Geschichte des Inlineskatens

Wer über die Geschichte der Inline-Skates reden will, der kommt an der Erfindung der Schlittschuhe nicht vorbei. Denn die Erfindung der Inline-Skates war der über 200 Jahre dauernde Versuch, Schlittschuhe für den Sommer zu konstruieren.

Wie alles anfing:

Ca. 1000 v. Chr. wurden die ersten Schlittschuhe aus Pferdeknochen vermutlich zur Fortbewegung auf Eis gebaut. Sie wurden mit Riemen an den Füßen befestigt, und der Läufer stieß sich mit einem Stock ab. (vgl. Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg zu Berlin 1897, zitiert nach Berliner Eislauf-Verein 1886, 1925, S.1). Aus dem reinen Gebrauchsgegenstand wurde im Laufe der Jahrhunderte ein Freizeit- und Sportgerät.

Das erste schriftliche Dokument, das Eislauf als Vergnügen dokumentiert, stammt aus dem 12. Jh. und wurde von W. F. Stephen (o. Quelle, zitiert nach ebd.) in lateinischer Sprache verfaßt. Er schrieb über Eislauf als Sport und Vergnügen in England bei Jugendlichen, die auf Knochenkufen dahin flogen:

"so schnell wie ein Vogel in der Luft oder der Bolzen aus einer Armbrust." (S. 2)

Wann die ersten Metallkufen zum Einsatz kamen, ist ungeklärt. Man vermutet, daß sie in Holland gebaut wurden. Das erste schriftliche Zeugnis über Metallkufen stammt aus dem Jahr 1483 von J. Eccleston, der holländische Metallkufen in London beschrieb (vgl. ebd., S. 2). Die Kufen reichten jedoch noch im 19. Jh. nicht über die Fersen hinaus, da das Ende zum Bremsen genutzt wurde (vgl. ebd., S. 2). Dies entspricht im Prinzip der Fersenbremse der modernen Inline-Skates.

Diverse Bilder und Stiche aus den Jahren 1550-1700, z.B. von Bruegel dem Älteren, de Vos, Bol, u.v.a. geben Zeugnis von der weiten Verbreitung des Eislaufens in Holland (vg. Ebd. S. 3ff).

Abbildung 1: H, Bol (1534-1593) Eislaufen im 16. Jh. (Berliner Eislauf-Verein 1886, 1925, S. 3)

Anhand der Bilder kann man sagen, daß Eislaufen im Holland des 16. Jh. ein Vergnügen für alle Klassen und Geschlechter war. Im 17. Jh. breitete sich das Eislaufen auch in Frankreich und England verstärkt aus. 1742 wurde der erste Verein in England gegründet (vgl. ebd. 19).

In Deutschland wurde der Eislauf erst Mitte des 18. Jh. populär. So waren z.B. Lessing und Goethe leidenschaftliche Schlittschuhläufer (vgl. ebd., 28). Auch Gutsmuths, Jahn und Frank befürworteten das Eislaufen als der Gesundheit dienlich,- auch für die Frauen (vgl. ebd., S. 28ff).

Die ursprüngliche Form des Eislaufens ist das Schnellaufen. Hierbei wurden die Ästhetik und die Geschwindigkeit genossen. Der erste schriftlich belegte Schnellauf-Wettkampf fand 1763 in England statt (vgl. ebd. S. 24). Die ersten internationalen Wettrennen wurden 1872 in Wien (wenn auch ohne internationale Beteiligung) abgehalten.

Während Holland zurecht als Geburtsland des Eisschnellaufens angesehen wird, entstand der Eiskunstlauf in den USA. Im Jahre 1772 veröffentlichte R. Jones dort einen Leitfaden zum Figuren-Laufen (vgl. ebd., S. 174). 1890 fanden die ersten internationalen Kunstlaufmeisterschaften in Kanada statt (vgl. ebd., S. 176). Eishockey wurde in Europa erst Ende des 19. Jh. mit der Erfindung der künstlichen Eishallen populär (vgl. ebd. S. 83).

Eislaufen war also spätestens seit dem 16. Jh. ein gesellschaftliches Phänomen, an dem alle Schichten teil hatten. Es liegt daher nahe, daß viele Menschen sich wünschten, diesen gesellschaftlichen Sport auch im Sommer ausüben zu können. Es dauerte jedoch noch einmal über 100 Jahre, bis die erste Kunsteisbahn der Welt 1876 in Manchester eröffnet wurde (vgl. ebd., S. 25).

Viel früher gab es jedoch schon Versuche, "Schlittschuhe" für den normalen Boden zu konstruieren. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts montierte ein unbekannter holländischer Erfinder Holzspulen an einen Holzblock und nannte sie "Skeelers" (vgl. Bellis, n.d.), ein Begriff, der heute noch Speed-Inline-Skates in Holland bezeichnet.

Der zweite öffentliche Auftritt mit "rollenden Schuhen" war der des belgischen Erfinders J. Merlin. Er stellte 1760 die ersten Rollerskates mit Metallrollen auf einem Ball in London vor. Seine Skates hatten jedoch leider keinen Stopper. So endete seine Vorstellung unsanft durch einen Zusammenstoß mit einem Wandspiegel (vgl. Pappert & Sindinger, 1996, S. 11). 1790 baute van Lede in Holland seinen "Erdschlittschuh", mit dem er im Winter auf Eis und im Sommer auf dem Erdboden fahren konnte (vgl. Hottenrott & Urban, 1996, S. 21). Anfang des 19. Jahrhunderts baute J. Garcin in Frankreich einen Schienenrollschuh mit drei Kupferrollen und Fersenbremse (vgl. ebd.). 1818 wurden in Berlin in der Oper "Der Maler und das Wintervergnügen" mangels Eises Rollschuhe eingesetzt (vgl. Bellis, n.d.).

Das erste Patent für Rollschuhe wurde 1819 für Mr. Petitbled in Frankreich eingetragen. Die folgende Abbildung zeigt ein solches Modell. Mit den drei kleinen Rollen, die in einer Höhe angeordnet waren, ließen sich diese "Inline-Skates" vermutlich nur schwer manövrieren.

Abbildung 2: 1819, erster patentierter Skate von Petitbled (Zaidman)

1823 konstruierte J. Tyer in England seine "Volitos" mit fünf Rollen in unterschiedlicher Höhe (vgl. Hottenrott & Urban, 1996, S. 21). Diese Rollenanordnung wird heute "Rockering" genannt und bei vielen Hockeyskates aber auch modernen Fitnesskates genutzt, um die Wendigkeit zu erhöhen. Bei höherer Geschwindigkeit sinkt jedoch die Laufruhe.

Abbildung 3: "Volitos" Skates von Tyers 1823 (aus Neveau, 1990, S. 32, zitiert nach Hottenrott & Urban, 1996, S. 21)

1825 baute A. Löhner in Wien "mechanischen Räderschuhe" mit Rücklaufsperre. (vgl. Hottenrott & Urban, 1996, S. 22).

In den zwanziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts wurde also in vielen Ländern Europas gleichzeitig versucht, funktionierende Rollschuhe zu bauen. Alle diese Rollschuhe hatten jedoch harte Rollen aus Metall, Holz o.ä., die in einer Reihe angeordnet waren. Die ersten Rollschuhe waren also alle Inline-Skates. Sie waren aber allesamt mangels Lager recht langsam, schwer zu bremsen und sagital sehr wackelig, da sie mit normalen Schuhe gefahren wurden.

Die mangelnde Stabilität wurden erst durch eine andere Anordnung der Rollen erreicht: 1849 konstruierte der Franzose L. Legrand Rollschuhe mit zwei Achsen, an denen je zwei Räder montiert wurden - wie bei einem Wagen (modern: "Rollerskates"). Er wollte damit die Standfestigkeit für die Frauen erhöhen. Er selbst trat damit in dem Theaterstück "Le Prophete" als Eisläufer auf. (vgl. Hottenrott & Urban, 1996, S. 22).

Abbildung 4: Skates von Legrand, 1849 (aus Neveau, 1990, S. 34, zitiert nach Hottenrott & Urban, 1996, S. 22)

Die Wendigkeit wurde dieser Variante 1863 gegeben, ohne (wie bei Tyers) Stabilität zu verlieren. Der New Yorker J. L. Plimpton erfand 1863 die ersten gummigelagerten Achsen für Rollerskates und machte damit die Skates drehbarer. (Kautschuk (und damit Gummi) erlangte erst durch die Erfindung des Vulkanisierens 1839 durch C. Goodyear industrielle Bedeutung (vgl. Kautschuk, 1986))

Von nun an konnten diese Rollschuhe alles, was Schlittschuhe konnten, und die Idee von Inline-Skates wurde fallen gelassen. (vgl. Wu, 1997). Plimpton's Design ist der Urvater der Rollerskates. Er eröffnete in den folgenden Jahren eine Reihe von Rollerskate-Bahnen in Amerika und Europa.

Abbildung 5: 1863 Quads vom Plimpton (Neveau, 1990, S. 35, zitiert nach Hottenrott & Urban, 1996, S. 23)

Plimpton sah in seiner Erfindung allerdings eine Freizeitbeschäftigung für die Reichen, bei relative geringen Stückzahlen und hohen Preisen. Erst als seine Patente 1866 ausgelaufen waren, gab es billigere Rollerskates, so daß der Sport für Jedermann zugänglich wurde (vgl. US Olympic Committee). Bis 1880 war "Rollerskaten" zu einem populären Freizeitvergnügen in den USA geworden (vgl. Waller, n.d.),- einhundert Jahre vor dem großen Boom der Inline-Skates.

Mit den Erfindungen des neunzehnten Jahrhunderts wurden die Rollerskates ständig weiter verbessert. 1884 wurden die ersten Kugellager patentiert und fanden bald Verwendung in Rollschuhen (vgl. Wu, 1997). Dadurch wurden die Rollerskates noch schneller und noch beliebter.

1902 öffnete die Rollschuhbahn "Coliseum" in Chicago und hatte bald bis zu 7.000 Besuchern pro Abend (vgl. Bellis, n.d.). 1908 wurde der "Madison Square Garden", N.Y., zur Rollschuhbahn umgebaut. Selbst während der großen Depression war Rollschuhfahren ein sehr beliebter, da billiger Spaß (vgl. ebd.).

1938 wurden Plastikrollen erfunden, die die üblichen Holzrollen ersetzten und das Fahren noch angenehmer machten. Nur bei den Speedskatern waren noch bis in die sechziger Jahre Holzrollen im Einsatz (vgl. Wu). Die ersten Rollschnellauf Weltmeisterschaften fanden 1937 in Monza, Italien, statt.

Abbildung 6: Start beim Rollschnellauf (n.d.) (National Museum of Rollerskating, 2000)

1960 wandte sich die Firma Chicago Skate Company wieder dem Prinzip der Inline-Skates zu, welches fast 100 Jahre unbeachtet geblieben war (vgl. Zaidman, n.d.). Die Firma stellte die ersten Inline-Skates her, auf denen ein Schuh fest montiert war. Die folgende Abbildung zeigt, daß dieser Schuh dem entspricht, der heute noch beim Eiskunstlauf verwendet wird. Erkennbar wird hierbei der Ansatz, einen "Schlittschuh für die Straße" zu bauen.

Abbildung 7: Inline-Skates (1960) der Chicago Skate Company (Bellis, n.d.)

Warum die Chicago Skate Company 1960 zum Inline-Prinzip zurückkehrte, ist nicht bekannt. Es könnte der Versuch gewesen sein, sich mit einem neuen Produkt Marktanteile zu sichern. Der Schuh war jedoch vermutlich immer noch nicht standfest genug, und so konnte sich das Produkt zum zweiten Mal nicht durchsetzten. Statt dessen erhielten die Rollerskates einen zweiten Aufschwung:

Ab 1970 wurden Polyurethan Rollen der Skateboards an Rollerskates montiert (vgl. Waller, n.d.) (Skateboards wurden ab 1962 in den USA entwickelt (vgl. Skateboard, 1989)).

. Die bessere Dämpfung, Haftung und längere Haltbarkeit konnten die Fahreigenschaften der Rollerskates nochmals verbessern. Mit den neuen Rollen und einem Stopper an der Schuhspitze waren sie den Skates der Chicago Skate Company deutlich überlegen.

So kam es Ende der siebziger Jahre zum sogenannten "Roller-Disco-Fieber" (Bellis, n.d.), das bis Mitte der achziger Jahre anhalten sollte. Allein in den USA gab es über 4.000 "Roller Discos" und selbst Hollywood verarbeitete dieses Phänomen in Filmen (vgl. ebd.).

Die Nachteile zum Schlittschuh waren nun nur noch das Gewicht, der Reibungswiderstand der breiten Skateboard-Rollen und der Energieverlust durch das Gummigelenk.

1979 fand der Eishockeyspieler S. Olson ein Paar fast 20 Jahre alte Skates der Chicago Skate Company (vgl. Zaidman, n.d.). Zusammen mit seinem Bruder montierte er schmale Polyurethanrollen, einen Fersenstopper und einen festen Schuh aus Kunststoff an die Schiene der Skates. Der Kunststoffstiefel gab dem Skate aus Chicago endlich die fehlende Stabilität, die Rollen machten ihn schnell und wendig.

Der Schuh und die Rollen aus Polyurethan waren das eigentliche Erfolgrezept der Rollerblades. Das Material war leicht, robust, stabil und gleichzeitig elastisch. Die Skates bekamen durch den Schuh endlich die fehlende seitliche Stablilität. Zur gleichen Zeit und zum gleichen Zweck wurden Anfang der 70er Jahre auch Skistiefel zunehmend aus Polyurethan gefertigt (vgl. Brinkmann, 1971). Die Olson Brüder waren also vermutlich von dieser Entwicklung inspiriert. Die Entwicklung der modernen Inline-Skates ist somit den Erfindungen der Kunststoffindustrie Mitte des Jahrhunderts zu verdanken.

Die Olson Brüder gründeten mit diesem Modell 1983 die Firma Rollerblade Inc.. Unter diesem Firmennamen traten die Inline-Skates ihren Siegeszug an, allerdings erst, nachdem die Olson Brüder die Firma 1984 an den erfahrenen Kaufmann Robert Naegele Jr. verkauft hatten. Die Firma wurde so erfolgreich, daß der Firmenname Rollerblade heute oft als Synonym für Inline- Skates verwendet wird. 1994 gab es schon alleine in den USA über 19,5 Mio. Inline-Skates (vgl. Wu, 1997) .

Mit der besseren Kraftübertragung, dem geringeren Rollwiderstand und dem geringeren Gewicht verdrängten Inline-Skates bald die Rollerskates in fast allen Disziplinen des Rollschuhlaufens. Anfang der 90er Jahre stiegen fast alle Speedskater auf Inline-Skates um (vgl. Wu, 1997). 1992 wurden in den USA bei Wettkämpfen Inline-Skater und Rollerskater erstmals getrennt gewertet (National Museum of Rollerskating, 2000) Einzig die Rollkunstläufer beharren bisher auf dem traditionellen Skate, obwohl es Versuche gibt, den Stopper vorne zu montieren, was für die klassischen gedrehten Sprünge wichtig ist.

Dafür entwickelten sich zwei neue Disziplinen, die den Sport populär machen: "fitness skating" und "aggressive skating".

Im Zeitalter des Fun- und Actionsportes entdeckten Mitte der 90er Jahre die Jugendlichen die Skates als Sportgerät um über Hindernisse zu springen oder zu rutschen ("grinden") und in "Halfpipes" akrobatische Figuren zu springen. Diese beiden Gruppen sind es, die den Sport so populär machten. Die Fitness-Skater "infizierten" durch ihre Präsenz im Straßenbild Millionen anderer.

1995 wurden die "X-Games" ("Extreme-Games") in Europa vom TV-Sender EUROSPORT ausgestrahlt (vgl. Wu, 1997). "Aggressive-Skating" war bereits ein fester Bestandteil des Programms. In Deutschland wurde die erste Skate-Zeitschrift veröffentlicht: die "SKATE". Schwerpunkt der Medienpräsenz war die jugendliche "Aggressive-Szene".

Erst ab 1998 rückten der Ausdauer- und Trainingswert des Sportgerätes in das Interesse der Medien.

Immer mehr Skaterinnen und Skater fahren lange Strecken um ihre Fitneß zu verbessern und nicht wenige davon entdecken dabei den Reiz des Wettkampfes, wie die steigenden Teilnehmerzahlen der großen Rennen in Deutschland 1999 und 2000  zeigten.

Das Rollschuhlaufen im weiteren Sinne hat sich also direkt aus dem Wunsch entwickelt, die Bewegungen des Eislaufens im Sommer auf den festen Boden zu übertragen. Mit der Entwicklung des "Erdschlittschuh" (vgl. Schulze, 1981, S. 28ff) von Merlin 1760 bis zum ersten erfolgreichen "Rollerblade" 1979 hat man das Fahrverhalten der beiden Sportgeräte erfolgreich angeglichen.

Doch rechtfertigt diese Tatsache eine identische Fahrtechnik? Sind die unterschiedlichen äußeren Faktoren, die einen Speedskater bei einem Straßenmarathon oder einen Eisschnelläufer auf der Bahn beeinflussen, zu vernachlässigen, so daß man auch einfach die Technik übertragen kann?

Eine vergleichende Analyse der Techniken (Eislauf, Klassisch & DoublePush) wird hier in Kürze folgen.

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Ó Michael Nentwig, 01.01.2000

Alle im Text genannten Literaturangaben können beim Autoren angefordert werden: