Ukrainische Realien: die Hölle in Kriwoj Rog

 

Украинские реалии: ад в Кривом Роге, übersetzt von Anastasia

Die postmajdanische Realität des europaorientierten Kriwoj Rog erschreckt jeden fremden Beobachter. Eine ununterbrochene Trauer wegen der gefallenen in ATO, extrem schlecht bezahlte Arbeit bei den Industrie-Giganten und furchtbare Armut, vor der man sich nicht retten kann, selbst wenn man eine Arbeit hat. Vor diesem Hintergrund gibt es patriotischen Wahnsinn bei der einen Hälfte der Einwohner und eine Massenflucht bei der anderen. So fand ein russischer Korrespondent von „Kommersant“ Kriwoj Rog vor.

Kriwoj Rog scheint halbleer zu sein: nur wenige Menschen und Autos, die Passanten lächeln nicht, oft trifft man auf Männer in Uniform – Kriwoj Rog ist voll Besorgnis und Trauer. Mindestens einmal im Monat kündigt der örtliche Fernsehsender Trauertage an, Benachrichtigungen über die gefallenen (ehemaligen) Bewohner kommen täglich. Beerdigungsattribute (Kränze, Grabsteine usw.) werden verkauft überall in der Stadt. Der Zentralfriedhof spendete für die Allee der Helden einen asphaltierten Weg: frische Hügel sind mit Papierblumen bestreut, von den Fotos schauen 20-jährige Jungen und Männer mit ergrauten Haaren an den Schläfen, daneben sind weitere Gruben, in Erwartung neuer Opfer des Krieges.

Die Stadt selbst ist in Armut untergegangen. Die Einkäufe der Einwohner passen in ein kleines Paket oder auf den Boden eines Korbes. Die Stadt könnte man mit einer alten Frau vergleichen, die ein Kleid, das 25 Jahre alt ist abträgt. Diese Stadt ist stehen geblieben in der Zeit und trägt alles ab, was noch in der Sowjetunion entstanden ist. Neu sind Einkaufshäuser, kleine Cafés und viele Banner mit Ratschlägen, wie man sparen kann. Wie man verhindern kann, daß man in seiner Wohnung nicht friert? Man kann die Wände von außen isolieren. Und wenn die Nachbarn sich zusammen tun, dann kostet es auch weniger. Deswegen gibt es überall in der Stadt bunte Isolierungen aus Styropor.

Was unterstützt die Ukrainer? Die Nationalidee. Je schwerer das Leben wird, desto öfter findet man ukrainische Symbolik in der Stadt. Die Kombinationen aus gelb und blau sind hier überall: in der Kleidung, in der Werbung, an den Häusern, an den Denkmälern, an den Sitzbänken. „Kriworoschstalj“ (heute ArselorMittal Kriwoj Rog) – das größte metallurgische Werk der Ukraine, das gleichzeitig Eisen, Stahl und Walz herstellt. Zu Zeiten der Sowjetunion war das der größte Hochofen der Welt (zumindest bei der Einführung). Bei dem Kombinat werden immer Arbeiter gesucht. So verdient ein Kranführer, der während eines Tages an 10 verschiedenen Kränen arbeitet ein Lohn in Höhe von 3-3,5 Tausend Griwni (7-8 Tausend Rubel). Wahrscheinlich suchen Menschen mit solchen Berufen deswegen einen besseren Verdienst in anderen Ländern, z. B. in Russland. Der Zug nach Moskau ist überfüllt. Alle fahren: Männer, Frauen, jung und alt. Manche auf dem Bahnsteig freuen sich künstlich und machen Fotos, die anderen weinen sich die Augen aus: Kinder klammern sich fest an wegfahrende Eltern.