Nichtraucherschutzgesetz noch unpräzise Schlupfloch für Raucher?

Von Martin Teigeler

Eigentlich will Rot-Grün mit dem neuen Nichtraucherschutzgesetz alle Ausnahmen vom Rauchverbot in Kneipen kippen. Doch in "echten geschlossenen Gesellschaften" darf in Gaststätten weiter gequalmt werden. Möglicherweise gibt es da ein neues Schlupfloch für Tabakfreunde.


In den Anmerkungen zum Gesetzestext erklärt die Landesregierung, es bleibe "die Möglichkeit erhalten, im Einzelfall echten geschlossenen Gesellschaften im Rahmen privater Veranstaltungen, wie etwa Familienfeiern, bei denen nur ganz bestimmte Einzelpersonen bewirtet werden, das Rauchen zu gestatten".

Kontrollen auf Geburtstagsfeiern?


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Aber was genau ist eine "echte geschlossene Gesellschaft"? Und wie wollen die Ordnungsämter dies in etwa 36.000 Gaststätten in Nordrhein-Westfalen kontrollieren? "Muss Tante Hedwig bei ihrer Geburtstagsfeier in der Kneipe um die Ecke dann ihren Personalausweis vorzeigen, um zu beweisen, dass sie wirklich Geburtstag hat", fragt Thorsten Hellwig vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Die Wirte kämpfen nach seinen Angaben weiter gegen eine Verschärfung des Gesetzes. Aber falls das Rauchverbot kommt, werde man sich die "Ausführungsbestimmungen" zu den "echten geschlossenen Gesellschaften" sehr genau anschauen, sagte Hellwig.

Am 1. Mai 2013 soll das Gesetz in Kraft treten. Bereits in der kommenden Woche wird das Nichtraucherschutzgesetz voraussichtlich vom Landtag verabschiedet werden. Die Ausnahme vom Rauchverbot für Privatfeiern in Kneipen sei klar definiert, sagte Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen am Mittwoch (21.11.2012) im WDR-Hörfunk. Doch stimmt das? Bislang sei der Begriff der "echten geschlossenen Gesellschaft" noch "zu ungenau und würde zu Auslegungsproblemen in der Praxis führen", sagte der Rechtsanwalt Thorsten Graf aus Herford. "Präzise Vollzugshinweise" müssten folgen.

Qualmende Betriebsfeiern nicht erlaubt


Barbara Steffens, nordrhein-westfaelischer Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter
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Steffens will striktes Rauchverbot

Eine Sprecherin von Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) sagt auf WDR.de-Anfrage, eine geschlossene Gesellschaft sei eine "private" Veranstaltung, bei der "bestimmte Personen" aufgrund "einer personengebundenen Einladung des Veranstalters bewirtet werden, anderen Personen der Zutritt nicht gestattet ist und die Veranstaltung nicht gewerblichen Zwecken dient". Bei Betriebs- oder Vereinsfeiern handele es sich nicht um geschlossene Gesellschaften. "Rechtzeitig vor Inkrafttreten des Gesetzes wird es dazu Klarstellungen geben. Klar ist aber, dass sich nicht einfach jede Zusammenkunft in einer Kneipe als geschlossene Gesellschaft ausgeben kann", sagte die Ministeriumssprecherin. "Der Gastgeber muss den Kreis der Eingeladenen benennen und für die Gesamtkosten der Feier aufkommen", teilten die Landtags-Grünen mit.

Für Kontrollen sind die Kommunen zuständig. Wie teuer strenge Kontrollgänge wären, ist unabsehbar. Einige Städte wie Köln bieten Online-Formulare an, mit denen sich Bürger schon jetzt über Verstöße gegen das bisherige, recht löchrige Rauchverbot in Kneipen beschweren können. "Das ist eine Sache der Ordnungsbehörden, wenn es Missbrauch gibt", sagte Grünen-Fraktionschef Priggen im WDR-Interview. Auch die Wirte würden in die Pflicht genommen. Zugleich betonte Priggen, die "ganz reine private Veranstaltung" wie der "80. Geburtstag von Opa, der immer geraucht hat" sei weiter möglich. Auf Verstöße gegen das Gesetz können erhöhte Bußgelder von bis zu 2.500 Euro (bisher 1.000 Euro) folgen. Belangt werden aber nur die Wirte.

Die innerhalb der rot-grünen Koalition unterlegenen Rauchverbots-Gegner aus der Ruhrgebiets-SPD haben den Kampf aufgegeben. "Das Gesetz ist strikt. Es ist geprägt von Missionarstum und dem Vorgeben einer Lebensweise", sagte der Dortmunder SPD-Chef Franz-Josef Drabig. Er glaube nicht mehr an Ausnahmen. Schleichend würden ab 2013 viele Kneipen verschwinden. Die Dehoga rechnet landesweit mit bis zu 3.000 Pleiten in der Gastronomie.


