Quelle: Vice News https://www.youtube.com/watch?v=AUjHb4C7b94
Jetzt ist es also wieder einmal soweit: Deutschland ânimmt Verantwortung wahrâ. Dieses Mal in Syrien. Tornados klĂ€ren auf, eine Fregatte begleitet einen französischen FlugzeugtrĂ€ger, Bomber der US-gefĂŒhrten Koalition der Willigen werden in der Luft betankt. In weniger als einer Woche war das â im ĂŒbrigen falsche â Mantra âMilitĂ€risch ist der IS nicht zu besiegen, eine Verhandlungslösung muĂ herâ vom Tisch gewischt. Die Geschwindigkeit, mit der das geschah, lĂ€Ăt sich vielleicht wirklich nur als Satire darstellen, die viel ĂŒber die deutsche WertschĂ€tzung von Rechtsstaat und Parlament aussagt.
Das Ziel ist der Krieg gegen den Terror – BPK
Veröffentlicht am 30.11.2015
Es handelt sich bei diesem Video um Satire.
https://www.youtube.com/watch?v=Bc63eS3AIRo
Nach dem Besuch beim französischen PrĂ€sidenten Hollande am 26.11.2015 war die Sache eines deutschen MilitĂ€reinsatzes in Syrien plötzlich klar, am 1.12.2015 wurde der entsprechende KabinettsbeschluĂ getroffen und am 4.12.2015 stimmte der Bundestag nach nur anderthalbstĂŒndiger Diskussion â ohne Redebeitrag der Kanzlerin â zu:
Freitag, 04.12.2015 â 11:30 Uhr
FĂŒr das Mandat votierten 445 Abgeordnete, dagegen waren 146. Es gab sieben Enthaltungen. Die Ja-Stimmen kamen fast ausschlieĂlich aus dem Koalitionslager. Die Linksfraktion hatte vorab ein geschlossenes Nein angekĂŒndigt, die GrĂŒnen-Fraktion eine mehrheitliche Ablehnung.
Ist dieser Einsatz rechtmĂ€Ăig?
DaĂ der Einsatz rechtmĂ€Ăig ist, hatte Justizminister Heiko Maas jedenfalls versichert:
Geplanter Bundeswehreinsatz in SyrienÂ
Heiko Maas hat keine BedenkenÂ
Laut Bundesjustizminister ist der Syrien-Einsatz der Bundeswehr rechtlich unbedenklich. In Berlin demonstrierten 3.000 Menschen gegen den Krieg.
4.â12.â2015
BERLIN dpa | Unmittelbar vor der Entscheidung des Bundestages hat Bundesjustizminister Heiko Maas rechtliche Bedenken am geplanten Syrien-Einsatz der Bundeswehr zurĂŒckgewiesen. âDie Deutschen können sicher sein: Der Syrien-Einsatz der Bundeswehr verstöĂt weder gegen das Völkerrecht noch gegen das Grundgesetzâ, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel.
Zur BegrĂŒndung verwies Maas demnach unter anderem auf die vom Bundesverfassungsgericht 1994 getroffene Entscheidung, wonach AuslandseinsĂ€tze der Bundeswehr im Rahmen eines Systems kollektiver Sicherheit möglich sind. âEs gibt drei Resolutionen des UN-Sicherheitsrates gegen den IS, die das vorliegende Mandat abdecken. Nach dem EU-Grundlagenvertrag kann sich Frankreich zudem mit vollem Recht auf die Beistandsverpflichtung seiner EU-Partner berufenâ, sagte Maas.
[âŠ]
Das klang ja, so fĂŒr den gemeinen Journalisten und den ununterrichteten BĂŒrger, beruhigend, nachdem zuvor Journalisten durch den Sprecher des AuswĂ€rtigen Amts derb beschieden worden waren, es sei unnötig, sich schon (!) am 30.11.2015 Gedanken ĂŒber die RechtmĂ€Ăigkeit einer militĂ€rischen Intervention auf Bitte von PrĂ€sident Hollande zu machen; schlieĂlich war eine deutsche politische SolidaritĂ€ts-Geste innerhalb der sich aufgrund der deutschen Dominanz (Griechenlandkrise, FlĂŒchtlingskrise) zerlegenden EU alternativlos, und bloĂe Förmeleien kontraproduktiv:
Bundespressekonferenz vom 30.11.2015
Komplettes BPK-Wortprotokoll vom 30. November 2015:Â
[âŠ]
FRAGE JUNG: Herr SchÀfer, hat sich eine Bundesregierung jemals zuvor ohne ein UN-Mandat an einem Krieg beteiligt?
SCHĂFER: Ich glaube, diese ganze Debatte, die wir hier jetzt fĂŒhren, und darauf haben Herr Flosdorff und Frau Wirtz völlig zu Recht hingewiesen, sollten wir doch einfach einmal auf den Moment verschieben, an dem es einen Beschluss der Bundesregierung gibt, der dann dem Deutschen Bundestag zur Diskussion vorgelegt wird. Da gehört er hin.
Noch gibt es einen solchen Beschluss der Bundesregierung nicht, sondern eine AnkĂŒndigung. Es wird morgen eine Kabinettssitzung geben, in der es, wovon ich ausgehe, einen solchen Beschluss geben wird. Wenn es ihn dann gegeben haben wird Futur II, dann werden wir gerne darĂŒber diskutieren. Jetzt gibt es ihn noch nicht. Warten Sie ab. Das Mandat wird dann kommen. Das wird dann im Bundestag ausfĂŒhrlich beraten werden, sicherlich auch unter dem Gesichtspunkt, den Sie angefĂŒhrt haben.
[âŠ]
SCHĂFER: Noch einmal, Herr Jung: Wenn sich die Bundesregierung entscheidet, sich auf der Grundlage eines Mandats des Deutschen Bundestags an den auch militĂ€rischen MaĂnahmen im Kampf gegen ISIS zu beteiligen, so erfolgt das auf der Grundlage des geltenden Völkerrechts.
Ihre Verengung auf die Frage eines Mandats Ââ ich vermute, damit meinen Sie eine MaĂnahme nach Kapitel VII der Vereinten Nationen â ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend, weil es darauf ankommt, ob das, an dem wir uns beteiligen wollen, im Einklang mit dem Völkerrecht steht, oder nicht. Wenn wir morgen diesen Beschluss fassen, dann sind wir davon ĂŒberzeugt, dass das so ist.
[âŠ]
http://www.jungundnaiv.de/2015/11/30/bundesregierung-fuer-desinteressierte-bpk-vom-30-november-2015/
Klappe zu, Affe tot. Wenn das Kabinett bei seiner Entscheidung am 1.12.2015 von der RechtmĂ€Ăigkeit des Unternehmens ĂŒberzeugt ist, obwohl ein UN-Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta nicht vorliegt, das allein die Gewaltanwendung in fremden Staaten ohne deren Erlaubnis legitimiert, dann haben unbotmĂ€Ăige Journalisten nicht weiter nachzufragen. Und meistens klappt ein solches autoritĂ€res Herangehen angesichts des Zustands unserer Presse ja auch.
Einen Tag spÀter, mit dem Antrag der Regierung an das Parlament, wurde die juristische Katze aus dem Sack gelassen [Hervorhebungen von mir]:
Deutscher Bundestag Drucksache 18/6866
- Wahlperiode 01.12.2015
 Antrag der Bundesregierung
Einsatz bewaffneter deutscher StreitkrĂ€fte zur VerhĂŒtung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages ĂŒber die EuropĂ€ische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen
Der Bundestag wolle beschlieĂen:
1. Der Deutsche Bundestag stimmt dem von der Bundesregierung am 1. Dezember 2015 beschlossenen Einsatz bewaffneter deutscher StreitkrĂ€fte zur VerhĂŒtung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS zu.
Die vorgesehenen KrÀfte können eingesetzt werden, solange die völkerrechtlichen Voraussetzungen und die konstitutive Zustimmung des Deutschen Bundestages vorliegen, lÀngstens jedoch bis zum 31. Dezember 2016.
2. Völker- und verfassungsrechtliche Grundlagen
Die Entsendung bewaffneter deutscher StreitkrÀfte erfolgt im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes.
Der Einsatz erfolgt in Ăbereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Vorgaben fĂŒr AuslandseinsĂ€tze der Bundeswehr. Durch den vorgesehenen Einsatz deutscher StreitkrĂ€fte unterstĂŒtzt die Bundesrepublik Deutschland Frankreich, Irak und die internationale Allianz in ihrem Kampf gegen IS auf der Grundlage des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung gemÀà Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen.
[âŠ]
Beginnend im September 2014 haben mehrere mit Deutschland verbĂŒndete oder partnerschaftlich verbundene Staaten (USA, Australien, Vereinigtes Königreich, Frankreich) die durch IS von syrischem Staatsgebiet ausgehenden Angriffe auf Irak zum Anlass genommen, Irak â auf dessen Ersuchen hin â in AusĂŒbung des Rechts auf kollektive Selbstverteidigung im Sinne von Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen militĂ€rischen Beistand zu leisten. In diesem Zusammenhang werden auch militĂ€rische MaĂnahmen auf syrischem Gebiet durchgefĂŒhrt, da die syrische Regierung nicht in der Lage und/oder nicht willens ist, die von ihrem Territorium ausgehenden Angriffe durch IS zu unterbinden. Insoweit als vom IS eine Bedrohung fĂŒr andere Staaten selbst ausgeht, nehmen diese darĂŒber hinaus ihr Recht auf individuelle Selbstverteidigung wahr. Dieses Vorgehen wurde dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch die genannten Staaten angezeigt.
Das Vorgehen gegen IS in Wahrnehmung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts gemÀà Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen ist von der Resolution 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen umfasst. Soweit die kollektive Selbstverteidigung zu Gunsten von Frankreich geleistet wird, erfolgen die militĂ€rischen BeitrĂ€ge Deutschlands zusĂ€tzlich in ErfĂŒllung der EU-Beistandsklausel nach Art. 42 Abs. 7 des Vertrages ĂŒber die EuropĂ€ische Union.
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/068/1806866.pdf
[S.1, 3f. ]
Jost MĂŒller-Neuhof hat im TAGESSPIEGEL dieses luftige Konglomerat juristischer Formeln so charakterisiert, ohne das militĂ€rische Unterfangen letztlich als âillegitimâ, sondern nur als âzweifelhaftâ zu bewerten; deutlicher darf man wohl in dieser von der ZEIT beherrschten und von stramm transatlantischen Joffe-Kolumnen kontaminierten Tageszeitung nicht werden:
Im Ganzen ein normatives Potpourri, das der unĂŒbersichtlichen Gefechtslage vor Ort entspricht.
Widmen wir uns den Rechtfertigungen der Bundesregierung im Detail.
https://www.youtube.com/watch?v=2Ppd09ATLaA
I. Nothilfe zugunsten des Irak, der um internationale UnterstĂŒtzung bei der BekĂ€mpfung des IS gebeten hatte
Es ist geradezu wahnwitzig, die Bombardierungen Syriens als Hilfeleistung fĂŒr den Irak auszugeben, der durch den IS vom syrischem Staatsgebiet aus bedroht werde â als ob der IS nicht 2013 auf irakischem Staatsgebiet entstanden wĂ€re und dort bis heute tĂ€tig sein wĂŒrde; er hat sich lediglich ab 2014 zusĂ€tzlich auch auf Syrien ausgedehnt, nachdem Syrien durch die Bewaffnung von âOppositionskrĂ€ftenâ durch Drittstaaten hinlĂ€nglich destabilisiert worden war.
So sah die Ausbreitung des IS nach frischen Eroberungen in Ramadi (Irak) und Palmyra (Syrien) trotz IS-BekÀmpfung durch die US-Koalition im Mai 2015 aus.
Die Desinformation, Deutschland agiere in Nothilfe fĂŒr den Irak, wurde natĂŒrlich nur deshalb vorgebracht, weil der Irak internationale Hilfe beim Kampf gegen den IS erbeten hatte â anders als Syrien, gegen dessen erklĂ€rten Willen Teile der US-gefĂŒhrten Allianz dort sukzessiv seit September 2014 ebenfalls agieren.
Wenn man sich die irakische Reaktion auf die militĂ€rische UnterstĂŒtzung beim Kampf gegen den IS, adressiert an den PrĂ€sidenten des UN-Sicherheitsrats, vom 20.9.2014 (S/2014/691) ansieht, dann wird ersichtlich, daĂ die Wahrung der irakischen nationalen SouverĂ€nitĂ€t ein Hauptanliegen ist. Und daĂ Angriffe des IS auf den Irak von Syrien aus nur ein Nebenproblem darstellen [Hervorhebungen von mir]:
 S/2014/691
14-61464 2/2
Annex to the letter dated 20 September 2014 from the Permanent Representative of Iraq to the United Nations addressed to the President of the Security Council
[Original: Arabic]
I should like to reaffirm the substance of the letter dated 25 June 2014 from the Minister for Foreign Affairs of Iraq addressed to the Secretary-General of the United Nations and the President of the Security Council (S/2014/440, annex), in which the international community was requested to support the effort to eradicate the Islamic State in Iraq and the Levant (ISIL) and restore stability to our country.
On 15 September 2014, at the Paris conference, the international community attested to the fact that ISIL represents a threat to Iraq. We welcome the commitment that was made by 26 States to provide the new Iraqi Government with all necessary support in its war against ISIL, including appropriate military assistance through the provision of air cover in in coordination with the Iraqi armed forces and in accordance with international law, without endangering the safety of civilians, ensuring that populated areas are not struck and respecting Iraqâs sovereignty.
Iraq is grateful for the military assistance it is receiving, including the assistance provided by the United States of America in response to Iraqâs specific requests. Iraq and the United States have entered into a Strategic Framework Agreement, and that Agreement will help to make such assistance more effective and enable us to make great advances in our war against ISIL. Although Iraq is in great need of the assistance of its friends in combatting this evil terrorism, it nonetheless attaches great importance to preserving its sovereignty and its ability to take decisions independently, both of which must be honoured in all circumstances.
As we noted in our earlier letter, ISIL has established a safe haven outside Iraqâs borders that is a direct threat to the security of our people and territory. By establishing this safe haven, ISIL has secured for itself the ability to train for, plan, finance and carry out terrorist operations across our borders. The presence of this safe haven has made our borders impossible to defend and exposed our citizens to the threat of terrorist attacks.
It is for these reasons that we, in accordance with international law and the relevant bilateral and multilateral agreements, and with due regard for complete national sovereignty and the Constitution, have requested the United States of America to lead international efforts to strike ISIL sites and military strongholds, with our express consent. The aim of such strikes is to end the constant threat to Iraq, protect Iraqâs citizens and, ultimately, arm Iraqi forces and enable them to regain control of Iraqâs borders.
[âŠ]
http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2014/691
http://www.centcom.mil/en/news/articles/coalition-killed-10-senior-isil-leaders-in-december
Die (bedingte) Zustimmung des Irak kann sich nur auf militÀrische AktivitÀten der Allianz auf dem eigenen Staatsgebiet beziehen. Die fehlende Zustimmung Syriens zu Bombardierungen auf syrischem Staatsgebiet ersetzt sie mithin nicht.
