Zinedine Zidane

Kopfloser Abgang eines Weltstars

Jähzorn war sein ständiger Begleiter - bis zum bitteren (Karriere-)Ende. Mit einem Kopfstoß im WM-Finale gegen den Italiener Marco Materazzi verabschiedete sich Zinedine Zidane von der internationalen Fußballbühne. Dennoch wurde er zum besten Spieler des Turniers gekürt. Die Wahl fand schon vor dem Endspiel statt.

Genie und Wahnsinn gingen bei Zidane stets Hand in Hand. Ausgerechnet im WM-Finale schlug das Pendel wieder einmal Richtung Wahnsinn aus. Durch den Hinterausgang verließ der Regisseur in seinem letzten Spiel für die Equipe Tricolore die große Fußballbühne. Vom Italiener Marco Materazzi verbal provoziert, verlor "Zizou" in der 110. Minute der Verlängerung die Contenance und sah Rot. Es war der insgesamt zwölfte Platzverweis in der Karriere des Franzosen, der eben auch ob seiner Unbeherrschtheit stets für Schlagzeilen sorgte.

"So ein Ende hat er nicht verdient"

"Dieser Abgang ist eine Schande", meinte Italiens Nationaltrainer Marcello Lippi nach dem Abpfiff des WM-Finales. "So ein Ende hat er nicht verdient", grollte Frankreichs Coach Raymond Domenech. Dabei hatte zunächst alles nach der ganz großen Zidane-Finalshow ausgesehen. Genial und fast schon provokant lupfte er in der siebten Minute des Finales einen Elfmeter millimetergenau unter die Latte und brachte Frankreich 1:0 in Führung.

Nur noch kopflos allerdings war sein Kopfstoß gegen die Brust von Materazzi. Mit hängendem Kopf schlich Frankreichs größter Fußballer in seinem 108. Länderspiel vorzeitig vom Platz, nachdem ihm der argentinische Schiedsrichter Elizondo die Rote Karte gezeigt hatte. Beim Gang in die Stadionkatakomben würdigte Zidane den Weltpokal keines Blickes mehr. Während seine Elf das Finale im Elfmeterschießen 4:6 gegen Italien verlor, saß der große „Zizou“ einsam in der Kabine.

Rücktritt vom Rücktritt

Schon vor Turnierbeginn war klar, dass die WM 2006 das letzte große Turnier des 34-Jährigen sein würde. Nach dem EM-Aus 2004 gegen Griechenland war er bereits aus der Equipe Tricolore zurückgetreten. Ein Jahr später folgte der Rücktritt vom Rücktritt.  Auch dank seiner Mithilfe  brachten die schwächelnden Franzosen die WM-Qualifikation doch noch zu einem glücklichen Ende. Während des Turniers steigerte sich Zidane Spiel für Spiel - wie das gesamte französische Team.

Beim 1:0-Triumph im WM-Viertelfinale über Brasilien etwa war Zidane der überragende Mann auf dem Platz, bereitete zudem Thierry Henrys entscheidenden Treffer vor. In einer an Stars eher armen WM wurde er schließlich per FIFA-Wahl zum wertvollsten Spieler des Turniers gekürt - vor den Italienern Fabio Cannavaro und Andrea Pirlo. Zidane durfte den "Goldenen Ball" trotz des Platzverweises behalten.

"So etwas ist unentschuldbar"

Die sportliche Strafe für seine Tätlichkeit gegen Materazzi wird Zidane verschmerzt haben können. Die FIFA sperrte den Nationalmannschafts-Pensionär für drei Länderspiele und brummte ihm zusätzlich eine Geldstrafe von 7.500 Schweizer Franken auf. Reuig gestand er später ein: "Ich entschuldige mich bei den Kindern, die das gesehen haben. So etwas ist unentschuldbar. Ich muss es laut und deutlich sagen, weil es von zwei bis drei Milliarden Fernsehzuschauern und Abermillionen Kindern gesehen wurde." Als Wiedergutmachung verpflichtete er sich, eine Art Gemeinschaftsdienst mit Jugendlichen bei humanitären FIFA-Aktionen abzuleisten.

Genie weggezaubert

Schmerzhafter dürfte für den Ausnahmefußballer die verloren gegangene Reputation gewesen sein. Das WM-Finale wurde nicht zur letzten Krönung, sondern zum bittersten Abgesang, den sich ein Fußballer überhaupt vorstellen kann. Die schwedische  Tageszeitung "Aftonbladet" zog angesichts seiner letzten Kurzschlussreaktion das philosophisch anmutende Fazit: "Der letzte Trick des Zauberers Zidane bestand darin, sein Genie in reinster Form vorzuführen - indem er es wegzauberte."

Lieber sterben als entschuldigen

Auch nach Beendigung seiner aktiven Laufbahn ist Zidane dem Fußball treu geblieben, arbeitet unter anderem als Berater für seinen ehemaligen Verein Real Madrid. Treu geblieben ist er auch sich selbst: Er würde "lieber sterben" als sich bei Materazzi zu entschuldigen, sagte er Anfang März 2010 der spanischen Zeitung "El País". Seine Mannschaftskameraden habe er um Vergebung gebeten: "Aber ihm kann ich niemals, niemals verzeihen." Zidanes sture Haltung erklärt sich aus dem Wortlaut der Beschimpfung, die Materazzi 2007 preisgab: "Preferisco la puttana di tua sorella", habe der Italiener gesagt, als Zidane ihm sein Trikot anbot, nachdem Materazzi ihn festgehalten hatte. Was auf deutsch etwa soviel bedeutet wie: "Ich bevorzuge deine Schwester, die Nutte."

Frank Menke

Zinedine Zidane verlässt während des Finales nach einer  Roten Karte das Spielfeld und passiert dabei den ausgestellten Sieger-Pokal. Foto: dpa

Keinen Blick für den Pokal: Zidane verlässt während des Finales nach seiner Roten Karte das Spielfeld.

Zur Person

Name:
Zinedine Zidane
Geboren:
23.06.1972 in Marseille

Karriere-Highlights

  • Weltmeister 1998
  • Europameister 2000
  • Sieger Champions League 2002
  • Weltpokalsieger 1996, 2002
  • Sieger Europäischer Supercup 1996, 2000
  • Italienischer Meister 1997, 1998
  • Bester Spieler der WM 1998
  • Weltfußballer 1998, 2000
  • Europas Fußballer des Jahres 1998, 2000
  • UN-Botschafter des guten Willens
  • Vize-Weltmeister 2006