OpAmp Wissen

Das Problem:

Junge Kollegen mit einem frischen Abschluss tun sich manchmal schwer mit dem Einsatz von Operationsverstärkern. Kein Wunder, denn diese Bauteile bieten in der praktischen Anwendung doch einige Stolperfallen, die in der theoretischen Betrachtung während der Ausbildung leider großzügig übergangen werden.

 

Zoltan `s Empfehlung:

 

 

Eine gute Übersicht der Grundschaltungen findet sich hier und hier.

Sich in die Grundlagen einlesen fällt mit diesem Dokument relativ einfach. Der Rest ist einfach nur Übung :-)

 

Dazu noch ein paar Tipps:

  1. OpAmps werden grundsätzlich mit Abblockkondensatoren versehen, bei bipolarer Versorgung beide Rails! Übliche Werte für Abblockkondensatoren sind 10-100nF (Keramik) und 4,7 - 20uF (Keramik), möglichst nah am IC. Idealerweise sollte der 100nF-Kondensator direkt am Vcc-Pin des ICs liegen. Tantalkondensatoren oder Elkos sollte man nach Möglichkeit nicht verwenden.
  2. Die Versorgungsleitung des OpAmps sollte man filtern. Das geht im einfachsten Fall mit einem Widerstand (1 bis 10Ω) oder mit einem passenden (!) Ferrit. Bei sehr hohen Anforderungen kann man auch einen aktiven Breitbandfilter davorschalten. Ein gutes Beispiel inkl. Auslegung findet man in der "Trilogie der Induktivitäten" (Würth Elektronik, ISBN-13: 978-3934350304).
  3. Störer möglichst weit weg von analogen Schaltkreisen platzieren. Deshalb sollte z.B. ein Schaltregler nicht unbedingt in der Nähe der analogen Signalkette seinen Platz finden. Soll eine analoge Schaltung mit einem Schaltregler versorgt werden, so muss zumindest ein passiver Filter, besser aber ein Linearregler mit möglichst hohem PSRR zwischengeschaltet werden. Ich persönlich verwende dazu gerne den KF50B von STmicroelectronics.
  4. Digitale Kommunikationsleitungen - oder noch schlimmer: Taktleitungen - haben im Analogteil einer Schaltung nichts zu suchen. Wie man es nicht machen sollte, kann man hier nachlesen :-)
  5. Man sollte sich ein Massekonzept überlegen und es dann auch anwenden! Oft genug haben schwingende OpAmps einfach nur eine schlechte Masseanbindung. Möchte man sich zu diesem Thema ein Buch zulegen, so wäre dieses meiner Meinung nach empfehlenswert. (Joachim Franz, Störungssicherer Aufbau elektronischer Schaltungen, ISBN-13: 978-3519103974).
  6. Schlitze in der Groundplane vermeiden. Am besten bewährt hat sich eine durchgehende GND-Lage. Hier und hier kann man sich dazu einige Gundlagen und Messwerte anschauen.
  7. ALLE Leitungen so kurz, wie nur möglich. Gerade Anfänger neigen gerne dazu, alles schön ästhetisch und "ordentlich" mit viel zu langen Leiterbahnen aufzubauen. Dabei sollte man beachten: jedes mm zuviel ist eine zusätzliche kapazitive Belastung für den OpAmp (+ eine potentielle Einkopplungsstelle für Störsignale). Führt man die Massefläche nicht sauber aus, können durch zu lange Leitungen auch gerne mal Induktivitäten (unbeabsichtigte Leiterschleife) eingebaut werden.

 

Optionale Bauteile:

 

Im Bild dargestellt ist die Grundschaltung des invertierenden Verstärkers aus dem realen Leben :-)

Wenn man relativ genaue Messungen mit einem OpAmp realisieren möchte, so ist es hilfreich eine Kompensation des Bias-Stromes vorzusehen. Dies erfolgt in der obigen Schaltung mit R2. Die Dimensionierung dieses Widerstandes befolgt die einfache Grundregel: "Beide Eingänge des OpAmps sollten die selbe ohmsche Last erfahren". Also ist R2 = R1 * R3 / (R1 + R3).