Der Professor fĂŒr Verfassungs- und Völkerrecht i.R. der UniversitĂ€t Hamburg, Norman Paech, hat am 10.12.2015 in Kenntnis der amtlichen Rechtfertigungen ein umfassendes Gutachten veröffentlicht. Andere Juristen, die zuvor ihre Meinungen verbreitet hatten, haben sich hierzu nicht geĂ€uĂert. Wer wĂ€re auch schon auf den kĂŒhnen Gedanken gekommen, die Einladung des Irak könnte Bombardierungen in Syrien rechtfertigen? NatĂŒrlich niemand, der noch bei juristischem Verstand ist. Paech findet zu diesem Rechtfertigungselement der deutschen Regierung folgende Worte:
Ausgabe vom 10.12.2015, Seite 12 / Thema
Kein kollektives Verteidigungsrecht
Dokumentiert.âZum Einsatz bewaffneter deutscher StreitkrĂ€fte in Syrien. Eine verfassungs- und völkerrechtliche Analyse
Von Norman Paech
Heute machen sich die ersten von sechs »Tornados« der deutschen Luftwaffe auf den Weg in die TĂŒrkei. Von dort aus Âsollen sie bald EinsĂ€tze ĂŒber Syrien fliegen. ÂVölkerrechtlich ist der 134 Millionen Euro teure Bundeswehreinsatz nicht gesichert
[âŠ]
Soweit sich die Staaten auf die Zustimmung der irakischen Regierung fĂŒr ihr militĂ€risches Eingreifen im Irak berufen können, ist dagegen nichts einzuwenden. Das gilt aber nicht fĂŒr die Bombardierungen in Syrien, wofĂŒr nur Russland die Erlaubnis der syrischen Regierung hat. Die Berufung auf das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung zugunsten eines Staates ist jedoch ohne Zustimmung des angegriffenen Staates nicht möglich.
Die USA berufen sich auf die Zustimmung der irakischen Regierung und argumentieren, dass eine Intervention in Syrien notwendig sei, da nur dadurch die Gefahr fĂŒr Irak und die Angriffe auf irakisches Territorium abgewehrt werden können. Es ist durchaus völkerrechtlich anerkannt, dass zur Verteidigung der Grenzen diese auch in den Nachbarstaat, aus dem die Gefahr kommt, hinein ĂŒberschritten werden können. Dies aber nur in sehr begrenztem Umfang. Die Operationen der USA und ihrer VerbĂŒndeten bis weit in den Westen Syriens sind dadurch nicht legitimiert.
[âŠ]
https://www.jungewelt.de/2015/12-10/071.php
http://www.un.org/en/index.html
II. Die Berufung auf die Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrates vom 20.11.2015
Man kann von deutschen Journalisten nicht erwarten, daĂ sie sich diese Resolution ansehen, bei dem Zeitdruck, der heutzutage herrscht, und bei der Absenkung an QualitĂ€t, die dieser Zeitdruck allseits herbeigefĂŒhrt hat. DaĂ diese Resolution nicht zu Kampfhandlungen in Syrien ermĂ€chtigt, belegt bereits ihr Wortlaut. Ich zitiere deren entscheidenden Appell in Ziff. 5 [Hervorhebungen von mir]:
5. Calls upon Member States that have the capacity to do so to take all necessary measures, in compliance with international law, in particular with the United Nations Charter, as well as international human rights, refugee and humanitarian law, on the territory under the control of ISIL also known as Daâesh, in Syria and Iraq, to redouble and coordinate their efforts to prevent and suppress terrorist acts committed specifically by ISIL also known as Daâesh as well as ANF, and all other individuals, groups, undertakings, and entities associated with Al-Qaida, and other terrorist groups, as designated by the United Nations Security Council, and as may further be agreed by the International Syria Support Group (ISSG) and endorsed by the UN Security Council, pursuant to the statement of the International Syria Support Group (ISSG) of 14 November, and to eradicate the safe haven they have established over significant parts of Iraq and Syria;
http://www.un.org/press/en/2015/sc12132.doc.htm
Die Resolution selbst ermĂ€chtigt zu keinen militĂ€rischen Interventionen; sie verweist vielmehr auf die UN-Charta und das internationale Recht, das die entsprechenden unspezifizierten ânotwendigen MaĂnahmenâ legitimieren mĂŒsse.
In dieser Bewertung stimmen sĂ€mtliche Juristen ĂŒberein, die sich bislang zu diesem Thema zu Wort gemeldet haben:
Jasper Finke ist Juniorprofessor fĂŒr Ăffentliches Recht, Völker- und Europarecht. Er lehrt an der Bucerius Law School in Hamburg. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist das Völkerrecht. Am 27.11.2015 Ă€uĂerte er sich entsprechend im Tagesschau-Interview:
http://www.tagesschau.de/inland/interview-finke-101.html
Gregor Schirmer ist Professor emeritus fĂŒr Völkerrecht. Er ist Mitglied des Verbandes fĂŒr Internationale Politik und Völkerrecht, des Marxistischen Forums und des Ăltestenrats der Partei Die Linke. Er legte seine rechtliche WĂŒrdigung am 30.11.2015 vor:
https://www.jungewelt.de/2015/11-30/012.php
Norman Paech wurde bereits zitiert:
https://www.jungewelt.de/2015/12-10/071.php
DaĂ die Resolution inhaltlich weit ĂŒber den Kampf gegen den IS in Syrien hinausgeht, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden. Denn tatsĂ€chlich rĂŒhrt sie an die Westpropaganda, daĂ in Syrien ein âBĂŒrgerkriegâ und keineswegs ein vom Westen und sunnitischen RegionalmĂ€chten angefachter islamistischer Terror mit dem Ziel des Sturzes der sĂ€kularen Regierung des Alawiten Assad stattfindet â und das bereits seit Beginn regionaler Proteste gegen die syrische Regierung im Jahr 2011. Jordanien wurde auf der Konferenz der ISSG (International Syria Support Group) vom 14.11.2015 beauftragt, eine vorlĂ€ufige Liste von in Syrien tĂ€tigen Terrororganisationen jenseits von IS und al-Nusra zu erstellen. Jordanien soll nach einem Pressebericht vom 17.12.2015 insgesamt 160 Gruppierungen aufgelistet haben:
http://sputniknews.com/middleeast/20151217/1031882885/list-terrorist-organizations-jordan.html
Ăber diese Liste wird man sich jetzt einigen mĂŒssenâŠ
Wenn sie denn der ISSG ĂŒberhaupt ĂŒbermittelt wurde. Daran muĂ man nach Aussagen des syrischen UN-Botschafters vom 11.1.2016 zweifeln:
https://www.youtube.com/watch?v=2U0JAgwwR3E
Quelle: http://www.stern.de/politik/deutschland/jahresrueckblick-2015–bundeskanzlerin-angela-merkel—ihr-wahnsinnsjahr-in-bildern-6594674.html
III. Die Berufung auf eine EU-Beistandsklausel
Der entsprechende, noch niemals in Anspruch genommene, Paragraph lautet:
Artikel 42, Abs. 7 des EU-Vertrags
Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats schulden die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und UnterstĂŒtzung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Dies lĂ€sst den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedstaaten unberĂŒhrt.
http://www.tagesschau.de/inland/interview-finke-101.html
Ăber den Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen hinaus liefert also auch diese fragwĂŒrdige Rechtsgrundlage keine Eingriffsrechte, sondern regelt allenfalls unklare Beistandspflichten zugunsten eines EU-Mitgliedstaates. Auch darĂŒber sind sich die genannten Wissenschaftler einig.
Bislang hat die Regierung mithin nur juristische Folklore bzw. kĂŒhne Neuschöpfungen geliefert. Kommen wir also zum Kernpunkt: Artikel 51 der UN-Charta, zu dem die Regierungsvorlage an den Bundestag merkwĂŒrdig vage bleibt [Hervorhebung von mir]:
Das Vorgehen gegen IS in Wahrnehmung des kollektiven Selbstverteidigungsrechts gemÀà Art. 51 der Charta der Vereinten Nationen ist von der Resolution 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen umfasst. Soweit die kollektive Selbstverteidigung zu Gunsten von Frankreich geleistet wird, erfolgen die militĂ€rischen BeitrĂ€ge Deutschlands zusĂ€tzlich in ErfĂŒllung der EU-Beistandsklausel nach Art. 42 Abs. 7 des Vertrages ĂŒber die EuropĂ€ische Union.
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/068/1806866.pdf
DaĂ Deutschland sich, nach herkömmlicher Lesart, nicht auf ein kollektives Selbstverteidigungsrecht gemÀà Artikel 51 zugunsten des Irak fĂŒr Bombardierungen auf syrischem Gebiet berufen kann, wurde bereits dargelegt. Aber hat Frankreich eventuell nach den TerroranschlĂ€gen vom 13.11.2015 ein Recht auf Selbstverteidigung, das Bombardierungen auf syrischem Staatsgebiet ohne Zustimmung der syrischen Regierung einschlieĂt?
Artikel 51 der UN-Charta
Diese Charta beeintrĂ€chtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen MaĂnahmen getroffen hat. MaĂnahmen, die ein Mitglied in AusĂŒbung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berĂŒhren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die MaĂnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit fĂŒr erforderlich hĂ€lt.
http://www.unric.org/de/charta
Es bewege ihn sehr, dass sein Werk weltweit von so vielen Menschen geteilt werde, sagte Jullien. Sein Hauptziel sei gewesen, mit dem Bild das GefĂŒhl von Frieden und SolidaritĂ€t zu vermitteln, “und es sieht so aus, als hĂ€tte es genau das getan”. Dass in den meisten FĂ€llen sein Name nicht als Urheber auftaucht, störe ihn nicht. “Ich habe ein Symbol kreiert, damit jeder es teilen kann.” Es sei nicht sein Besitz.
Die Politik bewegte sich auf anderen Bahnen als denen des Friedens und der SolidaritĂ€t. Hollande trat, gewiĂ motiviert aus innenpolitischen GrĂŒnden (Front National), in einen G.W. Bush-look-alike-contest ein:
Terror in Paris: Hollande macht IS fĂŒr Anschlagsserie verantwortlich
Die AnschlĂ€ge in Paris sind von der Terrororganisation “Islamischer Staat” verĂŒbt worden. Das sagte PrĂ€sident François Hollande in einer Fernsehansprache. Er bezeichnete die Attentate als Kriegsakt.
Samstag, 14.11.2015 â 16:15 Uhr
[âŠ]
Der “Islamische Staat” hat sich zu den AnschlĂ€gen bekannt. Frankreich startete Luftangriffe auf die syrische IS-Hochburg Rakka.
Die Formulierung, daĂ Frankreich bereits einen Tag nach den terroristischen AnschlĂ€gen Luftangriffe âstarteteâ, ist ungenau; tatsĂ€chlich hatte sich Frankreich bereits Monate zuvor an den LuftschlĂ€gen der US-Allianz in Syrien beteiligt.
Frankreichs Kampf gegen den IS: “Es kann nicht um Vergeltung gehen”
Ein Interview von Thomas DarnstÀdt
Sind die Attentate von Paris völkerrechtlich vergleichbar mit dem 11. September? Wie darf Frankreich sich wehren? Völkerrechtsprofessor Claus Kreà erklÀrt, welche Regeln Hollandes Regierung jetzt beachten sollte.
Montag, 16.11.2015 â 18:02 Uhr
KreĂ, 49, ist Direktor des Instituts fĂŒr Friedenssicherungsrecht der UniversitĂ€t Köln.
SPIEGEL ONLINE: Herr Professor KreĂ, PrĂ€sident François Hollande hat erklĂ€rt, Frankreich sei jetzt im Krieg mit dem “Islamischen Staat”. Was bedeutet das?
KreĂ: Es ist nicht ganz klar, was “jetzt” heiĂt. Denn die Franzosen hatten bereits vor den fĂŒrchterlichen AnschlĂ€gen vom Freitag Kommandozentren des “Islamischen Staates” bombardieren lassen – und auch das mutmaĂliche Versteck des Franzosen Salim Benghalim, der fĂŒr den IS gearbeitet haben soll.
SPIEGEL ONLINE: Wollen Sie damit sagen, die Franzosen haben angefangen?
KreĂ: Nein. Frankreich hat sich vor seinen Angriffen in Syrien in einem Brief an den Sicherheitsrat auf das Selbstverteidigungsrecht nach der Charta der Vereinten Nationen berufen.
SPIEGEL ONLINE: Wogegen wollte sich denn Frankreich verteidigen?
KreĂ: Frankreich machte zwar auch eigene Sicherheitsinteressen geltend, berief sich aber wie die USA und die ĂŒbrigen VerbĂŒndeten entscheidend darauf, dass der vom IS bedrĂ€ngte Irak sie zu Hilfe gerufen habe – also auf die kollektive Verteidigung des Angegriffenen.
SPIEGEL ONLINE: Was hat das aber mit Syrien zu tun?
KreĂ: Die Koalition rechtfertigt ihr Vorgehen zum Schutze des Irak damit, dass die Angriffe gegen Irak auch von Syrien ausgehen.
SPIEGEL ONLINE: Eine komplizierte Konstruktion.
KreĂ: Das ist wohl auch der Grund, warum Frankreich bei der BekĂ€mpfung des IS in Syrien zunĂ€chst nicht mitgemacht hat – aus ZurĂŒckhaltung gegenĂŒber der amerikanischen Völkerrechtssicht.
[âŠ]
Ja, damals war der SPIEGEL noch kritisch gegenĂŒber der âkomplizierten Konstruktionâ und der âamerikanischen Völkerrechtssichtâ, die Deutschland jetzt umstandlos ĂŒbernommen hat. In einem Staat, der es nicht schafft, mit dem IS fertigzuwerden, darf hemmungslos herumbombardiert werden, zivile Opfer inklusive, die bei LuftschlĂ€gen nie auszuschlieĂen sind.
Hier ist das knappe Schreiben vom 8.9.2015 (S/2015/745), mit dem Frankreich seine Beteiligung an Bombardierungen Syriens gegenĂŒber dem UN-Sicherheitsrat angezeigt hat [Hervorhebungen von mir]:
United Nations S/2015/745 Security Council Distr.: General 9 September 2015 English Original: French
15-16571 (E) 300915 300915 *1516571*
Identical letters dated 8 September 2015 from the Permanent Representative of France to the United Nations addressed to the Secretary-General and the President of the Security Council
By resolutions 2170 (2014), 2178 (2014) and 2199 (2015) in particular, the Security Council has described the terrorist acts of Islamic State in Iraq and the Levant (ISIL), including abuses committed against the civilian populations of the Syrian Arab Republic and Iraq, as a threat to international peace and security. Those acts are also a direct and extraordinary threat to the security of France.
In a letter dated 20 September 2014 addressed to the President of the Security Council (S/2014/691), the Iraqi authorities requested the assistance of the international community in order to counter the attacks perpetrated by ISIL.
In accordance with Article 51 of the Charter of the United Nations, France has taken actions involving the participation of military aircraft in response to attacks carried out by ISIL from the territory of the Syrian Arab Republic.
I should be grateful if you would have the present letter circulated to the members of the Security Council.
