Wie Lawrow den Westen aufgibt

Übersetzung von Listening to Lavrov giving up on the West


Gestern habe ich mit Interesse die Talkshow “Das Recht zu Wissen” angesehen, welches ein einstündiges Interview mit Sergei Lawrow brachte (wer russisch kann, kann es sich hier ansehen). Das war ein interessanter Austausch zwischen Lawrow und fünf russischen Reportern. Nicht wichtig genug um all das ins Englische zu übersetzen, aber ich möchte mich Euch einiges teilen, was ich schon früher bemerkt habe, was hier jedoch sehr deutlich ausgedrückt wurde.

Voraussagbar ging es auch um den Bürgerkrieg in der Ukraine, den Status der Ermittlungen zum Abschuss der MH17, Sanktionen gegen Russland, die Expansion der NATO, die Verhandlungen in Minsk, und Russlands Engagement mit den BRICS-Staaten.

Für all diese Fragen hatten die Fragen und Antworten ein ähnliches Format. Einer der Reporter bittet Lawrow zu kommentieren was wie ein totes Ende aussieht, und Lawrow bestätigt es, sagt “wir haben unser bestes versucht, aber, so leid mit das tut, wir hatten keinen Erfolg”. Was so interessant war, war, dass während die Reporter Erstaunen ausdrückten, dass sich die Sache so weit entwickelt hat, war Lawrows Reaktion “ja, Sie haben recht, das ist wirklich hoffnungslos”. Der Effekt war insgesamt der einer Prüfungskommission, die einen hoffnungslos dummen und unfähigen Studenten beurteilt. Nur dass der “Student” in diesem Fall der ganze Westen ist.

Beispielsweise, zur MH17 drückten die Reporter ihre Verwunderung aus über die Sterilität und Vagheit des kürzlich veröffentlichten Report. Sie bemerkten, dass, während die gesamte westliche Medienlandschaft in Hysterie ausbrach mit Überschriften wie “PUTIN DER TERRORIS!!!” oder “ES REICHT!!!” hatten sie scheinbar alle völlig vergessen, dass die Ermittlungen noch am Laufen sind. Lawrows Reaktion war “Ja, ich stimme zu, wir haben es im UN Sicherheitsrat versucht, wir wollten einen völligen Waffenstillstand mit einer intensiven Untersuchung der Trümmer, wir haben unsere eigenen Informationen weitergegeben, wir sprachen mit den Malaysiern, wir wollten mit den Experten sprechen, aber die verbrachten drei Wochen in Kiew um mit den Junta-Offiziellen zu sprechen, wir haben immer noch Fragen, aber wir sind scheinbar die Einzigen die immer noch an einer vollständigen, transparenten und nachvollziehbaren Untersuchung interessiert sind (kein Zitat, aber sinngetreue Paraphrase, denke ich). Den Sinn, den man einfängt, wenn man das hört, ist “offen, die sind hoffnungslos, was können wir anderes tun?”.

Die Sanktionen betreffend sagten die Reporter, dass viele Länder überrascht gewesen wären über die Geschwindigkeit, mit der Russland sich vom Westen abwendet und Beziehungen mit Asien, Afrika, Lateinamerika und dem indischen Subkontinent aufbaut, und wieder antwortete Lawrow “ja, wir waren sogar selbst verblüfft vom Tempo der Ereignisse, aber wir hatten keine Wahl”.

Das ist nicht die einzige Show, die diese Nachricht sendet. Der Geist, den ich einfange, ist, dass Russland den Westen aufgegeben hat. Sicher, man wird weiter miteinander sprechen, und man wird versuchen, gegen alle Fakten, ein erwachsenes, verantwortliches Verhalten aus westlichen Politikern hervorzulocken, aber niemand in Russland hält da seinen Atem an.

In einer anderen Show (Sonntag Abend mit Wladimir Solowjew) bemerkten die Teilnehmer dass Deutschland die Führung übernommen hatte, was den Druck auf Finnland, die Slowakei und andere Nationen betrifft, die keine weiteren Sanktionen mehr wollten. Auch hier war der Tenor: “Vergesst die Deutschen, die sind hoffnungslos”.

Ich glaube es gibt in Russland ein ehrliches und weit verbreitetes Gefühl von Empörung und Hoffnungslosigkeit gegenüber den EU-Ländern. Was die USA betrifft, so wird sie meist als hasserfüllter messianischer Verrückter angesehen, der alles tun will um Russland zu schaden, in jeder Art in der es kann, egal wie verrückt, absurd, nutzlos und verlogen das ist.

Alles baut sich zu einem Konsens auf, dass, während ein Krieg mit der USA und der NATO natürlich verhindert werden muss, es nichts weiter sonst gibt was man von irgendwelchen Bemühungen gewinnen könnte. Viele Politiker sagen nur “unsere Außenpolitik war viel zu sehr auf den Westen fixiert, und damit muss aufgehört werden – unsere Zukunft liegt anderswo”.

Die letzte Annahme von Sanktionen gegen Russland sind ein perfektes Beispiel dafür. Während ein paar Hardcore pro-US liberale Figuren bedauern, kein Witz, dass französische “blon” Austern nicht mehr in Moskau zu haben sind, sehen die meisten Leute, dass diese Sanktionen ein verschleierter Vorteil sind, weil sie Russland zwingen, die Verbindungen zum Westen zu durchtrennen, etwas was sie glauben man schon viel früher hätte tun müssen. Kurzfristig werden die westlichen Sanktionen ein bisschen “zwicken”, insbesondere bei einigen Hochtechnologiesachen, aber die meisten Leute verstehen, dass zuallererst vom Westen abhängig zu sein in solchen Dingen der wirkliche Fehler war.

Nochmal, das überwiegende Gefühl ist Empörung, Fassungslosigkeit und Ermüdung. Obwohl jemand so diplomatisch wie Lawrow das niemals sagen wird, ist die allgemeine Reation eindeutig “ihr Jungs seid sowohl hoffnungslos als auch auf dem absteigenden Ast. Wir brauchen Euch nicht, auf Wiedersehen”. Das ist ohne Groll gesagt, eher betrübt, wirklich.

Ich glaube nicht, dass die russischen Diplomaten große anti-westliche Erklärungen in der UN oder anderswo machen werden. Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass sondern Indifferenz. Die russischen Offiziellen werden weiter von “unseren Partnern” oder sogar “unseren Freunden”, aber während diese sich schön anhörende Rhetorik fortgesetzt wird, werden die Beziehungen zum Westen schrittweise aufhören, Priorität zu haben, für die russische Diplomatie, die Geschäftsleute, und sogar die Öffentlichkeit generell. Faktisch baut Russland schon eine multi-polare Welt, und wenn der Westen kein Teil davon sein will – Pech. Die Russen wissen, dass der Westen die Entstehung dieser neuen Welt nicht verhindern kann, und kümmern sich nicht mehr wirklich darum, of der Westen sich weigert, diese Realität zu akzeptieren oder nach den neuen Regeln zu spielen.

Eins noch: Die Russen sind definitiv wütend über die sehr aggressvie NATO Haltung, weil sie sie – korrekt – als Zeichen der Feindschaft interpretieren. Aber, im Gegensatz zu dem was viele Blogger sagen, hat Russland keine Angst vor der militärischen Bedrohung die die NATO darstellt. Ihre Reaktion zu den letzten NATO Zügen (neue Basen und Personal in Zentraleuropa, mehr Ausgaben usw.) ist das als provokativ abzulehnen, aber alle russischen Offiziellen bestehen darauf, dass Russland diese militärische Bedrohung abwehren kann. Wie ein russischer Deputierter sagte, “5 schnelle Eingreiftruppen sind ein Problem welches wir mit einer Rakete lösen können”. Eine grob vereinfachende aber im Prinzip korrekte Formel. Putin sagte im Prinzip dasselbe als er sagte, dass im Fall einer massiven konventionellen Attacke durch “wen auch immer” Russland taktische Nuklearwaffen einsetzen wird. Und wenn die NATO weitermacht mit ihrem stupiden Plan, Truppen in Polen oder im Baltikum zu stationieren, nehme ich an, dass Russland den IRNF Vertrag verlassen wird und moderne Nachfolger der berühmten RSD-10 (SS-20) stationieren wird. Wie ich früher schon anmerkte, ist die Entscheidung, die russischen Luftlandetruppen zu verdoppeln und das elitäre 45. Luftlande-Regiment für Spezialaufgaben auf eine volle Brigade aufzustocken sowieso schon gefallen. Man kann sagen, dass die Russen der Schaffung der 10 000 Mann starken NATO-Kraft durch die Aufstockung ihrer eigenen mobilen (Luftlande) Kräfte von 36 000 auf 72 000 zuvorgekommen sind. Nachdem man sich um die Bedrohung gekümmert hat, wird der Kreml sich um wichtigere Sachen woanders kümmern.

Unter den Fehlkonzeptionen, die wir im Westen während unseres Trainings (ich kann es nicht “Erziehung” nennen) absorbiert haben, ist die Tendenz, unseren Teil der Welt als das Zentrum der Welt anzusehen, manche würden es den unverzichtbaren und einzig wichtigen Teil nennen. Das kann man schon an systematisch Euro- oder US-zentrierten Weltkarten sehen, und an unserem quasi dogmatischen Glauben dass niemand so wichtig ist wie wir. Das ist falsch. Während das anglozionistische Imperium langsam aber stetig und unausweichlich im Niedergang ist, leistet der Rest der Welt die notwendigen Lippenbekenntnisse und macht im Grunde sein eigenes Ding. Wenn die Trainingszentren die wir “Schulen” nennen gebildete Erzieher hätten, würden wir beginnen, China-zentrierte Karten in unseren Trainingsräumen aufzuhängen, und würden dem Nachwuchs sagen, dass niemand die “westlichen Werte” mehr ernst nimmt. Nicht weil sie nicht gut wären, sondern weil offensichtlich wir, im Westen, sie an erster Stelle nicht ernst nehmen.

Obama erklärte einen “Pivot” (Schwenk) Richtung Asien, aber, in typisch anglozionistischer Art, war alles was dieser Schwenk wirklich bedeutete mehr Militär und mehr Druck sich den Forderungen des Imperiums zu unterwerfen. Im Gegensatz zur USA hat Russland keinen “Pivot” erklärt, aber Putin hat sich mit Xi Jinping schon viermal dieses Jahr getroffen und beide Seiten haber erklärt dass ihre strategische Partnerschaft stärker ist als sie jemals in der Geschichte ihrer Beziehungen war.

Russland richtet wirklich seinen Blick nach Asien, Lateinamerika, Afrika und anderswohin. Seine Diplomaten werden weiterhin reden, lächeln, von “Partnern” und “Freunden” sprechen, aber ich glaube wir sind Zeugen eines historischen Ereignisses: Zum ersten Mal seid dem 13 Jahrhundert wendet sich Russland wieder vom Westen ab und setzt auf eine Zukunft mit Asien (und dem Rest des Planeten).

Der Saker