Standard-OpAmps können mit ausreichend Phasenreserve nur relativ kleine kapazitive Lasten treiben. Wenn diese Last überschritten wird (dazu reicht oft schon eine etwas längere Verbindungsleitung), hat man sich einen schönen Oszillator gebaut :-) Passiert öfter als man denkt. Damit man die Schwingungsneigung der Schaltung in den Griff bekommt, baut man R4 in Kombination mit C1 ein ("Lead-Kompensation"). Etwas Theorie dazu kann man hier nachlesen. Die Dimensionierung der Bauteilwerte ist Erfahrungssache; R4 bewegt sich im Bereich 10 - 100Ω, bei C1 sind Werte im pico- bis nF-Bereich sinnvoll. Im Laboralltag erfolgt die Dimensionierung so: 

  1. Kapazitive Last am Ausgang des OpAmp auf Maximalwert erhöhen
  2. R4 auf 50R setzen
  3. C1 Schrittweise erhöhen, bis keine Schwingneigung mehr feststellbar ist
  4. Erreicht C1 relativ hohe Werte, dann R4 erhöhen und wieder wie unter Punkt 3 beschrieben vorgehen.
  5. Hört die Schwingung schon bei einem relativ kleinen C1 auf, sollte man R4 verkleinern (je kleiner R4, desto kleiner wird auch der Ausgangswiderstand der Schaltung) und C1 erhöhen
  6. Hat man eine gut funktionierende Einstellung gefunden, so fügt man einen Sicherheitsfaktor von mindestens 2 (besser 2,5) hinzu. D.h. entweder den Wert von R4 oder von C1 verdoppeln.
  7. Fertig!

 

Damit man etwas Gefühl für die Werte bekommt, kann man sich diese sehr schön zusammengestellte AppNote von ST anschauen. Dort wird ein OpAmp mit verschiedenen Kompensationsnetzwerken versehen und die Bauteilewerte werden danach stufenweise verändert.

 

Wenn alles nicht hilft und die Schaltung immer noch schwingt:

  1. Massekonzept prüfen
  2. Spannungsversorgung prüfen
  3. Abblockung prüfen
  4. Datenblatt noch einmal sehr aufmerksam durchlesen
  5. Auf einen Alternativtyp eines anderen Herstellers ausweichen (Die Auslegung der internen Frequenzgangkompensation ist sehr wahrscheinlich anders, d.h. es kann durchaus vorkommen, dass ein OpAmp des Herstellers A schwingt, während der Ersatztyp des Herstellers B absolut ruhig arbeitet.)

 

Schwingen (allgemein):

Es kommt auch ohne einer kapazitiven Last am Ausgang schon mal vor, dass eine OpAmp-Schaltung schwingt. Bei einer ordentlichen Layout mit guter Masse, sauberer Spannungsversorgung und ausreichenden Abblockkondensatoren liegt das meist an einer Phasenverschiebung im Rückkopplungszweig (180 Grad Phase macht aus einer Gegenkopplung eine Mitkopplung, also genau das was man nicht haben möchte!). Dazu ein einfacher Test: ein Sinussignal auf den Eingang legen und dazu die Phase im Gegenkopplungszweig mit einem Oszi bestimmen.

Ein passender Kondensator oder eine Induktivität an der richtigen Stelle bewirkt oft Wunder, da dadurch die Phasenreserve der Schaltung wieder in die richtige Richtung gerückt wird. Es lässt sich leider nicht pauschal sagen, an welcher Stelle, da es vom Schaltungstyp abhängt. Aber mit etwas Nachdenken und mit den im Grundstudium erworbenen Grundlagen kommt man meist schnell zur richtigen Lösung.

Einige Anregungen zu diesem Thema finden sich in diesem Dokument.

 

Problematische Schaltungen / Anordnungen (da schwingungsanfällig):

  • Tiefpass im Rückkopplungszweig (also z.B. ein Kondensator zwischen GND und dem invertierenden Eingang!)
  • sehr hochohmige Rückkopplung ohne einen parallel liegenden Kondensator
  • OpAmps mit unnötig hoher Bandbreite (Regel: langsame OpAmps arbeiten stabiler als hochgezüchtete Exemplare)
  • Verstärkung (egal welche Art) im Rückkopplungszweig
  • Differenzierer
  • aktiver Hochpass
  • Transimpedanzverstärker

Genau nachlesen sollte man auch, welche minimale Verstärkung vom Hersteller für den jeweiligen OpAmp vorgesehen ist. Nicht alle Bausteine eignen sich z.B. als Impedanzwandler (Verstärkung = 1). Wird die vom Hersteller empfohlene Verstärkung unterschritten, ist Schwingen absolut normal und auch nicht abstellbar. Im Datenblatt findet man diese Angabe oft unter "unity gain stability".

