Thomas Grundmann: Der Wahrheit auf der Spur. Eine
Verteidigung des erkenntnistheoretischen Externalismus Paderborn: Mentis, 2003. Broschiert, 403 Seiten Autor Literatur |
Thomas Grundmann, Professor am Philosophischen Seminar der Universität Köln ( Autor), geht der Frage nach: Was genau ist die erkenntnistheoretische Rechtfertigung? Da sie wahrheitsfördernd sein soll, rechtfertigt das den etwas reißerischen Titel Der Wahrheit auf der Spur. Wer hier Bibelexegese oder Esoterisches vermutet, sollte spätestens beim Untertitel stutzig werden. |
Der Wahrheit auf der Spur bietet
eine breite Diskussion der erkenntnistheoretischen Rechtfertigung mit einem
wohl überlegten und begründeten Standpunkt des Autors. Da er seine
Thesen gründlich zusammen mit dem Leser prüft, kommen alle
gegnerischen Positionen unter die analytische Lupe. Grundmann beginnt mit der konservativen Begriffsanalyse und stößt bald auf einen Zirkel. Daraufhin wird ein Ausflug in den philosophischen Skeptizismus notwendig. Fünf wichtige Argumente des Skeptikers werden erörtert: das Gewißheitsargument, das Regreßargument, das Argument der erkenntnistheoretischen Kluft, das Argument der Geschlossenheit und Unterbestimmtheit und das Traumargument. Das zum Gehirn-im-Tank ("Brains in a Vat", siehe Literatur) modifizierte Traumargument veranlaßt Grundmann den Internalismus zu untersuchen und zu kritisieren. Der Internalismus sagt, daß die Rechtfertigung in die Perspektive des betroffenen Subjekts fallen muß. Es muß zumindest prinzipiell in der Lage sein, Gründe anzugeben. Der Externalist verneint dies und meint, es genügt, wenn diese Gründe objektiv vorliegen. Die Abwägung Grundmanns läßt nur den Externalismus in Form einer Verläßlichkeit der Methode zu. Dieser Reliabilismus stützt die Rechtfertigung darauf, daß die Meinung durch einen zuverlässigen Prozeß zustande kam. In weiterer Filigranarbeit meißelt Grundmann schließlich einen Reliabilismus mit "menschlichem Gesicht" heraus und definiert ihn abschließend im fünften Kapitel. In einem Resümee weist der Autor auf die weitreichenden Konsequenzen seines Standpunkts hin. Dort fragt er noch, ob man die Erkenntnistheorie den Naturwissenschaften überlassen soll (Bartelborth 1997) oder gar muß (Quine 1969). Die immer wieder gestellte Frage, ob für Wissen überhaupt eine Rechtfertigung gefordert werden muß (Beckermann 1997; 2001) behandelt Grundmann als Problem der Marginalisierung der Rechtfertigung (S. 339 ff) und beantwortet sie entschieden mit: "ja". |
Der Wahrheit auf der Spur ist
kein Lesebuch der Erkenntnistheorie kurz vorm Einschlafen. Besonders das
Kapitel 4 "Der erkenntnistheoretische Internalismus" erfordert geistigen
Schweiß und mehrmaliges Lesen. Die Anstrengung wird mit dem zur Zeit
erhellendsten und gründlichsten Werk zur erkenntnistheoretischen
Rechtfertigung belohnt; dieses Urteil schließt die angelsächsische
Literatur ein. Deutschsprachige Werke wie dieses oder das von Gerhard Ernst
( Das Problem des
Wissens) bringen als willkommenen Nebeneffekt eine
Übersetzung gängiger Begriffe aus der dominaten angelsächsischen
Diskussion. Das zeigt sich auch am bloßen Eindeutschen von Begriffen,
wenn jedes mögliche deutsche Wort ungeeignet erscheint. Manchmal machte es
sich Thomas Grundmann hier zu leicht, so bei "vitiöse Zirkularität"
(S. 306), "unreliabeln Prozeß" (S. 325) oder bei "okkurente Meinungen".
Bei einem "evidentiellen Grund" (S. 313) wird es gar bedeutungsmäßig
gefährlich. Das Gesamturteil "hervorragend" wird dadurch nicht geschmälert. Das Beste zum Thema Rechtfertigung. |
Links |
Thomas Grundmann, Professor am Philosophischen Seminar der Universität Köln |
Grundmann, Thomas: Analytische Einführung in die Erkenntnistheorie |
Literatur |
Bartelborth, Thomas, 1997:
"Sollten wir die Erkenntnistheorie an die Naturwissenschaften abgeben?" In: H.
J. Sandkühler, Hg.: Philosophie und Wissenschaften. Formen und Prozesse
ihrer Interaktion. Frankfurt am Main: Lang. S. 277-296.
Beckermann, Ansgar 1997: "Wissen und wahre Meinung". In: Wolfgang Lenzen, Hg.: Das weite Spektrum der Analytischen Philosophie. Festschrift für Franz von Kutschera. Berlin: de Gruyter 1997. S. 24-43. online Beckermann, Ansgar 2001: "Zur Inkohärenz und Irrelevanz des Wissensbegriffs. Plädoyer für eine neue Agenda in der Erkenntnistheorie". Zeitschrift für Philosophische Forschung 55. S. 571-593. online Putnam, Hilary, 1982: "Brains in a Vat". In: Reason, Truth and History. Cambridge: Cambridge UP. S. 1-21. online Quine, W.V.O. 1969: "Epistemology Naturalized". In: Ontological Relativity and Other Essays. New York: Columbia UP. S. 69-90 |