Plan B: Russland bereitet den Zerfall der Ukraine vor

Übersetzung von План “Б”: Россия готовит распад Украины (Autor: Geworg Misarjan)


Die europäische Union hat sich wieder einmal geweigert, die Sanktionen gegen Russland zu beenden. Moskau hat auch nicht mit etwas anderem gerechnet, und geht allmählich zum Reserveplan über, der der Sicherung unserer Interessen in der Ukraine dient und die Anerkennung der selbsproklamierten Republiken beinhaltet.

Am 28. Oktober fand eine Sitzung der Vertreter der Länder der Europäischen Union statt, auf der die Frage der Rücknahme der Sanktionen gegen Russland besprochen wurde. Im Ergebnis hat die EU die friedensstiftenden Anstrengungen des Kremls nicht anerkannt und hat beschlossen, dass “es zum aktuellen Zeitpunkt keine Gründe für die Änderung der einschränkenden Maßnahmen der EU gegen Russland gibt”. Die Gründe sind sehr einfach – ständige Verstöße gegen den Waffenstillstand, Weigerung von DVR, LVR und Moskau, den ukrainischen Grenztruppen die Kontrolle über die Übergänge zu übergeben, die Unfähigkeit Russlands, die lokalen Wahlen in DVR und LVR zu verhindern, und die Weigerung der Regierung beider Republiken, auf ihrem Territorium Wahlen in die Oberste Rada durchzuführen. Die Frage nach einer Abmilderung der Sanktionen wurde auf den Frühling verlegt, und der traditionelle Summit Russland-EU (der im Winter stattfinden sollte) wurde ganz abgesagt.

Die Entscheidung Brüssels kam eigentlich nicht unerwartet – schon einige Zeit vor der Sitzung haben Quellen mitgeteilt, dass, entgegen der Position Italiens, eine Reihe osteuropäischer Staaten für Sanktionen eintritt und die Frage ihrer Rücknahme blockieren wird. Und sie war auf keinen Fall unerwartet für den Kreml – schon bei den Mailänder Verhandlungen hat Russland verstanden, dass man von Europa nichts Konstruktives in der ukrainischen Frage erwarten kann, und dass das Ziel Europas nicht ein Kompromiss mit Moskau ist, sondern die Nötigung Putins, seine Positionen und Interessen aufzugeben. Daher geht Russland, welches die Nichtrealisierbarkeit ihres “Planes A” einer Föderalisierung der Ukraine einsieht, allmählich zur Realisierung von “Plan B” über – der kontrollierte Prozess des Zerfalls des ukrainischen Projekts.

So hat Moskau vollständig seine Einstellung zur Durchführung von Wahlen der Vorsitzenden und Deputierten der Parlamente beider Donbass-Republiken geändert. Wenn der Kreml früher die Milizen aufrief, auf diese Prozedur als “unzeitgemäß” zu verzichten, so hat jetzt der Pressesekretär Putins Dmitri Peskow erklärt, dass “die Durchführung der Wahlen eine Entscheidung ist, die die Führung dieser Republiken getroffen hat. Diese Wahlen werden stattfinden”. Noch dazu hat Moskau, aus dem Munde des Außenministers Sergei Lawrow, dem Leiter der Administration des Präsidenten Sergei Iwanow und einer Reihe anderer Vertreter zu verstehen gegeben, dass es nicht nur die Wahlen in der DVR und LVR nicht stören wird, sondern höchstwahrscheinlich anerkennen wird.

Die russischen Behörden geben zu verstehen, dass man aus der möglichen Anerkennung nicht irgendwelche sensationellen Schlussfolgerungen ziehen sollte. Moskau denkt, dass die Bedeutung der Wahlen lediglich die Legitimierung der im Donbass schon geschaffenen Macht hat, welche die Form einer “spontan formierten Struktur” hat, die, nach den Worten von Sergei Lawrow, “ein Partner im Kontext der Minsker Verträge ist: Er nimmt am Prozess der Kontaktgruppe zusammen mit der Kiewer Führung, Vertreter Russlands und der OSZE teil”. Jedoch ist die Anerkennung ein sehr ernster Schritt. Vor allem bedeutet er eine Annulierung der Minsker Verträge und des gesamten Plans der Regulierung im Donbass, wovor Kiew auf allen Ebenen warnt. “Diese Pseudowahlen, deren Durchführung von den sogenannten DVR und LVR für Anfang November vorgesehen sind, haben nicht nur nichts gemeinsam mit dem Minsker Protokoll vom 5. September 2014, sondern widersprechen ihm nach Buchstaben und Geist. Sie bedrohen den gesamten Friedensprozess” erklärte der Pressesekretär von Poroschenko Jaroslaw Zegolko. Dem Wesen nach verwirft Moskau, indem es sich mit dem Ausklinken von DVR und LVR aus dem Gebiet des ukrainischen Rechts einverstanden erklärt, einen Schlüsselpunkt, der die Basis der aktuellen Konzeption einer friedlichen Regelung ist – die Erhaltung der territorialen Integrität der Ukraine. Mehr noch, die Anerkennung der Ergebnisse der Wahlen kann nicht nur ein erster Schritt auf dem Weg zur offiziellen Anerkennung oder Halbanerkennung von DVR und LVR sein, sondern auch der Anfang einer aktiveren Realisierung des Projekts Neurussland durch Moskau.

Natürlich nicht über einen direkten russischen Einmarsch in die Ukraine, sondern durch maximale Schwächung des Kiewer Regimes. So hat Russland beispielsweise eine harte Position in der Gasfrage eingenommen, indem es von Kiew forderte, Quellen zur Finanzierung von Gaslieferungen vor ihrem faktischen Beginn zu liefern. Und beobachtet jetzt, wie Kiew öffentlich Europa bittet, Geld zu geben, und Brüssel, mit Hinweis auf bürokratische Prozeduren, sich weigert.

Indem es Petro Poroschenko dazu nötigt, Entscheidungen zu treffen, die für sein Rating negativ sind, arbeitet es faktisch an der Schwächung seiner Position im Land. Analytiker sagen dem ukrainischen Präsident schon eine schwere Zeit und viele Attacken aus dem eigenen Lager voraus. So wird eine ernste Verschlechterung der Beziehungen zwischen Poroschenko und Igor Kolomoisky erwartet, die vor allem mit dem Skandal um die Wahlergebnisse im Dnepropetrowsker Gebiet zu tun haben. “Die Kiewer Führung verrät nach wie vor die Dnepropetrowtschina an die sogenannte “Opposition” (hiermit ist der “Oppositionsblock” gemeint, der aus Absplitterungen der “Partei der Regionen” besteht – “Expert Online”). In Kriwoi Rog, Nowomoskowsk, Pawlograd wird die Stimmenauszählung weiterhin aufgehalten. Es wurden viele Verstöße festgestellt: Kauf von Wählerstimmen, Fälschung, Fotographieren von Bulletins auf Mobiltelefone. Die Prokuratur unternimmt NICHTS. Der Prokuror Fedyk (Roman Fedyk – Chef der Staatsanwaltschaft des Gebiets Dnepropetrowsk – “Expert Online”) nimmt nicht mal den Hörer ab. Auf all unsere Signale wird uns geantwortet, wir sollten die Situation nicht überdramatisieren” regt sich der Stellvertreter von Kolomoisky Boris Filatow auf. “Warum tun sie das, fragen Sie? Weil sie denken, dass sie so Politik spielen. Sie haben, so gesagt, “Angst, dass die Mannschaft vom Dnepr zu stark geworden ist.””

Nicht zuletzt rechnet Moskau mit der Entstehung von ernsthaften Image-Problemen bei den neuen ukrainischen Führern. Schon jetzt bewerten europäische Massenmedien und analytische Zentren die radikale Zusammensetzung des jetzigen Parlaments negativ, wobei in der mittleren Perspektive zu dieser Kritik noch der Skandal der Veröffentlichung der Ergebnisse der Untersuchung des Absturzes der malaisichen Boeing hinzukommen kann. Nicht zufällig haben die Untersuchungsbehörden der Niederlande nicht nur die Version eines Angriffs aus der Luft als eine der beiden wichtigsten Versionen der Tragödie in Betracht gezogen (die andere ist, natürlich, die Verwendung einer Rakete), sondern auch Russland um Daten bezüglich der Anwesenheit eines zweiten Flugzeugs neben der Boeing gebeten, die die russischen Militärs schon geliefert haben.