daran hindern, noch einmal alle Leser ausdrücklich dazu aufzurufen: Wenn in eurer Nähe ein Lokal schließt, und ihr wißt oder vermutet, daß dabei ein Zusammenhang mit dem Rauchverbot besteht – bitte melden. Entweder über Kommentarfunktion oder direkt an rauchverbot-bayern-blog@gmx.de.

August 29, 2011 / der Red.

Gastgewerbe-Statistik für Fortgeschrittene

Bayerns Kneipenbesitzer verstehen oft die Welt nicht mehr, wenn ahnungslose oder interessengeleitete Außenstehende sich dazu berufen fühlen, ihnen zu erklären, wie es ihnen gerade geht. Das gilt umso mehr, wenn als Beweis dafür eine Statistik herangezogen wird, wie in diesem Fall hier:

Der Verband Pro Rauchfrei [...] verweist [...]  auf unbestechliche Daten der Landesämter von Bayern und NRW. Demnach stieg auch in den Wintermonaten von Januar bis April 2011 der Umsatz in der Getränkegastronomie, also in Kneipen und Bistros von BAYERN, um 0,4 % während er im Raucherland NORDRHEIN-WESTFALEN um 2,3 % fiel. Auch in der Speisegastronomie hat BAYERN ein um 3% höheres Wachstum erzielt (NRW nur 2,2%). Und bei den Beschäftigtenzahlen büßte NRW gar 6,3 % ein (Bayern nur 1,6 %).

Einmal abgesehen von dem galoppierenden Hirnriss, der dahintersteckt, wenn man ein wirtschaftlich florierendes Bundesland wie Bayern, das vom wirtschaftlichen Aufschwung so stark profitiert hat, daß es schon ein Wunder gewesen wäre, wenn ausgerechnet die Gastronomie, die ja schon vor dem August 2010 zu mehr als zwei Dritteln aus Nichtraucherlokalen bestanden hatte, Miese gemacht hätte, mit dem wirtschaftlich weit schlechte dastehenden NRW vergleicht:

Statistische Daten sind keineswegs unbestechlich. Im Gegenteil: Nach einer bekannten Redensart muß man Daten nur lange genug foltern, damit sie alles gestehen, was man von ihnen hören will.  Das leuchtet jedem ein, der schon einmal die Erfahrung gemacht hat, dass Durchschnittswerte oft ein ganz anderes Bild ergeben, als sie die jeweiligen Einzelwerte nebeneinander betrachtet bieten würden. Franz Steinkühler wird mit dem Satz zitiert:   „Ich denke bei “Statistik” an den Jäger, der an einem Hasen beim erstenmal knapp links vorbei schoß und beim zweitenmal knapp rechts vorbei. Im statistischen Durchschnitt ergäbe dies einen toten Hasen.“

In Pro Rauchfreis statistischem Wert ergeben sich hingegen keine toten, sondern vielmehr quicklebendige Kneipen als Folge des Rauchverbots in Bayern. Dumm nur, daß in dieser Statistik aber gar nicht alle Kneipen enthalten sind. Das erfährt allerdings nur, wer auch die methodischen Vorbemerkungen zu den Berichten liest.

Berichtskreis
In die Erhebung einbezogen sind rechtlich selbständige Unternehmen, die als repräsentative Stichprobe
aus dem Unternehmensregister nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden und einen Jahresumsatz
von 50.000 € und mehr erzielen. 

Die kleinsten Unternehmen sollen nämlich nicht über Gebühr mit statistischen Berichtspflichten beladen werden – was lobenswert ist, aber natürlich gerade die umsatzschwächsten unter den kleinen Eckkneipen, die bekanntlich unter dem Rauchverbot besonders zu leiden haben, aus der Statistik herausfallen läßt.

