Nazis, NATO und die Farbrevolutionen /Teil 5

The Guns of August: Nazis, NATO and the Color revolutions

Erster, zweiter, dritter und vierter Teil der Übersetzung

Kapitel 8
Aus dem Untergrund ans Tageslicht: die Methodologie der Farbrevolutionen

Selbst während des Kalten Krieges erkannte die Gemeinschaft der amerikanischen Militärs und Nachrichtendienstler an, dass ein Kampf mit der Sowjetunion mit militärischen Mitteln nicht die gewünschten Ergebnisse zeitigen würde: Die Ereignisse in Ungarn 1956 und der Prager Frühling 1968 hatten dies bewiesen. Natürlich erzeugten die CIA, WACL, ABN, Freedom House, National Endowment for Democracy und eine ganze Batterie von US-amerikanischen Nicht-Regierungs-Organisationen aktiv Propaganda und führten verdeckte Aktionen durch. Schrittweise wurden Handlungen, die nicht Krieg waren, und „friedliche“ Methoden des „Regimewechsels“ systematisiert. Die Dinge, die zuvor CIA, NATO, die Organisation Gehlen, WACL und ABN getan hatten, wurden nun durch Nicht-Regierungs-Organisationen und Forschungseinrichtungen erledigt. Im September 1991 beschrieb der einflussreiche Kommentator der Washington Post, David Ignatius, diesen faszinierenden Prozess in seinem Artikel „Unschuld im Ausland: die neue Welt der Putsche ohne Spione“.

Verdeckte Operationen, um Regierungen zu stören und auszutauschen, haben einen großen Nachteil – sie sind von Natur aus heimlich. Wenn die amerikanische Öffentlichkeit von ihnen erfährt – und es ist schwer, im Informationszeitalter Informationen zu verbergen – dann ist Kritik unvermeidlich. Die CIA wird regelmässigen „Säuberungen“ ihrer Reihen unter den wachsamen Augen des Kongresses und einer progressiven Gesellschaft unterzogen- ein hoher Preis für einen gut erledigten Auftrag. Es wurde bald offensichtlich: wenn das Selbe offen getan und als „Förderung von Freiheit und Demokratie“ verkauft wird, dann wird die Öffentlichkeit nicht nur nicht widersprechen, sie wird sogar helfen. Die Offenheit der Handlungen, um Regierungen auszutauschen, gibt ihnen Legitimität.

Strassenaufstände und Protestdemonstrationen mögen spontan aussehen. Aber hinter all dem Chaos auf den Straßen ist eine gut ausgedachte, präzise orchestrierte, systematische Organisation und Methodologie. Wie es Srdja Popovic, eine der Gründerinnen der Jugendorganisation Otpor, feststellte, die eine entscheidende Rolle in der serbischen Revolution spielte: „Es war interessant, zu hören, dass diese ganze Wissenschaft hinter dem steckte, was wir auf die harte Weise lernten.“

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Gene Sharp, Foto von der Webseite der Einstein Institution

Die Methodologie der Farbrevolutionen erwuchs aus der Arbeit einer Person, die der allgemeinen Öffentlichkeit beinahe unbekannt ist und die ein Idol der Mitglieder der Opposition in allen Ländern ist, Gene Sharp. Diese Ikone ist 80 Jahre alt und geht am Stock. Aber im Juni 2007 wurde ihm von Hugo Chavez öffentlich vorgeworfen, Unruhen in Venezuela organisiert zu haben, worauf er mit einem offenen Brief erwiderte, in dem er Chaves riet, sein Buch The Anti-Coup (der Gegenputsch) zu lesen, wenn er sich Sorgen mache, gestürzt zu werden. Im September 2008 veröffentlichte das Wall Street Journal auf der Titelseite einen Artikel über Gene Sharp unter der Überschrift „Amerikanischer Revolutionär: der ruhige Bostoner Gelehrte inspiriert Rebellen rund um die Welt.“ Sharp fand die Inspiration für die Organisation von Aufständen und Putschen… in Mahatma Gandhis Philosophie der Gewaltlosigkeit.

Sharps Buch, From Dictatorship to Democracy: a Conceptual Framework for Liberation (deutscher Titel: Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leitfaden für die Befreiung) hat eine Menge Aufmerksamkeit erfahren. Diese 90-seitige Broschüre wurde die Bibel und das Handbuch für Bewegungen gegen die Regierung in Vietnam, Burma, Zimbabwe, Tibet, Iran – wie auch in Serbien, der Ukraine, Georgien und Kirgistan. Dieses Buch wurde in 39 Sprachen übersetzt, von Amhari (von 6 bis 100 Millionen Menschen in Äthiopien gesprochen) bis Farsi und Tibetisch – und natürlich in alle Sprachen der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten.

