der mann, die frau.



und. willst du hören, das sei nun ganz himmlisch gewesen. es hat mir gut getan, ja, ich hab mal wieder was gebraucht, aber bitte frag nicht. und ist gar nichts, und ist eine illusion. verzeihen sie tausendmal, daß ich mich nach dem geschlechtsakt zu solcherlei obszönen und intimen fragen hinreißen ließ. hör auf. ach, leck mich doch. zuerst geil wie eine läufige hündin und dann noch empfindlich.

er war mit einem mal aufgestanden, in die hose, hemd zugeknöpft, in die schuhe, die finger durch das haar, tür zu, weg war er. sie glaubte zu träumen. vieles an seltsamen bettgeschichten war ihr zwar schon passiert, allerlei merkwürdige gestalten hatte sie zu sich gelassen, aber dieser da. sie riß hinter ihm noch die tür auf, schrie ihm ein halblautes arschloch nach. liegengelassen wie ein stück dreck, wie benutztes klopapier, einfach so, ohne die geringste achtung, ohne form, ohne geduld. der tag war viel zu schön, die sonne strahlte auf ihre nackte haut, leuchtete in alle winkel, es war kein versteck mehr zu finden. sie war benutzt worden, sie hatte sich mit lust verbrauchen lassen, sie war verbraucht. das schwein hatte sie geschlachtet, die wunden bluteten, und sie mußte den lieben gott fragen, warum gerade sie, und warum auf diese weise. es war nur der alte, staubige liebe gott aus ihrer kindheit in der nähe. sie war allein wie schon lange, lange nicht mehr, sie wünschte sich großvaters schoß zurück, diesen schoß ohne männlichkeit, den schoß der geborgenheit.

schlampe, schlampe, alles die gleichen schlampen. nur nichts zulassen, nur nichts hergeben, nur kein gefühl nach dem gefühl. sie waren alle gleich geworden, die schlampen. und sie waren in ihrer scheiße sogar noch stolz auf sich. selbstbehauptung, sich nicht erniedrigen lassen, keinem mann auch nur irgendetwas zugestehen. die kurze hilflosigkeit und abhängigkeit während der bumserei wird dann tausendmal zurückgenommen, der kältemantel übergezogen. hab ich gut gedient. hab ichs so recht gemacht. ich bin schon wieder weg, es war mir eine große ehre. nein, so kann dieses spiel nicht gehen, diese neuen spielregeln sind um keinen deut besser als die vorigen, es hat sich nichts geändert, ein abgeschlaffter schwanz ist keine eroberung.

ein kalter herbstwind blies ihm ins gesicht, nach einer solchen nacht war arbeit die einzige möglichkeit, sich wieder verlieren zu können. nur keine realität nicht, nur nicht denken müssen, sonst bleibt keine wahl mehr, sonst hätte er zuschlagen müssen. es gibt grenzen der erträglichkeit, hinter denen nur mehr tiefe schluchten sind. er ließ sich von den menschen durch die stadt schieben, er sah nichts, er spürte den kalten wind nicht, weil sein hirn ein stück eis geworden war und das herz eine mondlandschaft. hinein in die u-bahnen, hinein in die aufzüge, hinein in die büros. der aufzug war eine erlösung, er war und war schon wieder nicht, seine gesicht lief zur arbeit, sein leerer kopf dachte nach über die nächsten schritte. die sekretärin stand zur verfügung wie immer, zu allem bereit, wofür sie bezahlt wurde, sie war eine sicherheit. so gleichgültüg sie ihm auch war, er war froh, sie jetzt in seiner nähe zu wissen, jetzt, da ihm seine frau mit einem mal all das zurückgegeben hatte, was er ihr in jahrelanger kleinarbeit an einsamkeit angeboten hatte.

der mann braucht eine sekretärin, da die frauen sich nicht mehr gebrauchen lassen fürs kochen und saubermachen. die sekretärinnen sind der moderne ersatz dafür, sie sind zu gebrauchen, sie lassen sich zahlen und bei bedarf auswechseln.

er ließ sie ins zimmer kommen und diktierte: sehr geehrte, lassen sie platz für den namen, ich schreib das selbst dazu, die geschäftswelt hat sich in den letzten zwanzig jahren doch stark verändert komma und es scheint mir komma daß ihre methoden etwas altmodisch geworden sind punkt mag sein komma daß ich selbst auch nicht mehr auf dem neuesten stand bin komma aber unsere letzte zusammenkunft schien mir nicht gerade erfolgversprechend punkt haben sie das, erfolgversprechend punkt ich schlage vor komma uns so bald wie möglich zwecks neuer konditionen zu treffen punkt näheres telefonisch punkt und das übliche.

die sekretärin war wieder in voller ausrüstung, schwarzbestrumpft, rotbekittelt, so wie er es am liebsten hatte, der lippenstift um einen unscheinbaren hauch zu grell, die stöckel um millimeter zu hoch. sie konnte er seine letzte nacht büßen lassen, er hatte lust, jemanden zu erniedrigen, brauchte das gefühl, gebraucht zu werden, nicht allein sein zu müssen, sich fleisch nach laune und lust einfach zu bestellen, ohne widerstand, ohne rücksichten. er befahl ihr einfach, im zimmer zu bleiben, sagte sonst nichts, und sie hatte verstanden, daß das tier gereizt war, daß gefahr in der luft lag. sie blieb also sitzen, versuchte gelassen zu sein, gab sich mühe, sie hatte keine lust, wegen einer laune ihren job zu verlieren. und bisher war von ihr wenig verlangt worden, die grenzen waren klar, und es wurde ihr immerhin angeboten, in dem unklaren spiel der verschwommenen lust einen teil der spielregeln selbst mitzubestimmen. aber sie fühlte sich diesesmal unwohl, er wirkte irgendwie gefährlich, unberechenbar, wie eine schlange saß er dort, ruhig, gespannt. sie setzte sich etwas tiefer in den bürosessel, öffnete die beine leicht und zündete sich eine zigarette an. und sie merkte, daß seine augen ganz direkt und völlig schamlos sich in ihren schoß bohrten, sie konnte diese kaltheißen blicke spüren, dachte an ihr monatsgehalt und ließ ihn alles machen. und er machte und arbeitete in und an ihr, bis sie ihren ganzen monatslohn erfüllt hatte.

was sich wohl männer denken mögen, die von einer frau in die nächste springen, ungehalten wie die tauben, ohne schranken, ohne hoffnung, ohne alles, nur rein ins nächste fleisch, und dann so schnell wie möglich auf und davon. was war das für ein mann, den sie da in jener unwirtlichen spelunke viel zu spät kennengelernt hatte, betäubt von zigaretten, billigem alkohol und seiner geschichte. sie hatte sich fallen lassen, ein stück traum, ein stück jugend auch, das plötzlich wieder irgend etwas anderes erleuchtete, irgend einen finsteren winkel in ihr, an den sie sich nur noch vage erinnern konnte, indianerspiele mit marterpfählen. sie war für augenblicke verliebt gewesen, nicht in ihn, aber verliebt, richtig verliebt, wie in den alten heften, sie hatte durch ihn hindurch gesehen und war kopflos in den fluten der leidenschaft gelandet. er, der mann, war eben grad zur stelle. und er reagierte auffällig. weder sofort mit lippen und schwanz fletschend wie die meisten anderen, noch schüchtern sich versteckend, aus angst vor der täglichen femme fatale. nein, er war einfach da, ließ sie sich in ihn verlieben, hatte geduld und war in keinem augenblick zu nahe oder zu fern. selbst im bett noch war er. er war ein arsch, das war er. einer, der anders sein wollte, und dadurch nur noch viel gleicher als alle gleichen geworden war. wie kann so einer einfach, hosen raus und weg, ohne sich umzudrehen, kein held, kein feigling, einfach nichts, nur gleichgültigkeit, nur fadesse, nur öde und leere hinter sich lassend. und dann noch einen solch saublöden brief. wenn er wenigstens diesen brief nicht geschrieben hätte, wenn er wenigstens konsequent geblieben wäre, verschwunden im nichts, irgendwo, nach kurzer zeit abschiebbar in eine gehirnspalte für immer und ewig. aber er mußte schreiben. er war ein sadist, ein schwein. sie ging in ihre wohnung, sie ließ sich fallen und tragen, aber es gelang nun gar nichts mehr, die mauern blieben verschlossen, ihre nackte haut überzog sich mit kälte, sie fror.