Aber wie ist dieser Wert von 50.000 Euro als Untergrenze der statistischen Erfassung überhaupt einzuschätzen? Sind das viele, wenige oder doch nur ein paar vereinzelte Lokale, deren Fehlen die Statistik verzerrt? Anlass genug, mich an die Kneipenwirtin meines Vertrauens zu wenden – sie führt eine klassische Bierkneipe mit entsprechender Zielgruppe, wie es (nach wie vor, aber wie lange noch?) viele gibt -, um sie zu fragen, was man eigentlich mit einer solchen Kneipe für Umsätze erwarten kann. Ich bitte um Verständnis dafür, daß ich weder Namen noch Adresse noch exakte Zahlen hier wiedergeben werde, die mir im Vertrauen mitgeteilt wurden. Aber sie schätzt – und ich glaube, nicht ganz zu Unrecht -, daß ihre Umsätze für vergleichbare Kneipen in etwa durchschnittlich sind.

Wenn Sie es noch genauer wissen wollen, fragen Sie am besten den Wirt Ihrer eigenen Stammkneipe – falls Sie ein Lokal der betreffenden Art  überhaupt frequentieren, also inhabergeführt, bis 75 qm, kein oder fast kein Speisenangebot -, was er eigentlich so umsetzt und wie die Entwicklung eigentlich bei ihm seit dem Rauchverbot verlaufen ist.

Die Angaben meiner Informantin, der an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für ihre Einblicke gedankt sei: Ihr Umsatz lag 2009 über dem Betrag von 50.000 Euro – knapp unter zwanzig Prozent mehr. Aber schon die Umsätze des Jahres 2010 fielen deutlich niedriger als im Jahr zuvor – obwohl nach dem ersten Halbjahr 2010 noch ein sattes Plus von etwa 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen gewesen war, war daraus bis zum Jahresende, also von Januar bis Dezember 2010, ein Minus von knapp zehn Prozent gegenüber dem Jahr 2009 geworden. Damit lag sie aber immer noch über diesen 50.000 Euro. Vergleicht man nun aber das erste Halbjahr 2011 mit dem ersten Halbjahr 2010, dann ergibt sich daraus ein weiteres Mal eine Umsatzeinbuße von 20 Prozent – und plötzlich wird es damit fraglich, ob der Umsatz nicht für das Gesamtjahr doch unter die 50.000-Euro-Grenze fallen wird.  In diesem Fall wäre sie nicht mehr berichtspflichtig und fiele aus der Statistik ganz heraus, und ihre Umsatzeinbußen in Höhe von 20 Prozent natürlich auch. Je mehr Lokale das betrifft, desto stärker wird also die Entwicklung der Gastronomie ins vermeintlich Positive verzerrt – obwohl dies die Realität nicht widerspiegelt. Die Kneipen, die schon 2010 wegen besonders starker Umsatzeinbußen unter die 50.000-Euro-Umsatzgrenze gerutscht sind, waren bereits im Jahr 2011 in der Statistik gar nicht mehr enthalten. Die Rückgänge, die sie im Vergleich zum Vorjahr hatten, werden damit im laufenden Jahr gar nicht mehr miterfaßt – und die Statistik auf diese Weise natürlich ins Positive verzerrt.

Für den September 2011 braucht man übrigens kein Prophet zu sein, um für Bayern wenigstens auf dem Papier der statistischen Berichte einen deutlichen Aufschwung der Gastronomie vorherzusagen. Wie’s kommt? Ab diesem Berichtsmonat sind nur noch Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 150.000 Euro enthalten – die Entbürokratisierungsinitiative für Kleinunternehmen macht’s möglich. Da können dann noch so viele Kneipen in Bayern den Löffel abgeben – statistisch schlägt sich das zwangsläufig in einem Herausfallen großer Teile der vom Rauchverbot besonders negativ betroffenen Kleingastronomie nieder.

Auf den geheuchelten Jubel von Pro Rauchfrei – denn in Wirklichkeit geht denen die Gastronomie so oder so an einem gewissen Körperteil vorbei – darf also gewartet werden.

 

August 26, 2011 / der Red.