Stand: 23.11.2012, 06.00 Uhr


Kommentare zum Thema (136)

letzter Kommentar: 28.11.2012, 11:23 Uhr

Sylvia schrieb am 28.11.2012, 11:23 Uhr:
auch die Arbeitnehmer und Selbständige die in der Gastronomie arbeiten sind gleichberechtigte Bürger diese Landes. Wenn Politiker ein Rauchverbot einführen dann müssen sie auch dafür sorgen das die Auswirkungen nicht zu einer Wettbewerbsverehrung führen. Schon jetzt wird die Schwarzgastronomie nicht nur geduldet, sie wird Staatlich gefördert. Schwarzarbeit bekämpfen und Schwarzgastronomie fördern das gibt es nur in Deutschland Schwarzgastronome.weebly
Anonymous schrieb am 26.11.2012, 09:52 Uhr:
Ihr seit doch alle sowas von engstirnig und blind. Einerseits regt ihr euch in anderen Gästebüchern über zu viele Reglementierungen auf, hier steht ihr auf einmal voll hinter noch mehr Regeln. Ist das die Nichtrauchermentalität, die einen Menschen wie ein Fähnlein sein lässt?? Heute Rechts rum, morgen links rum, aber immer mit dem Strom bzw Wind, um bloß der breiten Masse (wie man es meint) gerecht wird. Ihr Nichtraucher fordert Toleranz. Wo ist diese Toleranz bei euch?? Wo ist die Toleranz, anderen Menschen ihre "Sucht" zu lassen, und sich Gaststätten auszusuchen, in denen eh nicht geraucht wird?? Die einzigen die nicht tolerant sind, seit leider ihr. Zwingt euch irgendeiner der Raucher, dass ihr in eine Raucherkneipe geht?? Es gibt genug Kneipen, in denen komplettes Rauchverbot gilt. Warum geht man nicht da rein?? Nur um sich über Raucher aufzuregen?? Wenn ihr euch das jetzt mit JA beantworten könnt, dann denkt mal nach, was bei euch im Kopf falsch läuft.
KDM schrieb am 25.11.2012, 18:09 Uhr:
@Stopdenstuss: Ich befürchte, dass es der Realität egal ist, in welchen Kategorien Sie so denken. Dem verständigen Leser wird auch nicht entgangen sein, dass ich mit den angesprochenen Parallelwelten nicht regionale, sondern soziale gemeint habe. Ob die von mir angeblich favorisierten Grünen Rauchverbote in Mehrfamilienhäusern und Pkw mittragen, dürfte egal sein - denn die Mehrheiten dafür werden sich erforderlichenfalls anderswo finden lassen. Bekanntlich haben maßgebliche Gerichte bereits Mietkürzungen für zulässig gehalten, wenn sich Mieter durch rauchende Mieter anderer Wohnungen belästigt fühlten. Der Leidtragende wäre in diesem Fall also der Vermieter. Und jetzt raten Sie mal: welche Partei könnte sich wohl demnächst dafür einsetzen, dass Vermieter mit ihren Interessen nicht auf der Strecke bleiben? Na??
Stopdenstuss @KDM schrieb am 25.11.2012, 16:50 Uhr:
Rauchverhangene Parallelwelt? Raucher/innen bleiben in ihren Wohnvierteln mit ihren Rauchwarengeschäften und Raucherstuben unter sich? In solchen Kategorien möchte ich nicht denken. Ihre Wünsche hinsichtlicher Rauchverbot in Mehrfamilienhäusern und PKW werden selbst die von Ihnen favorisierten Grünen nicht nachkommen.
Charlotte schrieb am 25.11.2012, 16:37 Uhr:
@Stopdenstuss: Es ist natürlich allein Ihre Sache, wie Sie Ihre Partner auswählen und ob Sie dafür in die Düsseldorfer Altstadt gehen. Ich kann jedenfalls für mich (und für viele andere Frauen in meinem Umfeld) sagen, dass Raucher für mich von vornherein nicht in Betracht kommen - nicht als one night stand, und als Partner schon mal gar nicht. Wer möchte denn beim Küssen Nikotingeschmack? Ich leck doch nicht an einem Aschenbecher ... Und welche Frau mag denn gelbe Zähne und gelbe Finger? Allein der Gedanke, die Klamotten meines Partners (und am Ende auch noch meine) würden tagaus, tagein nach abgestandenem Rauch stinken, lässt Raucher von vornherein ausscheiden. Da brauch ich auf den Raucherhusten gar nicht erst zu sprechen kommen. Ein fettes Fragezeichen würde ich im Übrigen auch hinter Ihre These setzen, Raucher seien gesellig, während Nichtraucher moralisierende Asketen seien. Mein Lebensgefährte ist jedenfalls ein intelligenter, willensstarker, gesunder Mann mit viel Spaß im Leben!

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