so blieb sie ein ganzes leben lang. die bilder veränderten sich nicht mehr. sie fühlte die kälte und merkte, daß es sich auch sterben ließe im notfall. es wurde alles in ihr zu stahl, keine bewegung jetzt, es würde eine katastrophe geben, ihr stahlgerüst zusammenbrechen. kalt, kalt in ihr, ein kühlschrank, ein verschlossener, sie öffnete niemandem, ihre haut war übersät von erfrorenen unregelmäßigkeiten, die töne zerschellten an ihrem trommelfell, der atem stand fast still, nur hie und da fiel noch sauerstoff in ihre lungen. sie spürte das blut, unendlich langsam pumpte es sich die beine hoch, es waren schläge in ihren füßen wie von erbarmunglosen stahlhämmern. so starb sie ein weiteres leben, so blieb sie dort eine ganze ewigkeit.

weiterer fick gefällig stop heute nach dienstschluß in der kneipe stop. er hielt dieses telegramm lange in den händen. die schlampe hatte geantwortet. er war in bezug auf schlampen nicht gerade zimperlich, diese da war aber fast zu viel, fast schon keine schlampe mehr, fast wußte er nicht mehr so recht, was er wie denken sollte. diese schlampe begann zu wirken. angst und lust, hin und her liefen seine überlegungen, er konnte sich nicht mehr konzentrieren, war unfähig, irgendwas zu ende zu führen. er saß in seinem ledersessel, versuchte an seiner hochdotierten büroschlampe seine gedanken zu verschwenden, eine gute frau, und einfach zu behandeln, klare abmachungen, bester service. aber diese telegrammschlampe da, die sau, dieses luder wollte scheinbar mit ihm spielen. wahrscheinlich würde sie gar nicht ins lokal kommen, wahrscheinlich würde sie einen ihrer ausgelaugten schwänze schicken, der sollte ihn beobachten, und die beiden würdens dann irgendwo treiben, ihr glas auf den deppen erheben, der sofort angesprungen kommt, wenn ihm irgendein saublödes telegramm zugesteckt wird. so war sie, sie würde sich totlachen über ihn und sich dabei von fünf sechs alten säcken ficken lassen. eine sau war sie. sie wollte ihn aus der bahn werden, wollte sein leben zerstören, katz und maus spielen. hier wird nicht gespielt, nicht so. sein büro war anders geworden. er sah es. es war gleich. aber völlig verändert. er fragte die sekretärin. sie wußte von nichts. sie gab vor, nichts zu wissen. alles schlampen, die weiber halten immer zusammen, wie tiere, wie eine horde pavianweibchen. geil und böse.

er rauchte. warum konnte er nicht einfach am abend zu ihr gehen, sich auf den barhocker neben sie setzen, sagen, na wie willst dus denn heute, eine nummer in ruhe und verantwortung abziehen, und dann auf wiedersehen, hut auf, zigarette im maul. warum eigentlich nicht. wär ein guter abschluß, auch für sie. wenn sie kommt. wenn aber nicht. schwer erträglich die vorstellung, da alleine an der bar zu sitzen, verstohlen immer wieder und immer wieder auf die uhr schauen zu müssen, nur die uhr und zigaretten und alkohol. und er würde es nicht verbergen können vor den anderen, die würden vom ersten augenblick alles erraten, würden ihn quälen und sticheln, alles kleine brandlöcher in sein selbstvertrauen brennen. er kannte diese hämischen blicke, das grinsen, die schadenfreude. er kannte sich da aus, war sonst bei solchen anlässen auch immer an vorderster front.

er war ein fachmann beim genüßlichen baden im unglück anderer. wie oft waren da abscheulich plärrende gestalten ins lokal gekommen, hatten ihr leben auf die theke gelegt, auf den boden gebreitet, um mitleid gefleht. und was für ein spaß das war, darauf herumzutrampeln, den unglücklichen so oft und beruhigend die hände auf ihre müden schultern sausen zu lassen, bis sie, überwältigt von soviel anteilnahme, zusammenbrachen und den rest der langen nacht in irgendeinem winkel zu ende lebten, weinend an einen schlüpfer oder an ein mieder gepreßt. was war das jedesmal für ein riesenspaß. ja, er kannte sich da aus, sie würden keine rücksicht nehmen, im gegenteil. nichts schöneres, als wenn einer einmal aufs maul fällt, bei dem sichs keiner gedacht hätte. das waren immer die besten feste gewesen. da haben sich am ende dann immer fleißig alle beteiligt, jeder hatte eine noch bessere idee, und das stück fleisch in der ecke wurde geschunden und geliebt, bis der wille aufgegeben und aus dem lokal ein schiff geworden war, ein fliegendes segelschiff in einem meer von alkohol, in wolken von allem was zu rauchen war. wasserspiele nannten sie das. gestern hatten wir ein tolles wasserspiel, sagten sie am nächsten tag. aus jeder öffnung floß lust und haß und liebe und sekt und wein und bier und wasser und alles was aus öffnungen sonst noch fließen kann.

nein. er konnte nicht hingehen. nicht bei solch einem risiko. nicht dorthin, wo ihn niemand kannte, und ihm jedes glas, jeder hocker vertrauter waren, als die möbel seiner wohnung. nein, er würde heute im büro bleiben, bei der firmenschlampe, bei seiner schlampe. er würde sich mit ihr vergnügen, das mußte reichen für heute. schließlich ist die eine schlampe gleich gut wie die andere. es ist einerlei, wohin man die paar samen spritzt. spritzen muß jeder. und sei es im schlaf.

warum hab ich in all den jahren so wenig dazugelernt. warum geh ich jetzt hier diese stinkende straße entlang, mit unsicheren füßen, mit klopfendem herz, wie ein pubertierender bei den ersten abenteuer. dort ist die höhle, dort am ende der straße muß ich hinein, dort werden helden erwartet, dort braucht es männer wie mich. jemand, der vor nichts, vor niemandem zurückschreckt, ich bin der kämpfer fürs andere leben, für den umschwung. ich, warum bloß. entgegen allen erfahrungen, entgegen allen erinnerungen. es kann nicht gut gehen. sie wird natürlich nicht da sein. was hätte sie schon da drinnen verloren. aber was hab ich denn da verloren. warum laufen die füße dorthin, während der kopf ganz andere befehle ausschickt. warum ist es so schwer, einfach nein zu sagen, etwas ungesehen vorbei gehen zu lassen, ohne wehmut, ohne diesen großen schmerz. es ist kein vergnügen, hier vor dieser tür zu stehen, ohne rettungsreifen, ohne nichts. eine halbe stunde zu spät zu kommen, das war alles. eine halbe stunde ist vielleicht angemessen. wenn die schlampe es ernst meint, wird sie warten. was aber soll die denn ernst meinen. es gibt keinen grund für nichts. da ist schon der geruch, kaum öffnet man die tür. seit jahrzehnten immer derselbe gestank, der sofort in alle poren dringt. alt, alt ist diese gaststätte, und alt bin ich geworden, alt und müde und muß nun diese verfluchte tür öffnen.

er sah sie. sie war stockbesoffen. hatte nur ihren mantel an, ließ mit sich das machen, worauf diese säcke kein recht hatten. er kannte hier alle viel zu gut. es war keiner dabei, der irgendein recht gehabt hätte, es waren alles miserable gestalten. und schon gar nicht die weiber. keine dieser schlampem hatte hier das recht, das zu tun, was sie gerade dabei waren zu tun. er hörte diese widerlichen stimmen, sah unkontrollierte bewegungen, roch den brei der ausdünstungen. sie ließ alles mit sich geschehen, fast schien es so, als ob sie noch gefallen daran finden würde, fast schien ihm, als ob sie ihre betrunkenheit nur vortäuschen würde, um leichter diese bilder komponieren zu können.

jetzt kommt er, der arsch. kommt wirklich. was mag er sich denn bloß dabei gedacht haben. was ist das für ein mensch, der auf ein solches telegramm hin, nach solch einer nacht noch zu einer verabredung kommt. da geht er einfach direkt auf mich zu. he, freundchen, warum denn so stürmisch. hab doch geduld, hier kommt jeder an die reihe. so hör doch auf, was zerrst du denn an mir herum. bin ja schließlich nicht dein privatbesitz. nicht, freunde. bin doch schließlich kein privatbesitz, ich gehöre allen, wir gehören uns hier alle. laß bloß deine finger von mir. nein, fällt mir nicht ein. bin ich denn verrückt. so nicht, süßer, so geht das spiel. so helft mit doch, was ist denn das für ein arsch. ziehen wir ihm doch die hosen aus, so ists gut, ja, noch ein bißchen. ei, was ist denn das. seht her, damit will er heute zu mir kommen. das ist ja eine frechheit. was, da rührt sich nichts, du verschmähst mich, du sauhund. der will mich nicht, freunde. das ist eine beleidigung. genugtuung, ich verlange genugtuung, ich bin eine ehrenhafte dame. hinaus mit dem drecksack, werft ihn auf die straße, so ist recht, nein, nein, die kleider laßt hier, die sind meine trophäe. ja, so spielt man mit mir nicht. kommt einfach hereinspaziert und will sich vordrängeln, privatansprüche.

wie lange lieg ich denn schon hier. hier auf der straße. halbnackt. läßt mich einfach hinauswerfen, wie einen hund, wie ein stück fleisch. einfach tür auf und hinaus auf das kalte pflaster. naß ist es, naß und klebrig. ja, der abfall. hier rinnt das konzentrat unseres lebens. wie sich das anfühlt. ein brei. süßlich. ist ja nicht das erste mal, daß ich hier liege. aber niemals nüchtern. aber vielleicht bin ich gar nicht nüchtern. ich träume. ich weiß, ich lieg im bett, ich fühle mein kissen, nur die augen brauch ich zu öffnen, brauch nur aufzustehen und ich bin nicht mehr in dieser straße hier. ein glas wasser trinken. ja, ein glas wasser brauch ich jetzt.

wenn ich will, kann ich hinaus in den wald gehen. es ist ein schöner wald. so ein frühlingswald, ein bißchen naß noch, ein bißchen feucht alles, der boden von der ersten sonne schon aufgeweicht, aber noch lange nicht ausgetrocknet. da sind schon die ersten grünen blätter zu sehen. in der volksschule hab ich einmal gewußt, wie das ganze zeug hier heißt. da hab ich fast jede blume, jeden baum beim namen gekannt. konnte einfach mit allen reden, und sie antworteten auch. die erzählten mir interessante geschichten. leider hab ich mir keine einzige gemerkt. es waren geschichten nur für mich alleine, der ganze wald hat mir geschichten erzählt. und manchmal hab ich meine antworten in die rinde geritzt. am nächsten tag bin ich dann wieder hin und hab gelesen, was mir der baum geantwortet hat. ich brauchte nur ein bißchen zu warten, nur lange genug auf die rinde zu schauen, und irgendwann fand ich dann ein wort, dann ein nächstes, und bald waren ganze sätze zu lesen, richtige geschichten, schöne geschichten. ich habe eine ganze menge von der welt erfahren. aber gesagt habe ich das nie. immer still geblieben und nichts verraten, das war das mindeste, was ich machen konnte für all die bäume und blumen im wald. tiere waren da auch. aber tiere waren zum töten da. die tiere waren meine feinde. mit den kleinen wurde ich selber fertig, aber die bären und löwen, verjagte ich mit hilfe der bäume. die rauschten dann ganz fürchterlich, und alle bestien mußten flüchten. ameisen und spinnen und die kleineren käfer aber zerlegte ich selbst und ließ sie als warnung für meine anderen feinde gut sichtbar auf einem baumstumpf liegen.

wenn ich wollte, könnte ich jetzt einfach aufstehen und in den wald gehen. ich lieg ja nicht in dieser scheißgasse, vor diesem endlosen müllhaufen, in all diesem dreck. bin zuhause in meinem bett oder an der großen mauer in china. vielleicht bin ich ein chinese, der grad ein bißchen zuviel opium geraucht hat. ein süchtiger chinese, der hier in der gasse liegt, ausgebeutet von der modernen welt, und da haben die mich dann einfach in der gasse liegen gelassen. der kopf, wenn ich bloß keinen kopf haben müßte, wenn ich leben könnte nach meinen bedürfnissen. wieso geht das nicht. einfach das tun, was der bauch vorschreibt, ohne den stacheldraht im hirn zu berücksichtigen, der immer und überall alles einzäunt und mit rationalem blut verklebt. wieso bin ich so lange hier liegen geblieben. mein warten ist vergebens. sie wird nicht mehr kommen. hat mich wohl gar nicht wahrgenommen. will mich ja gar nicht wahrnehmen. eine illusion weniger. viele werden mir nicht mehr übrig bleiben bis zum schluß. ich muß sparsamer damit umgehen. ich geh nach hause.

nach hause gehen kann ein qualvoller weg sein. wenn man sich dem ziel nähert, zu dem man gar nicht will, wenn man auf eine katastrophe hofft, die das verhindern könnte. jedes unglück wäre willkommen, riesige stadtbrände, erdbeben, eine unvorstellbare bombe, alles wäre besser, als nach hause zu kommen. dieses ziel, das nichts weiter ist als leere, als dumpfheit. unfähig irgendetwas zu tun. nicht einmal essen ist möglich. nur irgendwas verschlingen, irgendetwas in den magen würgen, bewußtlos, ohne anteilnahme. jeder handgriff erweist sich als lüge, jede bewegung ein übler hohn des lebens. was für anstrengungen es braucht, die paar schritte zu tun, der kurze weg wird ein marterpfad der langeweile, es gibt nur noch den boden, der sich bewegt und die füße nach hause bringt. gegen ihren willen.

die zeit heilt keine wunden. die zeit macht überhaupt nichts. sie ist höchstens machmal da, manchmal verschwindet sie. die zeit ist nichts. sie hat mir nichts zu sagen. das, was sie sagt, sagen wir, ich, nicht sie. ich bin älter geworden. wieviel älter. älter als wer, als was. ich habe keine zeit. wir wissen nicht, wieviel zeit wir haben, ob wir zeit haben. die zeit ist unser falsches gutes gewissen. nichts hat sie geheilt in mir. ist alles noch da, nichts verlorengegangen. alle wunden schleif ich mit mir herum, jeden kleinen nadelstich weiß ich noch. nicht auf abruf, nicht auf befehl des schädels. aber es geht nichts verloren. wenn wir glück haben, legen wir manchmal einen stapel wunden irgendwo ab, doch er folgt uns, unbemerkt, unaufdringlich, schattenlos. und irgendwann stolpern wir darüber, stürzen in ihn hinein, haben mühe, nicht zu ertrinken. uraltes wirkt unverbraucht, bereits erlebtes nagelneu. der großvater kommt vorbei. ich setze mich auf seinen schoß, sehe die haare in seinen nasenlöchern. nein, keine veränderung, keine entwicklung irgendwohin. wenn er geht, bleibt die trauer wie bei seinem tod, bleibt das beleidigte verlassen sein. diese welt ist einsam und wird durch nichts geselliger. auch wenn ich ihm erklären würde, daß seine wirklichkeit nicht unbedingt die meine sein muß, auch wenn er dies verstehen würde. unsere wunden würden nicht zusammenpassen, es müßten verschiedene schmerzen bleiben.

es ist mein schmerz, den ich nicht teilen will. was sollte ich ihm sagen. was sollen sich zwei sagen, die den schutz der wörter verloren haben. nur schweigen könnten wir. aber wer kann schon schweigend anrufen. ich könnte ihn zum essen einladen, könnte mit ihm in ein konzert gehen, ein paar tage irgendwohin fahren. wozu aber. ich brauch ja nur sein fleisch, nur den geruch, nur den atem. nein. nicht bumsen. wer braucht das schon. nein, nur dieses gefühl brauch ich. jemand, der neben, aus, unter, in mir ist. jemand, der da ist, damit ich nicht allein bin. es könnte jeder sein. es kann nur er sein. wozu lernen wir all den schund, wozu die heere der gelehrten, diese falschen priester. keiner kann mir sagen, warum es jetzt genau dieser mann sein muß, warum ich schon seit einer ganzen ewigkeit nichts anderes mehr tun kann, als ewig dasselbe zu denken, ewig rundherum. und nicht müde werde dabei. vielleicht bin ich nur läufig wie die katze in den leeren nächten, vielleicht unterscheiden wir uns nur dadurch von den katzen, daß wir verlogener sind, daß wir den unterleib beherrschen möchten, aber unfähig dazu sind. und dann basteln wir uns geschichten von der liebe zusammen. und schreiben uns unsere lebensmärchen, die sich nie erfüllen werden und an denen wir elendiglich zugrunde gehen. ich könnte ihn anrufen und ihm einfach sagen, daß ich ihn brauche, daß es nicht geht ohne ihn. es ist dieser zustand der leichteren und stärkeren erschütterungen aber doch alles andere als unerträglich. es ist fast eine erlösung, fast eine wiedergeburt. verliebt sein. wie lächerlich. ich hab kein besseres wort. und wenn ich noch bis zum tod hier sitzen würde und nachdenken. er fiele mir nichts anderes ein. ich kann gleichzeitig weinen und lachen. wann kann man das schon. nur dann. nur wenn man nichts mehr versteht, wenn man nichts mehr weiß, nichts mehr sieht, hört, riecht. ich werde ihn also anrufen, werde betteln, werde sagen, daß ich alles tun will, daß ich ihn sehen muß. werde alte worthülsen wieder aus dem keller holen, vielleicht sind sie noch zu gebrauchen. nichts soll man wegschmeißen, sagt großvater. alles läßt sich irgendwann wieder gebrauchen, nichts ist zu alt. irgendwo müssen all die phrasen doch noch liegen. nein, nichts ist zu alt. die zeit hat kein recht, abläufe zu bestimmen. ich bestimme. und wenn ich zweihundert jahre alt bin und mich neu verliebe. ich werde anrufen. noch bestimme ich, noch spür ich das blut, noch kann ich meine handgelenke aufschlitzen, wann ich will, noch bin ich kein mülleimer der zeit.

die büroschlampe ist wirklich eine. diese aufdringliche unaufdringlichkeit. tut alles, um reibungslose abläufe zuzulassen und ist doch ständig anwesend, füllt die ganzen räume aus, läßt niemanden an ihr vorbeisehen. und riecht alles. die weiß auf den ersten blick, was gestern abend mit mir los war. ja. wer ist dran. dann fragen sie. mag keine anonymen anrufe. und alles muß der dame zehn- und tausendmal erklärt werden. warum denn. hab keine freundin. dann legen sie einfach auf. nein, warten sie. was. wenn die einmal langsam arbeiten sollte, kann ich sicher sein, daß sie jede handbewegung blitzschnell ausführt. wer sollte mich sonst auch schon anrufen. vielleicht hat sie ein schlechtes gewissen wegen gestern. und möchte jetzt irgendwas versöhnliches flöten. wenn ich das alles nur gleichgültiger wegwerfen könnte. die schlampe, jetzt lauert sie da draußen und schaut, was ich wohl machen werde. und vergnügt sich köstlich. wozu sind solche weiber denn gut. sitzen da und machen den männern die hosensäcke heiß. die schlampe nervt mich. dieser süße geruch nach nasser möse, den sie täglich mit sich bringt. könnt ja einmal auch ohne parfüm zur arbeit kommen. wo hab ich ihre telefonnummer. könnte ja zurückrufen. aber wenn es gar nicht sie war. was sollte ich schon sagen. wie alt die wohl sein wird. um einiges jünger, das steht fest. ja. schon wieder. und kein name. dann legen sie wieder auf. die wird sich jetzt sowieso alles möglich zusammenreimen, die schlampe. würde sicher mithören, wenn ich jetzt durchstellen ließe. nein, ich geh kurz aus, aus geh ich, gibt ja genug zellen. meinen mantel, bitte. ja, bin gleich wieder zurück. ja, zwanzig minuten. nein, ich mach das alleine. nein, nichts absagen. ja. weg jetzt. nach einer solchen nacht brauch ich einen besseren tag.

wer will in telefonzellen sein leben entscheiden. unbarmherzig den achtlosen blicken der vorübergehenden ausgesetzt, wehrlos an der muschel hängend und verbindungen mit einem aller welt unbekannten und uninteressanten menschen herzustellen, das ist der absolute tiefpunkt, weiter abwärts ist das ende. verzweifelt irgendwo die richtige münze suchend, den hörer zwischen schulterkegel und ohrläppchen gepreßt, die münze fällt auf den boden, sich bücken, der hörer befreit sich seiner gefangenschaft, beim aufstehen haut man sich den schädel an der telefonbuchablage an. die telefonbücher schon lange zerfetzt und unbrauchbar warten auf ihren jährlichen austausch. die nummer in der tasche suchen, diese nummer, die jetzt die einzige nummer ist, die es überhaupt gibt. ob man auch richtig wählt, immer unsicher sein, ob die letzte wahl eine richtige war, das freizeichen hören und warten, bis sich die zeit in elektronische wellen aufgelöst hat. unzählige kabel, die sich kreuzen, millionen von stimmen, die sich in irgendwas auf lösen, in dünne drähte gepreßt werden, um dann an genau der richtigen ohrmuschel sich wieder in einen erkennbaren ton zurückzuwandeln. all diese verschiedenen stimmen, die so unterschiedlich sind wie die menschen selbst, werden aufgegliedert, zerteilt, zu charakter- und gefühllosen wellen deformiert und am ende wieder perfekt in stand gesetzt. die ganze menschheitsgeschichte in einer telefonzelle. zahlreich die hindernisse auf dem weg von der zelle in die wohnung. warteschlangen an kreuzungen, antimagnetische felder, störende frequenzen. eine telefonzelle ist unser durchsichtiges innenleben. sie scheint schutz zu geben und verkauf ihre benutzer an jeden beliebigen voyeur. alle sehen, aber kaum einmal schaut jemand. die benutzer selbst sind schamlos. sie fühlen sich geborgen, glauben, da nur sie die andere stimme hören, daß sie unerkannt ihr ganzes leben in diesem engen raum ausbreiten können. der liebhaber ist jedoch leicht an seinem süßlichen grinsen auszumachen, der geschäftsmann behält die diktatorische miene, endlos verlorene blicke der ersten liebe, hausfrauenintimitäten, verabredungen, glückwünsche, geschäfte. alles offensichtlich und unzensuriert. an den muscheln klebt all dies als konzentrat. nie jemand, der sich die mühe machen würde, vorher den hörer mit einem sauberen tuch abzuwischen, niemand, der sich nachher die hände waschen würde. inmitten des lärms der städte, inmitten des lärms der stille einer landschaft. telefonzellen als beichtstühle, wahrheit und lüge sofort erkennbar, wenn jemand den heiligen raum verläßt.

besser hier als bei der schlampe im büro. hier kann ich in ruhe telefonieren. niemand stört. ich werde sie einfach fragen, ob sie mich angerufen hat. wenn es aber gar nicht sie war. wenn sie gar nicht zu hause ist. ich hasse diese freizeichen ohne antwort. dieses gefühl, so jetzt noch einmal läuten lassen, dann ist bestimmt niemand da, aber schon wieder unsicher, noch einmal warten, vielleicht kommt jemand grad erst bei der tür herein, oder war eben beim ausgehen, hatte die tür schon hinter sich geschlossen, hört das läuten erst kurz bevor er in den aufzug steigt, dann schnell schlüssel suchen, aufsperren, die tasche irgendwo abstellen. man muß warten, muß dem anderen eine chance lassen, damit man selber eine hat. ich hasse das. was soll ich mit dem restlichen tag anfangen, wenn sie jetzt nicht zuhause ist, oder wenn sie mich mit dieser verdammt spöttischen stimme zum teufel schickt. aber dann hätte sie wohl vorhin nicht angerufen. das gibt ja keinen sinn. es war eindeutig sie am apparat, sonst hätte meine trampel wohl nicht diesen blick aufgesetzt, als ich das büro verließ. nein, kein zweifel, das war sie und was anderes könnte sie wohl im sinn gehabt haben, als den gestrigen abend irgendwie zurecht zu biegen. regnen sollte es jetzt. bei regen fühlt man sich in so einer zelle doch irgendwie behaglicher, die regelmäßigen tropfen auf dem dach wären beruhigend, die leute draußen müßten ihre schirme aufspannen und könnten nicht mehr so ausdruckslos an mir vorbei laufen. wenn ich ihre stimme höre, könnte ich einfach aufhängen, ohne einen laut, oder besser noch, einfach warten was sie sagt. warten, bis sie wieder auflegt. sie würde sofort erraten, wer da schweigt.

es gibt auch wunder. dinge, die sich nicht erklären lassen, die unerwartet eintreffen, bei denen das vermögen, einzelne fakten zu verstehen und daraus einen schluß zu ziehen, völlig versagt. man denkt an jemanden, von dem man schon jahrelang nichts mehr gehört hat, und er kommt plötzlich zur tür herein, oder ruft an. man sucht verzweifelt eine wichtige notiz, durchsucht alle kleidungsstücke, die man in der letzten woche getragen hat, krempelt das ganze zimmer um, die ganze wohnung, und findet am ende den zettel schön ordentlich an seinem platz auf dem schreibtisch. man trifft jemanden und weiß sofort, daß man ihn niemals wieder sehen wird. ohne grund, ohne erklärung. um nicht verrückt zu werden, sucht man erklärungen, klammert sich fest an der kausalität der abläufe, gibt sich mit einem minimum zufrieden, glaubt an gott. der eine spricht von zufall. und erklärt damit nichts. der andere von wunder. und schafft sich seine eigene welt der sinnlosen begründungen. die dinge aber gehen ihre eigenen wege, die unbekannten wege, und unterscheiden nicht zwischen gut und böse, zwischen wunder und katastrophe. kombinationen zwischen wen, zwischen was. man schafft sich begriffe vom unvorstellbaren, glaubt weitergekommen zu sein, glaubt das, weil man es glauben muß, und scheitert mühelos an den kleinsten gegebenheiten, die sich nicht mit den begriffen einfangen lassen. und fassungslos freudig oder traurig steht man jedesmal aufs neue vor dem ungeahnten und müßte an der eigenen existenz verzweifeln. und will es nicht, und kann es nicht. die größeren dieser wunder geschehen alle paar hundert jahre oder einmal in einem menschenleben, die kleineren stehen an der tagesordnung und werden schamvoll übersehen. falls dann doch einmal eine panne passiert, stehen unzählige freiwillige feuerwehren zur verfügung, die jeden kleinsten brand löschen und ungeschehen machen.

ja, mir zittern die hände. es zittert überhaupt alles noch in mir. seine stimme hat den körper noch nicht verlassen, und es scheint so, als ob sie dies auch gar nicht beabsichtigen würde. ich schwebe. spüre seine töne in all meinen muskeln, dieses gefühl unter dem busen, es ist das herz, wahrscheinlich nur der muskel, und doch gibt es so ein gefühl im oberschenkel nicht, nicht im unterleib oder in den fingerspitzen. nach außen bin hin ich völlig normal. wo ist der spiegel. ich sehe nichts besonderes, ich sehe jemanden, der mir bekannt ist, der aber nicht ich bin. das ist mein name, mein leben, aber jetzt bin ich das nicht. bin ein erdbeben, ein vulkan, und der spiegel sieht es nicht. dabei bin ich vorbereitet gewesen, hab selbst versucht ihn anzurufen, hab diese frauenstimme gehört, dieses scharfe wer spricht bitte, nicht freundlich, nicht feindlich, nur geschäfltich und kompromißlos. und dann, nach der niederlage, nach dem zusammenbruch das läuten des telefons, schrill, zu hoch gestimmt, aber seine stimme waren tausend bässe, die den weg ins hirn gar nicht erst suchten, sondern direkt ins fleisch drangen. was haben wir gesprochen, was habe ich überhaupt gesagt. ich muß noch warten, warten bis die wellen abklingen, sich an den ufern meiner adern verlieren, muß aufstehen jetzt, aufstehen und ausgehen, oder duschen. ich kann jetzt nicht so sitzen bleiben, warten, bis wieder die mauern zu tanzen beginnen, bis sich wieder die leere auftut, ich will jetzt keine leere. voll bin ich und voll will ich sein, ich werde durch die straßen gehen und fühlen, daß es mich wieder gibt, daß ich ein neues land entdeckt habe, von dem noch niemand weiß, daß es mir gehört. was weiß ich. eine flucht, die wiederholung von alten katastrophen. was soll man erklären, wenn man keine lust dazu verspürt, wenn das nichterklären das ist, was einen teil des reizes ausmacht. ich schalt mich ab, reiß den stecker aus der mauer, ich will fliegen und möglichst weit.

sie trafen sich, wie alle liebespaare mit erfahrung sich treffen. wie raubtiere, die um die gegenseitige gefährlichkeit bestens informiert sind. offen, selbstsicher, nur keine blößen zeigen, die alle weiteren schritte in eine ungewünschte richtung gelenkt hätten. sie bewegten sich so einen ganzen abend lang, berauschten sich, hatten unendlich viel zeit, warteten, gingen nur schrittweise aufeinander zu, blieben stehen, ein paar schritte zurück, den kopf eingezogen, die krallen bereit auszufahren, und lächelnd um vertrauen werbend. sie sprachen wenig und wenn, dann nur über belanglosigkeiten. sie tranken wenig, nur die stimme des anderen, diese ungewohnte neue musik. sie aßen wenig, ließen nur vorsichtig die bilder des fremden gesichts in ihre augen. es war ein mahl, wie man es nur selten serviert bekommt. und da sie dies wußten, wurde jeder augenblick in all seinen details ausgekostet. jeder anders, jeder für sich und doch beide gleich. sie hörten die eigenen stimmen und waren meilenweit von sich entfernt. wahrnehmungen von dingen, die nicht sichtbar waren. jeder in der eigenen welt, in der eigenen erinnerung, und doch ganz konzentriert, ganz anwesend, ganz außer sich und ganz beim anderen. die menschen in ihrer umgebung merkten nichts. ein ganz gewöhnliches paar beim abendessen. vielleicht nicht verheiratet, zu freundlich zu einander, aber auch das war nicht sicher. die beiden fielen durch nichts auf. keine schmachtenden blicke, keine tragischen zärtlichkeiten, nichts war zu bemerken. sie trieben dahin wie die ruhigsten gewässer, ohne lautes tosen, ohne rauschende klippen, aber ständig und unaufhaltsam. sie trennten sich, ohne sich geküßt zu haben, glücklich. was ist das fleisch. größtenteils wasser, sagen die phantasielosen. das wasser aber fließt und steigt und fällt und ist das ganze leben. es geht nichts verloren. es wird aber auch nichts dazugewonnen. nach dem großen gemetzel, wenn die bestien und hyänen sich gegenseitig zerfetzt haben werden, wird sich das fleisch verändern vielleicht, wird neue formen suchen und finden, angemessenere formen, formen, die jetzt nicht vorstellbar sind. das wasser wird bleiben, das wasser verändert sich nicht, nicht seine vergangenheit, nicht seine zukunft. das wasser hat keine zeit. wenn wir seine sprache sprechen würden, müßten wir keine bücher lesen.

bin jetzt mitten im leben sozusagen. beruf, geld, war verheiratet, habe kinder gezeugt und großgezogen, habe also all das gemacht, was von einem mann in dieser zeit an diesem ort erwartet wird. nichts auffälliges, nicht unauffälliges. einige tausende von tagen gelebt. würde ich jetzt sterben, ich könnte mir nicht leid tun. aber auch die vorstellung, noch einige zeit leben zu können, regt keine besonderen gefühle in mir. es wird tag, es wird nacht. wann das leben aufhört, das ist gleich bedeutend und unbedeutend wie der zeitpunkt, wann es begonnen hat. die sterne besagen in dieser hinsicht nichts. die sternendeuter bieten den müden und faulen lebensmuster im sonderangebot an. ein geschäft wie jedes andere. viele brauchen das. ich nicht. ich könnte jetzt das fenster öffnen und aus dem haus springen. das fliegen müßte interessant sein, diese kurze zeit bis zum aufprall sicher erlebenswert. doch ankommen muß schmerzhaft sein. ich glaube nicht an die märchen vom schmerzlosen tod. höchstens ein paar wenige alte menschen scheinen zufrieden zu sterben, schmerzlos, und vielleicht ein paar verrückte. der tod der anderen ist eine qual. der tod ist kalt, hart und kein freundlicher gesell. ich habe keine angst davor. nein. aber ich möchte ihn mir nicht zum freund machen. mich gibt es in dieser form nur hier. was jenseits der schwarzen mauer aus mir und mit mir geschehen soll, interessiert mich nicht. das sterben jetzt kommt also kaum in frage. aber meine zukunft ist keine mehr. ich warte auf sie. und die zukunft ist der tod. früher hatte ich manchmal einige träume und hoffnungen. ein besseres leben, eine andere welt. zu träge ich, zu träge die luft. wenn ich aber weiter jeden tag so wie bisher ins büro gehe, ohne jede regung, ohne irgendein gefühl, ohne bauchweh oder kopfschmerzen. die schlampe im büro würde mir zwischendurch wohl auch etwas mehr als nur die lust im schädel auf trab halten, am abend in der gaststätte läßt es sich ganz gut die nächte verbringen, aber saufen und vögeln allein macht noch kein leben aus. meine frau ist mir einfach abgehauen. wenn sie noch da wäre, könnte ich ruhiger auf das warten, was noch kommen wird. die enttäuschungen wären leichter auszuhalten. eine andere frau. wie sie wohl sein mag. sie wäre eine möglichkeit.

ein mann. also will ich doch. ja. das alleine sein, mein alleine sein, ist die eine möglichkeit. mit ihm sein wär eine andere. gestern waren wir ganze vier stunden zusammen beim essen. manchmal gibt es keine zeit mehr. es könnte ein einziger augenblick und ein ganzes leben gewesen sein. erregend. und als höhepunkt keinen orgasmus. ein bißchen inzestuös das ganze. aber eine gute möglichkeit. er hat schöne hände. männer in seinem alter haben meist dicklich weiche oder leicht krumme finger. ich spüre das, wenn solche hände mich anfassen. es ist irgendwie unangenehm, nicht besonders, aber immerhin. schöne lange finger, kaum haare an der außenseite, die verbindungen von der handwurzel zu den fingergelenken gut sichtbar, geradlinig, ein paar adern, die nur andeutungsweise zu erkennen sind, die haut nicht mehr jung, aber mit würde, mit anstand, das alter verbirgt sich darin nicht, noch klagt es über die vergangenheit. er hat andere hände. sie geben mir sicherheit. anfassen oder angefaßt werden ist alles eins. keine agressivität, keine angst. vielleicht sollten wir zusammenziehen. jetzt gleich, ohne abzuwarten, ohne vorzuplanen. zusammenleben ohne vorbedingungen. ein abenteuer. kein ziel, das man verfolgen müßte. schauen was draus wird. und nicht denken was draus wird. mit seinen händen ließe sich was machen. er hat unauffällige fingernägel. das mag ich. es müßte schön sein, ihm beim essen zuschauen zu können. wenn ich nervös bin, bräuchte ich nur seine finger nehmen, und ich würde mich ruhiger fühlen. so ein scheiß. ich weiß nicht einmal, was er sich dabei denkt. wir haben keine ahnung voneinander. ich bin alt genug. hände hin, hände her, ich will ihn wiedersehen. darum gehts. ich werde ihn zum essen einladen.

ein abendmahl ohne lügen. sie wußten es beide, es würde die welt sich verändern, sie hatte sich bereits verändert, doch wie soll man solche sachen sagen. kaum tut man den mund auf, hört man die eigene stimme, unverändert, unbeeindruckt vom neuen paradies, diese stimme ist wie ein halsband und führt mit gewalt in den alten stall zurück. sie wußten es beide. und schwiegen. sie schwiegen ein ganzes abendessen und eine ganze nacht lang. und sie sagten sich dinge, die keine worte hätten sagen können. selbst am morgen noch gaben sie sich zum abschied lieber einen gehauchten kuß, als daß sie ein einziges wort riskiert hätten.

der zwang, über alles reden zu müssen, allem eine form zu geben, eine beschreibung, einen rahmen, aus dem sich das einmal erfaßte nicht mehr lösen kann. dieser zwang. die verheerenden kriege der worte, die alles schon tausendfach vernichtet haben. ewige eroberungszüge, älteste kolonialherrschaften, es kämpfen die wellen der stimmbänder und geben erst nach, wenn die niederlage unvermeidlich ist, manche selbst dann nicht. ein alter stein liegt im straßengraben, sein standort wird in unregelmäßigen abständen verändert, er hört, hört all diese worte um sich herum, achtet ihrer nicht, hört nicht hin und weiß doch längst alles. die stille, von denen einige stimmen oft lauthals zu träumen wünschen, er kennt sie, hat in ihr gelebt, kein leben nicht, diese endlose stille. besser der lärm, besser das chaos, nur nicht die stille ertragen müssen, sie ist die kälte, die auch einem alten stein zum verhängnis wird. der zwang der stimmbänder ist beruhigend, dummheit ein zeichen, daß der tod noch nicht gesiegt hat. da muß alles gemessen werden, da bleibt nichts unbedeutend, da wird jede erscheinung zum schlüssel des universums, die gedanken angeln sich empor, die worte streben aus nach allen richtungen. überschwemmungen und katastrophen, und zufriedene gesichter der sprecher, wenn am ende sich über all das elend die laute in schöner reihenfolge niederlassen, beruhigen, vergessen lassen, auf den nächsten untergang vorbereiten. heere von lauten werden auf die menschen losgelassen, ganze garnisonen, panzerbrigaden, nur das schweigen nicht aufkommen lassen, nur die ruhe nicht. die stille ist der tod, die ohnmacht, die stille nimmt alles recht auf hierarchien, jeden anspruch auf irgendwelche ordnung, sie ist das ende der macht. so wird die lautmaschine bis an ihre grenzen strapaziert, alle wissen es, niemand will es sehen, die stille wartet geduldig, die stille hat keinen rythmus, keine zeit. ihr ist alles einerlei, am ende wird sie überbleiben, nur sie alleine, und das genügt. die kämpfe mit der lärmenden welt sind ihre sache nicht, das stöhnen der liebenden und jenes der sterbernden machen keinen unterschied, die stimmen der fledermäuse, die explosionen der raketen, es sind nur wellen, wir sind nichts weiters als eine waschmaschine, halbvoll mit wasser, schwimmen können wir nicht, nicht untertauchen, nach jeder halben drehung schnappen wir nach luft, und wieder hinab in den schaum, augen zu, nur rauschen in den ohren, dann wieder obenauf, dieses laute dröhnen, dieses nasse wasser als heimat, wo alles jederzeit durcheinandergewirbelt wird, der schmutz, er muß noch da sein, es muß ihn noch geben. aber niemand sieht ihn. alles verwischt, alles schreit nach dem feind, dem übeltäter, alle schreien, greifen löcher ins wasser. müde, abgeschlafft, aber zufrieden, weil arbeit getan war. die weichen klänge zum ruhen, weichspülmittel ins wasser, jetzt gibt es eine kleine pause, neues wasser, einweichen, der kleine motor ist zu hören, zeichen der energie, des lebens.

sie ist das, worauf ich gewartet habe all die lange zeit nach meiner erbärmlichen ehe. ein traum. eine illusion. ich sollte mit meiner arbeit aufhören, urlaub nehmen, untertauchen oder abreisen in die entfernteste ecke. es gibt keinen grund, warum ich meine zeit hier verbringe. die arbeit hier kann jemand anders nach kurzer zeit gleich gut oder schlecht, es ist nicht viel zu tun, dasein das wichtigste, die schlampe beschäftigen, ein paar devote sklaven auch. nur manchmal mit der peitsche drohen, das genügt als arbeit. anzug und kravatte als garantie von erfolg. ich sitze hier wie ein fetter königssohn, träume von der anderen welt, den bunten und prächtigen gesellschaften, mein gewicht aber drückt mich in den verdammten thron, und ich fresse doch noch lieber ein paar verstaubte delikatessen, als daß ich mich damit plage, ein paar kilo abzuspecken. es ist nun unerträglich geworden hier in diesem büro. der geruch des leders der sitzgarnitur treibt das blut der geschlachteten tiere in die nase. die frau. ob das nun die liebe ist. sie hat mir was genommen, ich bin nicht mehr ich, ich bin neu, oder alt, anders. die gaststätte ist vorbei, es wäre lächerlich nochmals dorthin zu gehen. dieses abstrakte gewalttätige land hat keinen platz jetzt in mir. der ort unserer ersten begegnung ist nicht zu wiederholen. und alle würden meinen zustand sofort erkennen und mich demütigen, bis alles in mir ausgelöscht ist, bis ich die frau in den worten und körpern der gäste verloren habe. hierbleiben will ich. hierbleiben gibt auch keinen sinn. die stöckel der sekretärin, ihre strumpfnaht bis fast bis zur berührung mit den blicken erkennbar, sie würde mir alle säfte und träume aussaugen, sie würde mir ihr geschlecht zum bleistiftspitzen reichen, als feuerzeug, die brustwarzen zum wählen der geheimen nummer, den arsch als blumenvase, sie würde mit meinen muskeln so lange spielen, bis ich mir die hosen vollspritze, einsam, verlassen, ohne mich zu bewegen. hier kann ich auch nicht bleiben, die wände des büros lassen keine luft durch, keinen atem. ich will leben. die frau ist eine möglichkeit. eine andere habe ich nicht. ich werde jetzt aufstehen, den sessel ein bißchen zurückgerollt, handflächen auf die schreibtischkante, angewinkelte ellbogen, die knie leicht durchdrücken, ich stehe. der automatische griff der rechten hand zur kravatte, ein leichtes zurechtrücken, wahrscheinlich unnötig, aber es gibt sicherheit. die paar schritte hin zur jacke, die fein säuberlich an dem bügel im wandschrank hängt, mit einer hand heruntergenommen, anziehen, die tür zum vorraum öffnen. fühl mich nicht besonders wohl, geh zu einer untersuchung. vorbei an dem ungläubigen blick, dem angstvollen blick, ihre karriere steht auf dem spiel, sollte ich was ernsthaftes haben, besorgt und ein wenig agressiv ihre stimme. soll ich ihnen ein taxi rufen. nein, ist schon in ordnung, türe geschlossen, fahrstuhl, endlos dieser fahrstuhl, spüre mein gewicht nach unten fallen. der kleine ruck, die gräuschlosen türen, ich bin auf der straße, bin aus dem gefängnis ausgebrochen. frei bin ich, wann war das das letzte mal, daß ich dieses gefühl erlebte. niemand, der in eine richtung weist, niemand, der an unsichtbaren zügeln zieht. ich ziehe mir die kravatte ab, werf sie in den nächsten papierkorb, eine last fällt weg, ich bin leichter geworden. die autos sehen mich, ich aber habe keine lust sie zu beachten, ich gehe inmitten der straße, die schuhe, diese verdammten bremsen, weg mit den schuhen, mit den socken. die feinscharfen konturen des asphalts bohren sich in den fuß, ich spüre die welt. vorne bei der roten ampel gibt es keine hindernisse, ich bin frei jetzt, bin auf dem weg zu dem arzt, der mich krank schreiben wird, daß die arbeit mir schadet, daß ich ruhe brauche. aber ich bin nur frei, ich kann fliegen, an der roten ampel vorne gehe ich weiter über die kreuzung, die autos haben ihre macht verloren, ich zerteile sie mit meinen schritten, ich steige auf ihre dächer und windschutzscheiben. keine kleider mehr, nur die haut in die luft tragen, du sollst dich nicht wenden, vorne liegt die zukunft, vorne, da wo unsere augen sind, unsere nasen, der mund und der schwanz. eine wunderbare straße ganz für mich alleine, durch das spalier der heulenden autos, durch die welt hindurch und geradewegs hinein in den himmlischen frieden.

wenn männer glücklich sind, werden sie meistens verrückt. wie kinder, wie tiere. wenn es zuviel wird, werfen sie sich auf den boden und stampfen und trotzen und finden sich ganz außer sich und kaum einmal wieder nach hause. wenn sie glücklich sind und wenn sie traurig sind. oder aber ists nichts weiters, als eine grandiose inszenierung ihrer ohnmacht, die bis zuletzt durchkomponiert auf uns wirken soll, damit wir auch erkennen, wes große söhne wir die ehre haben zu beglücken. liegt im krankenhaus, überfahren, was für eine rolle soll denn ich in diesem trauerspiel spielen. krankenpfle gerin, entlastungszeugin. und wenn er sich nicht wieder richtig erholt, bekommt er wahrscheinlich eine kleine geldstrafe wegen der vermeintlichen öffentlichen obszönitäten, ich aber hätte dann lebenslänglich. und unverdient. brauche ich das. ist es denn das, das leben. ein schwanz, der das bißchen lust zwischen meinen beinen als illusion erhält. ein paar dinge, die man miteinander macht und von denen man der außenwelt nichts erzählt. sich herumschlagen, ob man ein kind will, weil das natürlich ist, oder kein kind will, weil wir schon viel zu viele sind. und auf alle fälle ein schlechtes gewissen dabei. das bißchen traum ist anderswo auch zu haben. ein ganzes leben nichts als fesseln, und dann noch die liebe. im fluß sein, der nur abwärts fließen kann, kein bedürfnis für die gegenrichtung. aber jetzt.

was bleibt zu tun mit gästen, die sich nicht der hausordnung unterwerfen. was mit jemandem, der anstatt die kloschüssel zu benutzen ins waschbecken uriniert, mit gästen, die das bier aus dem teller schlürfen und das steak aus dem glas trinken, mit männern, die sich die haare mit dem staubsauger föhnen und die schuhe mit zahncreme putzen, was mit frauen, die den rasierapparat als dosenöffner verwenden. wieviel und wie lange müssen die gastgeber alles schweigend hinnehmen, wann tritt der punkt ein, daß man übergeht zu den maßnahmen der verteidigung, zur abwehr. und mit welchem recht. die gäste bezahlen, so oder so, unser eigentum haben andere geschaffen, mit ihren händen, mit ihren köpfen. wem gehört was, wer ist gast und wer gastgeber. werden die gäste eingesperrt, verfolgt, getötet, finden wir unser leben nicht mehr, keine frauen, keine männer, dann sind wir restlos allein, eingesperrt in unserer freiheit. die mächtigen träumen ihre siegesräusche, bis sie aufwachen, verkatert, ungläubig, daß alles ein traum war, unfähig zu sehen, zu verstehen, und eh sie endgültig erwacht sind, haben bereits andere ihre plätze eingenommen, verrückt nach der hoffnung der macht, nach einer anderen welt, die so aussehen wird, wie sie es sich in ihren kinderträumen vorstellten. und das spiel kann wieder von vorne beginnen. neue gäste, neue unglaublichkeiten und irgendwann wird auch dieses haus zusammenstürzen. nicht einmal trümmer werden übrigbleiben.

ich werde sie finden. zwei wochen liege ich schon hier. ruhe heißt es, keine aufregung, nicht einmal den klaren sonnenschein möchten sie mir gönnen. aber in der nacht, wenn im bett neben mir nur die todeskämpfe zu hören sind, der geruch von entleerten blasen und dickdärmen die kehle ätzt, wenn die brücke zum tod bei einigen im zimmer schon fast fertiggestellt ist, dann kann ich unentdeckt durch den raum gehen, mich hinter den vorhang drücken, mit zwei fingern die rolläden auseinanderschieben und sehen, was das leben in der dunkelheit zu bieten hat. ich werde sie finden. irgendwo da draußen in der finsteren nacht schläft sie jetzt. ich lasse meine augen durch die straßen gleiten, sie führen direkt in ihre wohnung da liegt sie, kann nicht schlafen, raucht, trinkt, ist allein, nervös, verbietet sich, an mich zu denken. sie hat keine kraft, ich geh in sie ohne widerstand. die frau, die nicht kommt. es ist besser so. ich komme jede nacht zu ihr. ich finde den weg inzwischen ganz leicht. stelle mich ans fenster, warte einige augenblicke, und bald schon bewege ich mich durch die stadt, manchmal in unglaublicher geschwindigkeit, manchmal bleibe ich aber auch an einer kreuzung stehen, an auslagen, besuche kaufhäuser oder noble restaurants. ich finde den weg in ihre wohnung ohne zeitdruck, kann in einer sekunde dort sein, oder in fünf stunden. wenn ich bei ihr bin, sitzt sie meist ruhig auf ihrem boden, bewegt sich kaum, starrt in andere weIten, und ich weiß, daß sie mich im krankenhaus besuchen will, mich dort aber nicht finden kann, weil ich bei ihr bin. ich habe kein bedürfnis, mich zu zeigen. es genügt mir, sie zu betrachten, ihren körper zu riechen, mich neben sie zu setzen und gemeinsam auf unsere ruhe zu warten. das zimmer ist leer, wir beide sind die einzigen möbel, der raum ist bedeutungslos, die wände kann ich abtragen oder erweitern. sie sind weder schutz noch hindernis. die hindernisse sind völlig anderer art, keine mauern, keine spürbaren grenzen. aber manchmal find ich ihr gesicht nicht wieder, ihren körper nicht, oder ich sehe ihre augen aber der mund oder die nase passen nicht mehr dazu, ich ziehe sie aus und finde mich in dem körper eines mannes umschlungen, manchmal habe ich schwierigkeiten, sie in diesen finsteren nächten unter all diesen gleichgebauten menschen wirklich zu finden. nächtelange wanderungen, irrgärten, spiegellabyrinthe. endlose geisterbahnen um dann doch zu ihr zu kommen. bisher habe ich sie noch jedesmal gefunden, aber was wird geschehen, wenn ich eines tages vergebens umherirre. vor dem nichts graut mir, vor leeren bildern, wenn ich die augen öffne und nichts sehen kann, kein schwarz nicht, keine grauen schatten, wenn keine konturen sich mehr blicken lassen, wenn selbst ein kurzer, schmerzvoller druck auf die augäpfel zwecklos bleibt, keine sterne, keine hellen punkte. ich darf ihr bild nicht verlieren. ein foto müßte ich haben, ein großes dreidimensionales foto, wo alles festgehalten ist, jedes haar, jede falte, jedes muttermal. alles erfindet diese welt, die einfachsten dinge aber vergessen sie, die bilder, die verloren gehen, die läßt man ziehen, bis eines tages niemand mehr ein bild mehr mit sich trägt und alle sich so fremd werden, daß sie sich nicht mehr erkennen.

ein verrückter. gerade der mußte es sein. einer, der schon lange abgetreten war und nur jemanden brauchte. ein wrack. und ich sitz da wie eine dreizehnjährige und kann mich nicht mehr halten, kann keinen faden mehr finden, keinen ausgang mehr. es lag sich gut in seiner haut, aber auch nicht viel besser als bei den paar anderen. warum nur. warum komm ich nicht weg. mitleid vielleicht. aber mit wem. mit mir, mit ihm. ich weiß genug von all den dingen, von den gefühlen oben und unten, immer war ich mir sicher dabei, immer war diese rechnung aufgegangen. irgendwo muß ein fehler passiert sein, eine leichte abweichung im system. wo aber. ich sollte wieder unter menschen gehen, sollte die frische luft durch meine poren lassen, was anständiges essen. ich müßte mich mit jemandem treffen, mit jemandem reden, oder auch nur den einen oder die andere in mein fleisch lassen. keine energie. bin festgenagelt hier, komm keinen schritt vor, keinen zurück, nur diese wände bieten halt und schutz. so viele jahre bin ich alt und älter geworden, das gewebe zerstört sich schon langsam dem tod entgegen. was wird er wohl machen. mit den anderen irren täglich verrückter werden. von einer station in die nächste. bettnässer vielleicht schon. oder in der weißen jacke der bewegungslosigkeit mit starrem blick und gelber haut. ich finde keinen boden unter mir, kann mich nicht bewegen, nicht mit den beinen, nicht mit gedanken, ich bin gefesselt, eingesperrt in kahle mauern. wie er bin ich. ich muß ihn sehen. nichts gibts zu sehen. die wände drücken und lassen keine bewegung zu. die liebe ist eine liebe ohne irgendwem. halten müßte man sich können, halten und sterben dann oder sich auflösen. ich möchte, daß mein blut sich von meinem körper trennen könnte, warum dies monatliche ungetüm ertragen, die oberschenkel klebrig warm, das ziehen in der leistengegend. einmal für alle zeit alles blut auswerfen und ruhen dann den rest. aufstehen müßte ich jetzt, schnell weg aus diesem raum, die luft wechseln, atmen wieder, mich bewegen. auf großvaters schoß mich setzen, mit seiner nase, seinen ohren spielen und auf ferne reisen gehen. er könnte mich um die ganze welt mitnehmen, er weiß geschichten, die kein reiseunternehmen anzubieten hat, seine nasenlöcher waren groß wie die motoren von weltraumfähren. großvater wüßte auch den weg ins krankenhaus, er weiß immer alles, er hat auch zeit genug und wissen mehr als jedes lexikon. hier muß ich liegen bleiben, nackt in mir und außer mir, gedemütigt von meinem fleisch, den gedanken, den gefühlen. ein mann. wenn er mich lieben würde, dann wär er nicht im krankenhaus, dann wär er hier jetzt, bei mir, irgendwo in der nähe, ich könnte aufstehen, könnte unter die dusche steigen, er würde mein haar trocknen, meinen körper und dann ein fest geben, kerzenlicht und nachtmusik, und perlensaft und goldgewand. so tief hinab, so tief. all den scheiß jetzt noch denken und träumen müssen. bin ich so eine hilflose sau geworden und liege hier vollgefressen im eigenen dreck und will liegenbleiben und warten auf den märchenprinzen. ich werde in diesen mauern bleiben und warten, bis der stein wurzeln schlägt und zu wachsen beginnt.

sie treffen sich. sie kommen nicht mehr los voneinander und finden sich nirgends. im bildschirm der tv-nachrichten. im mai in grünen hoffnungen, in sterbenden blättern im herbst, es ist kein auskommen. sie werfen sich gegenseitig in die hintersten ecken, verwünschen sich, vergessen sich, trampeln rücksichtslos aufeinander herum. und solange sie all dies tun, kommen sie nicht los voneinander, werden sich immer wieder und immer wieder suchen und verletzen und lieben und denken, daß diese welt eine bessere zu sein hätte, und daß sie ihr leben noch nicht richtig gelebt haben. die beiden liegen in ihren welten, sind so normal wie jeder andere auch, können die meiste zeit unauffällig wie andere auch den tag mit aufstehen und die nacht mit zubettgehen beginnen. es gibt die helden noch, ein jeder mensch ein held, abrufbar, brauchbar und benutzbar, wenn grad die zeit gekommen ist. die eine wird ermordet, der andere vergewaltigt, die endlose reihe vorbeiziehender sieht gekonnt und in schönen kleidern weg, dann ändert sich alles, der schnitt in den finger eines kleines mädchens, die puppe des jungen machen neuen hoffnungen platz, und die welt fällt in einen taumel.

als gäste leben die beiden noch einige zeit hier, nach ihrem ende füllt sich der platz in wenigen augenblicken, und das wasser bewegt sich ewig gleich weiter oder steht still ohne erbarmen. bevor sie sich sehen, sind sie schon wieder verschwunden, drängen in alle richtungen und schreien verzweifelt, wenn niemand sie daran hindert und sie sich am horizont verlieren. dort aber, irgendwo hinten, im letzten schatten werden sie unfehlbar wieder zu sich finden und aufs neue lernen müssen, einander zu ertragen, so als hätten sie in all den jahrtausenden nichts gesehen, niemals was neues gefühlt. in solchen augenblicken dringt das, was wir als liebe empfinden, ohne widerstand in uns ein und zwingt uns, uns zu vernichten und daran zu glauben, daß wir anders nicht können.


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