Kunst braucht den blauen Dunst

Daß Nichtraucher in der Welt von Kunst und Kultur, von Film und Dichtung noch nie auffallend stark vertreten waren, ergibt sich schon daraus, dass die Antiraucher-Fraktion immer ein- und dasselbe Goethe-Zitat daherschleppt. Was dabei regelmäßig verschwiegen wird: Goethes Busenfreund Friedrich Schiller qualmte wie ein Schlot. Die Freundschaft der beiden hat das nicht beeinträchtigt. Und andere Raucherfeinde als Goethe scheinen in der Welt der Geistesgrößen einfach nicht aufzutreiben zu sein. Es sieht also eher mau aus für die Verfechter der Rauchfreiheit in der Welt der Kreativen.

Das gilt ganz besonders für bildende Künstler, und sie scheinen auch heute sturer am Tabak festzuhalten als andere. Bekannt ist etwa, dass der geniale Art Spiegelman (bekannt vor allem durch den Comic “Maus”) sich weigert, irgendwo aufzutreten, wenn ihm das Rauchen dort nicht erlaubt wird.  Und was tut Gott? Man erlaubt ihm das Rauchen. Überall. Andernfalls hat man natürlich auch noch die Wahlmöglichkeit, auf seinen Auftritt zu verzichten.  Spiegelman boykottiert die New Yorker Gastronomie, seit dort das Rauchverbot gilt. Interviews finden in seinen eigenen Räumlichkeiten statt, und der Interviewer muß auf Bodennebel gefaßt sein.

Neben zahlreichen Künstlern, die mehr oder weniger in der inneren Emigration weiterrauchen, fällt neben der Sturheit, mit der Spiegelman sich weigert, seine Gewohnheiten den veränderten Umständen anzupassen auch die “Un-Verschämtheit” wohltuend auf, mit der er seinen passiven Widerstand betreibt. Noch viel mehr hervorgehoben werden muß aber der aktive Widerstand des Künstlers David Hockney gegen das Rauchverbot in Großbritannien.  Seit 2007 lautet sein Ceterum Censeo bei anscheinend jedem Interview, das eine Zeitung von ihm verlangt, daß im übrigen das Rauchverbot in den Pubs abgeschafft gehört.  Im Lauf der Jahre habe ich mindestens ein Dutzend solcher Interviews gesehen.

David Hockneys Kunstwerk spricht für sich.

So wurde auch eine Zusammenstellung sämtlicher 133 verschiedenen Zigarettenmarken in einem kleinen Baden-Badener Tabakgeschäft zu einem Kunstwerk Hockneys – die Auswahl, die er selbst in England sogar im besten Tabakgeschäft Londons, Davidoff Cigars in der Jermyn Street, vorfindet, ist mit gerade mal 50 nämlich sehr viel geringer. Der Kommentar, den er zu “Freedom is Choice” dem London Evening Standard gab, sei den Lesern dieses Blogs nicht vorenthalten: “Tabakgeschäfte in England sehen aus wie in Osteuropa um 1970, und Harrods wie in Minsk 1935. Cameron, Clegg und Milliband behandeln uns wie alle wie Kinder, ich habe sie alle satt. Sie repräsentieren einen Geist von Gemeinheit, der ganz England durchdringt. Kleinlichkeit, Gemeinheit, Ödnis – das ist alles, was ich von ihnen von ihnen sehe. Ein Geist von Gemeinheit ist sehr schlecht für die Gesundheit, egal wie lang du lebst. Können die nicht ihr Gewissen erforschen und begreifen, daß viele Menschen in England die Schnauze voll haben von gedankenlosen, rechthaberischen Politikern, die glauben, wir seien Kleinkinder? Ed Miliband und seine Kumpane im Parlament haben mehr Strafgesetze erlassen als frühere Regierungen in dreißig Jahren.”