(Signed) François Delattre
 http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2015/745
Nothilfe fĂŒr den Irak also sollen LuftschlĂ€ge auf Syrien rechtfertigen. Daneben steht die schlichte Behauptung, daĂ die vom IS ausgehende Gefahr auch Frankreich bedrohe. Ob damit vage auf die AnschlĂ€ge auf Redakteure von Charlie Hebdo und die KĂ€ufer eines jĂŒdischen Supermarktes vom 7.1.2015 Bezug genommen wurde?
Diese waren gewiĂ kein âbewaffneter Angriff auf einen Staatâ, wie er in Art. 51 der UN-Charta vorausgesetzt wird.
https://www.youtube.com/watch?v=eT1msilPjBM
(17.7.2015)
Einen Tag zuvor, am 7.9.2015, hatte der britische UN-Botschafter den PrĂ€sidenten des Sicherheitsrates ĂŒber einen bereits am 21.8.2015 in Syrien erfolgten Luftschlag informiert (S/2015/688); neben der Erlaubnis zur Verteidigung des Irak gegen den IS wurde ein konkretes eigenes Selbstverteidigungsrecht geltend gemacht [Hervorhebung von mir]:
On 21 August 2015, armed forces of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland carried out a precision air strike against an ISIL vehicle in which a target known to be actively engaged in planning and directing imminent armed attacks against the United Kingdom was travelling. This air strike was a necessary and proportionate exercise of the individual right of self-defence of the United Kingdom.
As reported in our letter of 25 November 2014, ISIL is engaged in an ongoing armed attack against Iraq, and therefore action against ISIL in Syria is lawful in the collective self-defence of Iraq.
Und einen Tag nach Frankreich, am 9.9.2015 (S/2015/693), zeigte Australien seine Mitwirkung am Syrien-Feldzug an [Hervorhebungen von mir]:
[âŠ]
This threat to Iraq, its territorial integrity and its citizens persists. Attacks by ISIL in Iraq from safe havens in Syria continue.
Article 51 of the Charter of the United Nations recognizes the inherent right of States to act in individual or collective self-defence where an armed attack occurs against a Member of the United Nations. States must be able to act in self-defence when the Government of the State where the threat is located is unwilling or unable to prevent attacks originating from its territory. The Government of Syria has, by its failure to constrain attacks upon Iraqi territory originating from ISIL bases within Syria, demonstrated that it is unwilling or unable to prevent those attacks.
In response to the request for assistance by the Government of Iraq, Australia is therefore undertaking necessary and proportionate military operations against ISIL in Syria in the exercise of the collective self-defence of Iraq.
These operations are not directed against Syria or the Syrian people, nor do they entail support for the Syrian regime. When undertaking such military operations, Australia will abide by its obligations under international law.
Hier wurde unmiĂverstĂ€ndlich das amerikanische RechtsverstĂ€ndnis formuliert, das ein Grundprinzip des Völkerrechts auĂer Kraft setzt:
Die Organisation und ihre Mitglieder handeln im Verfolg der in Artikel 1 dargelegten Ziele nach folgenden GrundsÀtzen:
1. Die Organisation beruht auf dem Grundsatz der souverÀnen Gleichheit aller ihrer Mitglieder.
[âŠ]
- Alle Mitglieder legen ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel so bei, daà der Weltfriede, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefÀhrdet werden.
- Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische UnabhÀngigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.
[âŠ]
7. Aus dieser Charta kann eine Befugnis der Vereinten Nationen zum Eingreifen in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren ZustĂ€ndigkeit eines Staates gehören, oder eine Verpflichtung der Mitglieder, solche Angelegenheiten einer Regelung auf Grund dieser Charta zu unterwerfen, nicht abgeleitet werden; die Anwendung von ZwangsmaĂnahmen nach Kapitel VII wird durch diesen Grundsatz nicht berĂŒhrt.
http://www.unric.org/de/charta
Dem Westen sind diese grundsĂ€tzlichen Verpflichtungen nur dann prĂ€sent, wenn es gilt, RuĂland wegen vermuteter MilitĂ€rhilfe zugunsten ostukrainischer Rebellen mit Sanktionen zu belegen. Die jahrelange UnterstĂŒtzung bewaffneter AufstĂ€ndischer in Syrien durch den Westen und der mit dem Westen verbundenen RegionalmĂ€chte (Saudi-Arabien, einige Golfstaaten und vor allen Dingen die TĂŒrkei) dagegen ist derartig selbstverstĂ€ndlich, daĂ der russischen Luftwaffe mit aller Chuzpe zum Vorwurf gemacht wird, sie bombardiere in Syrien auch âwestern backed rebelsâ, ohne indes zu enthĂŒllen, welche Organisationen der Westen finanziert und wo sie tĂ€tig sind. Man erkennt: das Völkerrecht ist zur knetbaren Masse verkommen.
Gegen diese weite Auslegung des Völkerrechts, die die SouverÀnitÀt Syriens leugnet und die den zwischenstaatlichen Gewaltverzicht sowie das Verbot der gewaltsamen Einmischung in innere Angelegenheiten gemÀà Artikel 2 der UN-Charta verletzt, hat Syrien in einem Schreiben seines UN-Botschafters an den Sicherheitsrat vom 17.9.2015 (S/2015/719) energisch protestiert [Hervorhebungen von mir]:
On instructions from my Government, and with reference to document S/2015/688 of 8 September 2015 and document S/2015/693 of 9 September 2015, I write to inform the Security Council that the United Kingdom, Australia and France are currently taking military measures against the Syrian Arab Republic. To that end, they invoke a distorted reading of the intention of Article 51 of the Charter of the United Nations, one that is blatantly inconsistent with the Charter and the resolutions of the Security Council, particularly resolutions 2170 (2014), 2178 (2014) and 2199 (2015), all of which emphasize that States must respect the unity, sovereignty and territorial integrity of the Syrian Arab Republic.
Article 51 of the Charter provides that nothing in the Charter shall impair or detract from Statesâ inherent right of individual or collective self-defence if an armed force attacks a Member of the United Nations, until the Security Council has taken the measures necessary to maintain international peace and security. France, Britain and Australia claim that they are taking such measures at the request of the Republic of Iraq and in support of the right of Iraq to self-defence. In that connection, the Government of the Syrian Arab Republic wishes to explain the following points:
[âŠ]
- In accordance with its constitutional duties, and on instructions from the Syrian Government, the Syrian Arab Army has, over the last four years, indefatigably fought such armed terrorist groups as Islamic State in Iraq and the Levant (ISIL), the Nusrah Front and other organizations associated with Al-Qaida and supported by Turkey, Jordan, Saudi Arabia, Qatar and certain well-known western States, which arm, shelter and train the terrorist groups. Any actor that genuinely wishes to fight terrorism in Syria must recognize the achievements of the Syrian Arab Army and the Syrian armed forces in combating terrorism, and must coordinate with them.
- The claims, particularly those made in the Australian letter, are belied by the actions taken by the Syrian Arab Army to combat ISIL, the Nusrah Front and other armed terrorist organizations. Such claims are foolish, mendacious and need not be dignified with a response. Indeed, the so-called international coalition led by America has yet to achieve anything tangible in its war on the terrorist organizations. On the contrary, it has allowed the terrorist organization ISIL and its satellites and allies to expand, move and deploy freely, not only in Syria and Iraq but also in Egypt, Libya, Yemen, Tunisia, Kuwait and Saudi Arabia, and even at the heart of certain Western States whose behaviour and political discourse encourage their terrorist actions.
- If any State invokes the excuse of counter-terrorism in order to be present on Syrian territory without the consent of the Syrian Government, whether on the countryâs land or in its airspace or territorial waters, its actions shall be considered a violation of Syrian sovereignty. Combating terrorism on Syrian territory requires close cooperation and coordination with the Syrian Government in accordance with the counter-terrorism resolutions of the Security Council.
[…]
http://www.un.org/ga/search/viewm_doc.asp?symbol=S/2015/719
Dieser Brandbrief wurde kommentarlos abgeheftet. Völkerrecht in der Lesart des Westens markiert das Recht des StĂ€rkeren, und wer wĂ€re stĂ€rker als die USA, die diese unheilvolle Allianz anfĂŒhren? Eine Allianz, die, wie Syrien richtig ausfĂŒhrt, seit September 2014 bis September 2015 keine militĂ€rischen Erfolge gegen den IS herbeigefĂŒhrt hat?
Professor KreĂ hatte am 14.11.2015 in akademischer Verkennung der Wirklichkeit noch gehofft, Frankreich werde sein verstĂ€rktes militĂ€risches Engagement in Syrien nach den TerroranschlĂ€gen vom 13.11.2015 weiter begrĂŒnden:
Aber wenn Frankreich seine MilitĂ€roperationen in Syrien von nun an als Verteidigung des eigenen Staatsgebiets begrĂŒndet, wĂ€re es gut, auch ĂŒber diese BegrĂŒndung ein gröĂtmögliches Einvernehmen unter den MĂ€chten herzustellen. Wichtiger noch: Nach der UN-Charta muss der Sicherheitsrat stets die Möglichkeit bekommen, selbst friedensstiftend einzugreifen. Hierzu muss er vollstĂ€ndig ĂŒber MilitĂ€roperationen von Uno-Mitgliedern und deren BegrĂŒndung informiert sein.
[âŠ]
Da hat er sich getĂ€uscht: Frankreich hat sich nicht explizit zu seinem Selbstverteidigungsrecht gemÀà Artikel 51 geĂ€uĂert; nach dem Schreiben vom 7.9.2015 gab es in dieser Angelegenheit kein weiteres Schreiben an den Sicherheitsrat. Auch fand oder findet im Sicherheitsrat keine Diskussion ĂŒber die gefĂ€hrliche westliche Ausweitung des âSelbstverteidigungsrechtsâ auf das Gebiet von nicht-zustimmenden Drittstaaten statt. Syrien hat mit Schreiben vom 30.11.2015 (S/2015/915) seine vergeblichen Versuche dokumentiert, unter der PrĂ€sidentschaft GroĂbritanniens des UN-Sicherheitsrates im November 2015 auch nur einen GesprĂ€chstermin mit dem Sicherheitsrat zu vereinbaren:
http://search.un.org/results.php?query=%22S/2015/915%22%20&SS=GS&tpl=ods&lang=en
TatsĂ€chlich ist unter Völkerrechtlern fast alles streitig, was TatbestandsmĂ€Ăigkeit und Reichweite des Selbstverteidigungsrechts gemÀà Art. 51 angeht.
Gab es am 13.11.2015 ĂŒberhaupt einen bewaffneten Angriff auf den französischen Staat?
Quelle: https://twitter.com/VPannuti/status/674535222986342400
Reicht es aus, daà französische und belgische Staatsangehörige Kontakte nach Syrien hatten, ohne daà eine Planung und Steuerung ihrer Attentate durch den IS nachgewiesen sind, um den IS verantwortlich zu machen?
Darf die SouverĂ€nitĂ€t eines Staates, der sich zahlreicher islamistischer Terror-Organisationen â deren stĂ€rkste neben dem IS al-Nusra ist, die im April 2015 die Provinz Idlib einnahm und immer noch einen Teil der Stadt Aleppo beherrrscht Ââ erwehren muĂ, verletzt werden, nur weil seine militĂ€rischen KrĂ€fte nicht ausreichen, um den IS zu schwĂ€chen? So jedenfalls war die Situation, bevor RuĂland seit dem 30.9.2015 auf Wunsch der syrischen Regierung den RegierungskrĂ€ften bei ihrem Abwehrkampf LuftunterstĂŒtzung bot und daneben mit seiner Luftwaffe IS-Ziele, Nachschubrouten und IS-Ăl-Transporte in die TĂŒrkei bombardierte. Seitdem hat sich das Blatt entscheidend gewendet.
http://eng.syria.mil.ru/en/index/syria/news/more.htm?id=12070708@cmsArticle
(2.12.2015)
Wie erbittert die syrische Armee noch auf verlorenem Posten gegen den IS kÀmpfte, zeigt dieses Video aus Raqqa:
The Islamic State (Full Length) VICE News
Veröffentlicht am 14.08.2014
The Islamic State, a hardline Sunni jihadist group that formerly had ties to al Qaeda, has conquered large swathes of Iraq and Syria. Previously known as the Islamic State of Iraq and Syria (ISIS), the group has announced its intention to reestablish the caliphate and has declared its leader, the shadowy Abu Bakr al-Baghdadi, as the caliph.
The lightning advances the Islamic State made across Syria and Iraq in June shocked the world. But it’s not just the group’s military victories that have garnered attention â it’s also the pace with which its members have begun to carve out a viable state.
Flush with cash and US weapons seized during its advances in Iraq, the Islamic State’s expansion shows no sign of slowing down. In the first week of August alone, Islamic State fighters have taken over new areas in northern Iraq, encroaching on Kurdish territory and sending Christians and other minorities fleeing as reports of massacres emerged.
VICE News reporter Medyan Dairieh spent three weeks embedded with the Islamic State, gaining unprecedented access to the group in Iraq and Syria as the first and only journalist to document its inner workings.
https://www.youtube.com/watch?v=AUjHb4C7b94
Ich empfehle, das gesamte Video zu betrachten.
Wobei die US-gefĂŒhrte Anti-IS-Allianz nichts tat, um Eroberungen des IS in Syrien zu verhindern. Was doch ihre erklĂ€rte Aufgabe war und ist.
https://www.youtube.com/watch?v=gA6wg8lLJ-A
Das hier ist nur eine der schrecklichen Folgen:
Palmyra’s Temple of Bel destroyed, says UN
-
1 September 2015
A satellite image confirms the main temple in the ancient city of Palmyra in Syria has been destroyed by Islamic State (IS) militants, the UN says.
Syria’s head of antiquities had suggested on Monday that the Temple of Bel was still standing, despite reports of a massive explosion at the weekend.
But Unosat analysts said the main structure had been reduced to rubble, as well as a line of columns beside it.
IS captured the Unesco World Heritage site from government forces in May.
http://www.bbc.com/news/world-middle-east-34111092
Warum hat die US-gefĂŒhrte Allianz der syrischen Armee nicht geholfen, als sie am 19./20.Mai 2015 vom IS in Palmyra ĂŒberrannt wurde?
Die ZEIT formulierte es am 21.5.2915 knapp so â natĂŒrlich nicht ohne einen Seitenhieb auf die âfeigeâ syrische Armee â [Hervorhebungen von mir]:
“Islamischer Staat” : Die neuen Herren von Palmyra
Die einzigartigen Ruinen im syrischen Palmyra sind in der Hand der IS-Dschihadisten. Erschreckend ist, wie einfach ihnen die Eroberung fiel â und was nun folgen könnte.
Von Martin Gehlen
- Mai 2015, 19:46 Uhr
[âŠ]
Nach siebentĂ€gigen schweren Gefechten mit fast 500 Toten lieĂen die Soldaten des Assad-Regimes die umkĂ€mpfte Stadt mit ihren 70.000 Einwohnern binnen weniger Stunden im Stich. Seitdem sind die Dschihadisten des “Islamischen Staates” (IS) die neuen Herren in Palmyra, deren Neustadt Tadmur heiĂt. Noch steht das weltberĂŒhmte Ensemble, doch es scheint nur eine Frage der Zeit, bis es im Namen des Islams genauso dem Erdboden gleichgemacht wird, wie die assyrischen KönigsstĂ€dte Ninive, Hatra und Nimrud nahe der nordirakischen GroĂstadt Mossul.
