Sachartschenko, Deinego und Puschilin haben eine Falle für Poroschenko aufgestellt

vom Saker

Spitzenfunktionäre Noworossijas aus den Volksrepubliken Donezk und Lugansk (Sachartschenko, Deinego und Puschilin) haben eine gemeinsame Pressekonferenz abgehalten und offiziell verkündet, sie hätten einseitig den Beschluss gefasst, alle Waffen bis zum Kaliber 100mm mindestens drei Kilometer von der Kontaktlinie zurückzuziehen (Waffen größerer Kaliber sollten bereits in Folge der Minsker Vereinbarungen (M2) zurückgezogen sein; Noworossija hat sich daran gehalten, die Junta in Kiew nicht). Davor hatte Noworossija bereits eine ähnliche einseitige Handlung mit dem Rückzug aller Kräfte über einen Kilometer fort von der Stadt Schirokino vorgenommen. Wie vorhersagbar erwiderten die Ukronazis diesen Zug nicht und blieben in ihren Stellungen (aber wagten es auch nicht, nach Schirokino vorzudringen, soweit ich weiß).

Diesmal erwiderten die Ukronazis die „neue Geste guten Willens“ aus Noworossija, indem sie die Stadt Donezk in zuvor nie gekanntem Ausmaß mit Artillerie beschossen, die ganze Nacht lang.

Also was passiert hier? Sind die Leute Noworossijas plötzlich verrückt geworden?

Ganz und gar nicht.

Tatsächlich haben sie eine sehr elegante Falle für Poroschenko und seine westlichen Hintermänner aufgestellt. Und so funktioniert sie.

Die politische Ebene

Auf der politischen Ebene schlucken die Noworossijer enorme Kröten, um jedem, der bereit ist, zuzuhören, zu beweisen, dass sie sich wirklich an alle Vorgaben aus M2 halten. Das Problem ist natürlich, dass im Westen niemand bereit ist, zuzuhören. Daraufhin verfielfachen die Noworossijer ihre Initiativen, um es den westlichen Führern immer schwerer zu machen, die Tatsachen vor Ort zu ignorieren, die einfach sind: die Junta hat nicht einmal angefangen, M2 einzuhalten, während Noworossija sich daran hält. Sobald Sachartschenko, Deinego und Puschilin ihre Erklärung abgegeben hatten, hat Lawrow Steinmeier angerufen, um zu betonen, dass Noworossija alles tut, was es kann, und dass nun Druck auf Poroschenko ausgeübt werden sollte, Gleiches zu tun. Jetzt weiß Lawrow natürlich, dass Steinmeier eine US-Marionette ist und seine Befehle von Onkel Sam erhält, und, mehr noch, Lawrow weiß ebenso, dass Poroschenko M2 nicht umsetzen kann, aber da M2 nun einmal unterschrieben ist, tun die Russen nun so, als könnten die Ukrainer sich an die Vorgaben halten und sie stellen sicher, dass sie selbst und ihre BRICS/SCO-Verbündeten wie ein Mantra wiederholen, „die Vereinbarungen von Minsk 2 sind der einzige Weg, diesen Konflikt zu lösen“. In Wirklichkeit ist M2 der beste Weg, einen Regimewechsel in der Ukraine zu erreichen. Warum?

Weil Poroschenko, obwohl er keinen der Punkte von M2 umgesetzt hat, dennoch bereits offen vom Rechten Sektor und den verschiedenen Ukronazi-Parteien angegriffen wird, weil er die Oligarchen und Noworossija nicht entschieden bekämpft. Die Lage in der Westukraine ist inzwischen todernst und Dmitri Jarosch hat das Regime in Kiew offen „Verräter“ genannt und die zahlreichen Ukronazi-Todesschwadronen zur Rebellion und zur Verweigerung der Befehle Poroschenkos aufgerufen.

Poroschenko würde allzugern seinen Patriotismus durch die Auslösung eines weiteren großformatigen Angriffs auf Noworossija beweisen, aber das Problem ist, dass er bereits die letzten beiden Male gescheitert ist, und dass Noworossija jetzt viel stärker ist, als es war.