Gene Sharp, ein Doktor der politischen Wissenschaften, der 30 Jahre auf einer Forschungsstelle der Harvard University verbracht hat, begann, seine Methodologie in den 1960ern zu entwickeln. 1973 veröffentlichte er sein 902-seitiges Grundlagenwerk, Politics of Nonviolent Action (nicht übersetzt). 1983 gründete Gene Sharp die Albert Einstein Institution. Einsteins Name wurde verwandt, weil der große Physiker „das Potential des gewaltfreien Kampfes hoch schätzte“, und in einer UN-Radioansprache 1950 Gandhi „den erleuchtetsten Politiker unserer Zeit“ nannte.

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Gene Sharp, Bild aus dem Dokumentarfilm “Revolution.com”

Sharps theoretische Arbeiten wurden durch spezifische Leitfäden zum Handeln ergänzt. Die Broschüre 198 Methods of Nonviolent Action beschreibt eine große Bandbreite von Methoden: öffentliche Reden; Briefe von Opposition oder Unterstützung; Gruppen- oder Massenpetitionen; kreativere Methoden, wie die Organisation von Spottpreisen und Spottwahlen; Schreiben an den Himmel oder auf die Erde; neue Zeichen und Namen, Offizielle „heimsuchen“, Mahnwachen, Demonstrationen, Gebete, Nacktheit als Protest, Hungerstreik, „satayagraphisches“ Fasten, Zerstörung eigenen Besitzes. Der Abschnitt „Die Methoden der gewaltfreien Intervention“ erwähnt jedoch „sich selbst den Elementen aussetzen (Selbstverstümmelung, Ertränken etc.)“, „gewaltlose Invasionen (?)“ und „gewaltlose Luftangriffe (?)“.

Sharp erscheint nicht in der Öffentlichkeit und gewährt selten Interviews. In der Dokumentation „Revolution.com. USA. Die Eroberung des Ostens“ lässt er seine Maske fallen und verrät Details über die Organisation der Revolution in Serbien, die die erste einer Reihe von „Farbrevolutionen“ wurde.

„Die Mitglieder der Opposition in Serbien „erweichten“ absichtlich Militär und Polizei, um sie bei der Repression weniger gewalttätig zu machen, als der Widerstand aktiv wurde. Zwei Jahre ehe Milosevic gestürzt wurde, fingen an, 14-15-jährige Jungs und Mädchen der Polizei von zu Hause Geschenke zu schicken. Verschiedene kleine Dinge – Essen, was immer sie konnten – um ihre Moral und ihre Loyalität zu Milosevic zu schwächen. Und dann wurden, weiss ich, ziemlich ernste Bemühungen unternommen, um in Kontakt mit der Führung der Polizei zu kommen, damit die Polizei die Demonstranten, wenn sie herauskämen, passieren lassen würde.“

Die Mittel zur Errichtung von Sharps Institution wurden durch den Finanzier Peter Ackerman gestellt, der Millionen an der Wall Street verdient hatte. Davor hatte er unter Sharps Anleitung seine Dissertation geschrieben – und dem Professor seine Unterweisung mit Zinsen vergolten. 2002 eröffnete Ackerman seine eigene Organisation in Washington – das Internationale Zentrum für Gewaltlosen Konflikt. Ackerman ist ein Soros im Kleinformat. Sein Beispiel zeigt, wie das amerikanische System Millionäre und Milliardäre erzeugt, die, nachdem sie komfortable Geldbeträge verdient haben, ihre Bemühungen darauf richten, die Welt zu verändern – im Interesse Amerikas, versteht sich.

Das National Endowment for Democracy (NED) ist der Patron und Hauptfinanzier für die „Demokratisierung der Welt“, d.h. für die Veränderung der verfassungsmässigen Ordnung in Ländern, die den Vereinigten Staaten im Weg stehen. Das NED wurde 1982 auf Bitten Präsident Reagans vom Kongress eingerichtet, als Mechanismus, um Mittel unter Organisationen zu verteilen, die in unterschiedlichen Ländern Demokratisierungsprogramme ausführen. Das NED erhält ein jährliches Budget von der Agentur für internationale Entwicklung des State Department. Ein kleiner Teil seiner Mittel – weniger als ein Prozent – kommt aus privaten Quellen, um seinen Status als „Nicht-Regierungs-Organisation“ zu rechtfertigen. Die Aufsicht über das NED im State Department führt unsere alte Freundin Paula Dobriansky, und ihr Ministerialdirektor für Demokratie, Menschenrechte und Arbeit, Barry Lowenkron, ist direkt dafür verantwortlich.