In Syrien beherrscht der IS nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle fĂŒr Menschenrechte inzwischen die HĂ€lfte des Territoriums, von dem jedoch viele Landstriche nur sehr dĂŒnn besiedelt sind. Alliierte Kampfflugzeuge griffen in die KĂ€mpfe um Palmyra nicht ein, weil das den Assad-Truppen geholfen hĂ€tte.
[âŠ]
http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-05/islamischer-staat-eroberung-palmyra#cid-4794875
Kann man es noch deutlicher begrĂŒnden, wieso âder Kampf gegen den ISâ mit dieser Allianz sinnlos ist?
Der eigentlich unverdÀchtige Joshua Landis formuliert es kurze Zeit spÀter noch drastischer:
Syrien: âEuropa muss sich die HĂ€nde schmutzig machenâ
Russland rĂŒstet das Assad-Regime auf. Wie kann der Westen darauf antworten? Die EU muss in den Konflikt eingreifen, fordert Syrien-Experte Joshua Landis.
Interview: Paul Middelhoff
15. September 2015, 13:44 Uhr Quelle: ZEIT ONLINE
[âŠ]
Das amerikanische MilitĂ€r hat zugelassen, dass Palmyra an den IS fĂ€llt. Erst kĂŒrzlich habe ich von US-Regierungsvertretern gehört, dass sie schlicht nicht genug Drohnen in der Luft gehabt hĂ€tten, um die IS-KĂ€mpfer kommen zu sehen. Dieser ErklĂ€rung habe ich am ersten Tag der Belagerung Palmyras noch geglaubt. Doch hat der IS drei Tage gebraucht, um den Regierungstruppen die Stadt abzunehmen. Die Amerikaner haben sich aus dem Konflikt einfach herausgehalten, weil sie in einem Dilemma stecken: FĂŒr sie ist Assad der Feind, sie können ihn nicht unterstĂŒtzen. Deshalb hat das US-MilitĂ€r die IS-KĂ€mpfer gewĂ€hren lassen, ohne sie zu bombardieren oder ihre Nachschub-Routen anzugreifen.[âŠ]
Die Devise der USA, den IS zu benutzen, wenn es ihnen auf die Destabilisierung von Staaten ankommt, gilt natĂŒrlich auch fĂŒr den Irak. Auch dort gab es seit den LuftschlĂ€gen der Amerikaner nebst ihrer Koalition der angeblich âWilligenâ seit September 2014 Gebietsgewinne durch den IS. Damit war seit dem effektiven Eingreifen RuĂlands in Syrien ab dem 30.9.2015 allerdings SchluĂ. Kerry hat die Entschlossenheit von Lawrow und Putin am 15.12.2015 in Moskau zu spĂŒren bekommen.
http://www.zerohedge.com/sites/default/files/images/user92183/imageroot/2015/12/CaptionKerryContest_0.png
Lawrow: “Wir haben Informationen, dass US-Offiziere regelmĂ€Ăig Luftangriffe auf den IS verhindern”
14.09.2015 âą 14:39 Uhr
[âŠ]
âDie syrische Armee aus dem Kampf gegen den Islamischen Staat auszuschlieĂen, ist absurd [âŠ] Die syrischen StreitkrĂ€fte werden die effektivsten militĂ€rischen Einheiten zu Boden seinâ, sagte Lawrow in einem Interview mit dem russischen Fernsehsender Kanal Eins TV.
âAlle unsere westlichen Partner, ohne Ausnahme, sagen uns, dass sie genau wissen, wovon die Hauptgefahr im Nahen Osten und Nordafrika ausgeht. Und das ist nicht Assads Regime. Es ist der Islamische Staatâ.
Manchmal sollen die USA LuftschlĂ€ge gegen bestĂ€tigte Stellungen des IS nicht autorisieren, berichteten interne Quellen der US-gefĂŒhrten Anti-IS-Koalition gegenĂŒber Moskau. Das werfe Fragen auf, sagte Lawrow:
âEinige unserer Kollegen in der Koalition sagen uns, dass sie Informationen erhalten, wo sich der Islamische Staat genau aufhĂ€lt und auf welchen Positionen, aber der Kommandeur der Koalition [ein US-Offizier] genehmigt keine SchlĂ€ge. Ich könnte vermuten, dass es abgesehen von der behaupteten BekĂ€mpfung des Islamischen Staates auch ein anderes Ziel der Koalition gibt.â
[âŠ]
BestĂ€tigt wird diese Mitteilung durch den Ex-MilitĂ€r Gordon Duff, der einerseits ĂŒber gute Beziehung zu aktiven US-MilitĂ€rs verfĂŒgt, andererseits John McCain und seinen EinfluĂ auf die US-Administration und nicht die US-Regierung fĂŒr dieses Debakel verantwortlich macht:
14.12.2015 Author: Gordon Duff
How John McCain Crippled Obamaâs War on ISIS
[âŠ]
Reports from pilots and sources up and down the Pentagon chain of command tell an interesting story. Considering Americaâs years of experience at âprecision bombingâ and the vast intelligence, surveillance and reconnaissance capabilities of the worldâs largest military, Americaâs utter failure in curtailing ISIS and her dozens of âsister organizationsâ has been inexplicable.
American pilots flying over Iraq and Syria have quietly leaked their story for over a year now but no news agency will carry it. They say they have flown over oil tanker convoys 4 lanes wide at times and been told to stay silent.
They report mysterious aircraft dropping supplies to ISIS and al Nusra, they are silenced on that as well.
The most common report, however, is massive parking lots filled with hundreds, even thousands of Humvees, Abrams tanks, artillery pieces, support vehicles of all kinds, all âhands offâ at the orders of the Pentagon.
In previous bombing campaigns in Iraq and Afghanistan, American pilots and drone operators admittedly suffered âcollateral damageâ at levels from 50% to almost 90% by some estimates. This could be the reason the US has somehow ordered pilots, both âcockpitâ and âdeskbound drone,â to âstand downâ when they find juicy targets of opportunity.
They say it isnât, that many of these targets are totally in the open or âwell worth the risk.â In fact some pilots are totally dispirited from seeing the same âfat targetsâ over and over while they are sent after road checkpoints or abandoned buildings.
[âŠ]
http://journal-neo.org/2015/12/14/how-john-mccain-crippled-obama-s-war-on-isis/
Sich dieser aus politischen GrĂŒnden ineffektiven âAllianzâ anzuschlieĂen, die speziell in Syrien, anders als die russische Luftwaffe, ĂŒber zeitnahe BodenaufklĂ€rung nicht verfĂŒgt und auf eine Kooperation mit den einzig verfĂŒgbaren Bodentruppen der syrischen Armee und ihren VerbĂŒndeten verzichtet, ist aus militĂ€rischer Sicht schlicht kontraproduktiv.
Aber zurĂŒck zur Rechtsauslegung, die sich u.a. darauf beruft, daĂ die syrischen StreitkrĂ€fte nicht in der Lage seien, den IS auf syrischem Staatsgebiet zu bekĂ€mpfen, weshalb auslĂ€ndische Staaten ohne Zustimmung Syriens dort eingreifen dĂŒrften.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages soll es immerhin geschafft haben, die Attentate in Paris als âbewaffneten Angriff auf einen Staatâ gemaĂ Art. 51 der UN-Charta einzuordnen. Vergebliche LiebesmĂŒh, weil nicht einmal Frankreich die AnschlĂ€ge vom 13.11.2015 dazu benutzt hat, um seine seit dem 7.9.2015 angezeigten Angriffe im Rahmen der Koalition zugunsten des Irak auf individuelle Selbstverteidigung umzustellen:
Der Angriff muss zunĂ€chst in Umfang und AusmaĂ mit zwischenstaatlichen MilitĂ€roperationen vergleichbar sein. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags stellt zwar fest, dass die Pariser Attentate nicht die Dimension von “9/11” in New York erreichen, aber als “sorgsam koordinierte Anschlagsserie” in ihrer “Kumulierung die Erheblichkeitsschwelle” ĂŒberschreiten. SchlieĂlich sei es nur ein glĂŒcklicher Zufall gewesen, dass die AttentĂ€ter nicht ins Stade de France gelangten und dort nicht “Tausende von Menschen” töteten.
http://www.welt.de/politik/deutschland/article149514589/Nur-von-Krieg-wollen-sie-nicht-reden.html
Das weiĂ die WELT. Es wĂ€re schön, wenn dieses âwissenschaftliche Gutachtenâ, auf das sich die Regierung offenbar beruft, fĂŒr jedermann verfĂŒgbar wĂ€re.
Denn wirklich unabhĂ€ngige Juristen sehen die Rechtslage weitaus kritischer. Als einer der ersten hatte sich der Strafrechtsprofessor und Rechtsphilosoph Reinhard Merkel von der UniversitĂ€t Hamburg in der FAZ geĂ€uĂert:
Frankreichs Terrorkampf
Wen sollen wir denn da bekriegen?
Die Franzosen mĂŒssen sich gut ĂŒberlegen, ob sie jetzt von einem Krieg gegen den IS sprechen wollen. Sie wĂŒrden damit eine Menschheitsplage nobilitieren â mit unabsehbar grotesken Folgen. Ein Gastbeitrag.
19.11.2015, von Reinhard Merkel
[âŠ]
PrÀventives Notwehrrecht ist gefÀhrlich
Gleichwohl kann es nicht zweifelhaft sein, dass ein attackiertes Land wie Frankreich die Möglichkeit haben muss, nicht nur die einzelnen TĂ€ter, sondern auch die BrutstĂ€tte zu bekĂ€mpfen. Und andere geeignete Mittel als die militĂ€rischen gibt es dafĂŒr nicht. Aber dafĂŒr mag das Völkerrecht eine plausiblere Grundlage bieten als die undeutliche ErklĂ€rung, man befinde sich im Krieg: das Notwehrrecht der Staaten. Artikel 51 der UN-Charta bekrĂ€ftigt deren ânaturgegebenes Rechtâ zur Selbstverteidigung gegen einen âbewaffneten Angriffâ. Einer Autorisierung durch den Weltsicherheitsrat bedarf es dafĂŒr nicht, denn die Notwehr der Staaten ist nichts anderes als die RĂŒckseite ihres Existenzrechts. DafĂŒr ist sie an enge und strikte Voraussetzungen gebunden: Vor allem muss der âAngriffâ, gegen den sie sich wendet, gegenwĂ€rtig sein; eine kĂŒnftig drohende Gefahr reicht dafĂŒr so wenig wie ein vergangenes Verbrechen. Im Ăbrigen bedĂŒrfen weitere Gewaltanwendungen nach der akuten militĂ€rischen Notwehr einer Autorisierung durch den Sicherheitsrat.
Hier, in Artikel 51 der UN-Charta, dĂŒrfte die KriegserklĂ€rung Hollandes ihr rechtliches Fundament reklamieren. Offenbar scheut man sich aber in Paris, das deutlich zu sagen. Denn auch Artikel 51 dĂŒrfte den angekĂŒndigten âjahrelangen Kampfâ gegen den IS schwerlich legitimieren. Und auch in seinem Rahmen ist mit Blick auf terroristische Gewaltakte nahezu alles unklar und völkerrechtlich umstritten. Soll eine Terrororganisation zwar nicht als Staat, wohl aber als Auslöser militĂ€rischer Notrechte eines Staates in Betracht kommen? Seit den AnschlĂ€gen vom 11.September 2001 und dem nachfolgenden Hinweis des Sicherheitsrats auf das Recht der Vereinigten Staaten nach Artikel 51 nehmen dies manche Völkerrechtler an. Deren Mehrheit, vor allem die der Richter am Internationalen Gerichtshof, verlangt dagegen die Zurechenbarkeit des terroristischen Angriffs zu einem Staat. Im Fall der 9/11-Angriffe war das einfach; denn jedenfalls die wohlwollende Duldung des Al-Qaida-Terrors seitens der afghanischen Regierung stand auĂer Zweifel. Aber die Aktionen des IS? Wem auĂer ihm selbst könnte man sie zurechnen?
Auch wenn man sich darĂŒber hinwegsetzt und fĂŒr die Notwehrzwecke des Artikels 51 keine Staatszurechnung mehr verlangt, sind die Schwierigkeiten nicht behoben. Ist der âbewaffnete Angriffâ durch einen Terrorakt nach dessen Ende noch gegenwĂ€rtig? Ist es der drohende nĂ€chste schon? Nur akute oder unmittelbar bevorstehende Attacken genĂŒgen diesem Kriterium. Wohl droht der IS glaubhaft mit weiteren Angriffen. Aber das Recht zur Staatsnotwehr sperrt sich aus guten GrĂŒnden gegen die Verwischung der Grenzen zwischen âAngriffâ und âGefahrâ. Denn es gewĂ€hrt ein Recht zum Krieg auĂerhalb der Kontrolle durch den Sicherheitsrat. Nichts ist gefĂ€hrlicher, missbrauchsanfĂ€lliger als ein prĂ€ventives Notwehrrecht. Nach dem 11.September hat die Bush-Regierung ein solches Recht fĂŒr sich reklamiert. Weder die Völkerrechtler noch der Supreme Court in Washington haben es gebilligt. Seinen Missbrauch im Angriffskrieg gegen den Irak hat das nicht verhindert. Gewiss wiegt der maskierte und halbherzige Rekurs auf die Norm, den die französische Regierung derzeit vorfĂŒhrt, daneben federleicht. Dass er ĂŒberzeugend wĂ€re, kann man trotzdem nicht behaupten.
Es gibt aus der gegenwĂ€rtigen Krise völkerrechtlich wohl nur einen richtigen Weg: die Anrufung des Sicherheitsrats zum Zweck einer Autorisierung der erforderlichen militĂ€rischen Gewalt gegen den IS. FĂŒr eine solche Resolution des Rates gĂ€be es derzeit beste Chancen.
Freilich mĂŒsste man sich dafĂŒr mit Russland auf eine vernĂŒnftige Kooperation einigen. Und das hieĂe auch, die konzessionslose Haltung des Gesicht-Wahrens gegenĂŒber Moskau endlich abzulegen. Aber da diese im Hinblick auf den Syrien-Konflikt ohnehin stets abwegig war, sollte das nicht allzu schwer fallen.
Ich habe Reinhard Merkel deshalb so ausfĂŒhrlich zitiert, weil alle anderen zuvor zitierten Jusristen ihm, wenn auch weniger ethisch-philosophisch unterlegt, folgen. Reinhard Merkel ist ĂŒbrigens ebenfalls davon ausgegangen, daĂ Frankreich sich auf ein individuelles Selbstverteidigungsrecht berufen wĂŒrde. Das hat Hollande wohlweislich unterlassen.
https://twitter.com/ozcanilze/status/683928955901087744
Erstaunlicherweise hat just ein Redakteur der in Kriegsfragen regierungsaffinen WELT den Finger auf die Wunde gelegt:
01.12.15
Nur von Krieg wollen sie nicht reden
Um deutsche Soldaten nach Syrien schicken zu können, hat die Bundesregierung ihre Auslegung des Völkerrechts geÀndert. So stillschweigend, dass es offenbar nicht jeder Minister mitbekommen hat.
Von Thorsten Jungholt Politikredakteur
[âŠ]
Dann muss ein Terroranschlag einem anderen Staat zurechenbar sein. Das ist in Syrien nicht der Fall. Anders als die Taliban, die in Afghanistan 2001 das Terrornetzwerk al-Qaida unterstĂŒtzten, wird der IS in Syrien vom Assad-Regime bekĂ€mpft. Allerdings gibt es einen â in der Völkerrechtslehre Ă€uĂerst umstrittenen â Ansatz, der es fĂŒr ausreichend hĂ€lt, wenn Terroristen in einem Land eine Operationsbasis haben, die Staatsmacht â also Assad â aber nicht willens oder in der Lage ist, sie wirksam zu bekĂ€mpfen. Diese Rechtsmeinung wird von den USA vertreten, von GroĂbritannien, Frankreich â und nun offenbar auch von Deutschland.
Das ist insofern bemerkenswert, weil die Regierung bislang der restriktivsten aller Rechtsmeinungen folgte, dass nĂ€mlich ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates zu militĂ€rischen Interventionen gar nichts gehe. Bereits mit dem Einsatz zur Ausbildung und AusrĂŒstung der kurdischen Peschmerga im Nordirak wich man davon ab â dort allerdings mit dem zusĂ€tzlichen Argument einer Hilfsbitte der irakischen Regierung.
Am Ende werden wohl wieder die Richter entscheiden
Eine solche Bitte gibt es in Syrien nicht. Bis zum jĂŒngsten Besuch der Kanzlerin bei PrĂ€sident Hollande hatte Angela Merkel eine Beteiligung der Bundeswehr am syrischen Abenteuer folglich ausgeschlossen. Man setzte auf den in Wien begonnenen diplomatischen Prozess und hoffte, dass an dessen Ende ein UN-Mandat stehen wĂŒrde. Auf dieser Grundlage erst sei man bereit, hieĂ es, ĂŒber eine Bundeswehrmission nachzudenken.
Festzustellen ist mithin: Deutschland hat seine bisherige völkerrechtliche Praxis offensichtlich ĂŒber Bord geworfen, und zwar ohne groĂe öffentliche Debatte oder ErklĂ€rungen, sondern stillschweigend im Rahmen von juristischen Argumentationen in Mandatstexten.
Der Sinneswandel vollzog sich offenbar so heimlich, dass er selbst der Vize-Regierungssprecherin und der Verteidigungsministerin entgangen ist. Denn wer Terroristen völkerrechtlich wie angreifende Staaten behandelt, der kann glaubwĂŒrdig kaum das Wort vom “Krieg gegen den Terror” zurĂŒckweisen.
Offen freilich ist, ob all das mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Ist ein derart weit ausgelegtes Selbstverteidigungsrecht noch unter den Begriff der “Verteidigung” des Artikels 87a zu fassen? Ist die von Frankreich in Europa geschmiedete Allianz noch ein BĂŒndnis kollektiver Sicherheit nach Artikel 24?
[âŠ]
http://www.welt.de/politik/deutschland/article149514589/Nur-von-Krieg-wollen-sie-nicht-reden.html
Thorsten Jungholt hat recht. NatĂŒrlich verbiegt Deutschland urplötzlich nicht nur das Völkerrecht, sondern es kann sich natĂŒrlich auch nicht auf das Grundgesetz berufen. Ein Verteidigungsfall gemÀà Artikel 87 a GG liegt fĂŒr Deutschland gewiĂ nicht vor. Aber ganz sicherlich auch kein Fall des Artikel 24 GG. Man muĂ sich diese Vorschrift ja nur einmal durchlesen:
Artikel 24
(1) Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen ĂŒbertragen.
[âŠ]
(2) Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei in die BeschrĂ€nkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeifĂŒhren und sichern.
[âŠ]
Es ist mir nur schwer begreiflich, wie der Jurist Norman Paech, der sich ĂŒberhaupt als einziger diesem GG-Artikel widmete, derartig lebensfern subsumieren konnte [Hervorhebung von mir]:
10.
Die Bundesregierung sieht die Entsendung ihrer bewaffneten StreitkrĂ€fte verfassungsrechtlich »im Rahmen und nach den Regeln eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit nach Artikel 24, Absatz 2 des Grundgesetzes«. Selbst wenn man die Auffassung akzeptiert, dass nicht nur die UNO und die NATO, sondern auch die EU ein »System gegenseitiger kollektiver Sicherheit« ist, so kann sie sich jedoch nicht auf kollektive Selbstverteidigung berufen. Der Rahmen â die EU â mag stimmen, die Regeln â die kollektive Selbstverteidigung gemÀà Artikel 51 der UN-Charta â aber nicht. Auch eine Berufung auf Artikel 87 a, Absatz 2 des Grundgesetzes fĂŒr die Entsendung der StreitkrĂ€fte scheitert, da es sich völkerrechtlich und damit auch verfassungsrechtlich nicht um Verteidigung handelt.
https://www.jungewelt.de/2015/12-10/071.php
Die US-Koalition der Willigen bei den Bombardements in Syrien (âInherent Resolveâ) ist weder eine NATO- noch eine EU-Unternehmung, auch wenn sich ihr einzelne NATO- und EU-Mitglieder angeschlossen haben. Und schon gar kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit. Zwar hat die Bundesregierung in ihrem Antrag an das Parlament ausschlieĂlich âvertrauenswĂŒrdigeâ Teilnehmer benannt:
mehrere mit Deutschland verbĂŒndete oder partnerschaftlich verbundene Staaten (USA, Australien, Vereinigtes Königreich, Frankreich)
aber bereits Australien trifft keine âgegenseitigeâ Beistandspflicht, sollte Deutschland angegriffen werden. Das gilt genauso fĂŒr viele weitere der ungenannten unter den angeblich sechzig Staaten, die sich freiwillig der losen militĂ€rischen Truppe unter FĂŒhrung der USA angeschlossen haben. Kanada ist nach der Wahl von Justin Trudeau zum MinisterprĂ€sident aus der Koalition ausgetreten, und wieviele Staaten tatsĂ€chlich jeweils aktiv mitwirken, ergibt sich aus den dĂŒrren Protokollen des amerikanischen Central Command ĂŒber die EinsĂ€tze nicht; hier ein Beispiel:
http://www.centcom.mil/en/news/articles/jan.-4-military-airstrikes-continue-against-isil-terrorists-in-syria-and-ir
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundlagen-Urteil vom 12.7.1994 (2 BvE 3/92, 5/93, 7/93, 8/93) ĂŒber den Wortlaut von Artikel 24 GG hinaus allerdings entschieden:
5.a) Ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 GG ist dadurch gekennzeichnet, daĂ es durch ein friedensicherndes Regelwerk und den Aufbau einer eigenen Organisation fĂŒr jedes Mitglied einen Status völkerrechtlicher Gebundenheit begrĂŒndet, der wechselseitig zur Wahrung des Friedens verpflichtet und Sicherheit gewĂ€hrt. Ob das System dabei ausschlieĂlich oder vornehmlich unter den Mitgliedstaaten Frieden garantieren oder bei Angriffen von auĂen zum kollektiven Beistand verpflichten soll, ist unerheblich.
b) Auch BĂŒndnisse kollektiver Selbstverteidigung können Systeme gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne von Art. 24 Abs. 2 GG sein, wenn und soweit sie strikt auf die Friedenswahrung verpflichtet sind.
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090286.html
Ob aggressive Teilnehmer-Staaten wie Saudi-Arabien oder die TĂŒrkei, die unter dem Deckmantel einer Anti-Terror-Aktion gegen den IS ihr eigenes geopolitisches SĂŒppchen kochen, dem friedenswahrenden Geist des Grundgesetzes verpflichtet sind, scheint mir eine rein rhetorische Frage zu sein.
Jost MĂŒller-Neuhof hat die Probleme dargelegt, die einer Klage gegen den BundestagsbeschluĂ vom 4.12.2015 zum Bundesverfassungsgericht entgegenstehen:
Aber die sollten sich lösen lassen. Denn angesichts der Kanzlerin-unkritischen 60%-Regierungsmehrheit im Parlament muĂ es Möglichkeiten geben, das Bundesverfassungsgericht ĂŒber rechtlich falsche Bundestagsentscheidungen urteilen zu lassen.
Dem nachfolgend zitierten Kommentar von Stephan Paetow stimme ich zu. Es wundert mich auch nicht, daà in den Leitmedien, die unterschiedslos entweder pÀdagogisch oder skandalisierend, und nur allzu selten rational aufklÀrerisch-kritisch unterwegs sind, derartige Töne nicht zu vernehmen sind:
Mitmachen um des Mitmachens willen
Krieg: Sagen Sie spÀter nicht, Sie hÀtten von nichts gewusst!Von Stephan Paetow
Fr, 4. Dezember 2015
[âŠ]
Nun werden Sie sich fragen, warum jegliche juristische Argumentation pro et contra bellum hier fehlt. Es wĂ€re sinnlos, denn natĂŒrlich werden ein paar Winkeladvokaten den ganzen Quatsch fĂŒr unsere Regierung legitimieren, auch wenn er gegen jedes geltende Recht verstöĂt.
[âŠ]
Von Gerhard Schröder werden zwei Entscheidungen in den GeschichtsbĂŒchern ĂŒberleben. Seine Wirtschaftsreformen und sein âNeinâ zum Irakkrieg. Von Merkel wissen wir, sie wĂ€re damals schon gerne mitmarschiert. Nun, endlich, wird sie auch Kriegskanzlerin. Von einem Parlament unterstĂŒtzt, das den Spruch auf dem ReichstagsgebĂ€ude âDem deutschen Volkeâ lĂ€ngst ad acta gelegt hat.Was bleibt? Schmidt ist tot, Kohl schweigt, Genscher auch. Die Hoffnung auf Putins Schachspieler-FĂ€higkeiten vielleicht. Dass er sich um keinen Preis in einen Weltkrieg locken lassen wird.
Sagen Sie spÀter nicht, Sie hÀtten das alles nicht gewusst! Auch wenn der Bundestag ratzfatz zustimmt.
DemnÀchst mehr zum Thema, warum diese militÀrische Allianz mit ihrer konzeptionslosen Strategie ihr Ziel nicht erreichen wird; hier nur soviel: der Verteidigungsministerin von der Leyen persönlich ist der Vorwurf zu machen, daà sie zumindest die Tornado-Piloten sinnloserweise in Lebensgefahr bringt.
https://www.youtube.com/watch?v=VbvErN8pdpE
Die Bundesregierung bringt deutsche Tornado-Flieger sinnlos in Gefahr
In der Pressemitteilung der Bundesregierung zum Syrien-Einsatz heiĂt es zu den Tornado-AufklĂ€rern /RECCE Tornados):
Diese Flugzeuge bewegen sich bei den EinsĂ€tzen in mittleren und niedrigen Höhen, so dass sich nie ganz ausschlieĂen lĂ€sst, dass sie beschossen werden. Die Tornados sind aber mit Sicherungssystemen ausgestattet, um das Risiko möglichst gering zu halten. AuĂerdem können die Piloten innerhalb von Sekunden die Höhe und Geschwindigkeit des Jets anpassen, um Gefahren auszuweichen.
Ursula von der Leyen hatte am 27.11.2015 zusÀtzlich versichert:
Bundeswehr bereitet sich auf Syrien-Einsatz vor
Deutsche Tornados im Kampf gegen IS
27.11.2015 22:11 Uhr Von Ulrike Scheffer
Die Bundeswehr soll sich am Kampf gegen den IS beteiligen. Die Planungen laufen auf Hochtouren – militĂ€risch und politisch. Die Opposition zweifelt an der völkerrechtlichen Legitimation.
[âŠ]
Erreichbar wĂ€re ein Tornado fĂŒr Flugabwehrraketen durchaus. Die Tornados verfĂŒgen aber auch ĂŒber Selbstschutzsysteme. Sie können beispielsweise sogenannte TĂ€uschkörper abwerfen, die Flugabwehrraketen ablenken sollen.
[âŠ]
Auch die Frage, wer im Falle eines Abschusses oder Absturzes eines deutschen Tornados den Besatzungen Hilfe leisten könnte, muss geklĂ€rt werden. GrundsĂ€tzlich könnten dafĂŒr französische oder auch US-amerikanische SpezialkrĂ€fte eingesetzt werden. Ohne eine funktionierende Rettungskette wĂŒrden die deutschen Maschinen nicht starten, versprach Leyen.
Von diesem haltlosen Versprechen war in dem Antrag der Regierung an den Bundestag keine Rede mehr.
Wie denn auch?
Französische BodenspezialkrĂ€fte in Syrien gibt es, jedenfalls offiziell, nicht, und die bis maximal 50 Personen umfassenden amerikanischen SpezialkrĂ€fte halten sich ausschlieĂlich in den kurdischen Gebieten im Norden von Syrien auf. Dort bemĂŒhen sie sich seit Dezember 2015, aus den kurdischen YPG-KĂ€mpfern und sunnitischen Stammeskriegern eine sogenannte Syrische Demokratische Front unter Einbeziehung christlicher Milizen zusammenzuschmieden, die eventuell bereit sein könnte, gegen den IS in Raqqa vorzugehen.
Bislang hat es die fragile Kooperation nur zu sĂŒdlichen und westlichen Gebietsgewinnen zugunsten des kurdischen Territoriums âRojavaâ gebracht. Das sich auch ohne US-Hilfe (sieht man von LuftschlĂ€gen zur Befreiung von Kobane ab) bereits zwischen Dezember 2014 und Juni 2015 extrem erweitert hat. Und gegen die noch vom IS-beherrschte Grenze zur TĂŒrkei unternehmen die USA nur wenig â anders als die russische Luftwaffe.
https://www.kobane-brigade.org/veraenderung-der-frontlinie-in-rojava/
Von der Leyen liefert mit ihrer Weigerung, mit RuĂland und der syrischen Armee zusammenzuarbeiten, die Tornado-Piloten einem grausamen Tod aus, falls ihre Maschinen abgeschossen werden oder abstĂŒrzen.
Wie der IS mit gefangengenommenen Piloten abgestĂŒrzter oder abgeschossener Maschinen umgeht, wissen wir seit dem furchtbaren Feuertod des Ende 2014 abgestĂŒrzten jordanischen Piloten Moaz al-Kasabeh. Er wurde in einen EisenkĂ€fig gesperrt und bei lebendigem Leib verbrannt.
http://leaksource.info/2015/02/04/jordanian-pilot-kaseasbeh-burned-alive-by-islamic-state-jordan-executes-is-requested-prisoner-rishawi-in-response/
Nun gibt es im Internet zwar auch Versuche, dieses IS-Video, aus dem die Bilder stammen, als Fake zu dekonstruieren â aber darauf wĂŒrde ich es nicht ankommen lassen, wĂ€re ich Verteidigungsministerin und trĂŒge Verantwortung fĂŒr meine Untergebenen.
Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=lj_La29JLyA
Wie es Piloten ergeht, deren Flugzeug ĂŒber Syrien abgeschossen wird, wurde durch den AbschuĂ der russischen SU-24 durch die TĂŒrkei am 24.11.2015 belegt.