Der militärische Aspekt

Obwohl nur eine tatsächliche Wiederaufnahme der Feindseligkeiten auf voller Breite diese Hypothese überprüfen könnte, gibt es recht deutliche Hinweise, dass der Übergang von einer dezentralisierten Miliz zu einer vereinten regulären Armee in Noworossija erfolgreich vollzogen wurde. Das bedeutet, sie können potentiell von taktischen Siegen zu Gegenangriffen auf operativer Ebene übergehen, und stellen damit ein größeres Risiko für das Regime in Kiew dar. Sie haben erkennbar genug Männer unter Waffen und sie geben offen zu, ihre Ausrüstung sei „angemessen“. Hoffentlich sind das Kommando und Kontrolle ebenfalls (die schrecklich zu sein pflegten). Noch aussagekräftiger ist die Tatsache, dass alle Anführer Noworossijas sher zuversichtlich sind, was ihre Fähigkeit angeht, nicht nur einen Angriff der Ukronazis zurückzuschlagen, sondern einen Gegenangriff zu führen und größere Verluste zuzufügen. Sachartschenko hat dies mehrmals offen gesagt. Die Zeit war immer auf Seiten Noworossijas, und jetzt macht sich dies endlich bezahlt.

Die Zuversicht in Noworossija zeigt sich am klarsten in der Tatsache, dass sie, obwohl ihre Aufklärung festgestellt hat, dass gegenwärtig 70 000 Soldaten der Junta mit Unterstützung schwerer Rüstung und Artillerie entlang der ganzen Kontaktlinie stehen, ihren einseitigen Rückzug durchgeführt haben. Außerdem hatten die Noworossijer reichlich Zeit, das Gelände entlang der wahrscheinlichen Angriffsachsen der Juntakräfte sorgfältig vorzubereiten, die, falls sie angreifen, vorsichtig in sorgsam vorbereitete Feuertaschen gelenkt und zerstört werden dürften. Ich nehme ebenfalls an, dass die Noworossijer ihre Beweglichkeit und ihre Feuerkoordination dramatisch verbessert haben, was es ihnen viel leichter machen wird, sich einer angreifenden Truppe entgegenzustellen.

Die Wirklichkeit sieht also so aus: Noworossija geht mit seinen einseitigen Handlungen nicht wirklich ein großes Risiko ein. Tatsächlich haben sie gute politische PR und solide militärische Taktik sehr schön miteinander kombiniert.

Poroschenkos Dilemma

Poroschenko ist in einer schrecklichen Lage. Die ukrainische Wirtschaft ist eigentlich tot. Es gibt nichts mehr zu verwerten, ganz davon zu schweigen, die Tendenz umzukehren und die niederschmetternde wirtschaftliche Krise zu überwinden. Der Rechte Sektor ist bewaffnet und sehr, sehr zornig. Die Leute in der Westukraine denken schon ernsthaft darüber nach, ihren eigenen besonderen Autonomiestatus zu verlangen. Was Odessa angeht, mit Saakaschwili am Ruder und der Tochter von Igor Gaidar als stellvertretender Gouverneurin, das wird unvermeidlich explodieren, ganz besonders, weil die USA offiziell ihre Gehälter zahlen.

Wenn Poroschenko die Rada betritt, muss er „hart“ wirken, d.h., er muss genau das Gegenteil dessen sagen, was er nach Minsk2 zu tun verpflichtet ist. Aber seit sogar das Weiße Haus M2 die einzige Lösung genannt hat, befindet sich Poroschenko in der verrückten Lage, tagsüber wie ein Friedensbringer aussehen und nachts die irren Befehle Nulands ausführen zu müssen.Mittlerweile hat sich Poroschenko vermutlich bereits ausgerechnet, dass er von den USA sowohl als Spielfigur als auch als Sündenbock benutzt wird: wenn er gezwungen wird, einen Angriff auf Noworossija zu befehlen, und dieser unvermeidlich fehlschlägt, wird er an allem schuld sein. Warum würden die USA Poroschenko befehlen, anzugreifen, obwohl ein solcher Angriff sicher in einer weiteren Niederlage enden wird? Aus zwei Gründen: der (inzwischen recht hypothetischen) Hoffnung, dass Russland eingreift, und weil das der perfekte Weg ist, Poroschenko los zu werden. Es ist nicht allzu überraschend, dass Poroschenko sich nicht danach sehnt, die Macht zu verlieren und, wahrscheinlich, zu sterben, also tut er sein Bestes, diesen dramatischen Schritt zu vermeiden, während er Donezk und die übrigen Städte des Donbass weiter mit Granaten beschießen lässt, nur um seinen Patriotismus und seine „Tapferkeit“ zu beweisen. Das Problem mit dieser „Lösung“ ist nur, dass diese Art von Beschuss „nichts“ bewirkt, um die Streitkräfte Noworossijas zu schwächen, aber dazu dient, das Volk von Noworossija weiter zu erzürnen.