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Poster im New Yorker Büro von Freedom House: eine Übersicht der Farbrevolutionen

Die Aufgabe des NED ist, laut seiner Webseite, „demokratische Institutionen weltweit durch zivilgesellschaftliche Bemühungen zu stärken“. Diese Aufgabe wird „durch den Glauben“ angetrieben, „dass Freiheit ein universelles menschliches Sehnen ist, dass durch die Entwicklung demokratischer Institutionen, Verfahren und Werte verwirklicht werden kann“, wie es die Gründer der amerikanischen Nation formulierten.

Das NED hat vier Hauptkanäle, durch das Mittel vergeben werden: das Internationale Republikanische Institut und das Nationale Demokratische Institut für internationale Angelegenheiten kümmern sich jeweils um die politischen Initiativen der Republikaner und Demokraten. Das Zentrum für Internationales Privatunternehmertum (CIPE) und das amerikanische Zentrum für internationale Arbeitssolidarität führen wirtschaftsorientierte Projekte durch; das erstere folgt einer liberalen Marktorientierung des republikanischen Stils, und das letztere arbeitet mit sozial orientierten Projekten im Stile der Demokratischen Partei. (A.d.Ü. hier kann man eindeutig das Vorbild wiedererkennen: die deutschen Parteistiftungen).

Als Dachorganisation erleichtert diese Stiftung die Finanzierung hunderter Organisationen enorm, die andernfalls einen schwierigen bürokratischen Prozess zur Erlangung von Regierungsmitteln durchlaufen müssten. Die Stiftung, die für Zwecke des Kalten Krieges eingerichtet wurde, hat seit seinem Ende an Bedeutung und Ausstattung gewonnen: das Internationale Republikanische Institut allein führt zur Zeit Programme in siebzig Ländern durch.

Das NED arbeitet als vielfältige Verrechnungsstelle, um die Infrastruktur der Demokratie zu errichten: es verschafft Mittel; technische Unterstützung; Ausbildungsprogramme; Technologie zur Kommunikation mit den Medien und der Öffentlichkeit; und für ausgewählte politische Gruppen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Gewerkschaften, Dissidentenbewegungen, Studentengruppen, Verleger, Zeitungen und andere Medien neueste und beste Ausrüstung. Das NED vergibt seine Mittel entweder direkt an die Empfänger oder durch eine Finanzierungskette, die manchmal so lang ist, dass es schwer fällt, die Regierung als Quelle der Finanzen zu identifizieren.

1996 pries die Führung der konservativen Heritage Foundation das NED überschwenglich als „wertvolle Waffe im internationalen Krieg der Ideen.. indem es die Entwicklung stabilder Demokratien, die in strategisch wichtigen Erdteilen den USA freundlich gesonnen sind, fördert.“ Und zuversichtlich fuhr sie fort: „Die USA können es sich nicht leisten, derart wirkungsvolle Instrumente der Aussenpolitik zu einer Zeit aus der Hand zu geben, da amerikanische Interessen und Werte rund um die Welt fortgesetzten ideologischen Angriffen aus einem weiten Spektrum antidemokratischer Kräfte ausgesetzt sind.“

Sobald der Wind der Veränderung in den 1980ern zu wehen begann, nahm das NED die Unterstützung der Solidarnosz und anderer ähnlicher Parteien in Osteuropa auf. In den 1990ern finanzierte das NED hunderte Projekte in Russland und dem postsowjetischen Raum – sowohl direkt als auch durch dutzende verbundener Organisationen. Gegen Ende der 1990er begann das NED, die Farbrevolutionen zu finanzieren.

Gemeinsam mit der US-Regierung und verbundenen Institutionen, finanzierte der Milliardär George Soros die Förderung der Demokratie in der Welt und insbesondere in Osteuropa. Soros gründete seine erste Stiftung, den Open Society Fonds, 1979. Die durch Aktivitäten des Fonds abgedeckte Fläche wuchs exponentiell: 1984 – Ungarn, 1986 – China (endete 19899, 1987 – die Sowjetunion; 1988 – Polen; 1989 – Tschechoslowakei; 1990 – Bulgarien, Estland, Litauen, Rumänien und Ukraine; 1992 – Albanien, Weissrussland, Bosnien und Herzegowina, Kroatione, Tschechische Republik, Lettland, Mazedonien, Moldawien, Slowakei, Slowenien; 1993 – Kasachstan, Kirgistan, Südafrika; 1994 – Georgien; und 1995 – Haiti. Der bedeutende Einfluss und die Ressourcen von Soros spielten eine wichtige Rolle bei den Vorschriften und der Umsetzung der „Schocktherapie“ in Russland Anfang der 1990er.

