Doppeldenk durchschauen: Primärbeweise zu den Verlusten der Kampfparteien im Donbass

Tatschit Michailowitsch

 

Übersetzung von Seeing through the doublethink: Primary evidence on losses of the combatants at Donbass
Anmerkung zur deutschen Übersetzung: die Links sind, anders als in der englischen Version, soweit als möglich in den Text eingearbeitet. Die Videos und andere verlinkte Quellen sind allerdings nicht weiter übersetzt.

(Notiz des Saker: Tatschit Michailowitsch reichte diesen Artikel mit vielen eingefügten Fotos und Videos ein und ich habe ihn gebeten, sie durch Links zu den Medien zu ersetzen, um diese Seite nicht zu überfrachten und die Formatierung zu erleichtern. Schaut aber auf jeden Fall auf seine Kanäle auf YouTube und LiveLeak, die voll sind mit wirklich gutem Zeug!!)

Kurze Zusammenfassung

Beide Seiten des ukrainischen Bürgerkriegs überschätzen die feindlichen Verluste gewaltig und verbergen den grössten Teil der eigenen. Daher besteht ein dringender Bedarf für eine auf Tatsachen beruhende Schätzung der Verluste an Leben.

Die Datenbasis von Lostarmour.info verzeichnet über 1 000 zerstörte und erbeutete gepanzerte Fahrzeuge der ukrainischen Streitkräfte (UAF). In früheren, vergleichbaren Konflikten (Tschetschenien, Syrien, Irak) lag die Zahl der getöteten Soldaten je zerstörtem gepanzerten Fahrzeug zwischen 10 und 30. Daher können wir die Verluste der Nationalisten vorsichtig auf etwa 14 000 schätzen. Dazu kämen etwa viermal so viele Verwundete, von denen etwa ein Drittel dauerhaft behindert bleiben wird. Das ist weit mehr, als die (weithin diskreditierte) Angabe des offiziellen Kiew von 1 500 Gefallenen und 4 500 Verwundeten.

Die Verluste der Rebellen sind niedriger, aber vermutlich näher an der Schätzung Kiews von etwa 8 000 Gefallenen, denn an den Angaben der Rebellen selbst, die von 1 000 bis 1 500 Gefallenen reden; grob geschätzt dürften es etwa 5 500 Gefallene und etwa viermal so viele Verwundete sein.

Die zivilen Verluste infolge der direkten Handlungen des Gegners werden von keiner Seite verheimlicht und die Schätzungen von etwa 5-6 000 sind vermutlich zutreffend.

Einleitung und Zielsetzung

Vor kurzen veröffentlichte die Washington Post einen Artikel, der die reale Inflation der ukrainischen Währung auf 272% schätzte, das zehnfache dessen, was die Kiewer Regierung eingesteht (28%).

Unglücklicherweise gibt es, anders als bei den harten Fakten zu Preisen und Wechselkursen, keinen einfachen Weg, um zu sehen, wenn Verluste untertrieben werden, insbesondere, wenn alle Massenmedien von der Regierung beherrscht werden und Berichterstattung aus der Kampfzone von den Militärbehörden streng kontrolliert wird.

Nicht, dass wahre Statistiken bekannt sind und von der Regierung verborgen werden; im besten Falle ist sie nicht an ihnen interessiert, und im schlimmsten arbeitet sie daran, sie zu verfälschen.

Es gibt natürlich reichlich Primärbeweise aus den Truppen und aus Quellen, die nahe an den Kämpfen sind, wie dieses Video: der pro-Kiewer Freiwillige Juri Kasjanow zu den realen Verlusten in Debalzewo.

Transkript: „ Es sind eine Menge mehr Leute gestorben als der Generalstab, der Sicherheitsrat und der Präsident sagen… Ich kenne Leute, denen ich 100% vertraue, die dort waren, die mir Dinge erzählen. Einer meiner Waffenkameraden, er ist gerade aus dem Krankenhaus gekommen, er ist mit einer Kolonne von hundert Mann ausgebrochen. Ich habe die [Regierungs-]Berichte gelesen – 19 Gefallene [aus einer Heeresgruppe von 3 000]. Er sagte mir, von ihren Hundert wären nur 14 rausgekommen. Alle anderen sind tot…“

Politiker sagen das selbe: der Abgeordnete Ljaschko, der in der Präsidentschaftswahl auf dem dritten Platz lag und der fünftgrössten Partei in der Rada vorsteht, erklärt, die Regierung hätte bis September Verluste von 8 000 Mann verborgen (und zu diesem Zweck gar die Leichen der Gefallenen verbrannt).

Der Abgeordnete der ukrainischen Mehrheitspartei, Olinik, erklärte, es sei ihm gesagt worden, wenn er nicht die offiziellen Verlustzahlen akzeptiere, sei er „Opposition“, also müsse er jetzt entscheiden – ob er in Opposition zur Regierung Poroschenko steht oder in Opposition zur Wirklichkeit.

Der Abgeordnete Filatow schreibt an Poroschenko: „Wenn sie von sechs Getöteten in Debalzewo reden, ruinieren Sie das Vertrauen in sich wie in den Staat… Lesen Sie, was die Leute, die die Leichen im Feld einsammeln, schreiben. Wir können mit der Wahrheit umgehen. Lassen Sie uns nicht in einer Lüge leben.“

All die obigen Politiker sind strikt nationalistisch und russophob, nebenbei. Der Oppositionspolitiker Schufritsch beruft sich auf ähnliche Zahlen – eines der wenigen Dinge, in denen beide Seiten übereinstimmen.

Schufritsch erklärte, die wirklichen Verluste hätten im November 14 000 Mann betragen.

Es gibt zudem gehackte Regierungsdokumente, die besagen, dass Verluste um den Faktor zehn untertrieben werden, unbestätigt, aber aus einer verlässlichen Quelle.

Natürlich werden diese Untertreibungen in einer Reihe von Medien breit aufgedeckt, selbst in einigen pro-Kiewer Publikationen, die ein gewisses Mass an Unabhängigkeit besitzen.

Die Angaben der Rebellen können wir aber ebenfalls nicht benutzen: die meisten neigen dazu, grob zu übertreiben, wenn es um feindliche Verluste geht, wie es im Krieg üblich ist, und da sie in mehrere lose miteinander verbundene Gruppen gespalten sind, können die Rebellen nicht einmal eine vernünftige Gesamtdarstellung ihrer eigenen Verluste geben.

Der berühmte Kommandant Mosgowoi erklärte im Video:“ Keine Seite wird je wahre Verlustzahlen nennen. Die Verluste sind auf beiden Seiten enorm.“

Es gibt also offensichtlich eine dringende Notwendigkeit für verlässliche, auf Daten beruhende Schätzungen der wirklichen Verluste an Menschenleben in diesem Konflikt.

Vorhergehende Schätzungen

Schauen wir einmal, welche Zahlen bis jetzt berichtet wurden:

Die Kiewer Regierung schätzt ihre Verluste auf ungefähr 1 500 Gefallene

(die Zahlen unterscheiden sich nach ihrer Quelle; der Generalstab neigt dazu, bedeutend höhere Zahlen zu nennen als Präsident und Sicherheitsrat – obwohl es andersherum sein sollte, da der Generalstab normalerweise die Verluste der paramilitärischen Kräfte nicht beziffert).

Die UN schätzt die Verluste insgesamt auf etwa 5 000.

Daten und Analyse

Es ist schwer, Primärdaten über Verluste zu erhalten, da die Körper normalerweise schnell vom Schlachtfeld entfernt und begraben werden, üblicherweise von vielen Seiten (UAF, DNR, LNR, „Bergungs“-NGOs, örtliche Zivilisten) und oft können Identität und Zugehörigkeit nicht mit verlässlich bestimmt werden.

Daher ist es weit verlässlicher, die zerstörten Militärfahrzeuge zu zählen: sie bleiben oft für Wochen auf dem Schlachtfeld, ihre Zugehörigkeit ist einfach zu bestimmen, über das Modell, Kennzeichnung und Position, und sie sind weit auffallender und werden öfter fotografiert als menschliche Überreste.

Lostarmour.info ist eine Webseite, die zerstörte und erbeutete Fahrzeuge aller Seiten des ukrainischen Konflikts katalogisiert (zusätzlich noch einiges an Artillerie, Flugzeuge, MLRS etc., aber diese Sammlung ist nicht so erschöpfend).

Dort werden nur Fahrzeuge aufgeführt, die auf Video oder Fotos eingefangen und in der Folge identifiziert wurden; man kann dort zu jedem Fahrzeug Fotos betrachten, die Identifikation, die meisten sind auf Karten plaziert etc.

Unglücklicherweise gibt es keine englische Version (ich habe versucht, es ihnen zu übersetzen, sie haben es genommen, aber nie das Personal, um es einzuarbeiten und zu pflegen). Dennoch, die Webseite ist leicht zu verstehen, hier ist der Schlüssel, der die unterschiedlichen Abteilungen erklärt.

Kleine Randbemerkung: unter der Überschrift „Off topic“ findet sich auch der Punkt “Шушпанцеры” (Seltsame Panzer), der Bilder unterschiedlicher ziviler Fahrzeuge versammelt, die für die militärische Nutzung gepanzert wurden, sowie leichte Panzerfahrzeuge mit unterschiedlichen aufmontierten seltsamen Waffen. Bisher sind es 381 Fahrzeuge – die im Grunde aussehen wie „Mad Max: Strassenkrieger“ mal fünfzig. Ausgesprochen unterhaltsam.

Aber für den Zweck dieses Artikels interessieren uns nur die Zahlen der Standardpanzerfahrzeuge, die von der UAF und den Milizen des Donbass verloren wurden, und die jeder einfach zählen kann, indem er die Fahnen auf lostarmour.info zählt (achtet darauf, auf „zeige alle Fahrzeuge“ zu klicken, wenn Ihr nur ein paar von den etwa 680 zerstörten und etwa 380 erbeuteten seht).

Am 3. März 2015 wurden insgesamt 627 zerstörte Panzerfahrzeuge der UAF im Bild eingefangen, und 76 zerstörte Fahrzeuge der Milizen. Zudem wurden 376 Fahrzeuge der UAF erbeutet, während 27 Fahrzeuge der Rebellen wieder in die ursprünglichen Hände übergingen.

UAF Milizen des Donbass
Zerstört 627 76
Erbeutet 376 27
Auf diesen Zahlen und auf Daten aus früheren Konflikten mit verlässlicherer Berichterstattung beruhend können wir zu einer groben Schätzung der wirklichen Verlustzahlen in diesem Konflikt gelangen.

Um an relevante Daten aus früheren Konflikten zu kommen, müssen wir ähnliche Armeen finden – Armeen mit veralteter sowjetischer Ausrüstung und sowjetischen Taktiken aus der Ära des kalten Krieges, schlecht geführt und ausgebildet.

Offensichtlich ist das erste Beispiel dafür die russische Armee selbst, etwa um 1993 – im ersten Tschetschenienkrieg; dann Länder wie Irak und Syrien.

Zuerst wollen wir die absolute Untergrenze im Verhältnis zwischen den Verlusten an Personal und jenen an Panzerfahrzeugen in einem Feldzug unter diesen Bedingungen bestimmen.

Die russischen Verluste in Tschetschenien 1993 und der Irakis 1990 sind dafür ideal: beide Armeen hatten bedeutend mehr schwere Ausrüstung als die ukrainischen Streitkräfte (in denen beständiger Mangel an fahrbereiten Panzerfahrzeugen besteht – ein Beispiel dafür ist die Beschwerde des Beraters von Poroschenko) und die Bedingungen dafür, Fahrzeuge zu verlieren, waren bedeutend besser – im einen Fall, weil sie unbereitet auf eine Aufstandsarmee trafen, die drei Jahre lang geübt hatte, Panzer zu zerstören, und sich die Bewaffnung dafür beschafft hatte, im anderen Fall, weil sie in der Wüste auf einen in der Luft überwältigend überlegenen Gegner traf.

Die Schätzungen der irakischen Verluste durch Desert Storm leigen zwischen 25 000 und 100 000 Mann, bei etwa 5-6 000 verlorenen Panzerfahrzeugen. Das gibt uns (wenn wir den Mittelwert für die Zahl der Gefallenen nehmen) ein grobes Verhältnis von 10 Gefallenen auf jedes zerstörte Panzerfahrzeug (kurz „KIA/AV“).

Die russischen Verluste in Tschetschenien sind nicht gut erfasst, da beide Seiten dazu neigten, ihre Verluste zu verbergen, und die Russen üblicherweise ihre zerstörte Rüstung vom Schlachtfeld geborgen haben; eine ganze Reihe Quellen hat mich zu der Überzeugung gebracht, eine Schätzung von 15KIA/AV sei vernünftig, obwohl das Verhältnis weit höher sein könnte (obwohl es bei der Belagerung von Grosny zu massiven Verlusten an Rüstung kam, war dies bei der anschliessenden Aufstandsbekämpfung nicht der Fall). Der absolut niedrigste Wert KIA/AV findet sich vermutlich bei den russischen gepanzerten/mechanisierten Truppen, die nach Grosny eindrangen und von allen Seiten in Hinterhalte gerieten; beispielsweise verlor die am schwersten betroffene Brigade Maikop 800 Mann und über 100 Panzerfahrzeuge, was eine Ratio von 8 KIA/AV ergibt.

Andererseits ist der syrische Krieg ein desorganisierter Bürgerkrieg, der sehr an die Ukraine erinnert, in dem beide Seiten sich oft auf leicht bewaffnete Paramilitärs verlassen, die Regierung aber viele Panzerfahrzeuge besitzt, ebenfalls wie in der Ukraine. Obwohl es unmöglich ist, aus diesen desorganisierten Kämpfen gute Schätzungen zu erhalten, ist es klar, dass die Ratio KIA/AV höher liegt: beispielsweise werden die Verluste der Regierung auf 40- 80 000 Mann geschätzt, während die Schätzungen zerstörter Rüstung der Regierung bei etwa 1 800 liegt, was eine Ratio KIA/AV von etwa 30 ergibt.

Darauf beruhend können wir nun die Verluste des Kiewer Regimes schätzen.

Es ist offensichtlich, dass KIA/AV in der Ukraine über dem absoluten Minimum von 8-10 liegt, da die Regierungskräfte nicht so viel Rüstung gebrauchen wie der Irak 1990 und Russland 1993, noch sind die Rebellen so gut für die Zerstörung von Panzern ausgestattet und ausgebildet wie die US Air Force oder jene, die im Hinterhalt in Grosny auf die Panzer lauerten.

Andererseits ist der ukrainische Bürgerkrieg weniger gewalttätig als jener in Syrien – der Aspekt der sektiererischen Gewalt ist nicht so ausgeprägt wie dort (mit Ausnahme einiger hundert Dschihadisten, die für Kiew tätig sind), daher werden die Mannschaften beschädigter oder sich ergebender Fahrzeuge oft verschont, zumindest, wenn es darum geht, wie die Rebellen die gewaltsam eingezogenen Regierungssoldaten behandeln. Die begleitende Infanterie wird ebenfalls vermutlich verschont, wie auch, wenn sich ganze Massen ergeben (in einem Video geben Regierungssoldaten bei Starobeschewo sechs Panzer auf und durften dem Vernehmen nach auf 2 BMPs abrücken durften).

Das bedeutet weniger tote Soldaten je zerstörtem Fahrzeug, und weit weniger je erbeutetem. Unglücklicherweise befiehlt Kiew seinen Soldaten meist, Panzerfahrzeuge nicht aufzugeben, selbst wenn sie völlig eingekreist sind (im Kessel von Ilowaisk, Debalzewo etc.), weshalb oft viele Soldaten sterben, ehe der Rest die schwere Bewaffnung aushändigt.

Insgesamt läge eine konservative Schätzung bei etwa 20 KIA/AV je zerstörtem Panzerfahrzeug, und 5 KIA/AV für jedes erbeutete.

Nur auf die in lostarmour.info am 3. März vorliegenden Daten bezogen ergibt das eine Zahl von 14 420 Gefallenen bei den nationalistischen Kräften.

Interessanterweise liegt diese Zahl in der selben Grössenordnung wie die oben erwähnten Behauptungen des Abgeordneten Ljaschko (im September zumindest 8 000 verborgene zusätzlich zu den 1 000 offiziellen Gefallenen) und des Abgeordneten Schufritsch (14 000 Gefallene im November).

Da nicht alle zerstörten Fahrzeuge gefilmt wurden, und seit den Schätzungen der Abgeordneten einige schwere Gefechte stattgefunden haben, dürfte die wirkliche Zahl mittlerweile höher liegen. Die höchste Schätzung, die noch entfernt einleuchtet, sind vermutlich die „24 000 gefallenen Nationalisten“, die der Sprecher der DNR Eduard Basurin vorgetragen hat.

Eine weitere interessante Schätzung beruhte auf der Zahl der Schwerverletzten, die von der Front in die zentralen Krankenhäuser von Dnjepropetrowsk und Kharkow evakuiert wurden, wie auch nach Odessa und Kiew.

Indem er die Zahlen der schwerverletzten Soldaten, für die die Armee bezahlt, zusammenstellt, gelangt der Autor zu einer Zahl von etwa 12 000 aus medinzinischen Gründen evakuierten gegen Ende Januar, und zumindest die gleiche Zahl Leichtverwundeter, die örtliche Krankenhäuser aufsuchten.

In Folge der schlechten medizinischen Versorgung liegt das Verhältnis zwischen Schwerverletzten und Gefallenen bei etwa 2:3, also 12 000 aus medizinischen Gründen Evakuierte entsprechen etwa 8 000 Gefallenen. Diese Zahl schliesst jedoch mehrere Tausend verletzte paramilitärische Kämpfer nicht mit ein, die nicht auf der staatlichen Soldliste stehen, und auch über jene Soldaten der UAF, die eingekreist zurückgelassen wurden und die nicht evakuiert werden konnten, besagt sie nichts. Eine Vorstellung davon, wie viele Soldaten im Stich gelassen wurden, können wir daher erhalten, dass Kiewer Quellen regelmässig von etwa 6-8 000 im Gefecht Vermissten sprechen – ein bedeutender Teil davon dürfte gefallen sein (selbst wenn die Mehrheit desertiert ist). Insgesamt enden diese Schätzungen im selben Bereich von 12-15 000 Gefallenen.

Der Grund, warum diese direkteren Schätzungen diesem Artikel nicht zu Grunde liegen, ist, dass die Zahl der Verwundeten offenbar vertraulich weitergegeben wurde und nicht unabhängig bestätigt werden konnte, anders als die leicht zu verifizierende öffentliche Datenbank von lostarmour.info. Dennoch wurde diese Schätzung mit einbezogen, weil sie eher konservativ ist, weit unter den Angaben der Rebellen liegt und kompetent geschrieben ist, was nahelegt, dass der Autor ukrainische Krankenhäuser wirklich kennt.

Diese Analyse und die offiziellen Daten legen beide nahe, dass zusätzlich zu den etwa 14 000 Gefallenen die menschlichen Kosten noch etwas über 20 000 ernsthaft versehrte nationalistische Soldaten mit einschliessen (und wenn wir jene mit leichteren dauerhaften Schäden und mit psychischen Folgeschäden mit einbeziehen, dürfte die Zahl um ein vielfaches höher liegen).

Was die Verluste der Rebellen betrifft, wäre es ein Fehler, sie aus der geringen Zahl verlorener Panzerfahrzeuge hochzurechnen: bis zum Waffenstillstand Minsk 1 hatten die Rebellen wenig Rüstung, und selbst im Winterfeldzug setzten sie sie meist vorsichtiger und fähiger ein als die UAF. Auch ihre Reparatur- und Bergungstrupps scheinen deutlich bessere Arbeit zu leisten (da die Bergung ihre Hauptquelle für Fahrzeuge und Ersatzteile ist), und sie ziehen sich auch rechtzeitig zurück und lassen sich nicht einkreisen, etc. Insgesamt verlieren die Rebellen selten Rüstung, also kann ihre KIA/AV-Ratio bei 50 oder höher liegen.

Eine bessere Schätzung kann vermutlich auf Grundlage der Verluste der UAF erfolgen: obwohl die zahlenmässig unterlegenen Rebellen eher, dank einer Mischung aus besserer Motivation und besserer Führung, kampfstärker sind als die UAF, erleiden sie doch vergleichbare Verluste, im Sommer vermutlich etwa ein Drittel derjenigen der UAF (als sie vor allem städtisches Gebiet gegen eine schlecht ausgebildete Armee verteidigten) und etwa die Hälfte jener der UAF im Winter (als sie gut eingegrabene UAF-Truppen angriffen; die Verluste während des Vormarsches dürften näher bei 1:1 liegen, aber der folgende Sieg ermöglichte es den Rebellen, eine Menge der gegnerischen Einheiten auszulöschen). Daher können wir schätzen, dass die Verluste der Rebellen etwa bei 40% von 14 000 liegen dürften, also bei etwa 5 600 Gefallenen.

Man bedenke, dass die Rebellen in der Zahl unterlegen sind und es ihnen schwer fällt, ihre Verluste zu ersetzen, daher ist eine Schätzung, die deutlich über etwa 6 000 Gefallenen (und etwa 12 000 Versehrten) liegt, nicht logisch – schlicht, weil die Gesamtstärke der Rebellenarmee bei etwa 35 000 Mann liegt, weshalb ein Verlust in Höhe von 12 000 Mann beispielsweise bedeuten würde, das mehr oder weniger jeder Rebell getötet oder verwundet wurde. Weit niedrigere Schätzungen, wie die offizielle Zahl von etwa 1 000, entsprechen nicht der Zahl der verlorenen Panzerfahrzeuge oder den weithin berichteten „schweren Verlusten“ in einigen grossen Schlachten wie um den Donezker Flughafen und Debalzewo.

Was die zivilen Verluste angeht, sind die Todesfälle in Folge feindlicher Handlungen einfach zu schätzen, da keine Seite einen Anlass hat, sie zu verbergen. Poroschenkos Schätzung von „5 638 getöteten Zivilisten“ stimmt gut mit den Daten des Menschenrechtsvertreters der DNR überein, der von „2 251 Toten allein in der DNR“ sprach und mit Puschilins Angabe von „7 000 Toten, davon 80% Zivilisten“.

Eine letzte, sehr wichtige Kategorie, zusätzliche Todesfälle abseits der Frontlinie, wird hier nicht geschätzt.

Dennoch könnten die Todesfälle/verkürzten Lebensspannen, die daher rühren, dass über eine Million Menschen ihr Obdach verloren hat, durch den wirtschaftlichen Ruin (die Durchschnittsrente in der Ukraine ist auf etwa 50$ im Monat gekürzt worden, und die Erhöhungen der Strom- und Gaspreise, die der IWF verordnete, bedeutet, dass die Hälfte davon für Strom und Gas benötigt wird), Mangel an importierter Medizin, bedeutende Zunahme der Verbrechen etc., etc., den grössten Verlust an Leben in diesem Krieg darstellen, auch wenn sie weniger sichtbar sind.

Ergänzende Anmerkungen
Konflikte, auf die nicht Bezug genommen wird:

Die Verluste der USA/des Westens in den letzten Kriegen sind nicht relevant, da die USA den grössten Teil der Zeit keinen Krieg mit schwerem Gerät führten, sondern örtliche Guerillabewegungen unterdrückten, ganz zu schweigen von der im Vergleich zur UAF weit besseren Ausbildung der US-Armee.

Zum Vergleich, die Verluste der USA im Irak liegen bei etwa 20 KIA/AV (da gepanzerte Fahrzeuge selten gebraucht wurden) und bei sieben Verwundeten je Gefallenen (sehr gute medinzinische Versorgung).

Die Verluste in den post-sowjetischen Bürgerkriegen in Moldawien, Georgien und Aserbaidschan wurden nicht als Bezug genutzt, obwohl sie offensichtlich, was die Ausbildung und die Zusammensetzung der Seiten des ukrainischen Konfliktes angeht, sehr ähnlich sind, weil beide Seiten allgemein wenig Rüstung besassen und daher die Ratio KIA/AV sehr hoch läge. Zusätzlich war, wie in der Ukraine, die Berichterstattung auf beiden Seiten extrem unzuverlässig und einseitig.

LostIvan:

Es macht Sinn, anzumerken, dass im Gefolge des Erfolgs von LostArmor nationalistische Aktivisten die Webseite LostIvan.com an den Start brachten, die vermeintlich russische Soldaten im Donbass verzeichnen soll. Obwohl es sicherlich genug russische Bürger gibt, die für die Milizen der Selbstverteidigung kämpfen, und womöglich gar russische Soldaten, ist die Webseite eine schlechte Quelle, da sie mit Fälschungen und unzureichenden Informationen gespickt ist und versucht, Bürger und pensionierte Veteranen als Soldaten auszugeben.

In den ersten aufgeführten Positionen, die ich nur oberflächlich betrachtet habe, wurde die Gegenwart eines Soldaten in der Ukraine dadurch „bestätigt“, dass er ein (1) Foto .. einer Schachtel ukrainischer Zigaretten gepostet hatte. Angesichts der Zahl russischer Truppen an der ukrainischen Grenze und auf der Krim, könnten entsprechende „Beweise“ vermutlich für zehntausende russischer Soldaten gefunden werden. Kurz gesagt, sie bräuchten wirklich ein anständiges Moderationsteam.

Bezüglich russischer Truppen im Donbass

Ich habe nichts von Gefallenen der „russischen Armee“ geschrieben, da es keinen Weg gibt, russische Veteranen, die vor Jahren/Monaten/Tagen den Dienst in der Armee verliessen, von aktiven Angehörigen zu unterscheiden, insbesondere da es massenhafte Bestrebungen gibt, gefälschte Konten in sozialen Netzwerken, Bilder etc. von „russischen Soldaten in der Ukraine“ zu erzeugen.

Es gibt eine geheimnisvolle Kraft, die „Nordwind“/“organisierte Freiwillige“/“Urlauber“ genannt wird, die entweder aus organisierten Veteranen bestehen könnte, die in Russland ausgebildet wurden, aus Soldaten, die die Armee verlassen haben, um Freiwillige im Donbass zu werden, oder aus regelrechten russischen Armeeeinheiten. Der Unterschied mag eher ein rein rechtlicher sein, da Russland (wie die meisten Länder – die westlichen Freiwilligen z.B. in Syrien sind kein Thema) kein Gesetz hat, das es Bürgern verbietet, an Kriegen in anderen Ländern teilzunehmen (nur, sich daran zu bereichern, oder Kriegsverbrechen zu begehen) – weshalb selbst Soldaten im Urlaub das Recht hätten, in den Donbass zu gehen und für die Milizen zu kämpfen.

Sachartschenko sagte tatsächlich, dass einige der drei- bis viertausend russischen Freiwilligen im Donbass Soldaten auf Urlaub wären (das Interview wurde weithin missbräuchlich zitiert, von Medien wie dem Telegraph, um zu behaupten, es seien drei- bis viertausend russische Soldaten im Donbass).

Ein anderer Grund liegt darin, dass Nordwind, was auch immer sie sind, wenige Verluste erleidet. Sie führen nur chirurgische Schläge gegen schwache Punkte durch, sind weit besser ausgebildet als die nationalistischen Kräfte, und kämpfen vorzugsweise aus der Entfernung. Wenn wir nach dem breit veröffentlichten Interview von Dordschi Batomunkujew gehen (das in einer extrem pro-westlichen Publikation erschien, gravierend verändert zu sein scheint, und völlig gefälscht sein kann), gab es in seinem Batallion in der Schlacht um Debalzewo nur 4 Verwundete, keine Gefallene, und wenn man die Grössenordnung des Einsatzes betrachtet, wäre das die grösste oder einzige russische Einheit gewesen, die daran teilgenommen hat. Insgesamt bewegen sich die Verluste von Nordwind vermutlich im Bereich von einigen Dutzend Verwundeten oder Gefallenen.

Tschetschenien:

Ehe irgendjemand von diesem Wort aufgestachelt wird und die alberne Bemerkung macht, das russische Verhalten in Tschetschenien unterscheide sich nicht von jenem der Kiewer Regierung im Donbass, möchte ich auf den entscheidenden Unterschied hinweisen: weder der erste noch der zweite Tschetschenienkrieg wurde durch ein mythisches russisches „Recht“ am tschetschenischen Boden begründet.

Tatsächlich gab es keinen russischen Einmarsch in Tschetschenien, als dieses seine Unabhängigkeit erklärte, und keine ernsten Versuche, den Aufbau dieser Nation zu behindern.

Der Krieg begann drei Jahre später, und die Gründe dafür waren der Genozid an den ethnischen Russen der Republik (etwa 20 000 wurden getötet, der Rest musste fliehen), die auf Verbrechen beruhende Wirtschaft der Region, die sich Russland zur Beute machte, strategische Sorgen um Öltransit und -produktion, und die Unterstützung der verfassungsmässigen Regierung in ihrem Bürgerkrieg gegen den Diktator Dudajew.

Selbst wenn die russischen Methoden in Tschetschenien oft beklagenswert sind, möge man Tschetschenien 12 Jahr nach dem russischen Einmarsch mit dem Irak 12 Jahre nach dem amerikanischen Einmarsch vergleichen… oder selbst der Ukraine, ein Jahr nach der nationalistischen Machtübernahme.