Ein deutscher Held

Zum 70. Geburtstag von Rainer Rupp

Von einer inzwischen vergangenen Episode auf einem Teilgebiet abgesehen, hat dieses Land sich stets getreulich daran gehalten, jene Menschen, die wirklich in seinem Interesse gehandelt haben, einzusperren oder zu verjagen. Im Falle von Rainer Rupp ist das nicht anders.

Auch wenn Rupp eigentlich für seine Tätigkeit für das MfS unter dem Decknamen „Topas“ das Bundesverdienstkreuz angetragen hätte werden müssen (ich gehe mal davon aus, dass er es  abgelehnt hätte), statt ihn vor Gericht zu stellen und ins Gefängnis zu stecken. Immerhin, so blieb der Umgang mit ihm wie der mit der gesamten Geschichte der DDR – heuchlerisch und würdelos, von A bis Z.

Rupp war über Jahre hinweg der höchstrangige Spion im Herzen der NATO. 1983, als die USA unter Ronald Reagan die Sowjetunion zum „Reich des Bösen“ erklärten, ist die Welt um ein Haar an einem Atomkrieg vorbeigerauscht. Eine sehr eindringliche Darstellung dazu findet sich in einem Artikel auf Telepolis von 2008, „Die RYAN-Krise“. Nicht nur von russischer, selbst von US-amerikanischer Seite wird mittlerweile bestätigt, dass es die Informationen waren, die Rupp aus dem NATO-Hauptquartier weitergab, die die durch das aggressive Auftreten der USA verursachte Gefahr bannten.

Es gibt wenige Punkte, an denen ich von einem nationalen Interesse sprechen würde, das beide damalige deutsche Staaten und sämtliche darin lebenden Klassen umfasst; nicht zu Asche verbrannt worden zu sein, würde ich unter diesen wenigen Punkten weit oben auflisten.

Es ist schon bezeichnend, dass ein bundesdeutscher Staatsapparat, der so unvergleichlich erfahren im Vertuschen, Verschweigen und Zurechtlügen wirklich ungeheurer Verbrechen ist, umgekehrt aus der Geschichte einer Rettung ein Verbrechen macht. Und aus einem Helden einen Verbrecher.

Es ist eine erleichternde Übung, sich eine deutsche Geschichte ohne Angela Merkel vorzustellen. Eine deutsche Geschichte ohne Rainer Rupp gäbe es nur bis 1983. Das ist das wirkliche Gewichtsverhältnis. Und gleich, was er davor oder danach getan hat – dieser eine Moment (auch wenn es in Wirklichkeit Monate waren) reicht im Normalmaßstab zur Rechtfertigung eines gut, also nützlich verbrachten Lebens mehr als aus.

Anzuerkennen, dass ein Mitarbeiter des MfS tatsächlich im Wortsinne ein ‘Kundschafter des Friedens’ war (wie die offizielle Bezeichnung in der DDR lautete), würde die offizielle Erzählung wohl schon zu sehr in Bedrängnis bringen. Man müsste ja darüber nachdenken, ob nicht tatsächlich die Grenze zwischen den deutschen Staaten einen Beitrag zum Weltfrieden leistete. Und angesichts der Schlächtereien, die die NATO seit dem Verschwinden dieser Grenze angerichtet hat und anrichtet, wird diese Bedrängnis größer, nicht kleiner. Weshalb kaum davon auszugehen ist, dass sich der bundesdeutsche Staatsapparat einsichtig zeigt und ein Wirken im Interesse der deutschen Nation auch als solches behandelt.

Von dieser Stelle jedenfalls: alles Gute zum Geburtstag, Rainer Rupp! Wir wissen, was wir Dir zu verdanken haben.