Neben Hockney ist der wohl bekannteste Brite, der auf das Rauchverbot sch****, der unverwüstliche Keith Richards, sozusagen neben dem “Goethe” der Rolling Stones, Mick Jagger, sein qualmender Kumpel Friedrich Schiller, denn Jagger soll, wie man hört, auf seine alten Tage ein arger Raucherfeind geworden sein. Der Vergleich hinkt, das ist mir klar – die beiden pflegen schon seit langer Zeit eher eine Art Haßliebe als eine Olympier-Freundschaft, aber fest steht: Keith Richards geht die Raucherfeindlichkeit Jaggers ebenso weit an einem gewissen Körperteil vorbei wie seinerzeit Schiller die Raucherfeindlichkeit Goethes.  Und Rauchverbote auf der Bühne ignoriert er ebenfalls, egal wieviel Ärger das ihm einbringt: Rauchen sei nun einmal Bestandteil seiner Bühnenpersönlichkeit. Rauchverbote in Pubs bezeichnet er als “politisch korrekten Bullshit”.

Kurioserweise ist der einzige Künstler in Deutschland, der das Rauchen mit solcher Begeisterung zelebriert und es geradezu als Marketing-Gag nutzt, fast doppelt so alt wie Keith Richards (obwohl er jünger aussieht …) Jopie Heesters, mittlerweile 107, hat seit seinem hundertsten Geburtstag schon zweimal das Rauchen aufgegeben (mit 103 und mit 106), aber neuerdings läßt er sich gerne wieder mit Zigarette filmen. Und warum auch nicht? Jung sterben kann er ja nicht mehr. :)

August 10, 2011 / der Red.

Böhmische Dörfer – Vorsicht, freie Raucher

Erinnert an ein Warnschild - die Gäste in Tschechien bevorzugen dennoch solche Lokale.

Pech für die bayerische Gastronomie in den Grenzregionen – und das gilt für die Grenzen zu den Bundesländern Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen ebenso wie für die zu Österreich, aber vor allem die Tschechische Republik. Denn überall, wo man die Grenze überquert und Bayern hinter sich läßt, hat man es als Raucher nun einmal besser als daheim. Die grenznahe Gastronomie in Bayern ist damit an jeder Grenze besonders gebeutelt, aber an der tschechischen noch mehr als anderswo.

Tschechien bietet nun einmal besonders günstige Zigarettenpreise (derzeit zwischen 63 und 84 Kronen – 2,62 bis 3,49 Euro –  pro Schachtel à 20 Zigaretten je nach Marke) UND eine raucherfreundliche Gastronomie. Denn die Tschechische Republik ist das einzige EU-Land, in dem auf ein Rauchverbot in der Gastronomie ganz verzichtet wurde. Stattdessen gibt es dort eine Kennzeichnungspflicht: Lokale müssen sich am Eingang als Raucher- oder Nichtraucherlokale ausweisen. Ob Speis oder Trank, ob Spielhölle oder Alte-Damen-Café, ob Bierschenke oder schicke Bar, ob vornehmes Restaurant oder Spelunke: Die Tschechen haben ihren Wirten zugestanden, selbst – richtig oder falsch – einzuschätzen, was ihre Zielgruppe will, und sich darauf einzustellen. So was nennt man “freie Marktwirtschaft”. Die Tschechen legen auf so etwas Wert, denn ob es nun Brüssel oder Moskau ist, von wo die Forderungen nach Planwirtschaft kommen, macht in ihren Augen wenig Unterschied.

