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Stadtteilnetzwerk bringt Menschen zusammen

Potsdamer Verein Stadtteilnetzwerk bringt Menschen zusammen

Der Verein „Stadtteilnetzwerk Potsdam-West“ setzt auf nachbarschaftliches Miteinander und initiiert zahlreiche Projekte für sozialkulturelle Stadtteilarbeit. Jetzt könnte es zum Bundessieger beim Preis um den Nachbarschaftspreis 2017 gekürt werden.

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Leiterin Annette Paul im Nachbarschaftsgarten

Quelle: Bernd Gartenschläger

Potsdam-West. Sanft wiegen die Sonnenblumen im Wind, Kürbisgewächse bahnen sich ihren Weg über den Boden, dazwischen recken bunte Wiesenpflanzen ihre Köpfe in die Luft. Zwei Frauen sitzen im Garten und unterhalten sich, im hinteren Teil werkeln drei Männer an einem Unterstand und richten die Fahrradwerkstatt ein. Hier auf dem etwa 4300 Quadratmeter großen Grundstück an der Ecke Geschwister-Scholl-Straße/Kastanienallee, das der Schlösserstiftung gehört, soll das Nachbarschaftshaus „Scholle 34“ des „Stadtteilnetzwerkes Potsdam-West“ entstehen.

Zwischen Gründerzeitviertel am Park Sanssouci, 1930er Jahre-Bauten an der Havel und dem DDR-Neubaugebiet setzt der Verein auf kreatives, nachbarschaftliches Miteinander und initiiert zahlreiche Projekte für sozialkulturelle Stadtteilarbeit – unter anderem den „Lebendigen Adventskalender“, die Initiative „Westkurve“, den Stadtteilchor, das Carsharing-Angebot „StadtTeilAuto“ sowie die Fahrradwerkstatt „PlattenFix“. Sie ist vor anderthalb Wochen von der Haeckelstraße in die Geschwister-Scholl-Straße gezogen.

Marcel Pilz betreut die Fahrradwerkstatt

Marcel Pilz betreut die Fahrradwerkstatt.

Quelle: Bernd Gartenschläger

Marcel Pilz vom „Stadtteilnetzwerk“ ist der Kopf der Fahrradwerkstatt, die 2015 aufgebaut wurde. Bis heute konnten 750 Fahrräder durch Spenden an Geflüchtete verteilt werden. „Zu Beginn gab es einen richtigen ‚Run‘ auf die Werkstatt, 40 bis 50 Leute wollten alle Fahrräder,“ erzählt der 41-Jährige. Jetzt werden mittwochs von 13 bis 17 Uhr hauptsächlich gemeinsam Fahrräder repariert. „Es ist eine Gelegenheit, Energien zu erhöhen, dass Menschen miteinander verbunden sind“, sagt der Schauspieler.

Eine andere Idee hatte der Niederländer Joos van den Dool, der vor sieben Jahren nach Potsdam zog. Er ist der Gründer der Carsharing-Initiative „StadtTeilAutos“. „Als ich hier ankam, fiel mir auf, dass viele Autos längere Zeit rumstanden“, erzählt der Diplom-Ingenieur für Architektur und Stadtplanung. 2013 begannen acht Personen, zwei Autos untereinander zu teilen. Heute sind es bereits 14 Autos und über 350 Menschen. Vom VW, über Mercedes bis hin zum Renault sei alles dabei. „Es ist eine solidarische Initiative und kein Gewinnmodell“, erklärt van den Dool, erster Vorsitzender im „Stadtteilnetzwerk“. Das Prinzip: Beide Parteien schließen einen Vertrag, aufgrund einer einfachen Berechnungsvorlage werden Versicherungskosten und Benzin auf einen Kilometerpreis umgelegt. Nach der Registrierung können Interessierte den „Autoteiler“ per Mail oder Telefon kontaktieren. „Es ist einerseits umwelt- und kosteneffizient, andererseits lernen die Menschen sich kennen“, sagt der 40-Jährige. Das Ehepaar Cantner hat sich sogar entschieden, ihr Auto ganz abzugeben. „Die Parkplatz-Situation in Potsdam-West ist sehr eng. Wir erledigen viel mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für die drei, vier Male im Monat, wo wir ein Auto brauchen, kommen wir mit dem Carsharing gut hin,“ berichtet der 73-jährige Rentner Ernst Cantner.

Zurück im Nachbarschaftsgarten in der „Scholle 34“ koordiniert Ulrike Harder, zweite Vorsitzende im „Stadtteilnetzwerk“, das „Urban-Gardening“-Projekt, das 2016 startete. „Da drüben probiert einer Amaranth anzupflanzen, um später Getreidemilch herzustellen“, erklärt die Designerin und zeigt auf das Beet mit den rötlichen Pflanzen. Es sei ein Ort des Ausprobierens, sagt die 63-Jährige. Rund 20 Menschen, von Hobbygärtnern bis hin zu ambitionierten Biologen, haben Patenschaften für die einzelnen Beete übernommen.

Außerdem sind eine Boulebahn, eine Blumenwiese und ein Obsthain entstanden. „Wir sind eine illustre Gruppe – hier kann jeder etwas tun“, erklärt Ulrike Harder. Dabei stehe kein Projekt nur für sich allein. „Es fließt alles ineinander über“, sagt sie.

Ulrike Harder im Blumengarten

Ulrike Harder im Blumengarten.

Quelle: Bernd Gartenschläger

Die ersten Ideen für das Stadtteilnetzwerk sind dabei schon über zehn Jahre alt. Damals gab es viele Aktive im Viertel, die eine Stadtteilkonferenz einberiefen, um gemeinsam zu überlegen, wie das Zusammenleben noch schöner werden könne, erzählt Geschäftsführerin Annette Paul, die das „Stadtteilnetzwerk“ seit gut anderthalb Jahren in Teilzeit leitet.

Offiziell gegründet wurde der Verein dann 2009. Von Beginn an wurden sie von der Landeshauptstadt Potsdam gefördert. Denn neben Annette Paul und dem Bundesfreiwilligen arbeiten noch zwei weitere Mitarbeiter mit einer halben Stelle im Netzwerk. Sie übernehmen Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit oder Buchhaltung. „Wir werden sehr großzügig unterstützt, dennoch müssen wir 20 Prozent der Ausgaben selbst erwirtschaften“, erklärt die 46-jährige Künstlerin. Keine leichte Aufgabe, da sie auch keine Räumlichkeiten zum Vermieten hätten, um Geld einzunehmen, erzählt Annette Paul.

Joos van den Dool hat das Carsharing ins Leben gerufen

Joos van den Dool hat das Carsharing ins Leben gerufen.

Quelle: Bernd Gartenschläger

Gelegenheit dazu wäre dann in dem neuen Nachbarschaftshaus, das in dem leerstehenden, baufälligen Ausflugsgasthof „Charlottenhof“ entstehen soll. Gemeinsam mit der Landeshauptstadt Potsdam und der Architektin Susanne Schnorbusch, welche die geschaffene Projektstelle innehat, wurde kürzlich ein Förderantrag beim Land für das Programm „Soziale Integration im Quartier“ eingereicht. Nun warten alle Beteiligten gespannt auf die Bewilligung der Fördergelder. „Wir hoffen sehr darauf. Das wäre dann wirklich der Startschuss für die Sanierung.“ Geplant sei diese für 2018.

Das Nachbarschaftshaus soll aus drei wesentlichen Elementen bestehen: einem Familienzentrum für soziale Belange, einem 300 Quadratmeter großen Veranstaltungssaal mit Glasfront zur Straße und dem Projekthaus als Herzstück. Hier wird auch das Büro des Stadtteilnetzwerkes einziehen. „Es soll ein Haus sein, das sich immer wieder aneignen lässt“, betont Annette Paul.

In der vergangenen Woche gewann der Verein den Deutschen Nachbarschaftspreis 2017 im Land Brandenburg. Am Mittwoch wird über den Bundespreis entschieden, der mit 15 000 Euro für Platz eins bis 5 000 Euro für den dritten Preis dotiert ist. Würden die Potsdamer gewinnen, rückt der gewünschte neue Transporter – möglichst ein E-Mobil oder Hybridfahrzeug – in greifbare Nähe.

Stadtteilnetzwerk Potsdam-West

Das Stadtteilnetzwerk hat sein Büro im Atelierhaus in der „Scholle 51“ in Potsdam-West. Der Standort wird auch künftig weiter genutzt werden.

Ein neues Dach soll das Netzwerk 2018 in dem neuen Nachbarschaftshaus „Scholle 34“, in der Geschwister-Scholl-Straße finden.

Hier steht die ehemalige Großgaststätte „Charlottenhof“. Sie wurde 1970 erbaut und galt als beliebtes Ziel von 400 Reisenden täglich, die das benachbarte Schloss Charlottenhof im Parks Sanssouci besuchten.

Zuletzt als Disco genutzt , steht das Gebäude seit fast 15 Jahren leer. Es befindet sich in einem baufälligen Zustand und muss nun komplett saniert werden.

Das Stadtteilnetzwerk Potsdam-West ist Landessieger im Wettbewerb um den Deutschen Nachbarschaftspreis 2017 und damit für den Bundespreis nominiert, der heute in Berlin verliehen wird. Schirmherr ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Mehr Infos zu dem Verein finden Sie unter www.stadtteilnetzwerk.de

Von Anne Knappe

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