Saker Interview mit “Ramzes” – einem GRU Spetsnaz Offizier (1)

Saker interview with “Ramzes” – a Spetsnaz GRU officer

[Anm.d.Ü: GRU: Sowj./russ. Militär Geheimdienst]

Saker: Bitte stellen Sie sich kurz vor und sagen Sie uns, in welcher Brigade Sie gedient haben, welchen Rang Sie dort erreicht haben und was Ihr militärischer Fachbereich war.

Ramzes: Mein Spetsnaz Codename war “Ramzes”. Ich bin in Russland geboren. Ich begann meinen Dienst 1994 and beendete ihn 1999. Ich war für vier Jahre ein Luftwaffen Fähnrich und diente danach für ein Jahr als Offizier im Rang eines Leutnants. Ich diente in der 16. Brigade der GRU Spetsnaz in Chuchkovo. Ich war kommandierender Offizier von 25 Spetsnaz Soldaten. Als Anführer dieser Gruppe war verpflichtend, dass ich ausgebildet und fähig war als Scharfschütze, als Spezialist für Sprengstoffe und Munition sowie Funkkommunikation und auch im Gebrauch der englischen Sprache. Um ein kommandierender Spetsnaz zu sein, muss man in allen relevanten Aspekten der Kriegsführung der gesamten Einheit ausgebildet sein.

In den GRU Sondereinheiten (Spetsnaz) gibt es keine Zugstruktur an sich wie in der regulären Armee; wir operieren als Gruppe und obwohl die Befehlskette respektiert wird, sind alle Mitglieder aktiv in Aufklärung, Planung und Durchführung von Missionen. In den Sondereinheiten kennt jeder die komplette Situation und hat Verantwortung und Gelegenheit, über die Mission nachzudenken, sich jederzeit einzubringen und wenn nötig selbständig zu arbeiten. Jedes Mitglied der Gruppe muss in der Lage sein, unabhängig zu handeln ohne direkten Befehl und dabei den vollen Umfang der Mission zu wissen. Sie können sich alle zur Situation äussern, sie einschätzen und ihre eigene Sicht zur Durchführung beitragen. Als Anführer höre ich mir jeden an und treffe die endgültige Entscheidung. Das macht die Spatsnaz effektiver.

Saker: Es gibt im russischen Militär viele Eliteeinheiten, einschließlich die SOBR und ODON Einheiten des Innenministeriums, die Alpha und Vympel Spetsnaz des FSB [Anm.d.Ü: ~”russisches FBI”], die 4 Divisonen und 8 Brigaden der WDW [Anm.d.Ü: ~”Fallschirmjäger”], die Spetsnaz der Marine, die “Zaslon” Einheit des SWR [Anm.d.Ü: Auslandsgeheimdienst], etc. Wie würden Sie diese Einheiten im Vergleich zur GRU Spetsnaz sehen?

Ramzes: Anfangs gab es Spetsnaz nur beim GRU. Die sind die ursprünglichen und manche sagen wahren Spetsnaz. Während der 90er Jahre war der Ruf der Spetnaz im ganzen Land bekannt und sehr respektiert. Zu diesem Zeitpunkt haben alle Kräfte ihre eigenen Sondereinheiten gegründet, um von der Reputation und dem Elite Status der ursprünglichen GRU Spetsnaz zu profitieren. Eben genau diese Bezeichnung Spetsnaz wurde der gängige Begriff für Eliteeinheiten in den verschiedenen Militär und Sicherheitsorganisationen.

Wenn man heute sagt, dass man ein Spetsnaz ist, ist damit mehr Verantwortung verbunden, einer gewissen Reputation zu entsprechen, weil die Situation (der Spetsnaz) in Russland ausgesprochen weiter entwickelt und fähiger ist im Vergleich zu den 90er Jahren.

Ursprünglich war das wesentliche Handlungskonzept der Sondereinheiten, unsere Missionen auf feindlichem Gebiet auszuführen. Mittlerweile gibt es auch heimische Spetsnaz und allerlei Arten von Sondereinheiten, die nicht wie die ursprünglichen Spetsnaz für das Eindringen in feindliches Gebiet ausgebildet wurden.

Als wir ausgebildet wurden, lernten alle GRU Spetsnaz eine oder mehrere wichtige Sprachen. Farsi, Mandarin, Englisch, Arabisch, Französisch. Heute lernen sie mehr Sprachen. Zum Beispiel sprachen unsere Spetsnaz im Afghanistan Krieg fließend verschiedene lokale Dialekte und nach dieser Erfahrung wurde diese Regelung erweitert.

Saker: Es wird oft berichtet, dass es Spetsnaz Einheiten gibt, die nur aus Offizieren und Unteroffizieren bestehen, die für komplexere und schwierigere Einsätze eingesetzt werden. Ist das so und, wenn ja, sind diese Einheiten Teil von Spetsnaz Brigaden oder sind sie direkt dem 5. (oder 8.?) Direktorat des GRU in Moskau unterstellt?

Ramzes: Ich kann nur soviel sagen: Es gibt GRU Spetsnaz Gruppen, die nur aus Offizieren bestehen. Jede Gruppe arbeitet unter dem GRU Direktorat. Natürlich sind die schwierigsten und delikatesten Missionen für Gruppen, die nur aus Offizieren und Unteroffizieren bestehen.

Saker: Soweit ich weiss, war die ursprüngliche Hauptaufgabe von GRU Spetsnaz Kräften die Entdeckung von NATO Raketenstartern und der zugehörigen Kommandoposten, zusammen mit Tiefenaufklärung und Ablenkungsangriffen. Während der Jeltsin Jahre wurden GRU Spetsnaz Kräfte für alles Mögliche eingesetzt, das praktisch nichts mit ihrer ursprünglichen Aufgabe zu tun hatte: Sie wurden als Infantrie genutzt, als Stoßtrupps, als Anti-Terror Einheiten, als Schutzeinheiten für Generäle, etc. Ist das immer noch so und wie sehen Sie die Zukunft der GRU Spetsnaz und welche Missionen würden Sie für sie bevorzugen?

Ramzes: Das Aufspüren von Raketenstartern war nur eines der vielen Aufgabengebiete der GRU Spetsnaz Einheiten. Ich denke, aktive dienende GRU Spetsnaz wurden nie als Sicherheitsleute für Generäle genutzt. Sie hatten andere Einsätze, wie gesagt, immer im Ausland.

Für Sicherheit sind andere Gruppen zuständig, nicht die GRU. Sogar während der Jelzin Zeit wurden GRU Spetsnaz nur für Auslandseinsätze eingesetzt. Der Schutz von Generälen, Stoßtruppen, Anti-Terror Sondereinheiten des Innenministeriums ist Sache der Innenministeriums Spetsnaz, nicht der GRU. Nicht ausschließlich allerdings; es gab einige Fälle, wo die GRU Spetsnaz halfen, wenn es große Anschläge auf heimischem Territorium gab, wie z.B. verschiedene Szenarien in Tschetschenien, aber wie gesagt sehr selten.

Natürlich können GRU Offiziere nach Ablauf ihrer Dienstzeit für das Innenministerium oder andere Einheiten arbeiten, wenn sie das wollen.

Als was ich sie am liebsten eingesetzt sehe – das hängt von der Situation ab, aber natürlich ist der Grundgedanke der, Russland zu schützen.

Saker: Die 16. Spetsnaz Brigade wurde im Kampf in Afghanistan, Tadschikistan, Tschetschenien, dem Nordkaukasus und Abkhazien eingesetzt und Soldaten dieser Brigade dienten auch im Kosovo. Ich habe auch die sehr starke Vermutung, dass die Brigade 1993 nach Moskau reingeschickt wurde, in den Tagen nach dem Ende der Kämpfe um das weisse Haus [Anm.d.Ü: Regierungssitz. Damals Parlamentsgebäude] und den Ostankino Turm. Haben diese Konflikte Änderungen innerhalb der Organisation oder im Training ausgelöst?

Ramzes: Vielleicht ist diese Frage nicht die richtige oder sie ist so formuliert, dass man sie nicht klar beantworten kann. Zum Beispiel die Kriege betreffend hängt es von dem spezifischen Einsatz ab. Es konnte eine Mission in Afghanistan geben, die ein voller Erfolg war und eine in Tschetschenien, die furchtbar daneben ging; das kann man nicht an einer Region oder einem Krieg festmachen sondern nur an der jeweiligen Mission. So betrachtet kann man sagen, dass Afghanistan die reichhaltigste Erfahrung bot, einfach aufgrund der Dauer und der Verschiedenartigkeit der Einsätze. In Tschetschenien gab es zwar einige intensive und schwierige Einsätze, aber die GRU Spetsnaz wurde in diesem Konflickt viel weniger eingesetzt als man allgemein annimmt, weil das ja, wie gesagt, heimisches Territorium war.

Keiner dieser Konflikte führte zu grundlegenden Änderungen in der GRU Spetsnaz, aber die Ausbildung und die Taktiken entwickeln sich immer weiter. Wenn man ein Offizier oder Soldat der Spetsnaz ist, dann hat man ausschließlich die Aufgabe, die russischen Bürger zu schützen und zwar immer. Ich kann persönlich sagen, dass die 16. sehr clevere Soldaten waren, die ihre Situation verstanden und dass die Kommandeure ihren Einheiten niemals befehlen könnten oder würden, Kampfhandlungen gegen Bürger der Russischen Föderation durchzuführen oder Massenkontrolle von russischen Bürgern, besonders die Situation 1993 in Moskau betreffend; in diese Vorfälle waren keine GRU Spetsnaz verwickelt.

Natürlich entwickelt und passt die GRU Spetsnaz ständig Taktiken und Strategien an auf der Grundlage von Erfahrungen. Als ich ein Fähnrich war, lernten wir Dinge, die Fähnriche heute vermutlich nicht lernen, weil sich die Aufgabenstellungen, Erfahrungen, die Technologie, Taktiken und die Geopolitik weiterentwickeln.

Während dem 2. Weltkrieg hatten wir eine bestimmte Taktik und jetzt haben wir verschiedene Taktiken und die Unterschiede sind verständlicherweise beträchtlich. Zum Beispiel bessere Ausrüstung, verbesserte Lageinformationen, Logistik… Die grundlegenden Ideen und Prinzipien sind natürlich die gleichen aber ebenfalls sehr verbessert.

Heute ist natürlich viel mehr Geld als in den 90ern da, um unsere Soldaten besser zu bezahlen und auszurüsten und unsere Technologie ist heute sehr weit fortgeschritten und weitaus besser als damals als ich diente.

Ich bin neidisch, mit welcher Ausrüstung die heute arbeiten. Die GRU Spetsnaz sind heute hochwahrscheinlich weitaus stärker und leistungsfähiger als zu meiner Zeit dort. Aber im Kern haben wir dieselben Ideale und Arbeitsgewohnheiten.