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Die Aussicht aus der Air Canada Maschine ist atemberaubend, das Personal auffallend freundlich, wie immer. Es ist Ende September, die Herbstfarben haben die verschneiten Rocky Mountains abgelöst. Schon weit in den Himmel hinauf leuchten uns die bunten Birken entgegen – ein ergreifender Anblick. Die Kanadierin neben mir im Flugzeug flüstert mir
während dem Landeanflug stolz und mit Tränen in den Augen ins Ohr: Sehen Sie nur, wie schön – das ist mein Zuhause, Haines Junction!
Nach einer turbulenten Anreise endlich glücklich in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon, gelandet.
Nun stehen wir etwas müde in der Halle des kleinen Flughafens und klauben Münzen aus dem Portemonnaie, um zu telefonieren. Wir haben uns einen kleinen 4WD Pickup mit Campingaufsatz gemietet und jemand von der Vermietstation sollte uns eigentlich abholen kommen, doch da ist keiner... Ich rufe also die Firma an und muss feststellen, das die Leute gar nicht mit uns gerechnet haben, da die letzte Woche wegen der Terroranschläge auf NewYork gar keine Flüge durchgeführt worden sind. Die improvisieren aber, und kurze Zeit später steht eine Mitarbeiterin mit unserem Auto am Flughafen. Zusammen fahren wir ins Büro, um den aufwendigen Papierkram zu erledigen. Wir sind die letzten Kunden dieser Saison. Ausser uns scheint keiner richtig Lust auf ein Abenteuer in der Natur bei Minus-Temperaturen zu haben.
Wir räumen den Camper mit unseren Sachen ein. Leider ist vieles nur mässig sauber, wie sich erst viel später herausstellen wird. Da man nicht mit uns gerechnet hat, ist die Batterie und der Wassertank noch leer, doch wir beschweren uns nicht, wir sind froh, das man sich überhaupt um uns bemüht, und in der Tat sind die Angestellten sehr freundlich.
Zwei Stunden später, es ist bereits Nachmittag, sind wir bereit. Mit einem neuen Stadtplan ausgerüstet (obwohl das bei den wenigen Strassen kaum nötig ist) machen wir uns auf zum nächsten Supermarkt, wo wir uns mit Lebensmitteln für die Reise eindecken wollen. Wir werden die Stadt hinter uns lassen und für einige Wochen in der Natur weilen. Jedenfalls ist das unser Plan...
Wir kaufen uns die nötigen Grundnahrungsmittel und ein Schmerzmittel für Notfälle (Marcel klagt seit der Landung über Zahnschmerzen). Zudem erstehen wir eine Riesenbuddel Trinkwasser mit 16Can$ Depot weil wir ja ökologisch denken und nicht laufend 1-Liter-Kanister fortwerfen wollen... Wir räumen unsere Lebensmittel ein und wollen uns auf den Weg machen. Zuvor wasche ich mir noch die Hände, doch es kommt kein Wasser. Ich frage Marcel um Rat. Zuerst, wie könnte es anders sein, kommt ein dummer Spruch: „Ich würde mal erst die Wasserpumpe anstellen“. Doof – die Wasserpumpe ist natürlich an... Er probiert es selber – und siehe da: es tut sich nichts! Ein dumpfes Brummen ertönt, kein Tröpfchen kommt aus dem Hahn. Wir beschliessen zur Vermietstation zurück zu kehren. Marcel ist zwar gelernter Sanitärinstallateur, trotzdem will er an dem Auto nichts selber reparieren, damit ihm später keiner einen Vorwurf machen kann. Wir fahren also die paar Kilometer zurück zur Camperstation, unterdessen ist später Nachmittag. Wir parkieren unser Auto vor dem Gebäude und lesen schon von da das leuchtend rote Schild in der Tür: ‚Closed for season’. Oh!
Nun muss Marcel doch selber ran. Die Aufgabe heisst: Man suche die Wasserpumpe. Eine halbe Stunde später (wir kennen mittlerweile fast das gesamte Innenleben des Campers...) wird Marcel fündig unter einem Trittbrett. Das Problem ist schnell behoben, durch das Entleeren des Wassertankes für den Winter hat die Pumpe Luft angesogen.
Dann endlich können wir uns auf den Weg machen. Wir beschliessen in den nächstbesten staatlichen Campground zu fahren. top
Unser Camper steht ganz vorne auf den Klippen am Abgrund zum grossen Lake Laberge, an einer wunderschönen Lage. Marcel bereut, keine Fischerrute dabeizuhaben, es hätte richtig viele Fische in dem See, weiss er von einem kurzen Spaziergang zu berichten. Wir sind nahezu die einzigen auf diesem Campground, nur
ein anderes Paar übernachtet 50m entfernt in einem PW mit Bootsanhänger (Wie wir auf dieser Reise noch feststellen werden, sind wir nahezu überall alleine). Einige Häuser in der Umgebung und Hundegeheul zeigen uns an, dass wir uns doch immer noch im Einzugsgebiet der Stadt befinden.
Marcel bereitet uns unserer erstes warmes Frühstück (wir lieben grosses Frühstück auf Reisen, dies jeweils möglichst früh morgens) in diesem Urlaub. Verlockender frisch aufgebrühter Kaffee zieht bis tief unter meinen Schlafsack, wo sogleich meine Nase auftaucht - schnell ist auch der Rest von mir dem Schlafsack entschlüpft...das lasse ich mir doch nicht entgehen!
Marcel sagt, er hätte noch immer Zahnweh, obwohl er gestern einige Tabletten genommen hätte. Ich sage zu ihm: „Wir sind immer noch in der Nähe von Whitehorse, willst Du nicht nochmals zurück und zum Zahnarzt, bevor wir zu weit weg sind - wer weiss wo der nächste ist!“ Er:“ Nein - nein, ich will jetzt endlich weiterfahren, das hatte ich doch schon mal und da hat es auch von selber wieder aufgehört, das ist bestimmt nur vom Druckunterschied beim Fliegen“. Damit gebe ich mich zufrieden, denn er bekommt wirklich jedes Mal nach der Landung unmittelbar Zahnschmerzen.
Marcel macht das Geschirr, ich bewundere draussen die schönen herbstlich rotgefärbten Dachwurzarten zwischen den felsigen Abhängen am See vorne und ich lasse es mir nicht nehmen einige Makroaufnahmen davon zu machen. Als ich vom See zurückkomme, prescht ein schwarz-weiss geschecktes Hauskaninchen an mir vorbei, verfolgt von einem streunenden Husky. Ist das nun des Yukons vielgerühmte ‚Wildnis’? top
Unterwegs begegnet uns das zweite Tier in Yukons ‚Wildnis’: Ein ausgerissenes Hausschwein auf dem Highway, verfolgt von seinem Bauern mit einem Pickup......leider habe ich die Kamera nicht ‚schussbereit’, was uns eine Lehre ist - Der Missstand wird sogleich behoben: An der nächstmöglichen Stelle halten wir an und richten den grosszügigen Platz zwischen uns mit der Fotoausrüstung und den griffbereiten Kameras ein.
Wir empfinden die Landschaft als überwältigend. Sumpfige, von kleinen Seen durchzogene, herbstlich rotgetönte Tundra wechselt ab mit sattgelben, weissrindigen Birken und dunkelgrünen Tannen entlang des Highways. Alles ist durchzogen mit geheimnisvoll wirkenden Nebenschwaden. Ab und zu begegnet uns ein Truck, aber
sonst so gut wie kein Verkehr. Einfach traumhaft (wir wollen jetzt unbedingt weg aus dem Einzugsgebiet der Stadt – unsere Ruhe haben).
Wir fahren nordwärts auf dem Klondike Highway, Richtung Carmacks, wo wir den Yukon River (hier noch in überschaubarer Breite...) queren und wo wir auf den Aussichtspunkt zu den ‚Five Finger Rapids’ treffen. Die Sicht ist grandios – besonders jetzt im Herbst. Bei gutem Wetter kann man hier unendlich viele Stufen zum Yukonufer hinuntersteigen und bis zu den beeindruckenden Klippen laufen. Angesichts Marcels zahnschmerzbedingter schlechter Laune lassen wir das aber und fahren einige Meilen weiter, bis zum Campground oben an der Kreuzung zum Tatchun- und Frenchman Lake. Dort rasten wir ein wenig und halten Rat darüber, ob wir hier übernachten sollten, oder ob wir noch ein Stück weiterreisen wollen. Wir entscheiden uns zur Weiterfahrt, nicht zuletzt deswegen, weil der Campingplatz zwar idyllisch, doch direkt am Highway liegt. Ausserdem ist erst gerade Mittag und wir sind noch voller Tatendrang.
Unmittelbar nach diesem Campground biegen wir rechts ab, auf eine unbenannte Buckelpiste, welche den Klondike Highway mit dem Campbell Highway zu verbinden scheint (In sämtlichem Kartenmaterial ist die Strasse als nicht durchgehend eingezeichnet, wir vermuten allerdings schwer...dass die Strasse durchgehend ist.
Ein Schild weist darauf hin, das diese Strecke nur mit 4WD und bei guter Witterung befahren werden soll. Das scheint ein guter Rat zu sein, denn die 2.5 Tonnen Gewicht auf unserer Ladefläche bringen gewaltige Kräfte mit sich...!
Nichts wie rauf, auf unsere erste ‚Gravelroad’ auf dieser Reise!
Kurze Zeit später schon sieht unser weisser Pickup aus wie paniert...
An den beiden Seen unterwegs gibt es mehrere inoffizielle Campmöglichkeiten. Wo wir auch anhalten rascheln gerade irgendwelche Viecher, meist Hörnchen oder Hühner im Unterholz davon.
Im Herbst könnte man sich hier ausschliesslich von Pilzen ernähren; ich zähle alleine an einer Stelle rund 40
Schopftintlinge, schade, dass sie schon schwarz sind, die hätte ich mir sonst nicht entgehen lassen – am Campfeuer zusammen mit einer Tomate und Kräutern gedünstet und mit geröstetem Toast aufgetunkt wäre das eine delikate Mahlzeit gewesen, hmmm...
Uns begegnen noch viele solcher Pilznester, oft sogar mitten auf
der Strasse. Ich wundere mich, wieso die Einheimischen die Pilze verderben lassen?
Unterwegs gibt es auch 3 offizielle State Campgrounds, jene sind aber noch ziemlich neu und es fehlt ihnen noch an Charme. Jedoch erwecken die bestimmt Fischer zum Träumen, denn die Plätze liegen direkt am Seeufer des Tatchun- und Frenchman Lakes, welche beide speziell zum Fischen aufgestockt wurden. Marcel bereut es einmal mehr, keine Fischerausrüstung dabeizuhaben...
Die Buckelpiste ist wirklich sehr anspruchsvoll zu fahren und wir benötigen fast 2 Stunden für die knapp 50km. Doch der Aufwand lohnt sich; wir sind auf dem Weg nach Faro – es ist ein sehr schöner Weg – und haben Glück, denn die Strecke führt, wie sich später herausstellen sollte, tatsächlich durch zum Campbell Highway.
Wir beziehen wegen Marcels Zahnschmerzen, die sich mittlerweile verstärkt hatten, früh am Nachmittag Lager direkt am flachen Ufer des Little Salmon Lake.
Nein, er hat noch immer nicht das Gefühl, wir müssten zu einem Zahnarzt, lieber wirft er sich nochmals ein Schmerzmittel ein, klagt dann auch noch über Magenschmerzen, als eine Folge der Salyzylsäure im Medikament, und ausserdem wird er zusehends ungeniessbarer....
Unsere einzigen Nachbarn sind Jäger, welche einen frisch geschlachteten Elch mit aufgespreiztem Brustkorb auf einem Trailer in der Sonne liegen haben (nicht jedermanns Sache, der Anblick!). Die sind etwa 100m entfernt, ebenfalls direkt am Ufer. Gegen Nachmittag gehen die beiden nochmals mit einem grossen Kanu raus.
Marcel macht sich auf, die Gegend zu erkunden
Ich sitze fast den ganzen Nachmittag in der Sonne und lese ein gutes Buch. Ab und zu laufe ich zur Erfrischung barfuss mit hochgekrempelten Hosen ins Wasser, der Boden ist mit flachem, schwarzem Schieferkies bedeckt und das Wasser irre kalt, aber wohltuend.
Marcel berichtet von seinem Spaziergang, ansonsten sagt er nicht viel, legt sich in die Sonne und döst vor sich hin.
Abends gibt’s dann unsere ersten grossen Steaks vom Grill, mit einem kleinen Salat, einer gebackenen Kartoffel mit Sour Cream.
Unser Geschirr waschen wir in ‚Goldgräber-Manier’ im See, indem wir Kiesel darin kreisen lassen...
Marcel erinnert sich an einige witzige Begebenheiten aus seiner Zeit beim Militär und wir verbringen so den restlichen Abend sehr zufrieden – und so ausgelassen es mit Zahnweh eben geht – planschend und ‚Kiesel-hüpfen-lassend’ im glasklaren See. top
Frühmorgens als ich aufwache, sehe ich Marcel schon draussen. Er sei schon seit Stunden auf, hätte kaum geschlafen. So sieht er auch aus, bleich. Ein richtig böse geschwollenen Hals hat er. Man darf nicht normal laut sprechen, das bereite ihm Kopfweh, ausserdem hätte er nun auch noch Ohrenschmerzen, abgesehen davon,
dass er alles wie durch dicke Watte höre – wenn überhaupt. Und das alles mit Schmerzmittel. Das kann’s ja wohl nicht sein. Tapfer und ohne auch nur ein bisschen zu jammern fährt er die ersten 100km bis Carmacks, wo wir schon gestern den Yukon River überquerten.
Hier, in dieser mit 500 Einwohnern doch grösseren Ortschaft müssen wir tanken. Wir wählen dazu die einzige Tankstelle im Umkreis von 300km.... Ich mache mich aus dem Staub, mit der Begründung, ich müsse mir jetzt unbedingt im Tankstellenshop eine CD kaufen, weil wir keinen Radioempfang hätten und Marcel solle doch im Auto bleiben (ich habe den Ärmsten selten so leiden sehen), ich würde den Diesel gleich mitbezahlen.
An der Kasse frage ich, ob’s hier in der Stadt wohl einen Zahnarzt gibt?
Der Tankwart strahlt mich an: „Aber selbstverständlich haben wir einen Zahnarzt – er kommt 2x jährlich vorbei, das nächste Mal im nächsten Dezember.“ Ich grinse ihn an und meine: „Ja, solange warten wir dann wohl besser doch nicht...“. Er nickt verständnisvoll und gibt mir das Telefonbuch rüber, und ich darf bei ihm telefonieren um herauszufinden, wo denn der nächste sei.
Hilfsbereit sind sie ja, die Leute des Yukon (was nichts daran ändert, das die nächste Zahnklinik eben doch in Whitehorse stationiert ist...also nochmals zurück nach Whitehorse)!
Im Auto stelle ich Marcel erbarmungslos vor die Wahl, entweder noch 3 Tage mit diesen Zahnschmerzen bis nach Dawson weiterzufahren und nicht sicher zu sein, dass der Zahnarzt, den’s da oben angeblich haben soll (der aber nicht im Telefonbuch steht), das Problem beheben kann oder 2 Tage zurück nach Whitehorse zu fahren wo ich bei einer Zahnklinik einen Termin machen lassen könnte. Er entscheidet sich für das einzig Richtige, wir biegen von der Tankstelle ab, in Richtung Whitehorse! top
...Marcel hat es nun hinter sich, ein zeitaufwendiger und teurer Ausflug war das!
Die halbe Zeit nur Autofahren und Wartezimmersitzen, dann die Prozedur beim Zahnarzt welcher erst eine Wurzelbehandlung an dem Zahn machen wollte und ihn dann schlussendlich doch ziehen musste...
Wir sind unterdessen wieder zurück in Carmacks, wo wir unter der Yukonbrücke direkt am Ufer des Yukon übernachten. Marcel geht es schon sichtlich besser und auf dem Retourweg hat er sich selber mit einer neuen Fliegenfischerrute und einer Fischerlizenz für seine Tapferkeit belohnt.
Marcel will natürlich unbedingt seine neue Angelrute ausprobieren und stellt sich dazu ohne Köder mit der Rute ans Ufer und schwingt sie rhythmisch. Kaum hat er damit begonnen, als sich von oben auf der Brücke ein Einheimischer nähert. Der rief runter: „Hey – Du da nicht fischen!“ Ich ignoriere ihn erst einmal, da ich (noch auf europäisches Verhalten geprägt) denke, da kommt schon der erste motzen. Dann schreit der Mann schon zum dritten mal runter: „Du da nicht fischen!“ Darauf rufe ich hoch: „Wieso nicht?“ Bellt der Einheimische runter: „Hat keine Fische“. Aha..... (wie peinlich)
Ich versuche dem Mann zu erklären: „ Er fischt nicht wirklich, er hat keinen Köder dran, die Rute ist neu, er übt bloss damit“.
Der Einheimische ungläubig: „Du da nicht fischen?!“ (seine Stimme überschlägt sich dabei fast...) Ich wieder: „Nein, verstehen Sie, er fischt doch gar nicht wirklich!“ Langsam wird der Mann ein wenig penetrant: „Du da nicht fischen!“ Ich rufe hoch: „ Wo sollen wir dann fischen, wo ist eine gute Stelle?“ Der Mann strahlt über das ganze Gesicht und fängt an mir lauthals von der Brücke herunter zu erzählen, wo er wohnt und das es da zwei Seen gibt, nämlich Lake Gloria 1 und Gloria 2, an welchen man ganz prächtig fischen könnte. Ich bedanke mich überschwänglich (in der Hoffnung, das er endlich verschwinden möge..) und versichere, dass wir da dann morgen fischen gehen werden. Zufrieden trottet er weiter über die Brücke. Von der anderen Seite kommt ein weiterer Einheimischer von der Arbeit. Die beiden begrüssen sich, plaudern ein bisschen und lachen, während der eine zu uns rüber zeigt (haben wohl über uns dumme Touristen gelacht, welche ohne Köder an einem Fluss fischen, an dem es keine Fische hat...
Abendessen gibt’s keines, da Feuermachen bei der Feuchtigkeit unmöglich war und Marcel ohnehin nichts essen durfte.
Wenigstens haben wir wettermässig nichts verpasst, es schiffte nämlich den ganzen Tag in Strömen!
Wäre es schöneres Wetter, dann würde bestimmt der ‚Bordwalk’ entlang des Yukons zu einem Spaziergang einladen. top
Wir beschliessen die verlorene Zeit nicht ‚aufzuholen’ sondern den Schwenker nach Faro einfach bleiben zu lassen, schliesslich wollen wir kein Rennen gewinnen, sondern eine Reise durchführen. Unser heutiges Ziel ist ein gutes Stück nördlich am Klondike Highway, ein staatlicher Campground hinter Steward Crossing.
Unterwegs müssen wir tanken, dumpen und vielleicht noch Milch, Eier und Brot (oder was man hier so für Brot hält...) kaufen, ausserdem haben wir weder ein taugliches Schneidebrettchen noch ein Küchentuch im Camper.
Wir beschliessen dies unterwegs in Pelly Crossing (350 Einwohner) zu organisieren, wenn möglich.
Kaum in Pelly Crossing angekommen sehen wir sogleich auch schon die Tankstelle, welche auch hier zentraler und einziger öffentlicher Punkt der Ortschaft zu sein scheint. Vor dem Eingang brennt etwas undefinierbares wie Abfall lodernd in einem alten blechernen Ölfass. An der Tankstelle hängt ein handgemaltes Schild welches mit viel Phantasie als ‚free dumping with fill up’ entziffert werden könnte.
OK. Wir füllen erst mal unseren Treibstofftank auf, dann kaufen wir im kleinen dazugehörigen Gemischtwaren-Laden (ein riesige, aber schmucklose Blockhütte) fehlendes Werkzeug und einige Esswaren, darunter einen riesigen Champignon dessen Hut die Grösse einer Untertasse hat und einen Elefantenknoblauch, der nur aus vier Zehen besteht (wovon jede einzelne in meiner Hand kaum Platz findet). Zum Abendessen werden wir uns den mit einer halben gehackten Knoblauchzehe und einem Stückchen Butter gefüllten Champignon zum Steak grillen.
Wieder draussen verstauen wir unsere neuen Errungenschaften darunter auch ein Päckchen ‚Moose Jerky’ (gepfeffertes Elch-Trockenfleisch).
Nun parkiert Marcel routiniert um, damit wir unseren ‚Blackwater Tank’ leeren können. Er parkiert also perfekt seitlich an den Schacht (ein offenes Blechrohr im Boden zugedeckt mit einer alten Konservendose), nimmt den Abwasser-Schlauch aus der Halterung, schliesst ihn an und will ihn in den Abfluss führen, doch der Schlauch ist zu kurz. Marcel korrigiert die Karre und fährt nicht seitlich daran, sondern exakt über das Loch. Trotzdem: Wir können es kaum glauben, obwohl perfekt parkiert ist der Schlauch noch immer zu kurz.
Der Faltenbalg des Schlauches hängt vom Anschlussstutzen senkrecht runter und ist noch gut 50 cm zu kurz. Ganz abgesehen davon, dass der Ablauf unpraktischerweise im Durchmesser kleiner als unser Abwasserschlauch ist... Marcel murrt irgendwas wie „das MUSS einfach gehen...“ zieht sachte am Schlauch und ‚z-z-zpling’ reisst die Schlauchspirale wie eine Zugfeder auseinander und es spritzt nach allen Seiten - bäh.
Zum Glück trägt er wenigstens Arbeitshandschuhe aus Leder, während ich nicht weiss, ob ich jetzt schadenfroh grinsen oder mich aufregen soll (ich entscheide mich für letzteres, ich will ES ja zukünftig nicht selber machen müssen...).
Jetzt ist der Schlauch NOCH kürzer – Scheisse, im wahrsten Sinne des Wortes! Nachdem der Tank nun ziemlich unelegant geleert und die Schweinerei (igitt!) beseitigt ist, untersuchen wir den Schlauch genauer. So wies aussieht ist das unseren Vorgängern auch schon passiert. Wer weiss, denen davor vielleicht auch schon? Nun ja. Hauptsache der Tank ist leer.
Nur noch schnell Wasser nachfüllen und weiter geht’ s. Nur, hm, das Wasser ist bereits saisonhalber abgestellt. Nein, es täte ihnen leid, sie hätten den Hahn schon entleert und sie könnten kein Wasser anbieten, ich soll doch in der Wäscherei fragen gehen. Gesagt getan, doch auch in der Wäscherei konnte man uns kein Wasser geben, weil auch die draussen schon alles abgestellt haben und die Schläuche von innen nicht bis zum Auto reichen würden. Dann lassen wir das mit dem Wasser vorerst bleiben (später auf der Reise wird sich das noch zu einem echten Problem entwickeln (Dabei habe ich erst gerade beim Zahnarzt im Wartezimmer einen Artikel über Wintercamping im Yukon gelesen – vergesst es Leute!). top
Einen tollen Platz haben wir gefunden, ganz vorne an den Klippen des Stewart Rivers. Gut geschlafen haben wir aber trotzdem nicht, weil der Wind wie verrückt blies und einer unser Vorgänger zwischen Ladefläche und Wohn-Auflieger leere Aludosen ‚entsorgt’ hat, welche nachts bei jedem Umdrehen, beim Autofahren und – eben wenn der Wind bläst - laut scheppernd umher kullern...
Weil wir die letzten Tage nirgends Wasser auffüllen konnten (sogar die altmodische Handschwengelpumpe auf dem Campground ist ausser Betrieb) wandert Marcel am Morgen an den Bach runter um uns wenigstens einen Eimer Flusswasser für den Abwasch zu holen. Unser Trinkwasservorrat ist dank der Riesenbuddel nicht in Gefahr.
Heute machen wir uns auf in Richtung Dawson City und wenn die Zeit reicht ein gutes Stück weit hoch, den Dempster Highway zu erkunden. top
Eine sagenhafte Gegend, welche nicht mit Ausdrücken, sondern nur mit Fotos wiedergegeben werden kann. Es ist eine faszinierend karge Gegend, die dank der Herbstfarben trotzdem üppig wirkt, auch wenn wir für die volle Farbenpracht gut so an die zwei Wochen zu spät kamen. Auf dem Rückweg, unterhalb des Norfolk
Passes angekommen halten wir bei einem Tramper mit spanischem Akzent an. Der Ärmste wartete wohl schon den ganzen Tag, ohne das ein Auto kam, aber mit nach vorne wollte er partout auch nicht kommen, selbst wenn er noch eine Nacht hier draussen verbringen müsste, er wolle jetzt erst nach Inuvik (Hat mir
SEHR imponiert!), und das in dieser Jahreszeit! Wir wechselten noch ein paar Worte und dann setzte er sich wieder auf seinen Rucksack und fuhr fort mit Block und Bleistift irgendwelche Aufzeichnungen (Ich weiss nicht, Skizzen oder Tagebuch?) zu machen. Auf alle Fälle erinnerte ich mich an die wahre Geschichte des Chris McCandless, welche ich dann sogleich Marcel erzählte.
Am späten Nachmittag wieder zurück an der Kreuzung Dempster Highway / Klondike Highway, will schon wieder ein Anhalter mitgenommen werden.
Hey, sorry, sage ich ihm: Kannst gerne mitkommen, aber wir gehen heute noch nicht ganz bis Dawson City, wir gehen nur bis zum Rock Creek.
Das ist ihm dann doch zuwenig weit, und er zieht es entschuldigend vor, an der stark frequentierten Tankstelle weiter vorne nach einem andern Truck Ausschau zu halten.
Kurze Zeit später bezogen wir am Rock Creek in einem kleinen Birkenwäldchen Quartier.
Gray Jays (Grauhäher) belagerten unseren Campingtisch in der Hoffnung es könnte sich ein Tortilla Chips mit ein wenig Dip auf den Boden verirren - Pech gehabt! Als dann keines auf den Boden fiel, wurden die ansonsten lustigen Vögel recht zudringlich und machten auch vor dem heissen Grillrost (und vor den Steaks) keinen Halt. Stinkfrech sind die – und trotzdem sehr sympathisch. Schon am Little Salmon Lake hatten wir einige davon fotografiert.
Hier, generell im Yukon - aber besonders in den Goldgräberregionen wie Dawson City, dreht sich seit jeher alles um den ‚Sourdough’, was von früher kommt, weil die Goldgräber die ihren Sauerteig über den Winter retten konnten einen guten Start in den Sommer zu haben versprachen (weil sie keinen Hunger haben mussten).
Es gibt da aber noch einen erst jungen Brauch, nicht vom Sourdough, sondern vom ‚Sour Toe’, und der geht in aller Kürze etwa so:
Ein findiger Barbesitzer von Dawson City fand in seiner Cabin vor 30 Jahren eine menschliche Zehe. Kein Mensch weiss, von wem die Zehe stammt. Sie wurde konserviert und in Essig eingelegt. Jeder der diese Bar betritt, bekommt diesen Zeh in seinen Drink nach Wahl, man nennt das dann den Sour-Toe-Cocktail. Dann muss der Drink in einem einzigen Zug geleert werden, der Zeh muss dabei unbedingt die Lippen berühren (man darf ihn nicht versehentlich schlucken, sonst muss man selbst einen ‚Nachfolger’ spendieren...!). Anschliessend wirst Du in die weltweite Liste der SourToe-Anhänger aufgenommen, wo bislang rund 13 000 Namen (im Alter von 6 Monaten bis 91 Jahren) alle ‚Mutigen’ erfasst sind.
Nach Anhörung dieses haarsträubenden Brauches werde ich wohl nie wieder eine Essiggurke essen können ohne daran zu denken – ich habe Fotos von der Zehe gesehen – einfach widerlich! Ich kann es mir gut verkneifen, auf dieser Liste zu stehen...
Morgen wollen wir erst einmal die Goldminen im Umkreis von Dawson inspizieren und danach die Stadt besichtigen. Wenn die Zeit reicht, schaffen wir es vielleicht noch vor dem ersten Schnee über den Zoll nach Alaska.
Ach, und im übrigen würde ich mich im Yukon nicht auf die Karteneinträge von Tankstellen usw. verlassen. Wir sind x-mal auf geschlossene Tankstellen getroffen. Besser bei jeder Möglichkeit tanken, auch wenn nur ein Schluck reingeht! top
Die nun schon gewohnte Wasserbeschaffung mit dem Eimer vom nahegelegenen Gewässer ist zu Marcels morgendlicher Aufgabe geworden. So auch heute, auch wenn dieser Fluss hier nur ein Rinnsal ist, verglichen mit dem Yukon River.
Das übliche deftige Frühstück bringt uns auf die Beine – ich mache heute das Frühstück und das heisst: frische hausgemachte ‚Pancakes’ mit Ahornsirup.
Kaum wieder auf dem Highway, aber noch vor Dawson, biegen wir ab in Richtung Goldminen, Bonanza Creek and Hunker Creek. Die Strasse sieht recht ordentlich aus, wenn auch Gravel Road.
Auf alle Fälle ist das Wetter recht vielversprechend, sehr kühl, aber klar und wolkenfrei und es verspricht sonnig zu werden heute, als wir uns aufmachen all die Goldfelder der Umgebung zu erkunden. Entlang der Strassen gibt es viele uralte Loghomes, alte verlassene Goldgräberhütten aus der Goldrauschzeit (Jahrhundertwende), alte Wagenräder davorliegend - ‚dekorativer Schrott’ - sozusagen. Es ist nicht wie bei uns, hier macht sich niemand die Mühe altes Zeug wegzuräumen. Es gehört zum Leben dazu.
Eine lange Rundtour führt rund um die Goldminen von Dawson. Eine traumhafte Aussicht bietet sich jedem, der die Strecke auf sich nimmt.
Ein Wildkaninchen huscht aus dem Gebüsch an uns vorbei, bleibt nur wenige Meter von uns entfernt auf der Strasse sitzen und blickt uns in einer Mischung aus Neugier und Scheu an. Das Kaninchen zieht auch andere Gesellen an; hinten am Hügel heult unheimlich ein Rudel Schlittenhunde was das Zeug hält.
Zwei streunende Hunde (ein Alaskan Malamute und sonst ein schwarzer Teufel) trippeln nervös im Umkreis von etwa 20m um uns herum. Die beiden schleichen sich von hinten an, wenn man sie dann streng anschaut, trippeln sie wieder weg in Richtung ‚Huskie-Geheul’, nur um sich erneut durchs Gebüsch von der andern Seite anzuschleichen. top
Unterdessen ist es an der Sonne wirklich sommerlich warm geworden und wir wärmen unsere kalten Knochen auf. Dawson selbst ist eine sehr gepflegte Stadt, welche ihren historischen Hintergrund pflegt. Auf der Suche nach einer Dumping-Möglichkeit haben wir auch gleich die Stadt besichtigt. Wundervoll und viel
kleiner, als wir uns das vorgestellt hatten. Und durch die ganze Stadt Gravel Roads, man fühlt sich wie ein Statist in einem uraltem Western...
Wir finden tatsächlich die einzige Dump-Station die im Winter noch geöffnet hat und dürfen (obwohl Privatanlage) für einen symbolischen Dollar dumpen. Die Station ist im Moment noch besetzt mit einem Camper aus derselben Vermietstation wie der unsrige. Marcel und ich hören grinsend dem fluchenden Schweizer Ehepaar zu, welches sich über einen viel zu kurzen Abflussschlauch ärgert – hähä, Schadenfreude ist doch die schönste Freude! Die beiden sind übrigens die letzten Touristen die uns auf unserer Reise noch begegnen sollten.
In Dawson an der Tankstelle treffen wir dann auch noch auf den Anhalter vom der Kreuzung am Dempster Highway gestern, es gibt ein kurzes Hallo, habt ihrs auch geschafft - was für ein Zufall!
Auf dem Weg zur Yukon-Fähre (die ist übrigens staatlich und gratis, wenn auch in einigem Kartenmaterial als fee-ferry eingetragen – es ist also eher eine FREE-ferry!) sehen wir, wie weiter vorne ein mit Matratzen beladener (überladener...) Pickup unterwegs eine Matratze liegen lässt (wird vom Fahrtwind oben abgeblättert, wie ein Blatt Papier) und dies nicht einmal bemerkt (jedenfalls liegt jene immer noch da, als wir eine halbe Stunde später vom Tanken kommen...). Wir sind die momentan Einzigen die auf die Fähre wollen, also bringen uns die Leute gleich rüber, Off-Season hat also auch Vorteile, ich habe Leute jammern gehört, sie hätte im Sommer 3 Stunden lang auf Service warten müssen, ziemlich lange in Anbetracht dessen, dass das Übersetzen max. 4 Minuten dauert.... top
Wir setzen also über den Yukon River, welcher hier schon eine beeindruckende Breite aufweist, und wollen den Highway 9, den ‚Top of the World - Highway’, befahren bis über die Grenze nach Alaska.
Der Zoll ist gerade noch 3 Tage geöffnet (obwohl im Reiseführer steht, der Zoll schliesse am 15. September.....Bestätigung bringt ein kurzer Anruf im Zoll-Büro selber.), also schaffen wir das auch noch, es sei denn wir geraten in einen Schneesturm...
Einmal auf diesem Highway unterwegs, sollte man die Route auch durchziehen, es gibt die nächsten 6 Stunden keine Tankstellen, keine Campingplätze (von 3-4 Aussichtspunkten mit Parkplatz und Toilette abgesehen) und schon gar keine anderen Einrichtungen.
Uns ist das alles aber ganz recht.
Man kommt hier nur sehr langsam vorwärts, anfangs geht’s noch, abgesehen von den starken Steigungen, auf dem Grat je nach Gefährt und Witterung mit etwa 40km/h.
Unterwegs treffen wir auf das Gebiet der Forty Miles Herd, einer Rentierherde, die sich hier in der Gegend aufhalten soll. Wir hören wohl Rentiere, wir können sie aber nicht sehen, der Aussichtspunkt ist im Laufe der Jahre zugewachsen und bietet nicht mehr wirklich Aussicht.
Wir wollen ohnehin weiter, Rentiere werden wir auf dieser Reise noch genug sehen. Wir fahren stundenlang auf diesem einfach sagenhaften ‚Top of the World’ – Highway und nun wird uns auch klar, woher der Name stammt! Einmal die Reisehöhe erreicht, fährt man stundenlang auf dem Grat der verschiedenen
Bergkrater, wie auf einer Mondlandschaft. Man fühlt sich stets, wie knapp unter der Wolkendecke, weit über der Welt und das in dieser herbstlich kargen Tundra! Hier kann man noch atmen. Traumhaft – ein MUST für Yukonreisende! (Ich habe keine Worte; da müssen schon meine Fotos für sich sprechen).
Nach etwa 4 Stunden Fahrt erscheint hinter einer Biegung am Ende der Welt (jedenfalls kommt es uns so vor) der amerikanische Zoll........bye-bye Yukon!