SPD-Berlin

 
Samstag, 3. Juli 2004
 

Lassalle, Ferdinand

Lassalle, Ferdinand

Mit dem 1825 in Breslau geborenen Ferdinand Lassalle, dem "Erwecker der deutschen Arbeiterklasse" beginnt die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.
Lassalle, dem von Alexander v. Humboldt und von Heinrich Heine "ausgezeichnete Geistesgaben" zugesprochen wurden, arbeitete nach seinem Studium bei der "Neuen Rheinischen Zeitung" von Karl Marx, als dessen Schüler er sich betrachtete, auch wenn dieser Lassalle und seiner Bewegung eher kritisch gegenüber stand.
"Organisieren Sie sich als allgemeiner deutscher Arbeiterverein zu dem Zweck einer gesetzlichen und friedlichen, aber unermüdlichen Agitation für die Einführung des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts!" forderte Lassalle 1863 von den Mitgliedern des Leipziger Arbeiterkommittees, die ihn gebeten hatten, seine Gedanken über die Aufgaben der Arbeiterschaft darzulegen. Zwei Monate später wurde der "Allgemeine Arbeiterverein" gegründet, mit Lassalle als Präsidenten. Doch das von ihm erhoffte  Arbeiterheer ließ sich nicht so schnell organisieren, nach einem Vierteljahr  zählte der Verein kaum 1000 Mitglieder. Besonders Berlin erwies sich als  hartes Pflaster: Eine seiner Versammlungen wurde gesprengt, in einer anderen schrien die Versammelten "Bravo", als er verhaftet wurde.
Auch seine Zusammenkünfte mit Bismarck, dem er das allgemeine Wahlrecht abzutrotzen versuchte, blieben erfolglos. 1864, noch nicht 40jährig, starb er in der Schweiz an den Folgen eines Duells. "Er starb jung, im Triumpf, ein Achilles", schrieb Karl Marx aus Anlass seines Todes.
Stephanie Pruschansky
(April 2000)

Lassalles Spuren sind verwischt


Früher das Zentrum am Rande des Berliner Westens, ist die Gegend um den Potsdamer Platz heute ein Gemisch aus altem Kulturforum, neuer Bauten, gerade entstehenden Quartieren, künftiger Parkanlagen und Baustellen der diversen Schnellbahnnetze im Untergrund. Tiergarten-Jogger und Radler, Touristen aus aller Welt, Leseratten und Philharmonie-Fans tummeln sich hier ständig, ohne sich große Gedanken darüber zu machen, welche heilvollen und unheilvollen Stätten es hier einmal gegeben hat, welche Persönlichkeiten (z.B. Ferdinand Lassalle) in diesem Dreh gelebt haben. Da ist zum Beispiel der Parkplatz der Philharmonie an der Tiergartenstraße. Hier stand die Euthanasie-Versuchsklinik der Nazis, kurz T 4 genannt. Gegenüber, am Kemperplatz, labten sich vor hundertdreißig Jahren die Berliner im Garten von Kempers Hof an Molle und Korn. Neben dem "Haus Vaterland" der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaften (verdi) stand der Bahnhof der Stammbahn, der ersten preußischen Eisenbahn von Berlin nach Potsdam.
Wir halten uns auf dem Bürgersteig der Linkstraße, biegen an der Johann-von-Eichendorff-Gasse ein, durchqueren die Potsdamer Platz Arkaden bis zur Alten Potsdamer Straße. Hier wird es für uns in Sachen Lassalle interessant. Wo anhand der alten Baumreihe der frühere Verlauf der Potsdamer Straße nachzuvollziehen ist, stand 1857 ein stolzes Haus mit Turm im spitzen Winkel, abgerundeter Ecke und der Hausnummer 27: In ihm war die erste Wohnung von Ferdinand Lassalle in Berlin nach dem Düsseldorfer Hatzfeld-Prozeß. Im Oktober 1855 hatte der Maurerpolier C. Prantz auf dem Terrain eines alten Blumengartens das stattliche Gebäude errichtet, welches bis zum Abriß 1938 (der Hitlerschen Nord-Süd-Achse wegen) ein Hotel, ein Optikergeschäft und einen Briefmarkenladen beherbergte.
  Lassalle, der egozentrische  Feuerkopf, im Frühjahr 1857 endlich im Besitz der Zuzugsgenehmigung für Berlin, bezog also an der nördlichen Ecke ein bestens ausgestattetes Quartier. Hier entstand sein wissenschaftliches zweibändiges Werk "Die Philosophie Herakleitos des Dunklen von Ephesos", hier begann er das Drama "Franz von Sickingen" zu schreiben und die Streitschrift "Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens". Wir flanieren die Allee  hoch in Richtung Haus Huth. Kurz davor, im weiten Eingangsbereich der Arkaden war vor der Wende ein Hundedressierplatz, der sich über einstiges Straßenpflaster breitgemacht hat. Inmitten dieser grünen  Oase, wo sich Gartenmöbel und Tierboxen ein Stelldichein unter Apfelbäumen gaben, Touristen gerne ihre Wagen oder Caravans abstellten und der historischen Verkehrsader einen idyllischen Provinz-Touch gaben, befand sich neben dem Ordenshaus der Johanniter der Block des Maurermeisters Paeschke. Im dritten Stock hatte hier Lassalle sein letztes, bescheidenes Quartier vor seinem Tode am 31. August 1864. Fünfzig Jahre später hatte hier die Zentrale der Feuerlöscher-Firma Minimax ihren Sitz, 1933 war es das Hotel Rheinsberg. Freiwillig dürfte Lassalle dorthin nicht gezogen sein. Er wird eher Reissaus genommen haben von seiner bekannten Wohnung in der Bellevuestraße 13, weil der neue Eigentümer, ein Dr. Weit aus der Leipziger Straße, das Vorderhaus im großen Stil umbauen ließ. Der Komplex in der Bellevuestraße gehörte, als Lassalle einzog, dem Weinhändler Upphoff. Im Schinkel-Stil gehalten, zeichneten sich die Wohnungen durch großzügige Zimmer aus, einen überdachten Lichthof in der Mitte, den Seitenflügel und ein Treibhaus im Garten. 500 Reichstaler betrug der jährliche Mietzins. An den Wänden hingen Waffen aus dem Orient und Kupferstiche französischer Künstler. Diverse Fragmente aus Marmor fielen ebenso ins Auge wie die große, umfassende Bibliothek. Das Haus Bellevuestraße 13 war nicht nur Junggesellensitz, Berliner Lektorat für den Leipziger Verlag  F. A. Brockhaus (1860-1863) und Parteibüro des im Mai 1863 entstandenen Allgemeinen Deutschen Arbeiter-Vereins (ADAV) mit Julius Vahlteich als Sekretär, nicht nur Entstehungsort des "Offenen Antwortschreibens" an den Arbeiterverein Vorwärts zu Leipzig, nicht nur Treffpunkt mit Karl Marx, es war in der Stadt und darüber hinaus als intellektueller Salon bekannt. Varnhagen von Ense, Major Korff, Verleger Franz Dunker, Sophie Gräfin Hatzfeld trafen sich regelmäßig zur Lesung, zur Diskussion. An diese Dinge erinnerte sich die SPD-Fraktion der Stadtverordnetenversammlung zu Berlin. Sie beantragte am 16. November, wenige Tage nach der Wahl Ernst Reuters zum Verkehrs-Stadtrat, für Marx und Lassalle Gedenktafeln anzubringen. Marx wurde 1931 in der Alten Leipziger Straße 3,(heute Auswärtiges Amt am Werderschen Markt) tatsächlich auf diese Weise geehrt; Lassalle nicht, wie aus der Bauakte Bellevuestraße13 hervorgeht. Dagegen schändeten im Sommer 1933 die Nazis sein Grab auf dem jüdischen Friedhof in Breslau (inzwischen wurde es restauriert), entfernten eine Tafel von seinem Geburtshaus. Eine Lassallestraße gibt es auch nach der Wende von 1989/90 in den Berliner Innenstadtbezirken nicht, dafür zwei ganz weit draußen: in Kaulsdorf-Süd bei Marzahn und in Wilhelmshagen, Stadtbezirk Treptow- Köpenick. Hätte Lassalle im Rahmen der Planung rund um den Potsdamer Platz eine Chance, bedacht zu werden? Mit einer Stele oder einer Gedenktafel   in Nähe des "Lindenbräus" (besonders das um die Ecke laufende rote Band am Haus Bellevuestraße  erinnert an den alten Standort der Villa )?

Konrad Beck

Informationen an: Ulrich.Horb_LV-Berlin@spd.de

 

© 2004 SPD-Berlin