 

Latch-Up

Ein Problem namens Latch-Up also "Einrasten" kann auftreten, wenn der OpAmp schnellen Transienten ausgesetzt wird. Dabei ist es relativ egal, ob diese als Signal auftreten oder von der Versorgungsspannung großzügig verteilt werden. Typisch für diesen Effekt ist es, dass die Ausgangsspannung des OpAmp an einem der beiden Versorgungsspannungen "kleben bleibt". Der Operationsverstärker hängt sich sozusagen auf und reagiert nicht mehr auf Spannungsänderungen auf der Eingangsseite. Entgegenwirken kann man dem mit einem Widerstand (Strombegrenzung) im Rückkopplungszweig. Dieser ist bei fast allen Beschaltungen vorhanden, bis auf den klassischen Impedanzwandler. Daher sieht diese Schaltung im real-life so aus:

 

 

 

Der Widerstand R1 ist eine reine Vorsichtsmaßnahme und wird eigentlich nur bei älteren OpAmps wirklich benötigt. Neuere Modelle sind schon von Haus aus Latch-Up-sicher.


Die Dimensionierung von R1 ist denkbar einfach: R1 = Ausgangsimpedanz der vorherigen Stufe. Siehe "Bias-Stromkompensation" weiter oben.

 

Test der fertigen Schaltung:

Möchte man ein Produkt auf die Menschheit loslassen, so zeugt es von Weitsicht, wenn der Entwickler die Sicherheitsreserve der Schaltung bestimmt und für ordentlich Reserve sorgt. (Damit kann man übrigens auch die Serienstreuung des Herstellers besser in den Griff bekommen). Dies bewerkstelligt man am einfachsten, indem man ein möglichst sauberes Rechtecksignal (Frequenz ist von dem geplanten Anwendungsfall abhängig) auf den Eingang loslässt und dann schaut, was am Ausgang davon übrigbleibt. Idealerweise sollte die Signalform nur so verändert rauskommen, wie es auch beabsichtigt ist :-) Eine zu starke Dämpfung verschleift die Flanken (Signal wird "verrundet"), eine zu schwache Dämpfung sorgt für ein "Zittern" des Signals nahe der Flanken.

 

Tricks:

  1. Mann muss bei den Datenblättern folgendes vor Augen halten: Die erste Seite (Zusammenfassung) wird nicht vom Entwicklerteam des Herstellers zusammengestellt, sondern von der Marketingabteilung. D.h. hier wird das Bauteil angepriesen und möglichst positiv dargestellt. Man tut sich gut daran, das gesamte Datenblatt zu lesen. Oft genug fällt dabei etwas auf, was man selbst zwar als sebstverständlich angenommen hat, nicht jedoch der Hersteller.
  2. Wenn ein Wert im Datenblatt fehlt, hat es meistens einen guten Grund. Deshalb sollte man in solchen Fällen besonders genau beim FAE des Herstellers nachfragen.
  3. Die berühmt-berüchtigten "Absolut Maximum Ratings" sind entgegen der Annahme von manchen Zeitgenossen nicht die Werte, bei denen der Baustein noch wie vorgesehen arbeitet, sondern stellen die Schädigungsgrenze des Bausteins dar. 
  4. Datenblätter werden auch hin und wieder aktualisiert. Deshalb sollte man sich angewöhnen, alle paar Monate die Datenblätter neu von der Herstellerseite zu laden. (Nutzt man Altium Designer als Layoutprogramm, kann man in der Bauteilbibliothek zwei Parameter namens "ComponentLink1URL" und "ComponentLink1Description" ablegen, die diese Aufgabe elegant übernehmen.) 
  5. Wenn Grenzwerte im Datenblatt angegeben werden, sollte man auch mit diesen Grenzwerten rechnen und nicht mit den typischen Werten. Bei Großserien-OpAmps kommt es schon mal öfter vor, dass die Bausteinwerte an den Grenzwerten kratzen.
  6. Oft werden in Datenblättern Werte für bestimmte Temperaturbereiche / Versorgungsspannungen angegeben. Man sollte nicht davon ausgehen, dass der Baustein sich unter geänderten Umständen gleich verhält! Im Zweifel hilft ein Test auf dem Labortisch oder im Klimaschrank.

 

Quellen:

http://www.ti.com/lit/an/snoa621b/snoa621b.pdf

http://www.ti.com/lit/an/slod006b/slod006b.pdf

http://www.ti.com/lit/an/snla140a/snla140a.pdf

http://www.intersil.com/content/dam/Intersil/documents/an94/an9415.pdf

www.elektronik-kompendium.de/public/schaerer/opa2.htm

http://www.st.com/internet/com/TECHNICAL_RESOURCES/TECHNICAL_LITERATURE/APPLICATION_NOTE/CD00176008.pdf

http://www.rn-wissen.de/index.php/Operationsverst%C3%A4rker#Stabilit.C3.A4t_in_OP_Schaltungen

http://www.elektronikinfo.de/strom/operationsverstaerker.htm

http://www.jensen-transformers.com/an/an001.pdf

http://www.hottconsultants.com/tips.html