“Freiwillige Lösungen funktionieren doch aber nicht!!!!”, blökt nun unser alter Bekannter, der notorisch nörgelnde Nichtraucheraktivist, gleich wieder los – und, Überraschung: Aus seiner Perspektive hat er – finde ich jedenfalls – natürlich völlig recht. Denn es kommt ja immer darauf an, was man unter “funktionieren” versteht.  Und für ihn ist alles, was weniger als hundert Prozent reine Nichtraucherlokale bewirkt, nun einmal ein “Nichtfunktionieren”. Die Tschechen verstehen unter “Funktionieren” aber mit guten Gründen etwas ganz anderes. Eine Regelung, die “funktioniert”, ist eine, die erstens mehrheitlich erwünscht* und zweitens praktisch umsetzbar ist. Nirgends, wo das angeblich so gut funktionierende totale Rauchverbot umgesetzt wurde, funktioniert es aber, so gesehen, in Wirklichkeit besonders gut. In Irland und Großbritannien sterben die Kneipen, in Frankreich die Bistros, in Bayern neben städtischen Kneipen auch die Dorfwirtschaften. Und geraucht wird dort trotzdem, wann und wo immer es risikolos möglich zu sein scheint, nur eben heimlich. Das ist nun freilich nicht jedermanns Sache, denn wie beim Schwarzfahren kann man beim Heimlichrauchen auch mal erwischt werden. So viele Gäste wie vorher bekommt man auf diese Weise deshalb auch nicht – genausowenig, wie Schwarzfahren sich jemals zu einem echten Volkssport entwickeln konnte.

* Begriffserklärung: “mehrheitlich erwünscht” ist eine Regelung, die mehrheitlich nicht nur in Umfragen die Mehrheit bekommen hat, sondern die auch tatsächlich in Anspruch genommen wird, anstatt auf andere zur Verfügung stehende Wahlmöglichkeiten auszuweichen.  Wo ein Wirt seit dem Rauchverbot in der leeren Kneipe vergeblich auf Gäste wartet, war das Rauchverbot offenkundig nicht mehrheitlich erwünscht, denn sonst wären die Gäste, die der Wirt vorher hatte, mehrheitlich auch weiterhin gekommen.

Daß sich auch im Falle des Rauchens in Tschechien die praktische Vernunft durchsetzen konnte, dafür dürfen sich die Tschechen wohl vor allem bei ihrem eigensinnigen Präsidenten bedanken.  In Brüssel wird der tschechische Präsident mit gutem Grund überhaupt nicht geschätzt – das spricht natürlich nicht gegen ihn, sondern gegen Brüssel.   Man kann die Tschechen um diesen couragierten Mann als Staatsoberhaupt nur beneiden – und ihnen ähnlich viel Glück mit seinem Nachfolger wünschen, wenn seine Amtszeit im Jahr 2013 zu Ende ist.   Vaclav Klaus macht kein Geheimnis daraus, daß er in der Vergangenheit bereits genug ideologisch motivierte Bemühungen, zum angeblichen Wohle der Menschheit die Freiheit zu beschränken, erlebt und keine sonderliche Lust hat, so etwas unter anderen, ebenso gut gemeinten Vorzeichen noch einmal von vorne anzufangen:

Wir haben viel während der kommunistischen Ära verloren, aber manche von uns haben immerhin etwas daraus gelernt. Durch die Jahrzehnte des Kommunismus ist Freiheit nichts, was wir für selbstverständlich halten, etwas das wir als unser Geburtsrecht erwarten. Wir wissen, daß man für die Freiheit kämpfen muß. [...] Verglichen mit meinem Leben im Kommunismus, lebe ich jetzt in einer unendlich viel besseren Welt, aber in einer Welt, die enttäuschender ist, als ich es beim Fall des Kommunismus erwartet hatte. Meine Hoffnung war, in einer freieren und (im europäischen, nicht amerikanischen Sinne) liberaleren Gesellschaft zu leben, als ich sie jetzt um mich herum sehe. [...] Ich fürchte mich vor Ideen und Grundsätzen, die empfehlen, Freiheit und Demokratie sollten zugunsten von “höheren Gütern und Werten” beschnitten werden, die behaupten, daß Eigeninteresse falsch sei und daß das öffentliche Interesse dominieren sollte, die behaupten daß Politiker im öffentlichen Interesse uneigennützig handeln und genau wissen, was zu tun sei, daß die normalen Menschen nicht rational und moralisch seien und deshalb durch diejenigen, die wissen, was gut für sie ist, kontrolliert, überwacht und gebessert werden müssten.  [Eigene Übersetzung]

Vaclav Klaus, Präsident der Tschechischen Republik. Quelle: Petr Novák, Wikipedia

