Weltraumbahnhof
Als Weltraumbahnhof oder kurz Raumhafen (für den Raumflughafen oder Weltraumhafen) bzw. Spaceport bezeichnet man unter anderem einen Raketenstartplatz, an dem auch Trägerraketen für orbitale und interplanetare Weltraummissionen starten können. Dabei kann es sich um unbemannte Satelliten- oder Raumsondenstarts oder bemannte Raumflüge handeln. In Russland und China ist auch der Begriff Kosmodrom (vom altgriechischen kósmos zu Kosmos für „Ordnung“ oder „Menschheit“ und δρόμος zu -drom für den „Lauf“ oder „Weg“) geläufig. Die meisten Weltraumbahnhöfe verfügen auch über Startanlagen für Höhenforschungsraketen und/oder für militärische Raketen zu Versuchszwecken.
Weltraumbahnhöfe werden derzeit von einzelnen Weltraumnationen, Staatenorganisationen (wie der ESA) oder privaten Unternehmen (Sea Launch) unterhalten.
Der historisch erste Weltraumbahnhof der Welt war die 1936 errichtete V2-Raketenbasis in Peenemünde auf der deutschen Insel Usedom.[1]
Ab 2014 versuchte das amerikanische Unternehmen SpaceX nach mehreren Jahren Vorarbeit mit Versuchträgern wie der Rakete Grasshopper Erststufen seiner Weltraumrakete Falcon 9 aus dem All zurückzusteuern und wie früher die Mondfähre abgebremst durch das eigene Raketentriebwerk auf einer im Ozean schwimmenden Plattform unversehrt zu landen. Diese Landeplattform für rückkehrende Erststufen bezeichnete das Unternehmen als Autonomous spaceport drone ship, deutsch: Autonomes Weltraumbahnhof-Drohnenschiff. Ziel des Unternehmens ist durch Rettung der Bausubstanz der Rakete die Kosten der Weltraumfahrt auf einen Bruchteil der bisherigen Kosten zu senken.
Inhaltsverzeichnis
Begriffsherkunft[Bearbeiten]
Die ersten Weltraumbahnhöfe entstanden im Verbund mit Eisenbahn-Anlagen, die für den Transport der schweren Raketenstufen und der Nutzlasten benötigt wurden. Erst Jahre später wurden auch die ersten Satelliten, z.B. von Sea Launch, vom Wasser aus in den Orbit gebracht. Und weitere Jahre danach wurde auch das Konzept des Flughafens für die ersten Weltraumhäfen – vorerst nur für suborbitale Raumflüge – verwendet (siehe auch Spaceport America).[2][3]
Standortbedingungen[Bearbeiten]
Die Kriterien für den Standort eines Weltraumbahnhofs sind vielfältig. Er sollte wenn möglich nahe am Äquator liegen: Durch die Erdrotation hat die Rakete dort bereits die auf der Erdoberfläche maximal vermittelte Grundgeschwindigkeit und muss weniger beschleunigen, um insgesamt auf die im Orbit notwendige Geschwindigkeit zu kommen. Zudem erleichtert die Lage das Erreichen der Umlaufbahn. Nur für Starts in polare Orbits sind polnahe Standorte günstiger (zum Beispiel Plessezk).
Ein Raketenbahnhof sollte sich in einem politisch stabilen Staat befinden, da sein Aufbau mit großen Investitionen verbunden ist. Er sollte abseits von dicht besiedeltem Gebiet liegen und in östlicher Richtung einen Ozean oder ein sehr dünn besiedeltes Gebiet haben. Denn fast alle Raketenstarts erfolgen mit der Erdrotation (aus oben genanntem Grunde) in östlicher Richtung. Wenn es zu einem Fehlstart kommt, könnten sonst Menschen durch nieder stürzende Trümmer und Treibstoffe gefährdet werden. Zudem ist der Standort auf die politische Einflusssphäre des errichtenden Staats oder der Staatenorganisation beschränkt.
Der Weltraumbahnhof sollte an einem geologisch stabilen Ort gebaut werden, der von größeren und vielen Unwettern verschont wird, da Raketenstarts bei Regen oder Sturm meist abgesagt werden müssen. Schließlich sollte genügend Raum vorhanden sein, damit man ihn gegebenenfalls ausbauen kann.
Der ideale Standort für einen Weltraumbahnhof existiert jedoch nicht und bei der Wahl müssen Kompromisse eingegangen werden.
Beispiel: Russische Kosmodrome[Bearbeiten]
Besonders die russischen Kosmodrome sind durch ihre sehr weit nördliche Lage benachteiligt, da für orbitale Manöver zur Zielumlaufbahn mehr Treibstoff aufgewendet werden muss.
