Kulturpolitik

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Kulturpolitik bezeichnet in einem engeren Verständnis alles Handeln eines Staates im Bereich der Kunst (bildende Kunst, darstellende Kunst, Musik, Literatur), insofern ist also auch von Kunstpolitik die Rede. In einem weiteren Verständnis umfasst Kulturpolitik jegliche Form gesellschaftlicher Beziehungen.

Eine exakte Definition der Kulturpolitik hängt vom jeweils zugrundeliegenden theoretischen Konzept von Kultur und Politik ab.

Träger der Kulturpolitik[Bearbeiten]

Träger der Kulturpolitik sind nicht ausschließlich staatliche Institutionen, sondern auch private Institutionen wie Stiftungen, Vereine und Sponsoren. In Deutschland ist die Kulturpolitik in erster Linie Aufgabe der Bundesländer, die ihre Kulturpolitik in der Kultusministerkonferenz koordinieren.

In der Bundesrepublik Deutschland gehört die Kulturhoheit grundsätzlich zum "Hausgut der Länder". Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieben die Besatzer in den Besatzungszonen Kulturpolitik.[1] Der Bund hat nur in Ausnahmen Gesetzgebungskompetenzen im Bereich der Kulturpolitik. Dazu gehören z.B. die Auswärtige Kulturpolitik, der Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland (Artikel 73 I Nr. 5a Grundgesetz) und das Urheberrecht und das Verlagsrecht (Artikel 73 I Nr. 9 Grundgesetz).

Ein großer Anteil der Kulturpolitik wird auf kommunaler Ebene (Kommunale Kulturpolitik) geleistet. Soweit nicht Landesgesetze die Kommunen zur Bereithaltung von Kultureinrichtungen verpflichten (z.B. öffentliche Bibliotheken und kommunale Archive als pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben in einigen Bundesländern), ist die Unterhaltung von Kultureinrichtungen (z.B. Museen) typische freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Kommunen.

Gerd Hergen Lübben: Text-Transparent „KULTUR IST ...“ (Während des Diskursprojekts „KULTUR 90“ 1988 in Essen aus dem Fenster gehängt.)

Zu Themenstellungen wie Zukunft der Arbeitsgesellschaft und neue Wege der Kulturpolitik (Hermann Glaser), Ist die Bundesrepublik ein Kulturstaat? (Jost Hermand), Kulturpolitik und die Postmoderne (Wolfgang Welsch) und Gesellschaftlicher Wertwandel und kulturpolitische Innovation (Helmut Klages) sowie im ambitionierten Vorlauf zur konkreten Vorbereitung einer Bewerbung um die Benennung des Ruhrgebiets als Kulturhauptstadt Europas 2010 (= RUHR.2010) fand 1987 in Essen ein Forum Kulturwissenschaft und Kulturvermittlung statt,[2] an dessen Durchführung der Autor (und damaliger Leiter der Essener Volkshochschule) Gerd Hergen Lübben als kommunaler Vertreter mitwirkte; sein Text-Transparent „KULTUR IST ...“ wurde als öffentlicher Diskussionsbeitrag während des kulturpolitischen Diskurs-Projekts KULTUR 90 vom Essener Haus der Erwachsenenbildung „aus dem Fenster gehängt“.

Bereiche der Kulturpolitik[Bearbeiten]

Kulturpolitik lässt sich in fünf Hauptbereiche gliedern, die teilweise selbst wieder als eigenständige Politikfelder definiert werden:

Kulturförderung & Schaffung von Rahmenbedingungen[Bearbeiten]

Eine Hauptaufgabe der Kulturpolitik ist die Kulturförderung. Im traditionellen Verständnis der Kulturpolitik gehört hierzu die direkte Finanzierung öffentlicher Institutionen (z. B. Theater, Museen, Bibliotheken) und privater Kulturschaffender (z. B. Filmförderung, Kunstvereine). Die finanzielle Variante der Kulturförderung umfasst zudem die Vergabe von Preisen und Stipendien. Eine Förderung der Kultur findet weiterhin durch die Schaffung rechtlicher und sozialer Rahmenbedingungen (z. B. Steuerrecht, Medienrecht, Sozialpolitik) statt. Dadurch wird auch eine private Kulturförderung ermöglicht. Auf der Ebene des Bundes sind die Auswirkungen auf die Kulturarbeit durch die Gesetzgebungsaktivitäten größer als die Akzente, die die direkte Kulturförderung setzt.