Die besondere Hochachtung von Rauchverbot-Bayern-Blog hat sich Vaclav Klaus dadurch erworben, daß er keine Scheu hatte, 2010 eine Werkserweiterung von Philip Morris in Tschechien höchstpersönlich zu eröffnen und bei dieser Gelegenheit nebenbei noch die EU-Regulierungspläne für Tabak zu kritisieren.  Ich riskiere die Behauptung, daß kein anderes Staatsoberhaupt in Europa das gewagt hätte aus lauter Angst, man könne ihm vorwerfen, er stünde im Sold der Tabaklobby.

Der routinemäßige Vorwurf der Antiraucherseite an jeden Kritiker, im Sold der Tabaklobby zu stehen, ist ja längst zu einem nahezu beliebig einsetzbaren Totschlagargument geworden – je lauter man “Tabaklobby” brüllt, desto weniger muß man auf Sachargumente eingehen. Das kommt den Antirauchern sehr zupaß, denn den Sachargumenten haben sie bekanntlich nicht viel entgegenzusetzen. Das führte dazu, daß die meisten Kritiker der Antiraucher-Ideologie, von denen in Wirklichkeit natürlich nur die allerwenigsten irgendwelche Kontakte zur Tabakindustrie haben, fast schon reflexartig und peinlichst genau darauf achten, um Gottes willen bloß keinen Anlaß zu solchen Vorwürfen zu geben und bei jeder Äußerung meist schon in der Einleitung solche Kontakte vehement abstreiten. Der Vorwurf erfolgt aber unweigerlich trotzdem. Man könnte sich diese Demutsbezeugungen vor dem Zeitgeist also eigentlich von vornherein sparen, aber die meisten absolvieren sie trotzdem – auch sonst klug und richtig argumentierende Leute scheinen gar nicht zu bemerken, daß genau dies einen Verdacht bei allen “Normallesern” überhaupt erst herausfordert, noch bevor die Gegenseite überhaupt etwas gesagt hat.

Tabak ist aber nach wie vor legal, und der Staat verdient an ihm weitaus mehr Geld als die Tabakindustrie selbst: In Deutschland fließen 3,74 € von einem Kaufpreis von 4,50 € einer Schachtel Zigaretten als Tabaksteuer und Mehrwertsteuer an den Fiskus – die restlichen 0,76 € sind aber noch lange nicht der Gewinn der Tabakindustrie, sondern davon wären noch die Kosten für Rohmaterial, Herstellung, Vertrieb, Werbung und so weiter abzuziehen – weniger als die Hälfte von den 76 Cent wird das bestimmt nicht ausmachen. Der Gewinn, den der deutsche Staat – ohne auch nur einen einzigen Handschlag dafür tun zu müssen – dank der Tabakindustrie einstreicht, liegt also vermutlich um die zehnmal so hoch wie der der Tabakindustrie. Regierungen, die in den Chor der “Tabaklobby”-Schreihälse einstimmen und so tun, als gäbe es irgendein Recht, die Tabakindustrie wie Leprakranke oder ein Verbrechersyndikat zu behandeln, betreiben also peinlichste Heuchelei. Vaclav Klaus, seines Zeichens nicht nur Präsident der Tschechischen Republik, sondern auch Nichtraucher, ist dennoch der einzige Politiker, der in jüngerer Zeit das Rückgrat aufgebracht hat, die Tabakindustrie, die ja auch seinem Land eine Menge Tabaksteuer einträgt, mit ein bißchen Respekt zu behandeln.

Aber nun zurück in die böhmischen Dörfer: In Tschechien sind es mit der Kennzeichnungspflicht natürlich keine hundert Prozent Nichtraucherlokale geworden. In der hübschen und auch sonst besuchenswerten Stadt Pilsen (besonders empfehlenswert: der Zoo mit seinem sagenhaften Bären-Freigehege), wo Rauchverbot-Bayern-Blog jüngst das Vergnügen hatte, sich selbst kundig zu machen, sind es bestimmt weniger als die Hälfte. Wie überall, wo Kneipen die Wahl haben, gibt es unter ihnen natürlich eine deutliche Mehrheit, die das Rauchen in ihren Räumlichkeiten erlaubt – auffallend anders als in anderen Ländern ist, daß auch Cafés mehrheitlich Aschenbecher auf den Tischen haben. Aber besonders deutlich wird der Unterschied zu anderen Ländern bei Speiselokalen. Die bieten nämlich oft einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich an, die aber in den von mir besuchten Lokalen meist nicht räumlich voneinander abgetrennt waren.

Ob das dem tschechischen Gesetz entspricht – keine Ahnung. Aber da ja am Eingangsbereich bei solchen Lokalen davor gewarnt wird, daß auch ein Raucherbereich existiert, könnten sich die Gäste eigentlich darauf einstellen und solche Nichtraucherbereiche zugunsten von reinen Nichtraucherlokalen – die es ebenfalls in großer Zahl gibt – bequem vermeiden. Sie tun es aber nicht. Im Gegenteil: Das eine oder andere Nichtraucherlokal kam mir von außen ziemlich schlecht besucht vor. Es war außerdem in den Lokalen, die ich aufsuchte, sehr auffallend, daß in den Raucherbereichen wie in alten Vor-Apartheids-Zeiten ganz selbstverständlich auch viele Nichtraucherpärchen und -grüppchen und -familien die Tische besetzten. Auch solche, die Kinder bei sich hatten.

Pilsens schöne Altstadt ist zwar nicht total von Touristen überlaufen, aber zieht durchaus – und zu Recht – Reisende aus aller Welt wenigstens für einen Kurzbesuch an. In den meisten Speiselokalen hörte man an den Nebentischen neben Tschechisch und Deutsch auch Englisch, Französisch oder Holländisch. In allen Herkunftsländern der Gäste ist es unmöglich, ein Speiselokal zu finden, in dem noch in der in Tschechien üblichen Weise geraucht werden darf – auch dort, wo Rauchernebenräume erlaubt sind, wird man doch als Raucher quasi “weggesperrt”. Die offenen Räumlichkeiten der tschechischen Speiselokale, in denen man als Raucher nicht unweigerlich das Gefühl vermittelt bekommt, ein Pestkranker zu sein, gibt es sonst nirgends mehr in Europa.  In allen diesen Ländern behaupten aber neben einer deutlichen Mehrheit der Nichtraucher immer auch viele Raucher, das “rauchfreie” Essen zu genießen und mit einem Rauchverbot in Speiselokalen voll und ganz einverstanden zu sein. Wieso also verhalten sie sich, wenn sie in Tschechien sind, dann aber ganz anders? Wieso setzen sie sich in einem Lokal, in dem ein Nichtraucherbereich existiert, ohne Zögern zu den Rauchern? Und wieso lassen sie die Nichtraucherlokale anscheinend meistens gleich ganz links liegen? In den deutschen Bundesländern, in denen die Nebenraum-Regelung gilt, macht das ständige Kommen und Gehen von Rauchern, die im Nichtraucherbereich essen und nur schnell auf eine Zigarette hereinkommen, die Atmosphäre im Raucherraum zusätzlich ungemütlich. In Pilsen habe ich aber nicht ein einziges Mal erlebt, daß ein Raucher aus dem Nichtraucherbereich in den Teil des Lokals wechselte, in dem geraucht wird. Wieso eigentlich, wenn es ihnen so viel lieber ist, ihr Essen “rauchfrei zu genießen”?