Ein Beispiel dafür war der überwältigende Erfolg der Open Society Stiftung Georgien unter der Führung von Alexander Lomaia, einer der Schlüsselfiguren beim Sturz Eduard Schewardnadses. Gemäß seiner offiziellen Biografie trug Lomaia, von 2002 bis 2003 Regionaldirektor für den postsowjetischen Raum der demokratischen Koalition der Soros-Stiftung, „dazu bei, ein Bündnis der jüngst unahbhängigen Staaten zu schaffen, um aktive demokratische Reformen zu fördern.“ Diese nationalen Koalitionen sollten „Druck auf ihre Regierungen ausüben und fordern, dass sie die demokratischen Verpflichtungen erfüllen, die sie mit der Unterzeichnung der Warschauer Erklärung 2002 eingegangen waren.“ Das Projekt hatte ebenfalls das Ziel, „demokratische Werte in die Aussenpolitik dieser Staaten zu integrieren.“ „Die Schaffung eines internationalen Zusammenschlusses der nationalen Bündnisse, die gemeinsam demokratische Reformen in der internationalen Arena durchführen,“ wurde als eine von Lomaias Errungenschaften benannt.

Von 2003 bis 2004, also in der Zeit, als die Rosenrevolution aktiv vorbereitet und durchgeführt wurde, führte Lomaia die Open Society Stiftung in Georgien. In der Regierung Saakaschwili hatte er die Stellung eines Kulturministers inne (2004-2007). Und im November 2007 – als die Vorbereitungen für die bewaffnete Intervention in Südossetien und Abchasien getroffen wurden – verwandelte sich Lomaia übergangslos vom Kulturminister in den Sekretär des nationalen Sicherheitsrats Georgiens.

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Alexander Lomaia, Soros´ Vertreter in Georgien

In der französischen Fernsehdokumentation deutet Eduard Schewardnadse auf ein Foto, das ihn mit George Bush zeigt, und redet hilflos über die Leute, die den Regimewechsel organisierten, der ihn aus dem Amt trieb:

„… jugne Leute, von denen viele, da bin ich mir völlig sicher, gekauft waren. Der berüchtigte Soros hat dabei eine große Rolle gespielt. Aus irgendeinem Grund war er daran interessiert, die Führung auszutauschen… Es gab keine Revolution – das war nur ein ordinärer Putschversuch.“

Im Sommer 2008 war Soros damit beschäftigt, seine Akrivitäten in Russland wieder hochzufahren. Open Society suchte einen „Programmkoordinator“, dessen Pflichten „die Verteilung von Miteln in Russland“ umfassen würden, „… Aufsicht über und Verbindung zu nationalen Stiftungen in Zentral- und Osteuropa; die Bewertung von Bewerbungen russischer und anderer nicht-gewinnorientierter Organisationen; und die genaue Überwachung der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lage in der Region.“

Inzwischen arbeiteten die Zweige der Soros-Stiftung in Polen, Litauen und der Ukraine aktiv an der Lage in Weissrussland.

Der Westen nutzt meisterhaft die Institution der Nicht-Regierungs-Organisationen, die in Wirklichkeit als verlängerte Arme der Regierung fungieren. Es ist ihre Rolle, jene Funktionen zu erfüllen, die Regierungsagenturen (wie die CIA) nicht erfüllen können, während sei als Intiativen der Zivilgesellschaft und demokratischer Ausdruck des Willens einer interessierten Öffentlichkeit dargestellt werden.

Angesichts der idealistischen Sicht der amerikanischen Bevölkerung und ihrem Wunsch, die Freiheit in die Welt zu tragen und als „Leuchtturm für die freiheitsliebenden Völker der Welt“ zu dienen, ist die „Förderung der Demokratie“ eine höchst erfolgreiche und wirkungsvolle Formel, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Vereinigten Staaten auf der Welt voranzutreiben. So werden mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllt: der Gesellschaft wird der Dienst an hohen Idealen zum Ausgleich für den großzügigen Verbrauch materieller Güter vorgeführt; die enorme Energie der Zivilgesellschaft wurd genutzt, um die Politik durchzusetzen, und möglicher Widerstand gegen die Mittel, die für die Demokratisierung der Welt eingesetzt werden, wird durch die „Rechtfertigung durch das Ziel“ verhindert.