Durch den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Bildung der Bundesregierung Schröder II ab 2002 geriet „die weitere Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur. Dazu gehört die stärkere Berücksichtigung der kulturellen Dimension der Gesetzgebung des Bundes und ggfs. von großen Planungsvorhaben (Kulturverträglichkeitsprüfung)”[3]

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik[Bearbeiten]

Eine besondere Variante ist die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik (Auswärtige Kulturpolitik). Diese bezeichnet die aktive Verbreitung der jeweiligen Kultur eines Staates in der Welt. Betrieben wird diese vor allem durch die Einrichtung von Kulturinstituten (z. B. Goethe-Institut), in denen die Angehörigen eines Landes die Kultur des Trägerlandes vor allem durch Sprachkurse und die Nutzung umfassender Bibliotheken nutzen können. Eine weitere Variante ist die Einrichtung weltweit empfangbarer Fernseh- und Radiosender, die sich in ihrer Programmgestaltung bewusst nicht an Inländer richten. Im Zeitalter der Globalisierung dient die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, die in erster Linie von Industriestaaten betrieben wird, dem Wettbewerb um hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Im aktuellen Diskurs der Kulturpolitik ist Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als reiner Kulturexport eines Landes stark umstritten. In Deutschland gilt die deutsche Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik seit Willy Brandt als dritte Säule der Außenpolitik und dient mittlerweile nicht mehr nur der Aussendarstellung eines Landes, sondern gilt auch als Instrument der Vermittlung zwischen Nationen. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik unterstützt also auch den Austausch und den Dialog. In der Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Transformationsländern werden zudem Programme der Kapazitätenentwicklung und Professionalisierung, etwa für Journalisten, angeboten.

Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages veröffentlichte 2003 eine 54-seitige Studie mit dem Titel "Kulturpolitische Debatten in Deutschland seit 1945".[4]

Kritik an der bundesdeutschen Kulturpolitik[Bearbeiten]

Die staatliche Kulturpolitik, wie sie der Bund, aber vor allem auch Länder und Gemeinden und Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland betreiben, steht in verschiedener Hinsicht in Kritik. Bemängelt wird unter anderem die Prioritätensetzung bei der Auswahl der „Förderwürdigkeit“. Des Weiteren wird von Betroffenen die Nichtberücksichtigung kultureller Minderheiten (Subkultur) bei der Stadtentwicklung und in den Öffentlich-rechtlichen Massenmedien (Kulturauftrag) bemängelt. Dies drückt sich auch in Demonstrationen wie der Fuckparade, der Frankfurter Nachttanzdemo und Bündnissen wie der Berliner Radiokampagne aus.

Zitat[Bearbeiten]

„Wenn wir über Europa reden, reden wir im Kern über eine Idee. Und der Kern des Kerns dieser Idee ist Kultur[.]“

Norbert Lammert[5]

„Im Laufe der Zeit brach sich die Erkenntnis Bahn, dass eine übergreifende europäische Kultur jenseits der Nationalkulturen vor vielem Anderen die "europäische Identität" ausmacht[.]“

Claus Dieter Classen[6]

Literatur[Bearbeiten]

