Rußland eiskalt zum EU-Energiekommissar

»Russia Leaves the European Commissioner for Energy Union out in the Cold«
zuerst erschienen am 15.01.2015 — aus dem Englischen von James B.
von Alexei Kettunen
Gazprom — EU 6:0!

Am gestrigen Mittwoch verhandelten in Moskau Vertreter von Gazprom und der EU.  Letztere hatten drei Ziele:

  1. Rußland solle seine »Winter-Sonderpreise« für die Ukraine bis Ende März verlängern;
  2. Rußland weitere unilaterale Zugeständnisse aufzuzwingen, wonach alle Energieeinkäufe der EU durch eine neue »Europäische Energie-Union« abgewickelt würden;
  3. Rußland zur Wiederauferstehung der abgebrochenen South Stream-Pipeline bewegen und sie entsprechend der einschränkenden neuen Regeln des Dritten Energiepakets bauen.

Die russische Antwort kam einem kalten Schauer gleich.  Erstens unterstrich Gazprom, daß ein spezielles Sommer-Abkommen für ukrainische Gaseinkäufe nicht nötig ist, da es bereits einen gültigen Vertrag gibt.  Konkret heißt das: Alle Zugeständnisse an Kiew sind vorübergehend und es gibt keinerlei Verhandlungsspielraum.  Sollte die EU auf ihrem Gas-Transit durch die Ukraine bestehen, muß sie erst dafür sorgen, daß Kiew sich an die bestehenden Verträge hält — auch durch Druck auf Kiew.  Sollte Kiew Gas benötigen, dessen Zahlung es sich nicht leisten kann (wodurch erfahrungsgemäß der Gas-Transit in die EU gefährdet wird), ist das nicht länger Rußlands Problem.  Das gleiche gilt für die Kiewer Gasschulden: Die EU müßte nicht nur die bislang aufgelaufenen, sondern auch künftige Gaseinkäufe tragen.

Zweitens betonte Gazprom: Die South Stream-Pipeline ist tot.  Sie wird nicht realisiert.  Das Projekt kollabierte unter dem Druck von den USA und der EU.  Dabei entpuppte sich das Dritte Energiepaket der EU als größtes Hindernis.  Es hätte starke Einschränkungen bedeutet, wie Gazprom seine eigenhändig erbaute Pipeline hätte nutzen dürfen: Gazprom sollten nur 50 Prozent der South Stream-Leitungskapazität zur Verfügung stehen.  Gazprom wäre gezwungen, die restlichen 50 Prozent Wettbewerbern auf dem freien Markt zu überlassen.  Obwohl alle Übereinkünfte zwischen Gazprom und den verschiedenen beteiligten Transit- und Verbraucherstaaten längst getroffen worden sind, ehe das Dritte Energiepaket in Kraft trat, besteht die EU-Kommission darauf, es rückwirkend anzuwenden.

Rußlands Lösung: Gazprom baut die Pipeline bis in die Türkei und von dort an die türkisch-griechische Grenze.  Dort wird sie an einem Gasverteilungsknoten nahe der EU-Grenze enden.  Will die EU weiterhin russisches Gas kaufen, muß sie selbst und auf eigene Rechnung eine Pipeline bis zur türkischen Grenze bauen.  Sie wird auch für größere Transportkapazitäten in den Netzen der südeuropäischen Mitgliedsstaaten sorgen müssen — und das mit den Einschränkungen, die sie sich mit dem eigenen Dritten Energiepaket selbst auferlegt hat.

Der letzte Schlag gegen die Überheblichkeit der EU war Gazproms Ankündigung, nach der Fertigstellung der russisch-türkischen Pipeline (samt Gasverteilungsknoten) jeglichen Gas-Transit durch die Ukraine einzustellen.  Russisches Gas würde es also nur noch über die Türkei geben.  Das ukrainische Pipeline-Netz wird dann nur noch für die ausschließliche Belieferung der Ukraine benötigt.  Gazprom begründete diese Entscheidung mit der Instabilität in der Ukraine und den damit verbundenen hohen Risiken für den Transit.

Maroš Šefčovič, EU-Energiekommissar, gerade einmal eine Woche im Amt, hatte wahrscheinlich den schlechtesten Tag seines Lebens.  EU-eigene Überheblichkeit prallte auf eine Betonwand.  Ein großartiger Skandal braut sich zusammen, da Deutschland rücksichtslos seine eigene Versorgung mit der Nord Stream-Pipeline gesichert hatte und jedes Mittel nutzte, South Stream zu sabotieren.  Es gibt kaum potenteren Sprengstoff, der den anhaltenden Nord-Süd-Konflikt innerhalb der EU stärker manifestieren könnte.  Die einstigen Anrainer der South Stream-Pipeline wähnen sich garantiert in »ewigwährender Dankbarkeit« gegenüber den USA [und den EU-Vasallen – d. Ü.], dieses Projekt zu töten.

Die Türkei, immerwährender EU-Beitrittskandidat, wird Schadenfreude verspüren, das Ungemach innerhalb der EU genießen, während sie sich zugleich die künftigen Erlöse durch den Gas-Transit ausrechnet.  Die Türkei wird gleichwohl zum zweitgrößten Kunden Gazproms nach der Bundesrepublik Deutschland.  Der größte Verlierer wird die Ukraine sein, der zweitgrößte Gasverbraucher Europas (pro Kopf) und der weltgrößte Gaserpresser.

Allem überheblichen Geschwafel der EU zum Trotz hat sie keine echte Alternative zu russischem Erdgas.  Brüssel muß die Kröte des eigenen Stolz’ schlucken und wieder zur Besinnung kommen.

Und nun erwarten wir mit Spannung, wie die westlichen Mainstream-Medien diese Geschichte verdrehen.

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Quellen:

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