Ich selbst hatte von Anfang an vor, nur in Raucherlokale zu gehen – aber ich habe auch noch nie behauptet, rauchfreie Speiselokale zu bevorzugen. Ein gutes Essen ohne die Vorfreude-Zigarette davor und die Verdauungszigarette danach – und ohne mindestens ein halbes Dutzend weitere Zigaretten beim anschließenden ausgedehnten Plausch bei Bier oder Wein, das reizt mich nicht im Geringsten, deshalb gebe ich auch kein Geld dafür aus, wenn ich es vermeiden kann. Ich habe mich also genauso verhalten, wie ich es auch immer sage. Die anderen, diejenigen, die angeblich so begeistert von rauchfreier Atmosphäre beim Essen sind: die sind es, die sich widersprüchlich benehmen. In Wirklichkeit würden sie, das behaupte ich unter dem Eindruck meiner Erfahrungen in Tschechien, daheim genauso gerne im Restaurant rauchen dürfen, wie sie es bei ihrem Besuch in Pilsen mit aller Selbstverständlichkeit getan haben.

Was diesen Leuten fehlt, ist das Rückgrat, zu dem zu stehen, was sie eigentlich wollen, und vielleicht spielt auch ein “Saure-Trauben”-Effekt eine gewisse Rolle: Man macht gute Miene zum bösen Spiel, um sich nicht die Blöße zu geben, zugeben zu müssen, daß es den Antis gelungen ist, einem den Spaß zu verderben. Daß es ihnen dennoch gelungen ist, merkt der Wirt, wenn man direkt nach dem Essen schon nach der Rechnung verlangt, weil das Sitzenbleiben mit dem Rauchverbot einfach keinen Spaß mehr machen würde. Er verliert dadurch einen wichtigen Teil seines Umsatzes – außer natürlich, sein gastronomisches Konzept sieht eine Ruckzuck-Abfütterung ohne längeres anschließendes Verweilen der Gäste von vornherein vor, wie es in der Systemgastronomie häufig der Fall ist. Ein normales Speiselokal merkt freilich schon, daß etwas fehlt, nicht nur an den Umsätzen, sondern auch daran, daß man früher Feierabend hat. Daß man nicht befürchten muß, in Insolvenz zu gehen, sondern es ausreichend ist, den Mitarbeitern die Arbeitszeiten zusammenzustreichen, ist zweifellos ein guter Grund, erleichtert aufzuatmen. Aber der Jubel der Wirte von Speiselokalen, über den anläßlich des Jahrestags des Rauchverbots in allen bayerischen Zeitungen berichtet wurde, kommt mir doch ein wenig aufgesetzt vor.

In Tschechien gibt es das aber noch, das zweite oder dritte Bier nach einem guten Essen in gemütlicher Runde, deren Fehlen in vielen anderen Ländern den meisten Gästen nach drei bis vier Jahren Rauchverbot schon gar nicht mehr auffällt. Wird sich aber Tschechien, das “kleine gallische Dorf” der EU, dem Druck aus Brüssel dauerhaft widersetzen können? Es wäre diesem schönen Land und seinen freundlichen Bewohnern zu wünschen. Aber wenn Sie ganz sicher gehen wollen, die Atmosphäre, wie sie auch in Bayern einmal beim Essengehen ganz normal war, dort wieder einmal nach Herzenslust auskosten zu dürfen, dann besuchen Sie die böhmischen Dörfer am besten möglichst bald. Denn auch in Tschechien gibt es Antiraucherorganisationen, die weiter ihre Wühlarbeit leisten. Die berufen sich auf die angeblichen Erfolge in anderen Ländern – und damit auch auf die angebliche Zufriedenheit der Raucher mit “rauchfreien” Restaurants.

Falls Sie also zu den angeblich Zufriedenen gehören, tun Sie mir bitte einen Gefallen: Setzen Sie sich auch in Tschechien in den verdammten Nichtraucherbereich, oder geben Sie gefälligst zu, daß es Ihnen auch in Speiselokalen besser gefällt, wenn Sie rauchen dürfen. Andernfalls ist es nämlich Ihre alberne Heuchelei, die dazu beitragen kann, daß auch in Tschechien am Ende das beseitigt wird, was Sie sich für Bayern insgeheim ebenfalls wünschen würden.

Follow

Erhalte jeden neuen Beitrag in deinen Posteingang.

%d Bloggern gefällt das: