Schon die griechische Tragödie hatte die Aufgabe, die Werte der Gesellschaft an je einem Dilemma zu überprüfen: Handelt Antigone nach den Bräuchen und Vorschriften der Tradition, oder hält sie den herrscherlichen Befehl ein, ihren toten Bruder nicht zu begraben?

Das Dilemma bringt die Reihe der Werte in eine klare Auseinandersetzung, die jede Person selbst iund in der Gemeinschaft / im Gemeinwesen beantworten kann. Theater ist ein zuverlässigeres Kommunikationsmittel, als das nur Begriffe und Thesen vermitteln können.

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Opposition, Untergrund, Terrorismus —
Wo verläuft die rote Linie? Aufstellung* mit anschließender Reflexion
1968: Proteste, Steinewerfer, Joschka Fischer mittendrin an exponierter Stelle
1998: Joschka Fischer wird Außenminister und stellvertretender Bundeskanzler
1972: José Mujica tritt wegen Guerilla-Aktivitäten eine 13jährige Haftstrafe an
2010: José Mujica wird als Staatspräsident von Uruguay vereidigt

Al Kaida & Co, bei aller Abscheu werfen auch sie die Frage nach der Gerechtigkeit unserer Welt- und Wirtschaftsordnung, der politischen Beteiligung, Inklusion und guten Ordnung auf. Wann ist Widerstand erlaubt, sogar geboten, wo sind die Grenzen? Mit diesem Komplex von Ethik, Gewalt und Transformation wollen wir uns in der Aufstellung befassen.

Gast: Wolfgang Goede, Wissenschaftsjournalist und ehem. Community Organizer
Moderation: Dr. Ruth Sander Zeit: Montag, 15.Juni 2015, 19.00 Uhr Ort: EineWeltHaus, Schwanthalerstr. 80 Rg., München, Theatersaal im EG Eintritt: 10,00 € oder Regio

www.politik-im-raum.org zusammen mit dem netzwerk-gemeinsinn.net

Kleine Youtube-Historie von Opposition und Gewalt der letzten 80 Jahre


Franz Joseph Strauß versuchte 68er mit Kraftausdrücken zu ersticken 1.
Joschka Fischer & Grüne setzten sich durch, trotz Steinewerfer-Anklagen 2.
Ein Quell der deutschen Protestbewegung waren unbewältigte Nazi-Zeit und Holocaust 3.
Ähnliche Zyklen kennen auch andere Kulturkreise. Der ehemalige Tupamaro Pepe Mujica setzte in Uruguay als Staatsoberhaupt neue präsidiale Maßstäbe 4.
Die kolumbianische Narcoguerrilla FARC, derzeit in Friedensverhandlungen, verdiente sich mit Kidnapping und Kokain ein Milliardenvermögen 5.
Momentan hält der Islamische Staat die westliche Welt in Atem 6.
Sind Opposition, Gewalt und Reform eine Art sozialer Kreislauf mit einem evolutionären Vektor?

1) “Halten Sie’s Maul, politisierender Pilzkopf”: https://www.youtube.com/watch?v=pvfyjLj0IVY
2) Steine & 68er Überblick https://www.youtube.com/watch?v=E9Qs_85gj48
3) Hitlers Judenhetze https://www.youtube.com/watch?v=_BxfXndhwPI
4) Jose “Pepe” Mujica: Poorest president of the world https://www.youtube.com/watch?v=JqhCAORmsaE
5) Kolumbianische FARC https://www.youtube.com/watch?v=57dEfrB9cpM
6) Islamic State https://www.youtube.com/watch?v=wUm1CA9oOY8

ZUSAMMENFASSUNG VON RUTH SANDER

Zu diesem großen Thema gibt uns Themenspender Wolfgang Goede als erstes eine kurze Einführung, was ihn veranlasst hat, das Thema einzubringen: Er lebt einen Teil des Jahres in Kolumbien und erlebt dort, wie sich die Gesellschaft mit Gewalt arrangiert hat. Ihm ist dadurch bewusst geworden, wie gut es uns hier geht: In Deutschland und Mitteleuropa leben wir nachgerade auf einer paradiesischen Insel der Seligen, insbesondere mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, den Schlächtereien in Nahost, den Flüchtlingsdramen im Mittelmeer und Südeuropa.

Das war eine Wurzel der Idee. Eine andere ist der G7-Gipfel, der letzte Woche in oberbayerischer Bergidylle stattfand. Wie alle vorhergehenden war auch dieses „Elefantentreffen“ höchst umstritten. Demonstrationen machten uns aufmerksam auf die hohen Kosten und die Ohnmacht sowie die Unfähigkeit, vielleicht auch Unwilligkeit der Mächtigen zum Lösen unserer drängenden globalen Probleme.

Das zeigt, wie essenziell Protest ist, als Quelle neuer Informationen, als Gegenausleger zu Etablierten, Parlamentarismus, repräsentativer Demokratie. Derlei Unruhe tariert das Machtgleichgewicht auf höherer demokratischer Ebene neu aus.

Leicht schlagen Proteste indes in Gewalt um. Die Beispiele Fischer und Mujica (Leitfigur gelebter Nachhaltigkeit) zeigen, dass diese nicht im Widerspruch zu späteren, demokratisch-gewaltfreien und gesellschaftlich zuträglichen Karrieren stehen. Als möglicherweise relativierender Faktor zu solchen Gewaltbiografien sät und bedient auch legitimierte etablierte Macht Blutvergießen.

Noch komplizierter: Wohlwollende Interpretatoren sehen Guerilla und Terroristen im—legitimierbaren—Widerstand gegen eine ungerechte Staats- und Weltordnung. In Kolumbien verhandelt derzeit die Regierung mit der FARC über die Niederlegung der Waffen und eine stabile Friedensordnung, auch mit dem Segen Brüssels und Berlins.

Die Frage in Quintessenz: In diesem Knäuel, wo und wie findet Mensch den moralisch richtigen, zielführenden Faden?
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Tafel der Spender für das Haus der Deutschen Kunst


Nun haben die Teilnehmenden Gelegenheit, den Raum zu begehen, der in vier Felder geteilt ist: - mit dem Mainstream mitschwimmen - Protest unterstützen - Protest initiieren - Protest und Gewalt anwenden Außerhalb des Kreises gibt es ein fünftes Feld, das ‚anders‘ heißt; dort befinden sich am Ende des Experiments die meisten. ‚Anders‘ bedeutet für sie Verschiedenes: - nicht gegen, sondern für etwas arbeiten, kreative neue Wege suchen; - sich dem System entziehen; -

„Mir war bewusst geworden, dass ich den Kreislauf der internen Angebote schon mehrmals zu verschiedenen Themen durchlaufen hatte, aber auf den Kreislauf keine Lust mehr habe: Alle Appelle, Petitionen und Aktionen prallen ab, werden im Extremfall zu Bürgerkriegsübungen. (Interessant war, dass die Alternativen draußen ohne Kontakt nebeneinander standen, was sicher nicht an der Kürze der Zeit, sondern an der Konzentration auf das System „drinnen“ und die Agierenden dort lag.)“

- „Ich habe mich bei ANDERS ab einem bestimmten Moment nicht mehr wohl gefühlt, habe mich dem „System von ANDERS“ entzogen und bin auf meinen Platz zurückgekehrt. Das ANDERS war für mich nicht mehr ANDERS, sondern lediglich ein anderer Mainstream, von dem jungen Mann, der dann gegangen ist, als „esoterisch“ gesehen.“

Bevor die Kleingruppenarbeit beginnt, verlassen uns zwei TeilnehmerInnen: ein junger Mann und eine junge Frau, die sich nicht an der Stellübung, aber verbal an der Auswertung beteiligt hatten. Sie gehen, ohne sich zu verabschieden. Das wird von den anderen als erste Intervention des Abends angesehen. In Kleingruppen werden anschließend Fragen formuliert, mit denen wir in die Aufstellung starten könnten:

- Wie kommt man aus der Macht-/Ohnmacht-Falle heraus? - Wie wird man extrem?
- Wie entsteht Ohnmacht bzw. Macht?
- Wann wird die Macht Ohnmacht?
- Welche Brücken finden wir zum Extremismus?
- Wie kann man Macht erträglich machen?
- Was braucht es, um innerhalb der Macht anders zu sein?
- Wie die Gruppen in Beziehungen halten – innen/anders?
- Wie erreichen wir, dass unsere Anliegen in Resonanz gehen/kommen bei den Mächtigen? („Mitternachtsgespräche“)
- Wie können wir die Andersdenkenden verstehen? (Mächtige, Gewalttätige) Denn sonst werden wir nicht zu einem Umkehren kommen.
- Was kann spirituelle Macht/Liebe bewirken?

Um möglichst viele der Fragen behandeln zu können, einigen wir uns auf folgende Elemente:


- das SYSTEM (nicht näher definiert, dargestellt durch einen mannshohen, schweren Stapel von Seminarstühlen),

- die Mächtigen,

- die Ohnmächtigen,

- die Anderen,

- die Protestierenden,

- die Extremen,

- die Gewalttätigen.

Manche vermissen in dieser Auflistung Werte, die sie auch benennen: Liebe, Gemeinwohl, Beziehungen, Toleranz, Solidarität, Respekt. Diese Werte repräsentieren wir nicht durch Personen, sondern spielen sie akustisch während der Aufstellung ins Geschehen ein und fragen die Resonanz ab.

Im ersten Bild steht das SYSTEM mittig im Raum. Die Mächtigen heben den obersten Stuhl vom Stapel herunter und stellen sich, direkt neben dem Stapel, drauf. Die Ohnmächtigen platzieren sich ca. 1,5 Meter vor dem SYSTEM, wie hypnotisiert davon. Die Anderen können nicht still stehen, gehen auf und ab, brauchen Bewegung. Die Protestierenden gehen auf die Mächtigen zu, heben sie vom Stuhl und stellen sie auf den Boden. Danach versuchen sie mit jedem anderen Element im System in Kontakt zu kommen. Die Extremen halten sich eher am Rand auf, ebenso wie die Gewalttätigen.

Bei der ersten Abfrage wird klar, dass die Mächtigen eine Gedächtnislücke haben: Sie wissen zwar noch, dass sie auf den Stuhl geklettert sind, aber nicht, wie sie heruntergekommen sind – wirken eher verblüfft, als ihnen erzählt wird, die Protestierenden hätten sie herunter gehoben. Sie wollen wieder auf den Stuhl klettern und tun das auch. Die Ohnmächtigen sind total aufs SYSTEM fixiert. Sie sprechen davon, dass das SYSTEM ein Idol, fast gottähnlich für sie wäre. Sie wollen keinerlei Veränderung, das SYSTEM gibt ihnen Sicherheit. Die Anderen brauchen Bewegung und Freiheit. Das SYSTEM wirkt auf sie wie ein Denkmal („auf das die Tauben scheißen“). Sie würden gern mit allen Kontakt aufnehmen, aber das gelingt nicht.

Auch die Protestierenden wollten mit allen Kontakt aufnehmen. Das gelingt ihnen bei den Mächtigen (die sie vom Stuhl heben), bei den Anderen, die das (den Kontakt) ja auch wollen, ebenso bei den Extremen – aber definitiv nicht bei den Ohnmächtigen und den Gewalttätigen. Diese beiden Elemente sind wie eigene Welten, in sich abschlossen. Das ruft bei den Protestierenden Abwertungstendenzen hervor („die sind Deppen…“)

Die Extremen haben den Wunsch, den Stapel umzuwerfen, fühlen sich gehemmt, denn es kann nicht sein: In dieser Anspannung unentschieden, von einem Bein auf das andere tretend, ablehnend kritisch zu allen Anderen und Protestierenden. Die Gewalttätigen sind voller Wut, die sie noch halten. Noch sei es nicht an der Zeit zur Entladung. Sie können aber auch nicht benennen, was es dazu bräuchte.

Nun speise ich akustisch die Werte (Liebe, …, Respekt) ins System ein, indem ich sie langsam laut sage und alle bitte darauf zu achten, ob bzw. wie sie damit in Resonanz gehen. Danach erneute Abfrage: Die Mächtigen sind davon genervt, tun das ab. [Die Repräsentantin gibt an, sie hätte so wenig Gefühle, dass sie meint, nicht in der Rolle zu sein. Sie will ausgetauscht werden. Ab diesem Zeitpunkt nimmt eine andere Person die Rolle ein – die genau so wenig Gefühle zeigt wie ihre Vorgängerin…] Die Protestierenden gehen mit allen Werten positiv in Resonanz. Allerdings können sie sie nicht auf alle im Raum befindlichen Personengruppen anwenden: Toleranz oder Respekt gegenüber den Ohnmächtigen oder den Gewalttätigen ist ihnen nicht möglich… Die Extremen sind beleidigt: Die Solidarität ist IHR Thema, es gehört ihnen, „Hoch die internationale Solidarität!“ und es beleidigt sie, wenn Andere das auch beanspruchen: Marxismus und Gewerkschaften SOLLTEN auf sie hören, sie durchschauen das System!

Alles scheint blockiert: Jede Gruppe im System ist mit sich beschäftigt, Verständigung und Kooperation kommen nicht zustande, nichts geht. [Da wir nicht mitfilmen, sind wir fürs Protokoll auf die Gedächtnisleistung angewiesen; hier gibt es nun zwei Varianten: eine der Extremen und eine der Protestierenden; nach dem Prinzip des Konstruktivismus gebe ich hier beide wieder:]

[Variante 1, die der Extremen:] Da wollen die Protestierenden die Mächtigen wieder vom Stuhl heben, die Mächtigen versuchen, sich am SYSTEM-Stapel festzuhalten. Das löst bei den Extremen den Impuls aus, das SYSTEM vom Stuhl der Mächtigen wegzuziehen, ihnen die Sicherheit zu nehmen. Dann ist es ihnen möglich, das SYSTEM/den Stapel auseinanderzunehmen, erst mal zwei Stühle runter, und plötzlich gibt es statt einem SYSTEM (dem hohen Stapel Stühle) zwei (niedrigere), dann sogar vier (niedrige), verteilt um die Mitte.

[Variante 2, die der Protestierenden:] So gehen die Protestierenden wieder zum SYSTEM-Stapel und teilen ihn. Dann setzen sie sich ratlos auf den einzelnen Stuhl (Rückzug) und sehen mit Unwillen, wie die Extremen die beiden Stapel in Besitz nehmen: Sie teilen die Stapel nochmals, in vier niedrige Stapel. Aus der Warte der Protestierenden ist damit die „Macht„ bei den Extremen, die vergessen, wer den Stapel ursprünglich geteilt hat. Die Ohnmächtigen gehen zu Boden, sie halten sich die Hände vors Gesicht, wollen nichts mehr sehen. Sie sind so am Boden zerstört, dass sie an Selbstmord denken.

Erstaunlich die Auswirkung auf die Mächtigen: Sie vermissen das große SYSTEM gar nicht – solang ihnen niemand ihre Stellung auf ihrem einsamen Stuhl streitig macht. Die Anderen machen nach wie vor Kontaktangebote. Auch sie wollen die Mächtigen vom Stuhl holen. Die wollen das nicht. Die Anderen reden ihnen zu: Sie wollten ihnen nichts Böses, sie wollen sie zu Bewegung und Tanz einladen. Ein Beobachter aus dem Kreis springt auf und wird Akteur im Spiel: Er spielt auf einer imaginären Geige zum Tanz auf – ohne Erfolg…

Erstaunlich auch die Auswirkung auf die Gewalttätigen: Sie sind wütender denn je: Sie wollen einen Anlass, um zuschlagen zu können. Wenn es nun mehrere SYSTEME gibt, die auch noch kleiner sind, geht ihnen der Anlass zum Zuschlagen flöten… Hier beenden wir die Aufstellung und widmen uns der Reflexion.

Folgende Stimmen werden laut: [Der Beobachter, der schließlich zum Tanz aufgespielt hat:] „Ich bin zu Beginn so gesessen, dass ich das SYSTEM direkt vor mir hatte. Das hat mich fast erschlagen, ich musste mich umsetzen. Später bekam ich einen Anruf, der mich für längere Zeit aus dem Raum geholt hat. Und als ich zurückkam, war das nicht mehr ein monolithisches SYSTEM, sondern mehrere kleine!

Meine Interpretation: Da war ein Bremsklotz, und der wurde offensichtlich gelöst, und dann konnte sich was verändern! Das verwirrt mich… Offensichtlich geht’s drum, die Dinge in Bewegung zu bringen. Das geht besser mit Denken-Ausschalten (diese Anne Will–Fernsehdiskussionen bringen’s nicht!). Es geht um Herz, Bauch, Musik, Begegnung! Und noch was zweites: Ich bin mit der Demokratie aufgewachsen und hab an sie geglaubt. Jetzt gibt mir Ulrich Chaussys „Der blinde Fleck“ sehr zu denken; das alles ist in unserer Demokratie möglich?! Dann braucht es auch Chaos, um was zu verändern…“

„Ich war als Mächtige ganz steif, unfähig zu Bewegung, ganz wenig im Gefühl. Das war eine starre, unbewegliche Macht. Jetzt, wo ich aus der Rolle raus bin, verstehe ich: Es geht ums Bewegen!“

„Als Protestierende verstehe ich jetzt, danach: Alle Rollen bedingen sich gegenseitig. Als Protestierende war ich auch Funktionsträgerin, die das SYSTEM stabil hält. Das SYSTEM verändert sich dadurch nicht wirklich…“

„Ich hatte die Rolle der Gewalttätigen gewählt, um sie zu erforschen. Ich hatte das Bild, die hätten berechtigte Wut, aufgrund von Benachteiligung. Was ich gespürt habe: Mir ging’s ums Kaputt-Machen, ohne Grund. Jetzt würde ich sagen: Die Gewalttätigen brauchen ein bescheuertes System, damit sie vordergründig einen Grund haben für ihre Gewalttätigkeit. Und damit stützen sie wieder das SYSTEM…“

„Als Ohnmächtige war ich fatalistisch, geradezu selbstzerstörerisch. Veränderung war für mich gleich Apokalypse. Ich war nicht erreichbar durch andere. Mir ist aufgefallen, dass wir kein Element für den Mainstream hatten. Ob die Ohnmächtigen wohl der Mainstream sind?“

„Als Andere bin ich an meine Grenzen gestoßen: Ich wollte verändern, aber wenn ich andere mit ins Boot holen wollte und das nicht ging, hat mich das unfrei gemacht. Ich konnte nur spiegeln, was möglich wäre, ohne Propaganda. Wenn die Ohnmächtigen ein bisschen intelligenter wären, wäre durch sie Veränderung möglich…

Dieses SYSTEM ist ein altes System, versteinert. Ich habe den Tod gesehen – in den Mächtigen und in den Ohnmächtigen… Ich hoffe auf einen Sieg der Liebe, einen Sieg von Weich über Hart, irgendwann…“

„Zum Thema tödliches System fällt mir die Ukraine ein, wo sich Landsleute bekriegen – ums Recht-Haben…“

„Als Ohnmächtige habe ich Kommunikation mit den Mächtigen vermisst. Wenn die mir erklärt hätten, dass, wie und wozu sich das SYSTEM verändert, das hätte mir geholfen…“

„Das ist ein gefährliches Thema: der Ruf nach dem Erlöser, dem Guru…“

„Die Beziehungslosigkeit unter den Protagonisten – das ist der Knackpunkt…“

„Ich höre viel davon, wie alles anders sein sollte; aus der Aufstellungsarbeit weiß ich: Zuerst einmal geht es darum, alles so zu akzeptieren, wie es ist!...“

„Mich lässt das Bild vom SYSTEM als Stapel nicht los. Ich glaube dran, dass es mehrere kleine anstatt einem großen Stapel geben sollte. Zugleich macht’s mich ratlos. Der Begriff der Selbstermächtigung fällt mir ein. Wir brauchen Mut…“

„Mir drängt sich das Bild des Totentanzes auf: Es ist 12 Uhr Mitternacht. Alle waren in ihren Rollen gefangen. Eine einzige hat sich befreit, sie ist für mich die Heldin des Spiels: Die erste Darstellerin der Mächtigen. Sie hat sich von der Rolle einfach verabschiedet. Ich bin ratlos: Wie können wir die Karten neu mischen? Diese alten Begriffe der Selbstermächtigung etc. klingen für mich nach Selbstmitleid…“

„Für mich zeigt sich eine Endlosschleife. Die System-Umbauer sind die neuen Mächtigen. Nichts ändert sich…“

„Ich bin ratlos: Was sollen wir mit den Gewalttätigen auf der Welt tun? Mit dem IS? Mit den Flüchtlingen?“

„Ich würde mich in der Realität als Anderer bezeichnen. Diese Rolle habe ich ein Leben lang innegehabt. Jetzt habe ich gesehen: Die Protestierenden haben gehandelt. Konkret. Haben die Mächtigen vom Podest geholt…“

„Alle waren auf sich bezogen und voneinander unabhängig. Die Lösung liegt im In-Beziehung-Gehen. In Dynamik durch Beziehung.“ „Was hätten die Gewalttätigen gebraucht?“

„Ich halte die Demokratie für die beste aller schlechten Staatsformen; ein Umbau ist definitiv nötig. Aber wie?“

„Die Extremen wissen es: Es geht um Umsturz…“

„Ich bin unzufrieden mit der Aufstellung. Es hätte Interaktion zwischen den Elementen gebraucht…“

„Ich bin der Meinung, dass die Systeme, die wir da betrachten, zu groß sind für die üblichen Interventionen bei Aufstellungen: Elemente umstellen, sie auffordern, miteinander in Beziehung zu gehen, Verständnis füreinander zu zeigen – das entspricht nicht der Realität und ihrer Dynamik…

Zum Inhaltlichen: Ich hab mal eine Radiosendung gehört, da haben Menschen, die in der Zwischenkriegszeit Kind waren, von ihrer Kindheit erzählt. Einer hat gesagt: Ich hatte eine schöne Kindheit. Wir hatten nicht viel, aber ich habe auch nichts vermisst. – Hat der nicht gewusst, dass Weltwirtschaftskrise ist? Dass die Nazis immer stärker und bedrohlicher werden? Hat der in einer Parallelwelt gelebt? In einer Traumwelt? Wie gelingt Leben – im System, neben dem System, außerhalb des Systems?“

„Als die Stühle auseinander genommen waren, hab ich Freude gespürt. Aber dann – war wieder nix. Hätte es noch mehr Zeit gebraucht, damit es konstruktiv weitergeht?“

Hier beenden wir den Abend, eher mit mehr Fragen als Antworten… Stimmen aus den Tagen danach:

„Gestern Abend war die Ratlosigkeit im Raum richtig greifbar für mich. Heute, mit ein bisschen Abstand, ist sie zwar immer noch da, aber ich kann wieder besser auf mich selbst fokussieren: Was kann ICH tun? Ich könnte in Selbstmitleid und Vorwürfen versinken: Erzeugt unser Schulsystem nicht vor allem ohnmächtigen Mainstream, Angepasste, die das bestehende SYSTEM wieder abnicken? Ich habe einen 19jährigen Sohn. Ich habe mich bemüht, ihn zum eigenständigen Denken zu erziehen, und ich denke, es ist mir ganz gut gelungen. Ich versuche jeden Menschen, mit dem ich in Kontakt komme, zum eigenständigen Denken zu animieren, Dinge und das SYSTEM zu hinterfragen. Ich werde damit vermutlich nicht die ganze Welt ändern können, aber es kann mein Beitrag sein. Der Abend hat mich bestärkt, damit weiterzumachen…“

„Vorhang zu, alle Fragen offen?“— nein und ja, nja! Die Aufstellung war Abbild einer demokratisch gesund-turbulenten Gesellschaft mit Aktivitätsspitzen seitens der Protestierenden, den Extremen, der Anderen. So weit, so gut. In meinem persönlichen Schlussbild räkelt sich das Element der Extremen genüsslich auf den Stühlen, die das System symbolisieren, und schichtet dieses um. Damit wäre Vieles erreicht, doch reicht dies wirklich? Revolutionsregierungen haben im letzten Jahrhundert nicht so viel Neues in die Weltläufte eingebracht. Müssen wir diese Eindimensionalität nicht umbrechen, zugunsten eines neuen Gesellschaftsvertrags, auch angesichts Digitalisierung, Roboterisierung, Hochtechnologisierung, mit allen Effekten auf das Wirtschaften und die individuelle Wohlfahrt? In der Physik versuchen die intelligentesten Geister der Welt die Widersprüche, etwa von Relativität und Quantenphysik, auf einer höheren Erklärungsebene zu vereinen. Das fehlt mir in der Bürgergesellschaft und den Gesellschaftswissenschaften. Stattdessen begegnet uns in Deutschland, weltweit immer noch als Land der Denker gewürdigt, Larmoyanz auf hohem Niveau.“

„Die gehäuften Störungen an diesem Abend deute ich als Hinweise darauf, damit das SYSTEM in den Fluss kommt. Und genau das wollen die Mächtigen nicht. Ja keine Störung, alles schön geregelt, alles kontrolliert und fest im Griff. Die Störungen haben auch mich verunsichert. Ich kannte mich nicht mehr aus, fühlte mich wie auf einem Jahrmarkt, wo es drunter und drüber geht.

Hier die Störungen, die mir aufgefallen sind:
1. die beiden jungen Leute, die ohne Verabschiedung noch vor der Kleingruppenarbeit gegangen sind.
2. Ich bin schon in der Aufstellung, bevor sie anfängt: Alle standen, als sie für die Aufstellung gebrieft wurden. Nur ich saß noch und bekam es nicht mit.
3. Ich saß wie gebannt vor dem Stuhlstapel und musste auf mehr Abstand gehen. Das Bild mit "die Blockade lösen" kenne ich von Bernd Senf. Er sagt immer: Wir müssen nicht Probleme lösen, sondern nur die Blockade, dann kommt alles ins Fließen.
4. Mein Handy klingelt (obwohl es ausgeschaltet war, aber nicht auf stumm). Ich eile wie ein Manager aus dem Raum, um eine andere Baustelle (XX-Treffen zur Zukunft unseres Restaurants) zu bedienen.
In dem Telefonat erlebte ich eine innere Klarheit, wie wir mit den Absagen zu dem Treffen umgehen sollten: weitermachen! Klare Ansage. Du weißt wahrscheinlich nicht, dass ich N.N. aus der Besetzerszene in Franzheim kenne, wie es um den Flughafenneubau im Erdinger Moos ging (Anfang der 80er Jahre). Damals kam er mir merkwürdig "extrem" vor. All die Blackouts, die auftraten, sehe ich als Hilfestellung, dass eine Veränderung möglich ist. Sonst hätten wir ein geschlossenes System, das auf ewig weiterbestehen würde. Zum Protokoll habe ich nichts zu ergänzen, außer, dass das Element Lücke/Störung/Unvorhergesehenes mit dabei war. Dieser Abend hat einen Bewusstseinssprung ausgelöst und zeigt mir, dass wir bisher in Revolutionen gefangen waren und noch nicht fähig waren, evolutionär, wie es uns die Natur vormacht, vorwärts zu kommen.“

„Die Nachwirkung der gemeinsamen "Meditation der Macht" war bei mir noch enorm. Als Extremer (vor der Rolle hatte ich früher Angst, die analytischen Marxisten gingen mir mit ihrer Rechthaberei und Tatenlosigkeit auf den Geist, nun sehe ich in PODEMOS, Zapatisten, Pacha Mama-Bewegung, indigenen Organisationen und befreiender Pädagogik (wie früher befreienderTheologie) durchaus gute internationale Kräfte, die vom Verstehen des Systems (die gestapelten Stühle sind zu zerlegen) zur logischen gemeinschaftlichen Handlung führen: dem System, den unrecht handelnden Konzernen die Macht, unsere Zustimmung zu entziehen.
Im Stil des Welt-Sozialforums gibt es eine Art der Aufmerksamkeit und Beziehung für politische Gruppen untereinander, aber die deutschen und Münchner Sozialforen sind in der Hand gut meinender Linker, die Vorträge und Diskussionen und im Moment Soli-Aktionen zu Griechenland organisieren, aber nicht den Austausch der Gruppen. Den erlebe ich nur innerhalb des Nord-Süd-Forum München, das alle 2 Monate gut 60 Gruppen und Vereine in Austausch bringt und vom 3.-5.7.15 mit Vortrag, Arbeitsgruppen und einem Markt die Zusammenarbeit der Alternativen organisieren will. Meine neue Rolle als Extremer gefällt mir nun recht gut, vielleicht komme ich mit der Arbeitsweise nun etwas weiter...“

„danke dir für die Freilegung des Abends neulich, es ist wie ein Kraft-Hinweis, auch wenn ich grade von allen alten Verpflichtungen so genervt bin, dass ich fast gar nichts tun will, dann kommt irgendwann wieder der Gedanke an EXTREM und ich hab Power. Was ich mir lange nicht erlaubt hatte, immer zwischen pädagogisch und vermittelnd, platzt plötzlich recht heftig hervor: Zwischen allerlei aktuellem Tanztheater, das mit Allem spielen kann, find ich im Verschwiegenen die Ruhe: Und muss wieder so viel weniger ... als darauf hinzuweisen, dass Leben ein Genuss sein soll.“

"Für mich hat in der Aufstellung eine Figur gefehlt, die das "Ziel" oder die "Vision" heißen könnte.“