Beispiel: Kourou[Bearbeiten]
Der europäische Weltraumbahnhof Centre Spatial Guyanais in Kourou besitzt von ähnlichen Einrichtungen weltweit die günstigste Lage.[4] Er liegt im französischen Übersee-Departement Französisch-Guayana im Norden Südamerikas (politisch stabil)[5] und liegt sehr dicht am Äquator (günstige Starteigenschaften, maximaler Geschwindigkeitsbonus durch Erdrotation).[4] Die Region ist sehr dünn besiedelt und grenzt im Nordosten an den Atlantik (geringe Gefährdung für Menschen).[6] Da der Weltraumbahnhof direkt an ein ausgedehntes Waldgebiet grenzt, ist auch sein Ausbau problemlos möglich. Zwar weist Kourou ein subtropisches Klima auf, wird jedoch von den meisten Atlantikstürmen verschont.[4] Zudem lassen sich Material und Güter aufgrund der Küstenlage sehr einfach und schnell dorthin transportieren. Er liegt jedoch sehr weit von den Betreiberstaaten (Frankreich, ESA) entfernt.
Weltraumbahnhöfe in Europa[Bearbeiten]
Auf dem kontinentalen Gebiet der EU gibt es keinen institutionellen oder privaten Weltraumbahnhof (Stand: 2014). Für die Raumfahrt durch z. B. die europäische Raumfahrtagentur ESA und ihre kooperierenden staatlichen Agenturen wie das DLR wird meist der CSG-Raumhafen von Kourou in Französisch-Guayana genutzt, das als Überseegebiet zu Frankreich gehört (siehe Abschnitt).
In Großbritannien wurde 2014 angekündigt, dass man einen kommerziell nutzbaren Weltraumbahnhof im Landesgebiet des Vereinigten Königreiches errichten wolle, im Juli wurden dafür acht mögliche Standorte bekannt gegeben.[7] Auch in Kiruna in Schweden ist die Einrichtung eines eigenen Raumhafens vorgesehen.[8] In Deutschland ist bislang kein eigener Weltraumbahnhof geplant (Stand: September 2014).
Liste der Weltraumbahnhöfe[Bearbeiten]
Stillgelegte Weltraumbahnhöfe[Bearbeiten]
Name | Standort | ehem. Betreiber | Koordinaten |
---|---|---|---|
Algerien | |||
Hammaguir | Hammaguir | Centre interarmées d’essais d’engins spéciaux | 30° 52′ N, 3° 0′ W |
Australien | |||
Woomera Prohibited Area (WPA) (nur noch Startplatz für Höhenforschungsraketen) |
Woomera, South Australia | 31° 12′ S, 136° 50′ O | |
Russland | |||
Swobodny | Swobodny, Oblast Amur | Russland | 51° 44′ N, 128° 5′ O |
Startplätze nur für suborbitale Raketen (Höhenforschungsraketen oder militärische Raketen), siehe Raketenstartplatz.
Karte der Weltraumbahnhöfe[Bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten]
- Ralf Butscher: Großer Bahnhof am Äquator. In: Bild der Wissenschaft, Heft 1/2005, S. 88−93 (2005), ISSN 0006-2375
Weblinks[Bearbeiten]
- Index – Übersicht zu den Raketenstartplätzen der Welt bei der Encyclopedia Astronautica (englisch)
- SpaceX Reusable Launch System (dt.: SpaxeX wiederverwendbares Startsystem); das Video zeigt in 3:57 min das endgültige Entwicklungsziel von SpaceX, nämlich die Wiederverwertbarkeit der ersten Stufe und der zweiten Stufe der Falcon 9- Rakete und des Raumschiffes Dragon, die alle drei direkt mit dem eigenen Raketentriebwerken zum Startplatz zurückfliegen sollen, der so zum echten Bahnhof mit Starts und Landungen würde.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Marianne J. Dyson: Space and astronomy: decade by decade. Infobase Publishing, 2007, ISBN 978-0-8160-5536-4.
- ↑ New Mexico mit hohen Zielen – Artikel bei Raumfahrt24.de, vom 13. Juni 2006
- ↑ Erster europäischer Raumhafen – Artikel bei wasistwas.de, vom 18. April 2007
- ↑ a b c Ulf von Rauchhaupt: Weißt du, wo die Sternlein stehen? In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 29. Dezember 2013, Seite 61.
- ↑ Worldwide Governance Indicators der Weltbank: Country Data Report for French Guiana. Abgerufen am 29. Dezember 2013.
- ↑ EUMETSAT: Launching Satellites. Abgerufen am 29. Dezember 2013.
- ↑ Space race: eight sites shortlisted for UK's first commercial spaceport, The Guardian, 15. Juli 2014, abgerufen am 26. September 2014
- ↑ "Spaceport": Briten wollen eigenen Weltraumbahnhof bauen, Die Welt, Auch Schweden plant den Bau eines Weltraumbahnhofes, 15. Juli 2014, abgerufen am 26. September 2014
- ↑ ISC Kosmotras (englisch) – offizielle Webseite