  • Andreas Hansert: Bürgerkultur und Kulturpolitik in Frankfurt am Main. Eine historisch-soziologische Rekonstruktion, mit einer Einführung von Ulrich Oevermann (Studien zur Frankfurter Geschichte Band 33), Waldemar Kramer, Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-7829-0426-5.
  • Dieter Kramer: Kulturpolitik neu erfinden. Die Bürger als Nutzer und Akteure im Zentrum des kulturellen Lebens (Edition Umbruch Nr. 28). Kulturpolitische Gesellschaft e. V./Klartext Verlag, Bonn/Essen 2012, ISBN 978-3-8375-0710-2.
  • Olaf Schwencke, Joachim Bühler, Marie Katharina Wagner: Kulturpolitik von A-Z. B+S Siebenhaar, Berlin 2009, ISBN 978-3-936962-41-3.
  • Waldemar Ritter: Kultur und Kulturpolitik im vereinigten Deutschland. (Hrsg.): Deutscher Kulturrat, Bonn/Berlin 2000, ISBN 3-934868-05-3.
  • Ralf Rytlewski: Kulturpolitik. In: Everhard Holtmann (Hrsg.): Politik-Lexikon. 2. Auflage. R. Oldenbourg, München/Wien 1994, ISBN 3-486-22566-9.
  • Friedrich G. Schwegmann: Kulturstaat/Kulturpolitik. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Kleines Lexikon der Politik. C.H. Beck, München 2001, ISBN 3-89331-419-9.
  • Heike Schmoll: Kulturpolitik. In: Hans Dieter Betz, Don S. Browning, Bernd Janowski, Eberhard Jüngel (Hrsg.): Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Band 4: I-K, 4. völlig neu bearb. Auflage. Mohr Siebeck, Tübingen 2001, LXXI, ISBN 3-16-146944-5.
  • Andreas Joh. Wiesand: Kulturpolitik. In: Uwe Andersen, Wichard Woyke (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Bonn 2003, ISBN 3-89331-389-3. (online)
  • Mario d'Angelo, Paul Vesperini: Cultural Policies in Europe: Method and Practice of Evaluation. Council of Europe Publishing, Strasbourg 1999.
  • Loock, Scheytt (Hrsg.:), Kulturmanagement & Kulturpolitik, Dr. Josef Raabe Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-8183-0525-0.
  • Wolfgang Schneider (Hrsg.:) Grundlagentexte zur Kulturpolitik, Glück & Schiller Verlag, Hildesheim 2007, ISBN 978-3-938404-11-9.
  • Zembylas, Tschmuck (Hrsg.:) Der Staat als kulturfördernde Instanz. StudienVerlag, Innsbruck 2005, ISBN 3-7065-4141-6.
  • Marcello Sorce Keller: Why is Music so Ideological, Why Do Totalitarian States Take It So Seriously: A Personal View from History, and the Social Sciences. In: Journal of Musicological Research. XXVI(2007), no. 2-3, S. 91–122.
  • Bernd Wagner: Fürstenhof und Bürgergesellschaft. Zur Entstehung, Entwicklung und Legitimation von Kulturpolitik. Kulturpolitische Gesellschaft Bonn e. V., Klartext, Essen 2009, ISBN 978-3-8375-0224-4 (Edition Umbruch, Band 24).[7]
  • Bernd Wagner: Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. hrsg. v. Deutschen Musikinformationszentrum, Bonn 2007 online (PDF; 67 kB)
  • Heimo Konrad: Kulturpolitik. Eine interdisziplinäre Einführung. Facultas Verlag- und Buchhandel, Wien 2011, ISBN 978-3-7089-0596-9.
  • Gabriele Clemens: Britische Kulturpolitik in Deutschland 1945–1949: Literatur, Film, Musik und Theater. Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-06830-9[8]
  • Armin Klein, Stephan Opitz, Dieter Haselbach, Pius Knüsel: Der Kulturinfarkt: Von Allem zu viel und überall das Gleiche. Eine Polemik über Kulturpolitik, Kulturstaat, Kultursubvention. Albrecht Knaus, 2012, ISBN 978-3-8135-0485-9 Besprechung bei mdr.de
  • Manfred Wagner: Kulturpolitik. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 3, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2004, ISBN 3-7001-3045-7.
  • Olaf Zimmermann: Kulturpolitik auf den Punkt gebracht: Kommentare und Begriffe (Aus Politik & Kultur Band 12), AZ Druck, Berlin 2014, ISBN 978-3-934868-32-8, ISSN 1865-2689.

Deutschsprachige Zeitschriften und Jahrbücher

Siehe auch[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Gabriele Clemens: Britische Kulturpolitik in Deutschland 1945–1949, 1997.
  2. Vgl. Handbuch Kultur 90. Modelle und Handlungsbedarf für die kommunale Kulturarbeit (Hrsg.: Richard Erny, Wilhelm Godde, Karl Richter), Köln 1988, S. 274–278.
  3. SPD, Bündnis'90/Die Grünen, Koalitionsvertrag 2002–2006, Berlin 2002, S. 69. (PDF-Datei; 0,73 MB).
  4. PDF
  5. Bundestagspräsident Lammert anlässlich der öffentlichen Buchpräsentation von Olaf Schwencke: Das Europa der Kulturen. Kulturpolitik in Europa am 25. Oktober 2006 in Berlin; zitiert aus dem Jahresbericht 2006 des Instituts für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft, S. 18.
  6. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Auflage. München 2009 § 36, S. 631, Rn. 1.
  7. Vgl. Hilmar Sack: Rezension zu: Wagner, Bernd: Fürstenhof und Bürgergesellschaft. Zur Entstehung, Entwicklung und Legitimation von Kulturpolitik. Essen 2009. In: H-Soz-u-Kult. 19. März 2010.
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