Entgegen der westlichen Fama, in Syrien sei die âbewaffnete Oppositionâ aktiv oder jedenfalls âgemĂ€Ăigte Rebellenâ, hat sich jegliche militĂ€rische Planung realistischerweise darauf einzustellen, daĂ dort ĂŒberwiegend Extremisten tĂ€tig sind, die von der Genfer Konvention nie etwas gehört haben:
Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 ĂŒber den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte
(Protokoll I)
Angenommen in Genf am 8. Juni 1977
Von der Bundesversammlung genehmigt am 9. Oktober 19812
Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 17. Februar 1982
In Kraft getreten fĂŒr die Schweiz am 17. August 1982(Stand am 18. Juli 2014)
[âŠ]
Art. 42 Insassen von Luftfahrzeugen
- Wer mit dem Fallschirm aus einem Luftfahrzeug abspringt, das sich in Not befindet, darf wÀhrend des Absprungs nicht angegriffen werden.
- Wer mit dem Fallschirm aus einem Luftfahrzeug abgesprungen ist, das sich in Not befand, erhĂ€lt, sobald er den Boden eines von einer gegnerischen Partei kontrollierten Gebiets berĂŒhrt, Gelegenheit, sich zu ergeben, bevor er angegriffen wird, es sei denn, er begeht offensichtlich eine feindselige Handlung.
- Luftlandetruppen werden durch diesen Artikel nicht geschĂŒtzt.
https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19770112/index.html
NatĂŒrlich wird in Syrien auf hilflos an ihren Fallschirmen hĂ€ngende Piloten einer abgeschossenen Maschine geballert. Und selbst in der menschenleeren Gegend, in der die russischen Piloten zu landen versuchten, drĂ€ngelten sich die Extremisten vor den Kameras.
Hier die Geolocation der Absturzgegend durch den niederlĂ€ndischen West-Propaganda-Zulieferer ukraine@war, der sich jetzt putin@war nennt. Seine SchluĂfolgerungen sind jeweils absurd, aber seine Lokalisierungen in der Regel zuverlĂ€ssig:
http://ukraineatwar.blogspot.nl/2015/11/determining-crash-site-of-russian-su-24.html
Und hier das Video derjenigen, die den Tod des abgeschossenen russischen Piloten Oleg Peschkow feierten â natĂŒrlich unter den ĂŒblichen Allahu akbar-Rufen und mit gerecktem Zeigefinger, der direkt auf Allah verweist â typisches Kennzeichen von Islamisten:
Screenshot aus: https://www.youtube.com/watch?v=Q7HIcli9yUU
Das Video ist ĂŒbrigens eine FĂ€lschung insoweit, als zu Beginn Aufnahmen gezeigt werden, in denen Milizen auf an roten Fallschirmen herabschwebende Menschen schieĂen. Diese Aufnahmen stammen von April 2015 und zeigen IS-Milizen, wie sie auf Fallschirmspringer der syrischen Armee schieĂen, deren Flugzeug nach Versorgung der vom IS seit zwei Jahren umzingelten Luftbasis in Kuwaires offenbar verunglĂŒckt oder abgeschossen worden war:
https://twitter.com/HalaJaber/status/590291388622856194
Diese Basis konnte dank russischer LuftunterstĂŒtzung von der syrischen Armee und ihren VerbĂŒndeten mittlerweile zurĂŒckerobert werden â ein strategisch bedeutsamer Erfolg:
Offenbar handelt es sich bei der jubelnden Truppe beim Leichnam des russischen Piloten um eine Gruppe turkmenischer Islamisten, die von der TĂŒrkei unterstĂŒtzt wurde, wie PANORAMA am 17.12.2015 anmerkte:
Allerdings wussten die turkmenischen Rebellen sehr genau, bei wem sie sich bedanken mussten. So prĂ€sentieren sie einen der beiden russischen Piloten, der mit dem Fallschirm abgesprungen war und dann von ihnen erschossen wurde. “Wir stehen durch das Gebet des tĂŒrkischen Volkes und mit der Hilfe des tĂŒrkischen Staates gerade auf den FĂŒĂen. Wir werden uns nicht beugen”, schreit ein RebellenfĂŒhrer jubelnd in die Kamera.
Der Nato-Staat TĂŒrkei hat den Turkmenen diesen Sieg geschenkt. Ein kurzer Triumph ĂŒber Russland, doch zu welchem Preis?
Ăber die Obduktionsberichte von Oleg Peschkow, dem getöteten Piloten, ist Folgendes bekannt geworden:
Russian news outlet Izvestia reported: ‘Forensic experts have proved that Oleg Peshkov died from eight bullet wounds which hit his inner organs.
‘The bullets wounded his lungs and stomach organs. There are also numerous injuries and haematomas.’
It is unclear if the 45-year-old airman was struck as he parachuted to the ground or after he landed.
[âŠ]
The cause of death by gunshot wounds – also reported today by pro-Kremlin LifeNews – appears to confirm earlier accounts that the pilot was killed [by] rebel fighters in Syria.
Bruising and other injuries may indicate he was also beaten after he landed.
Selbst der ZEIT-Transatlantik-Hardliner Jochen Bittner schien angesichts dieses Videos kurzfristig nachdenklich zu werden:
Was wollt ihr hier?
Der Kampf der internationalen Allianz gegen den IS könnte böse enden.
Von Jochen Bittner und Gero von Randow
14. Dezember 2015, 14:01 Uhr DIE ZEIT Nr. 48/2015, 26. November 2015
[…]
Das erste Opfer der neuen Antiterrorkoalition hatte am Dienstagabend noch keinen Namen. Es ist einer der beiden Piloten der abgeschossenen Su-24. Auf Videos, das Rebellen in Nordwest-Syrien aufgenommen haben, ist das blutige, leblose Gesicht eines jungen Mannes zu sehen. In russischer Fliegermontur liegt er auf steinigem, sonnengewĂ€rmtem Boden. Um ihn herum hĂŒpfend MĂ€nner, die freudig “Allah ist groĂ!” rufen. So also sehen Gegner aus, die gegen dieselben Feinde kĂ€mpfen.
http://www.zeit.de/2015/48/is-terrormiliz-internationale-allianz-russland-tuerkei/komplettansicht
Immerhin, eine Sekunde des Innehaltens bei immer noch falscher Sichtweise der Dinge. Islamisten kÀmpfen gegen den IS nur dann, wenn der IS die eigenen lukrativen Eroberungen bedroht. Die Kollegen von der FAZ lösten das peinliche Problem schlichter:
Dass russische Soldaten, die in die HĂ€nde turkmenischer FreischĂ€rler fallen, womöglich nicht nach allen Finessen von Haager Landkriegsordnung und Genfer Konvention behandelt werden wĂŒrden, damit war nach den Bombardements der vergangenen Tage wohl zu rechnen.
Ohne Zynismus lĂ€Ăt sich die verfestigte Ideologie â der âSchlĂ€chterâ Assad einerseits, die âgemĂ€Ăigte bewaffnete Oppositionâ anderseits – wohl nicht aufrechterhalten.
Vor einer Westkamera tummelte sich eine weitere âRebellentruppeâ, die sich berĂŒhmte, gar beide Piloten abgeschossen zu haben (was gelogen war). Reuters zeichnete diese Propaganda ungerĂŒhrt auf:
Vorgestellt wurde dieser Herr als turkmenischer Kommandeur:
Als Beweis seiner TÀterschaft prÀsentierte er einen Gegenstand, der als Bestandteil eines russischen Fallschirms ausgegegeben wurde.
Und natĂŒrlich bestĂ€tigte er, daĂ auch seine Truppe auf die russischen Piloten geschossen habe; und daĂ man ihre Leichen schnell herschaffen könne.
 Vermutlich ist das alles nur Propaganda. Interessant ist jedoch, daĂ es sich bei dem Akteur tatsĂ€chlich um einen Mann namens Alpaslan Celik handelt, der keineswegs syrischer Turkmene, sondern ein tĂŒrkischer StaatsbĂŒrger und Mitglied der nationalistischen tĂŒrkischen Terrorgruppe der âGrauen Wölfeâ ist, die ebenfalls in Syrien ihr Unwesen treibt.
http://ntv.livejournal.com/426110.html
Eine Hubschrauberaktion zur Rettung des ĂŒberlebenden zweiten Piloten miĂlang. Ein angeschossener Hubschrauber entkam, ein zweiter muĂte notlanden und wurde zerstört. Ein russisches Mitglied der RettungskrĂ€fte wurde getötet.
Hier der Bericht der embedded Anna News-Reporter ĂŒber den miĂglĂŒckten Hubschraubereinsatz. Auch in diesem Video wurde das alte Material von April 2015 verwendet, das den IS bei Angriffen auf syrische Piloten zeigt:
(Englische Untertitel sind zuschaltbar)
Weil nun wirklich jede Gruppierung von dem tĂŒrkischen AbschuĂ der russischen Maschine imagemĂ€Ăig profitieren wollte, gibt es auch noch ein Video, in dem sich die gar nicht mehr existierende FSA der Zerstörung des beschĂ€digten notgelandeten russischen Hubschraubers berĂŒhmte â wobei es die USA eventuell ein wenig beschĂ€mt haben dĂŒrfte, daĂ bei dieser weiteren begeisterten âAllahu akbarâ-Aktion ein US-TOW-Missile benutzt wurde:
Syria â FSA 1st Coastal Division BGM 71 TOW strike
Letztlich konnte Konstantin Murakhtin, der Navigator der russischen SU-24, nur durch eine nÀchtliche Evakuierungsaktion syrischer und russischer Spezial-BodenkrÀfte gerettet werden.
https://www.rt.com/news/323527-details-su24-pilot-rescue/
Ursula von der Leyen hat ihren Piloten nichts dergleichen an âRettungskettenâ zu bieten. Schon deshalb, weil sie sich aus politischen GrĂŒnden weigert, mit RuĂland und Syrien militĂ€risch zu kooperieren. Frankreich dagegen â ich frage mich, ob sich die stolze Atommacht Frankreich ĂŒberhaupt dem amerikanischen Central Command unterstellt? â pflegt intensive militĂ€rische Kontakte mit der russischen Seite:
http://eng.mil.ru/en/news_page/country/more.htm?id=12072209@egNews
http://eng.mil.ru/en/news_page/country/more.htm?id=12072341@egNews
Am Boden agieren leider nicht die vom Westen gern beschworenen âmoderaten Rebellenâ, die Assad programmgemÀà stĂŒrzen sollen, sondern weit ĂŒberwiegend islamistische Milizen, die, wenn sie nicht direkt von den Golfstaaten, Saudi-Arabien, der TĂŒrkei und vom Westen unterstĂŒtzt werden, so doch vom Westen ausgebildete KĂ€mpfer nebst deren AusrĂŒstung gern ĂŒbernommen haben. Gefangene machen die nicht. Der nachfolgende BBC-Bericht dĂŒrfte schlichte GemĂŒter schockieren:
20./21.12.2015
Al Qaeda in Syria
Peter Oborne investigates claims that Britain and the West embarked on an unspoken alliance of convenience with militant jihadi groups in an attempt to bring down the Assad regime.
He hears how equipment supplied by the West to so called Syrian moderates has ended up in the hands of jihadis, and that Western sponsored rebels have fought alongside Al Qaeda. But what does this really tell us about the conflict in Syria?
This edition of The Report also examines the astonishing attempt to re brand Al Nusra, Al Qaeda’s Syrian affiliate, as an organisation with which we can do business.
Producer: Joe Kent.
http://www.bbc.co.uk/programmes/b06s0qy9
Wie es den bei Raqqa isoliert kĂ€mpfenden syrischen Soldaten im Vice News Video erging, nachdem der IS deren MilitĂ€rbasis erobert hatte, darĂŒber mag man sich hier, soweit man es ertrĂ€gt, informieren:
http://www.ryot.org/isis-released-video-mass-execution-200-syrian-soldiers/797049
http://www.liveleak.com/view?i=3b8_1409356868
Ursula von der Leyens Verantwortung wiegt schwer. Ich bin nicht sicher, ob sie sich dessen bewuĂt ist. Ich neige dazu, ihr die Kompetenz fĂŒr das Amt abzusprechen.
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Boeing_E-3_Sentry_LX-N_90454-3.JPG
Awacs-Einsatz der NATO ĂŒber der TĂŒrkei ohne Bundestagsmandat
Es stimmt geradezu miĂtrauisch, daĂ die Bundesregierung angesichts ihrer bequemen parlamentarischen Mehrheit ausgerechnet einen kurz vor dem 18.12.2015 vom NATO-Rat beschlossenen Awacs-Einsatz ĂŒber der TĂŒrkei nicht vom Bundestag genehmigen lassen will.
SchlieĂlich kann sie sich auf die Fraktionsdisziplin der SPD verlassen, die inhaltsunabhĂ€ngig verlĂ€Ălich die Kanzlerinnen-Mehrheit sichert. Und sich erstaunlicherweise gleichzeitig darĂŒber wundert, daĂ man sie als SPD nicht mehr wahrnimmt.
Am 18.12.2015, dem letzten Tag vor der parlamentarischen Weihnachtspause, lieĂen die StaatssekretĂ€re des AuswĂ€rtigen Amtes (SPD) und des Verteidigungsministeriums (CDU) die entsprechenden FachausschĂŒsse des Parlaments wissen, daĂ eine Befassung des Parlaments wegen der von der NATO beschlossenen AWACS-EinsĂ€tze nicht erforderlich sei.
Aus den Schreiben wurde in der Regierungspressekonferenz vom 28.12.2015 wie folgt zitiert:
âDer militĂ€rische Auftrag des AWACS-Einsatzes besteht ausschlieĂlich darin, zur Erstellung eines Luftlagebildes beizutragen. Die bisherigen Einsatzregeln fĂŒr den Routinebetrieb der AWACS-Flugzeuge gelten fort. Es wurden keine erweiterten Einsatzregeln fĂŒr den AWACS-Einsatz in der TĂŒrkei beschlossen, die ĂŒber die integrierte Luftverteidigung hinausgehen.â
SCHĂFER: Die geltende Rechtslage ergibt sich aus dem Parlamentsbeteiligungsgesetz. Das Parlamentsbeteiligungsgesetz sieht in den §§ 1 und 2 die Voraussetzungen vor, nach denen ein Auslandseinsatz der Bundeswehr vom Bundestag mandatiert werden muss. Die Bundesregierung ist, wie ich es eben schon zu erlĂ€utern versucht habe, der Auffassung, dass die Voraussetzungen dieses Parlamentsbeteiligungsgesetzes nach §§ 1 und 2 nicht erfĂŒllt sind.
Ich erlaube mir vielleicht einfach einmal, die entscheidenden SĂ€tze aus dem Schreiben der beiden StaatssekretĂ€re Steinlein und GrĂŒbel aus dem AuswĂ€rtigen Amt und dem Bundesministerium der Verteidigung vorzulesen. Darin heiĂt es: Nach EinschĂ€tzung der Bundesregierung ist im vorliegenden Fall eine Mandatierung der EinsĂ€tze durch den Deutschen Bundestag wegen folgender UmstĂ€nde nicht erforderlich. Dann werden insgesamt vier Anstriche aufgefĂŒhrt. Ich lese Ihnen den entscheidenden, nĂ€mlich den zweiten, vor: Der Einsatz von Waffengewalt ist im Kontext der integrierten Luftverteidigung der TĂŒrkei derzeit nicht zu erwarten. Weder verfĂŒgt die Terrormiliz IS ĂŒber eigene LuftstreitkrĂ€fte, noch ist ein politischer Wille des Assad-Regimes absehbar, die eigene Luftwaffe gegen die TĂŒrkei einzusetzen. Auch gibt es keine konkreten Hinweise, dass Russland seine LuftstreitkrĂ€fte gegen die TĂŒrkei einzusetzen beabsichtigt.
Im Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18.3.2005 heiĂt es:
§ 1 Grundsatz
(1) Dieses Gesetz regelt Form und AusmaĂ der Beteiligung des Bundestages beim Einsatz bewaffneter deutscher StreitkrĂ€fte im Ausland. Artikel 115a des Grundgesetzes bleibt davon unberĂŒhrt.
(2) Der Einsatz bewaffneter deutscher StreitkrĂ€fte auĂerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes bedarf der Zustimmung des Bundestages.
§ 2 Begriffsbestimmung
(1) Ein Einsatz bewaffneter StreitkrÀfte liegt vor, wenn Soldatinnen oder Soldaten der Bundeswehr in bewaffnete Unternehmungen einbezogen sind oder eine Einbeziehung in eine bewaffnete Unternehmung zu erwarten ist.
(2) Vorbereitende MaĂnahmen und Planungen sind kein Einsatz im Sinne dieses Gesetzes. Sie bedĂŒrfen keiner Zustimmung des Bundestages. Gleiches gilt fĂŒr humanitĂ€re Hilfsdienste und Hilfsleistungen der StreitkrĂ€fte, bei denen Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung mitgefĂŒhrt werden, wenn nicht zu erwarten ist, dass die Soldatinnen oder Soldaten in bewaffnete Unternehmungen einbezogen werden.
http://www.gesetze-im-internet.de/parlbg/BJNR077500005.html
Es erhoben sich Stimmen, die eine Befassung des Bundestags forderten â sie wurden vom SPIEGEL sogleich des âNölensâ bezichtigt.
https://twitter.com/DerSPIEGEL/status/681492443108225024
Derselbe feixende SPIEGEL hatte zehn Tage vorher ĂŒber die Einbettung der AWACS-LuftaufklĂ€rung in einen umfassenderen bewaffneten Einsatz der NATO hingewiesen, und zugleich, wenn auch unzulĂ€nglich, die Krisensituation angedeutet, die ein neuerlicher rechtswidriger AbschuĂ eines russischen Kampfflugzeugs ĂŒber Syrien durch die TĂŒrkei heraufbeschwören wĂŒrde [Hervorhebung von mir]:
Konflikt mit Russland: Nato stĂ€rkt tĂŒrkische Luftabwehr
Die Nato rĂŒstet ihren Mitgliedstaat TĂŒrkei auf. Mit Flugzeugen und Schiffen will das VerteidigungsbĂŒndnis die Abwehr des Landes stĂ€rken und die Grenze zu Syrien besser schĂŒtzen.
Freitag, 18.12.2015 â 19:46 Uhr
Die Nato-BĂŒndnispartner haben entschieden, die TĂŒrkei mit Flugzeugen und Schiffen militĂ€risch zu unterstĂŒtzen. Unter anderem sollten den TĂŒrken Awacs-AufklĂ€rungsflugzeuge, AbfangjĂ€ger und SeefernaufklĂ€rer zur VerfĂŒgung gestellt werden, sagte der GeneralsekretĂ€r des VerteidigungsbĂŒndnisses, Jens Stoltenberg, in BrĂŒssel.
[âŠ]
Die Entscheidung fĂ€llt in die Zeit groĂer politischer Spannungen zwischen der TĂŒrkei und Russland. Im November hatte die tĂŒrkische Luftwaffe im tĂŒrkisch-syrischen Grenzgebiet ein russisches Kampfflugzeug abgeschossen. Dies hat die Beziehungen zwischen Russland und der TĂŒrkei stark belastet. Unter anderem kappte Russland zahlreiche GeschĂ€ftsbeziehungen zu dem Land.
Dennoch betont Nato-GeneralsekretĂ€r Stoltenberg den defensiven Charakter der militĂ€rischen UnterstĂŒtzung, die er bereits vor gut zwei Wochen angekĂŒndigt hatte. “Wir haben angesichts der volatilen Lage in der Region ein BĂŒndel an SicherheitsmaĂnahmen beschlossen”, sagte er ohne Russlands militĂ€risches Engagement in der Region und den Abschuss des Flugzeugs direkt zu nennen.
Als Hintergrund gilt das militĂ€rische Eingreifen Russlands in den Syrienkonflikt. Dieses wird von der Regierung in Ankara sehr kritisch gesehen, da Moskau im Gegensatz zu der US-gefĂŒhrten Koalition gegen die Terrormiliz IS gleichzeitig auch den syrischen Machthaber Baschar al-Assad unterstĂŒtzt. Laut Nato rĂŒstete Russland in den vergangenen Wochen seine MilitĂ€rprĂ€senz in dem Land unter anderem mit S-400-Luftabwehrraketen auf.
âLaut NATOâ: daĂ ich nicht lache â RuĂland verbreitet so etwas per expliziter Pressekonferenz seines Verteidigungsministeriums; was Transparenz angeht, kann der Westen vom Osten noch etwas lernen; und dank Internet kann man auch die journalistischen “Gatekeeper” des Westens umgehen, falls die hierĂŒber nicht berichten:
https://twitter.com/RT_com/status/669985022078767106?ref_src=twsrc^tfw
In dem promoteten Artikel wird ausgefĂŒhrt [Hervorhebung von mir]:
âIn accordance with the decision of the Supreme Commander of the Russian Armed Forces, today (on Monday) an S-400 air defense missile system has been promptly delivered, deployed and already began combat duty to provide cover for the area around the Russian Khmeimim air base in Syria,â General-Major Igor Konashenkov, Russiaâs Ministry of Defense spokesman, said.
Commenting on the decision, Russia’s President Vladimir Putin said there was previously no need for such measures, because “no-one imagined the Russian aircraft could be in danger. Russia would’ve brought S-400s to Syria a long time ago to protect its warplanes, if it entertained the possibility of a traitorous backstab.”
Putin reiterated, however, that the S-400 systems are not targeting Russia’s partners, “with whom we fight terrorists in Syria together.”
But the downing of the Russian Su-24 bomber by Turkey prompted Russia to âensure the safety of our aircraft during their operations against IS [and] against terrorists LIH and other terrorist groups via more reliable means,â Defense Ministry spokesman Konahsenkov said in a media briefing.
[âŠ]
Shortly after the incident, the MoD announced three steps which were to be taken following the attack on the Russian Su-24 bomber, including the provision of aerial cover by fighter jets for every airstrike, the boosting of air defense by deploying guided missile cruisers off the Latakia coast, and suspending all military-to-military contacts with Turkey.
https://www.rt.com/news/323596-s400-russia-syria-airbase-turkey/
Der FOCUS lieĂ es nicht nehmen, dieser Nachricht bereits am 26.11.2015 den entsprechenden russophoben Spin zu geben:
26.11.2015, 15:28 | 01:42 Min. | FOCUS Online
[Video]
“Enorme Bedrohung”
Codename S-400: Putin errichtet Flugabwehrsystem an Grenze zu Syrien
Wladimir Putin reagiert, wie man es von ihm erwartet: Russlands PrĂ€sident verlegt eines der gefĂŒrchteten S400-Bataillone an die Grenze zu Syrien. Die Raketen sind laut Experten eine enorme Bedrohung fĂŒr Flugzeuge, die im dortigen Luftraum fliegen – Muskelspiel oder echte Gefahr?
[âŠ]
Das S-400 gilt als eines der effizientesten Flugabwehrsysteme der Welt â bereits seit 30 Jahren entwickelt Russland die Raketenabwehr kontinuierlich weiter. Das System kann drei Arten von Abfangraketen abfeuern, mit unterschiedlicher Reichweite. Die Langstreckenraketen können Objekte in bis zu 400 Kilometer Entfernung und in 27 Kilometern Höhe treffen. Potentielle Ziele sind demnach Flugzeuge, Drohnen, aber auch ballistische Raketen, Marschflugkörper  und sogar Tarnkappenbomber.
In der ohnehin schon angespannten Situation im Nahen Osten, bringt diese Verlegung weiteren ZĂŒndstoff. Bereits jetzt bombardieren die USA, Russland und die TĂŒrkei weitgehend unabhĂ€ngig voneinander Ziele in Syrien und im Grenzgebiet zur TĂŒrkei â die Lage ist unĂŒbersichtlich und die Kommunikation zwischen den MilitĂ€rs extrem komplex. VorfĂ€lle wie der Abschuss des russischen Jagdbombers â könnten sich hĂ€ufen und zu einer weiteren Eskalation beitragen â so die BefĂŒrchtung von westlichen Beobachtern.
[âŠ]
Zu dem Zusammenhang zwischen dem AbschuĂ der russischen SU-24 durch die TĂŒrkei und der Installierung von Luftabwehrraketen wie auch der Aufstockung von Kampfjets, die die russischen Bomber seitdem zum Schutz begleiten, hat sich PrĂ€sident Putin auch spĂ€ter klar und deutlich geĂ€uĂert, wie er das immer tut:
Vladimir Putinâs annual news conference
The Presidentâs news conference was broadcast live by Rossiya-1, Rossiya-24 and Channel One, as well as Mayak, Vesti FM and Radio Rossii radio stations
December 17, 2015
15:15 Moscow
[âŠ]
As I said, we were willing to cooperate with Turkey on very sensitive issues. So why did they do it? Tell me, why? What have they accomplished? Did they think we would just pack up and go? They could not have thought that of course, Russia is not that kind of country. We have increased our presence and increased the number of warplanes [in Syria]. We did not have air defence systems there, but after that we dispatched S-400 systems to the area. We are also adjusting the Syrian air defence system and have serviced the highly effective Buk systems that we had sent them before. Turkish planes used to fly there all the time, violating Syrian air space. Let them try it now. Why did they do it?
http://en.kremlin.ru/events/president/news/50971
Kann die NATO garantieren, einen weiteren Alleingang der in einen BĂŒrgerkrieg taumelnden TĂŒrkei zu verhindern, wie etwa neben dem SU-24-AbschuĂ die vom Irak nicht genehmigte eigenmĂ€chtige Aufstockung ihrer Ausbildungskontingente durch 150 Soldaten und 25 Panzer im Nordirak?
Bislang ist es der NATO gelungen, die TĂŒrkei seit dem AbschuĂ der SU-24 am 24.11.2015 vom Einsatz ihrer Kampfjets ĂŒber Syrien abzuhalten. Bislang hatte die TĂŒrkei die syrischen Kurden durch ArtilleriebeschuĂ vom tĂŒrkischen Boden aus daran gehindert, am Grenzort Jarabulus den Euphrat nach Westen zu ĂŒberschreiten, um den IS von der offenen tĂŒrkisch-syrischen Grenze zu vertreiben.
Nun sind die Kurden, verbĂŒndet mit sunnitischen StĂ€mmen und einigen christlichen KĂ€mpfern unter dem Namen SDF, Syrian Democratic Forces, weiter sĂŒdlich, am Tischrin-Damm, in diesen IS-Bereich vorgedrungen, unterstĂŒtzt durch amerikanische und russische LuftschlĂ€ge. Dort, wo sie von der tĂŒrkischen Artillerie nicht erreicht werden können. Was ist, wenn sie jetzt, was zu erwarten ist, nach Norden vorstoĂen? Und kurdische VerbĂ€nde aus der westlichen kurdischen Enklave Efrit, unterstĂŒtzt durch syrische Bodentruppen und russische LuftschlĂ€ge, von Westen dieses IS dominierte Grenzgebiet angreifen?
http://southfront.org/international-military-review-syria-iraq-battlespace-jan-13-2016/
Eine Vereinigung der in dieser Karte gelb eingezeichneten kurdischen Kantone an der tĂŒrkischen Grenze ist fĂŒr die TĂŒrkei die ârote Linieâ. Aber darauf wird und muĂ es es hinauslaufen, will man den IS und al-Nusra sowie ihre Nachschublinien via TĂŒrkei ausschalten.
Nein, die Awacs-FlĂŒge ĂŒber der TĂŒrkei sind keine Routine-EinsĂ€tze. Dank eines erratisch handelnden Erdogan gleicht die Lage vielmehr einem PulverfaĂ. Und im Gegensatz zu den USA wird in der TĂŒrkei der regime change in Syrien als Teil des Traums von einem groĂosmanischen Reich weiterhin verfolgt:
16.01.2016
TĂŒrkei: Deutsche mĂŒssen Einsatz in Syrien verstĂ€rken
Ankara will Assad auf keinen Fall im Amt lassen
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Wie Deutschland ist die TĂŒrkei Teil der Anti-IS-Koalition und nimmt an den Friedensverhandlungen zur Beendigung des syrischen BĂŒrgerkriegs teil. Der Vizepremier machte die Haltung der TĂŒrkei deutlich, den syrischen Diktator Baschar al-Assad nicht im Amt zu belassen. “Er und seine Familie reprĂ€sentieren höchstens 20 Prozent der Bevölkerung”, sagte Simsek. “Acht Millionen BĂŒrger sind vor seiner Armee geflohen, die HĂ€lfte davon ins Ausland. 300.000 Menschen haben ihr Leben verloren, mindestens eine Million dĂŒrfte verletzt worden sein”, sagte Simsek. “Wie kann irgendjemand glauben, dass es Frieden geben kann, wenn dieser Typ im Amt bleibt?”
John Kerry hat nach seinem Besuch in Moskau am 15.12.2015 offiziell die Abkehr von dieser seit langem verfolgten und gescheiterten US-Politik verkĂŒndet:
https://twitter.com/APDiploWriter/status/676861882062385152
Hier ein ausfĂŒhrlicher Bericht ĂŒber den Sinneswandel der US-Regierung:
Die TĂŒrkei hat den SchuĂ offenbar nicht gehört.
Eine Einbeziehung deutscher Soldaten âin bewaffnete Unternehmungenâ dĂŒrfte zusĂ€tzlich schon deshalb vorliegen, weil die gewonnenen AWACS-Daten an NATO-Mitglieder weitergegegeben werden, die sie zugleich, soweit sie auch der US-gefĂŒhrten Koalition des âInherent Resolveâ angehören, faktisch militĂ€risch nutzen können. Ăber diese Frage kam es wĂ€hrend der Pressekonferenz vom 28.12.2015 zu kabarettreifen Einlagen der völlig ĂŒberforderten Ministeriumssprecher:
Die zweite Frage zu den rein defensiven MaĂnahmen: Können deutsche Kampfjets, die im Rahmen des mandatierten Auftrags ĂŒber Syrien eingesetzt werden, auf UnterstĂŒtzung durch AWACS hoffen, oder ist das völlig ausgeschlossen?
NANNT: Zum Bereich der UnterstĂŒtzung der deutschen Piloten, um das vielleicht einmal deutlich zu machen: Die NATO spielt ja jetzt als Institution keine Rolle im Bereich der militĂ€rischen BekĂ€mpfung der Terrormiliz IS. Das heiĂt also, das ist hier eine andere Geschichte, ein anderer Auftrag. Es gibt zum einen die Koalition, zum anderen den NATO-Auftrag. Insofern sind das zwei verschiedene Bereiche, die dort laufen.
ZUSATZFRAGE: HeiĂt das, deutsche Piloten können nicht damit rechnen, dass AWACS sie vor eventuellen Bedrohungen warnt?
NANNT: Nein, es geht erst einmal um den Bereich, fĂŒr den sie eingesetzt werden. NatĂŒrlich sind die Daten, die fĂŒr uns gewonnen werden, fĂŒr den Deutschen national; die nutzen wir national.
ZUSATZ: Das habe ich jetzt nicht verstanden; andere, glaube ich, auch nicht. Frau Wirtz schaut auch fragend.
WIRTZ (Bundesregierung): Nein.
ZUSATZFRAGE: Sie haben es verstanden?
WIRTZ: Ich habe völlig verstanden, was der Kollege gesagt hat.
ZUSATZFRAGE: ErklÀren Sie es mir noch einmal, Frau Wirtz?
WIRTZ: Ich glaube, das macht Herr Nannt. Sie wollen es doch aus erster Quelle hören. Deshalb wird Herr Nannt erklÀren, was er meinte.
ZUSATZ: Entschuldigung, Herr Nannt, ich habe es nicht verstanden.
NANNT: Die Ergebnisse, die wir jetzt im Bereich der AWACS-AufklĂ€rung erzielen, werden natĂŒrlich den Alliierten im Rahmen der AufklĂ€rung zur VerfĂŒgung gestellt.
ZUSATZFRAGE: Obwohl das ein NATO-Einsatz ist, der mit der Koalition nichts zu tun hat?
NANNT: Genau. Das muss man aber eben trotzdem trennen, das ist fĂŒr mich das Wichtig[ste]. Einmal ist es der NATO-Einsatz, den wir jetzt im Bereich der integrierten Luftraumverteidigung haben, und einmal haben wir jetzt ein Mandat fĂŒr den Einsatz zum Beispiel der Tornados im Rahmen des Kampfes gegen den âIslamischen Staatâ.
ZUSATZFRAGE: Entschuldigung, aber ich möchte einfach eine KlĂ€rung: Stehen die Daten, die AWACS generiert, auch der Anti-ISIS-Koalition zur VerfĂŒgung oder nicht? Ich habe Sie jetzt so verstanden, dass sie es tun.
NANNT: Die Daten werden im Rahmen der integrierten Luftraumverteidigung zur VerfĂŒgung gestellt.
ZUSATZFRAGE: Wem â der Anti-ISIS-Koalition?
NANNT: Der NATO, den Alliierten der NATO.
ZUSATZ: Ah, der NATO!
SCHĂFER: Ja, aber das ist doch der Sinn der ganzen Veranstaltung!
ZUSATZ: Ja, das verstehe ich schon.
SCHĂFER: Ich meine, wenn AWACS in einem integrierten NATO-Verband AufklĂ€rung betreibt, dann sind das AufklĂ€rungsergebnisse fĂŒr die NATO-Mitgliedstaaten im Rahmen der BĂŒndnisverteidigung mit dem defensiven Mandat.
ZUSATZFRAGE: Mit dem Spin-off des Kollateralnutzens, dass sie von der Anti-ISIS-Koalition eingesetzt werden können, oder nicht?
SCHĂFER: Der NATO-Rat hat, als er ĂŒber diese MaĂnahme entschieden hat, das genau so festgestellt, wie ich es gesagt habe: Diese AufklĂ€rungsergebnisse werden den NATO-Mitgliedstaaten im Rahmen der BĂŒndnisverteidigung zur VerfĂŒgung gestellt.
ZUSATZFRAGE: Also nicht ĂŒber Syrien?
SCHĂFER: So ist es.
FRAGE: Wenn wir bei dieser Frage bleiben wollen, kann der Kollege gerne auch noch weiter fragen. Ich wollte jetzt eigentlich eher zu einer politischen Folge der Daten kommen: Was genau passiert jetzt mit den Daten, ĂŒber die wir sprechen? Wir haben jetzt also verstanden, an wen die Daten gehen und wer sie nutzen kann. Die politischen Bedenken, die vonseiten der Opposition dahinterstehen, wie ich es verstehe, sind ja: Kann die TĂŒrkei diese Daten zum Beispiel fĂŒr einen Kampf nutzen, den sie nun auch schon seit LĂ€ngerem fĂŒhrt, nĂ€mlich im Konflikt mit den Kurden? Ist es denkbar, dass die Daten, die dort erhoben werden und natĂŒrlich auch dem NATO-Partner TĂŒrkei zur VerfĂŒgung stehen, in irgendeiner Form fĂŒr Zwecke benutzt werden können, die die NATO oder jedenfalls das Mitgliedsland Deutschland nicht haben?
[âŠ]
FRAGE: Gibt es Garantien, dass die Daten nur im Rahmen der BĂŒndnisverteidigung genutzt werden? Können Sie das tatsĂ€chlich sicherstellen?
SCHĂFER: Es gilt das Wort jedes Mitgliedstaates. In einer Allianz von 28 Staaten, die ĂŒber 60 Jahre lang existiert, ist es doch selbstverstĂ€ndlich, dass man sich auf das Wort der BĂŒndnispartner verlĂ€sst und sich an das hĂ€lt, was im NATO-Rat gemeinsam einstimmig explizit beschlossen worden ist.
Wenn die Angelegenheit nicht so ernst wĂ€re, wĂŒrde man vor Lachen am Boden liegen und diese AuffĂŒhrung fĂŒr einen Bestandteil der ZDF-“Tagesshow” halten.
Kurz und gut: es gibt keine Garantie, daĂ die Daten nicht auch im Rahmen der bewaffneten US-âInherent Resolveâ-Aktion benutzt werden, soweit NATO-Mitglieder dort teilnehmen.
Die Arroganz, mit der Dr. Martin SchÀfer, seit Januar 2014 Sprecher des AuswÀrtigen Amtes, der sich den Ruf der mÀnnlichen Jen Psaki Deutschlands redlich erworben hat, in diese Pressekonferenz einstieg, war mithin basislos. Aber ist Arroganz das nicht immer und sogar begriffsnotwendig?
FRAGE: An das AuswĂ€rtige Amt bzw. das Verteidigungsministerium: Wie genau unterscheidet sich die Ausweitung des AWACS-Einsatzes ĂŒber der TĂŒrkei von den ĂŒblichen AWACS-EinsĂ€tzen, die ohnehin stĂ€ndig ĂŒber NATO-Gebiet stattfinden und auch den Flugplatz Konya in der TĂŒrkei als regulĂ€ren AWACS-Flugplatz mit einbeziehen?
SCHĂFER (AuswĂ€rtiges Amt): Danke fĂŒr die Frage. Es gibt keinen groĂen Unterschied – auĂer den, dass dieser Einsatz der AWACS-Flugzeuge und damit auch die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten daran vom NATO-Rat aus konkretem Anlass beschlossen worden ist, nĂ€mlich als ein Teil derjenigen MaĂnahmen, die vom BĂŒndnis, von der NATO, fĂŒr das NATO-Mitgliedsland und den BĂŒndnispartner TĂŒrkei als RĂŒckversicherung vereinbart und beschlossen worden sind, und zwar angesichts des Umstandes, dass die sĂŒdöstliche Flanke der NATO an den sĂŒdlichen und östlichen Grenzen der TĂŒrkei in einem Krisengebiet liegt. Es gibt darĂŒber hinaus eigentlich gar nichts zu sagen. Deshalb kann ich auch die Aufregung, die hier und da in den letzten Tagen aufgekommen ist, gar nicht recht verstehen.
Das BVerfG agiert weniger nonchalant:
zum Urteil des Zweiten Senats vom 7. Mai 2008
–Â 2 BvE 1/03Â –
Der wehrverfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt greift ein, wenn nach dem jeweiligen Einsatzzusammenhang und den einzelnen rechtlichen und tatsĂ€chlichen UmstĂ€nden die Einbeziehung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen konkret zu erwarten ist. Diese Voraussetzung ist gerichtlich voll ĂŒberprĂŒfbar.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
2 BvE 1/03
[âŠ]
VerkĂŒndet
am 7. Mai 2008Im Namen des Volkes
In dem Organstreitverfahren
ĂŒber
den Antragfestzustellen, dass die Bundesregierung Rechte des Bundestags dadurch verletzt hat, dass sie es unterlassen hat, fĂŒr den Einsatz deutscher Soldaten bei MaĂnahmen der LuftĂŒberwachung zum Schutz der TĂŒrkei nach MaĂgabe des NATO-Beschlusses vom 19. Februar 2003 die Zustimmung des Bundestags einzuholen,
[âŠ]
aufgrund der mĂŒndlichen Verhandlung vom 12. Februar 2008 durch Urteil fĂŒr Recht erkannt:
Die Antragsgegnerin hat den Deutschen Bundestag in seinem wehrverfassungsrechtlichen Beteiligungsrecht in Form des konstitutiven Parlamentsvorbehalts fĂŒr den Einsatz bewaffneter StreitkrĂ€fte verletzt, indem sie es unterlassen hat, seine Zustimmung zur Beteiligung deutscher Soldaten an MaĂnahmen der NATO zur LuftĂŒberwachung der TĂŒrkei vom 26. Februar bis zum 17. April 2003 einzuholen.
[âŠ]
Die Bundesregierung lehnte es ab, die Zustimmung des Deutschen Bundestags einzuholen. In seiner Rede vor dem Bundestag am 19. MĂ€rz 2003 fĂŒhrte Bundeskanzler Schröder aus (Deutscher Bundestag, Plenprot. 15/34, Stenografischer Bericht, S. 2727):
12
Die NATO-AWACS-Flugzeuge fĂŒhren ĂŒber dem Territorium der TĂŒrkei RoutineflĂŒge durch. Dies geschieht auf der Basis der Entscheidung des Verteidigungsplanungsausschusses der NATO vom 19. Februar 2003. Ihre ausschlieĂliche Aufgabe ist die strikt defensive LuftraumĂŒberwachung ĂŒber der TĂŒrkei. Sie leisten â das geht aus den Rules of Engagement hervor â keinerlei UnterstĂŒtzung fĂŒr EinsĂ€tze im oder gegen den Irak. Durch die Zuordnung der AWACS-Flugzeuge zum Befehlsbereich des NATO-Oberbefehlshabers Europa, also des SACEUR, ist eine strikte Trennlinie zu den Aufgaben des Kommandeurs des US Central Commands, des amerikanischen Generals Franks, gezogen. Ăbrigens verfĂŒgt Herr Franks â so ist mir von unseren Fachleuten mitgeteilt worden â fĂŒr MilitĂ€roperationen gegen den Irak ĂŒber fast 100 eigene US-AWACS-Flugzeuge.
[âŠ]
Mit einer derlei kĂŒmmerlichen BegrĂŒndung â sie gleicht der aktuellen aufs Haar â gibt sich das Bundesverfassungsgericht natĂŒrlich nicht zufrieden. Wer sich die komplette UrteilslektĂŒre ersparen will, lese in der verkĂŒrzenden Pressemitteilung zum Urteil nach:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2008/bvg08-052.html
Womit ĂŒbrigens bewiesen wĂ€re, daĂ die Arroganz der Macht keine Merkel-SpezialitĂ€t oder Kennzeichen einer ermatteten GroĂen Koalition ist, die nur noch durch Koalitionsdisziplin zusammengehalten wird. Die rot-grĂŒne Schröder-Regierung brachte das ebenfalls fertig: Macht und Recht stehen grundsĂ€tzlich in einem antagonistischen VerhĂ€ltnis zueinander, und Demokratie & Parlament werden von ReprĂ€sentanten der Macht immer als störend empfunden â nun offenbar sogar das aktuelle dysfunktionale Schrumpf-Parlament mit einer marginalisierten Opposition. Hat man Angst, daĂ nicht einmal die SPD mehr zustimmen wĂŒrde, wenn wirklich alle NATO-Karten auf den Tisch gelegt werden?
Jost MĂŒller-Neuhof liegt jedenfalls richtig:
Awacs-AufklĂ€rungsflĂŒge ĂŒber der TĂŒrkei
Die Regierung kennt keine Zweifel – sie sollte aber
30.12.2015 10:43 Uhr Von Jost MĂŒller-Neuhof
AufklĂ€rungsflĂŒge der Bundeswehr ĂŒber der TĂŒrkei sind ungefĂ€hrlich, heiĂt es. Deshalb bleibt das Parlament auĂen vor. Das Verfassungsgericht könnte anders entscheiden.
[âŠ]
Auch Norbert Lammert hat sich miĂvergĂŒgt eingeschaltet. Aber wenn das âKritikâ des BundestagsprĂ€sidenten an der Regierung sein soll, dann bin ich wohl schon RebellinâŠđ
3.1.2016
Berlin direkt
Lammert kritisiert Umgang mit AWACS-Einsatz in der TĂŒrkei
[Video]
von Stefanie Reulmann
Ăber die Verlegung von AWACS-Flugzeugen in die TĂŒrkei hĂ€tte der Bundestag reden sollen, sagt BundestagsprĂ€sident Norbert Lammert im ZDF. Die Unterrichtung der Ausschussmitglieder am letzten Sitzungstag habe ihm “ĂŒberhaupt nicht gefallen”, so der CDU-Politiker.
Erst Anfang Dezember hatte der Bundestag in einer Hau-Ruck-Aktion den Bundeswehr-Einsatz in Syrien beschlossen. Deutschland wird kĂŒnftig die internationale Koalition im Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) mit mehr Soldaten und FluggerĂ€ten unterstĂŒtzen. Die Eile, mit der die Regierung vorging, hielt BundestagsprĂ€sident Norbert Lammert damals fĂŒr “vertretbar, aber nicht optimal”.
Parlament hÀtte sich mit AWACS-Einsatz befassen sollen
Keine drei Wochen spĂ€ter stand ein erneuter Einsatz an. Diesmal sollten AWACS-Flugzeuge vom deutschen StĂŒtzpunkt Geilenkirchen in die TĂŒrkei verlegt werden. Ein Vorgehen, das die NATO beschlossen hat, weshalb ein Bundestagsmandat aus rechtlicher Sicht nicht notwendig ist, sagt die Bundesregierung. Doch die Opposition sieht das anders.
DarĂŒber lieĂe sich durchaus “juristisch streiten”, rĂ€umt auch Norbert Lammert im Interview mit der ZDF-Sendung “Berlin direkt” ein. “Was mir daran ĂŒberhaupt nicht gefallen und auch nicht eingeleuchtet hat, ist der Umstand, dass die schriftliche Unterrichtung der Mitglieder des Verteidigungsausschusses und des AuswĂ€rtigen Ausschusses am letzten Sitzungstag vor der Weihnachtspause stattgefunden hat.” Nach Ansicht Lammerts hĂ€tte man sich “einen Gefallen getan”, wenn sich wenigstens die zustĂ€ndigen AusschĂŒsse in der letzten Sitzungswoche mit dem Thema befasst hĂ€tten.
[âŠ]
http://www.heute.de/bundestagspraesident-norbert-lammert-kritisiert-regierung-wegen-umgang-mit-awacs-einsatz-41662586.html
Man muĂ um unseren demokratischen Rechtsstaat ernsthaft bangen.
https://www.youtube.com/watch?v=nlkbk0vybp4