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Die Bundeswehr als Parlamentsarmee

20.07.2011 |

"Der Bundesminister für Verteidigung hat die Befehls- und Kommandogewalt über die Streitkräfte" – so steht's im Grundgesetz (Art. 65a Abs. 1). Das gilt  allerdings nur in Friedenszeiten, solange die Bundeswehr in keine Auslandseinsätze geschickt werden soll. Denn das kann nur der Deutsche Bundestag. Mit einem wegweisenden Urteil vom 12. Juli 1994 hat das Bundesverfassungsgericht dies deutlich gemacht und den besonderen Charakter der Bundeswehr als sogenannte Parlamentsarmee betont. Ohne die Zustimmung des Parlaments bleiben die Stiefel der Soldaten im Schrank.

Gelöbnis Bundeswehr vor dem Reichstagsgebäude

Die Bundeswehr versteht sich als Parlamentsarmee - und das ist keine Worthülse. – © Tony Haupt


Wer entscheidet was?

In manchen Ländern führt das Militär ein Eigenleben als "Staat im Staat" – wie auch damals die Reichswehr in der Weimarer Republik. Um solche Auswüchse zu vermeiden und vor dem Hintergrund der Rolle der Wehrmacht im nationalsozialistischen Deutschland, sicherte sich das Grundgesetz ab. Das Grundgesetz hat zum Beispiel für Auslandseinsätze der Bundeswehr Gewaltenteilung und Parlamentsvorbehalt in einem intelligenten System zusammengebracht. Wie genau, das hat das Bundesverfassungsgericht am 12. Juli 1994 geurteilt.

Die Bundesregierung entscheidet demnach erst einmal, ob und in welchem Umfang sie Soldaten ins Ausland schicken möchte. Anschließend legt sie dies dem Bundestag vor, der über den Einsatz schließlich entscheidet. Stimmt der Bundestag nicht zu, bleiben die Soldaten in den Kasernen. Der Bundestag kann dem Einsatz dabei nur zustimmen oder ihn ablehnen, er kann nicht die Initiative ergreifen und die Bundesregierung zum Beispiel nicht verpflichten einen Auslandseinsatz zu starten.

Der Verteidigungsminister kann zum Beispiel die Unterstützung von Polizei und Technischem Hilfswerk (THW) sowie Amtshilfe durch die Bundeswehr allein anordnen.

Doch immer wenn eine bewaffnete Auseinandersetzung konkret zu erwarten ist – auch bei scheinbaren "Routineaufgaben“ im Zusammenhang mit Bündnisverpflichtungen – muss das Parlament zustimmen. Es darf zum Beispiel nicht übergangen werden, wenn AWACS-Aufklärungsflugzeuge aus Solidarität mit der NATO "Routineflüge" machen und es gleichzeitig konkrete Hinweise gibt, dass die Soldaten in Kampfverhandlungen verwickelt werden könnten.

Wie läuft die Entscheidung genau ab?

Ins Ausland wird die Truppe also nur mit Zustimmung des Parlaments geschickt – außer wenn Gefahr im Verzug ist oder Menschen aus besonderen Gefahrenlagen gerettet werden müssen, dann reicht eine nachträgliche Zustimmung. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Deutsche in einer Bürgerkriegssituation eingekesselt wären und evakuiert werden müssten.

Seit 2005 legt das Parlamentsbeteiligungsgesetz die Rahmenbedingungen für Auslandseinsätze fest. Demnach muss die Bundesregierung einen Antrag an den Bundestag stellen. Darin müssen folgende Punkte geklärt werden: der Einsatzauftrag, das Einsatzgebiet, die rechtlichen Grundlagen des Einsatzes, der Höchstzahl der einzusetzenden Soldaten, die Fähigkeiten der einzusetzenden Streitkräfte, die geplante Dauer des Einsatzes sowie dessen voraussichtliche Kosten und Finanzierung.

Ist der Einsatz nur von geringer Intensität und Tragweite, reicht ein einfaches Zustimmungsverfahren. Ansonsten beginnen im Bundestag nun umfangreiche Beratungen. Der Auswärtige Ausschuss übernimmt dabei die Federführung, andere Gremien unterstützen ihn aber, insbesondere der Verteidigungsausschuss. Beide Ausschüsse lassen sich regelmäßig von der Regierung über die Lage in den Einsatzgebieten informieren. Ihre Mitglieder reisen sogar selbst dorthin, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Zweifel am Einsatzmandat kann die Regierung durch Protokollerklärungen ausräumen. Am Ende stimmt das Plenum meist namentlich ab. Es kann den Antrag der Regierung nur annehmen oder ablehnen, Änderungen sind nicht möglich. Und: Soll ein Einsatz verlängert werden, muss der Bundestag wieder darüber abstimmen.

Parlamentarische Kontrolle an vielen weiteren Stellen

Die Kontrolle der Bundeswehr durchs Parlament ist an vielen weiteren Stellen verankert. Das Grundgesetz schreibt in Art. 45a GG beispielsweise vor, dass der Bundestag verpflichtet ist, einen Verteidigungsausschuss einzurichten. Und der Verteidigungsausschuss hat vom Grundgesetz das Sonderrecht bekommen, von sich aus auch die Aufgaben eines Untersuchungsausschusses wahrzunehmen, um Entwicklungen in der Truppe aufzuklären. Außerdem gibt es extra einen Wehrbeauftragten, der "zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle" über die Streitkräfte tätig ist. So steht es im Grundgesetz. Nicht zu vergessen das Budgetrecht des Bundestages: Das Parlament gibt damit vor, wie groß die Truppe insgesamt ist, welche militärischen Anschaffungen im Einzelnen getätigt werden und wie die Bundeswehr in den Grundzügen organisiert ist.

Wofür brauchen wir eigentlich die Bundeswehr?

In erster Linie hilft uns die Bundeswehr im Spannungs- und Verteidigungsfall, steht also zur Landesverteidigung bereit. Doch auch in anderen Katastrophensituationen, wie zum Beispiel bei Hochwasser, werden Soldatinnen und Soldaten gebraucht, um das Technische Hilfswerk (THW) zu unterstützen. Außerdem steht die Bundeswehr den Behörden mit helfender Hand zur Seite. Hier spricht man von Amtshilfe, wenn die Bundeswehr zum Beispiel einem Ministerium Lagerraum für Impfstoff zur Verfügung stellt.


Kommentare

 

Vince schrieb am 23.04.2015 12:29

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Die Autorin

Ein blondes Mädchen lächelt in die Kamera

Alexandra Sturm (24)
Studiert Germanistik und Geschichte


 

Das urteilte das Bundesverfassungsgericht 1994

Richter im Bundesverfassungsgericht

© dpa/Uli Beck

"Für den militärischen Einsatz von Streitkräften ist dem Grundgesetz das Prinzip eines konstitutiven Parlamentsvorbehalts zu entnehmen. [...] Bei Einsätzen bewaffneter Streitkräfte im Rahmen von Resolutionen des [UN-]Sicherheitsrates ist die vorherige Zustimmung des Bundestages unabhängig davon erforderlich, ob den Streitkräften Zwangsbefugnisse [...] eingeräumt sind [...]. Eine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Einsatzformen von Friedenstruppen verbietet sich, weil die Grenzen zwischen den traditionellen Blauhelmeinsätzen und solchen mit der Befugnis zu bewaffneten Sicherungsmaßnahmen in der Realität fließend geworden sind. [...] Der Zustimmungsvorbehalt für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte verleiht dem Bundestag keine Initiativbefugnis; der Bundestag kann lediglich einem von der Bundesregierung beabsichtigten Einsatz seine Zustimmung versagen [... ], nicht aber die Regierung zu solch einem Einsatz der Streitkräfte verpflichten."