Wenn der Angriff kommt

Was wird also geschehen, wenn der vermutlich unvermeidliche Angriff kommt? Mein Tipp ist, dass die Noworossijer ihm schnell und wirkungsvoll entgegnen und unmittelbar eine Gegenoffensive beginnen, vermutlich in Richtung Mariupol und/oder Slawjansk. An diesem Punkt wird die Junta wieder durchdrehen und ihre westlichen Herren anbetteln, die Noworossijer aufzuhalten (genau das, was vor Minsk 1 und 2 passiert ist). Obama und Kerry werden vermutlich den Nerv haben, Russland wieder für alles zu beschuldigen, aber in Europa werden die Eliten in den Panikmodus verfallen, nicht nur, weil „ihr“ mann offenbar derjenige war, der Minsk2 verletzt hat,und derjenige, der den Angriff begonnen hat, sondern ebenso, weil sie sich vor der möglichen Tiefe des Gegenangriffs Noworossijas fürchten (ihre größte Angst ist ein Küstenkorridor bis zur Krim). Erinnert ihr euch an die Reise von Sarkozy nach Moskau 2008, um die Russen anzuflehen, nicht nach Tiflis vorzudringen? Ich wäre nicht überrascht, wenn wieder etwas Ähnliches passieren würde (mit Merkel oder Hollande in der Rolle von Sarkozy). Und abermals wird Putin den Noworossijern vermutlich befehlen, Halt zu machen, aber das Gebiet, das sie eingenommen haben, bleibt in ihrer Hand, wie in Debalzewo. Alle müssten das akzeptieren, wenn auch widerwillig. Zu diesem Zeitpunkt würde ich einen völligen Zusammenbruch des Regimes in Kiew erwarten. Wer könnte es dann ersetzen?

Regimewechsel gewiss! Aber wogegen?

Hier sehe ich nur zwei Möglichkeiten. Die erste ist ein Militärputsch, um die „Ukraine zu retten“ und „den Frieden wieder herzustellen“. Das wäre das faktische Ende des gesamten ukrainischen Experiments und die grundlegende Anerkenntnis des Putin-Plans: eine dezentralisierte, einige und neutrale Ukraine mit einem in der Verfassung garantierten Recht auf Selbstbestimmung. Die andere Möglichkeit ist ein offenes Nazi-Regime der Bandera-Freaks wie dem Rechten Sektor und den verschiedenen Todesschwadronen. Der Aufstieg der wahrhaftigen Nazis wird natürlich nur den Prozess des Auseinanderbrechens der Rumpfukraine wieder anlaufen lassen, der , aus russischer Sicht, ein vorübergehend akzeptables Ergebnis darstellt. Russland kann kein einiges, dauerhaftes, russophobes „Banderastan“ an seinen Grenzen haben, aber ein Zerbrechen der Ukraine in mehrere „Herrschaftsgebiete“ unterschiedlicher Ukronazi-Gangs stellt für Russland keinerlei Gefahr da. Ich würde meinen, das schlimmste Regime für Russland (und für Noworossija, natürlich) ist das, was wir jetzt haben: eine einige Ukraine, die von einem völlig unmoralischen und rückgratlosen Oligarchen regiert wird, an allen Schlüsselpositionen von Nulands Günstlingen umgeben, mit der offiziellen Anerkennung durch EU/IWF/WB etc. Diese Konfiguration hat das größte Potential, Russland zu bedrohen, und tatsächlich ermordet sie täglich Menschen in Noworossija. Aber wenn die Ukraine dem lybischen oder irakischen „Demokratiemodell“ folgt, dann wird sie ein weit größeres Problem für die EU als für Russland.

Putin und Sachartschenko haben alle Zeit der Welt

Die „Ukronazi Ukraine“ hat bis jetzt bereits genug selbstzerstörerischen Schwung, dass Putin und Sachartschenko sich zurücklehnen können und warten. Sie müssen jetzt gar nichts Anderes tun als sich für den sehr wahrscheinlichen und verzweifelten Selbstmordangriff der Junta gegen Noworossija vorzubereiten. Sollte das geschehen, wird Noworossija zum Gegenangriff bereit sein und schnell, und so tief wie möglich ,und dann wieder anhalten und das Mantra von vorne beginnen „wir unterstützen die territoriale Einheit der Ukraine“, während sie denken „aber wir können nichts dafür, wenn das verdammte Ding in Stücke fällt“. Obama und Kerry werden natürlich erklären, Russland sei an allem schuld, aber wie lang kann jemand jemanden beschuldigen, weil er absolut „nichts“ tut?

Die Menschen in Noworossija haben sie unglücklicherweise nicht

In der schwersten Lage befinden sich bisher die Menschen in Noworossija, die wenig Trost in der netten Theorie finden dürften, dass die Zeit auf „ihrer“ Seite ist, während Granaten in ihren Häusern, Schulen und Krankenhäusern landen. Für sie war jede Minute dieses Schreckens ein Ernstfall, der jetzt aufhören muss. Auch in der Nazi-besetzten Ukraine werden die Dinge jetzt wirklich häßlich. Schaut dieses Video eines berühmten ukrainischen Bloggers, in dem er berichtet, wie die Partei „Ukrop“ („Dill“; von Kolomojskij und Jarosch) versucht, durch die Verteilung von Essen Stimmen zu bekommen.

Das ist erschreckend, oder?

Und es wird noch viel, viel schlimmer. Politisch, wirtschaftlich und sozial ist die Ukraine tot, selbst wenn der Leichnam noch warm ist. Nur ein Regimewechsel, gefolgt von der unvermeidlichen Entnazifizierung, kombiniert mit einem langfristigen größeren internationalen Stabilisierungs- und Investitionsprogramm könnte, vielleicht und langsam, es der Ukraine erlauben, zu einem Rest von Normalität zurückzukehren. Da ein solches Ergebnis für das AngloZionistische Imperium absolut inakzeptabel ist, wird die Ukraine weiterhin ein „schwarzes Loch“ wie der Kosovo, Libya und Somalia sein – ein gescheiterter Staat in erbärmlicher Armut, regiert von Strolchen und Mafia-Dons. Aus diesem Grund ist ein Zerbrechen des Landes in mehrere kleinere Einheiten vermutlich für alle die am wenigsten schlechte Lösung, besonders für die Ukrainer selbst.

Eine große Explosion oder mehrere kleine?

Was, wenn man euch vor die Wahl stellte, entweder in Raum A zu sein, wo 100 Gramm TNT auf einmal gesprengt werden, oder in Raum B, wo fünf mal je 20 Gramm TNT nacheinander gesprengt werden, wobei einige davon gar nicht explodieren würden?Die Wahl ist offensichtlich, oder? Das Gleiche gilt für die Ukraine.

Es mag weit weniger Gefahr für den gesamten Kontinent bedeuten, würde man es der Ukraine gestatten, in mehrere Teile zu zerbrechen (Donnbass, Zentral-, Süd- und Westukraine beispielsweise).und für die örtliche Bevölkerung mag das ebenfalls besser sein. Zum Einenn sind Teile davon weit brauchbarer als andere. Sie sind auch sehr verschieden. Und da die Ukraine in ihren jetzigen Grenzen eine Schöpfung Lenins und Stalins ist und keinerlei historische Grundlage hat, könnte ein Zerbrechen ein weit sichererer und natürlicherer Prozess sein als die verzweifelten Versuche, dieses künstliche Wesen am Leben zu halten. In ideologischen Begriffen ist die Ukraine eine fantastische Idee: ein großer, virulent anti-russischer Staat, der den Rest Europas vor den russischen Horden ‘schützt’. Großartig! Aber sobald man die praktische Seite eines solchen Projekts betrachtet, wird es sofort klar, dass es eine verrückte Idee ist, die im kranken Geist der wüst russophoben westlichen religiösen und politischen Eliten geboren wurde. Die einzige Frage ist die: werden die westlichen Plutokraten zustimmen, das Ungeheuer, das sie geschaffen haben, aufzugeben? Die Zukunft Russlands hängt nicht an dieser Antwort; aber die Zukunft Europas tut es vermutlich.

Der Saker

Die Pressekonferenz von Sachartschenko, Deinego und Puschilin am 18.07.2015: