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  Drittmittelfernsehen
Der HR, Günter Ederer und die deutsche Wirtschaft


Von Volker Lilienthal

epd  Günter Ederer ist "der Mann, der uns aus dem Herzen spricht". Sagt Dieter Rath von der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" über den altgedienten Fernsehmacher, von dem der Hessische Rundfunk (HR) jüngst in der ARD einen Dreiteiler über die "Märchen" der Sozialpolitik und den Reformstau in Deutschland platzierte (Besprechungen in epd 24 und 28/03).

"Ermöglicht wurde die Reihe u.a. durch die Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. berolino.pr hat die Videorechte für die Serie erworben. Die Initiative wird im Abspann der Features genannt, und gegen eine Schutzgebühr können Interessenten die Videos anfordern. ,Das Märchen von der gerechten Steuer', das heute Abend die Reihe in der ARD eröffnet, ist eine Reise durch das Horror-Geflecht deutscher Steuergesetze", hieß es dazu in einer Vorankündigung, die die Landesvereinigung der Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz termingerecht zum Sendestart am 26. März veröffentlicht hatte.

Das lässt aufhorchen: "ermöglicht durch die Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft". Was steckt dahinter? Die in Berlin ansässige berolino.pr gmbh (Handelsregister-Nr. HRB 74215) ist eine Tochter des Deutschen Institutsverlags, der wiederum gehört dem Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. berolino ist sozusagen die operative Einheit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (Slogan: "Chancen für alle"). berolino-Geschäftsführer ist ein ehemaliger Chefreporter der "Financial Times Deutschland", Tasso Enzweiler, der einst ein Buch mit dem Titel "Die Bilanzjongleure. Wie deutsche Unternehmen ihre Aktionäre und die Öffentlichkeit in die Irre führen" veröffentlicht hat. Womit wir mitten im Thema wären.

"Eine bürgerliche APO"

Als Chef von berolino ist Enzweiler zusammen mit Dieter Rath für die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" zuständig, die sich als überparteilich versteht und in der sich "Bürger", vor allem aber Unternehmerverbände "für mehr Wettbewerb und Arbeitsplätze in Deutschland" engagieren. Was ja nichts Schlechtes ist, aber problematisch wird, wenn dabei die Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in eine Grauzone der Fremdfinanzierung gerät.

Doch der Reihe nach. Geschäftsführer Enzweiler hat einmal über das Selbstverständnis der Unternehmerkampagne gesagt: "Wir wollen eine bürgerliche APO sein, aber intellektuell". Man will "konstruktiv Druck auf die Regierung ausüben", wie er dem epd sagte. Diese APO des Kapitals ist auf ihrem Marsch durch die Institutionen mittlerweile im öffentlich-rechtlichen Fernsehen angekommen. Filmautor und -produzent Ederer machte es zusammen mit dem HR möglich. Der HR war es, der den Dreiteiler in der Bruttolänge von 135 Minuten bei der ARD angemeldet und so ins Erste Deutsche Fernsehen eingebracht hat.

Der HR ist bekanntlich jener Not leidende Frankfurter Sender, der sich vom Football-Club "Galaxy" Filmmaterial kostenfrei anliefern ließ, damit es in seinem Dritten Fernsehprogramm ein Sportmagazin namens "Magic Galaxy" geben konnte. Diese Dauerwerbesendung für den Club ging HR-intern als Sponsoring durch, und auch der Rundfunkrat, aufgescheucht durch Pressekritik, fand hinterher alles in Ordnung, nachdem Fernsehdirektor Hans-Werner Conrad versichert hatte, der HR sei "nicht käuflich", er allein entscheide, was ins Programm komme und was nicht (epd 33-34, 28/03).

Nun ist ja Sport Spiel, weswegen man hier vielleicht nicht päpstlicher sein muss als der Papst. Fernsehdirektor Conrad schränkte aber im FAZ-Interview ein: "Ich halte Sportsendungen dann doch für unverfänglicher als solche über Wirtschaft oder Politik, bei denen es um unsere journalistische Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit geht."

Ja, das ist in der Tat ein wichtiger Unterschied. Bei Günter Ederers "Märchen"-Reihe geht es um genau das: um drei Sendungen über Wirtschaft und Politik. Also lohnt es sich, dem Fall mit Conrads Maßstäben näher zu treten.

"Nicht käuflich" - das will der HR auch im Verhältnis zur "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" gewesen sein. Nicht diese PR-Kampagne der deutschen Arbeitgeberverbände hat den Ederer-Dreiteiler, der ordnungspolitisch ganz auf ihrer Linie liegt (weniger Kündigungsschutz, geringere Steuerlast!), produziert, sondern der freie Autor und Fernsehproduzent Günter Ederer mit seiner Firma "Welt und Wirtschaft Filmproduktion". In Auftrag gegeben wurde das Projekt vom HR, nicht von der Unternehmerinitiative.

Dreiteiler nur dank der Videorechte

Aber: die Initiative hat dem HR vorab die Videorechte abgekauft. Hätte sie das nicht getan, hätte Ederer nur zwei statt drei Filme drehen können. Für mehr hätte der HR kein Geld gehabt, sagt Filmautor Ederer: "Die ARD kann kaum die Kosten bezahlen für Filme, wie ich sie mache." Filme, die wegen "mühsamer Visualisierung" komplexer Themen besonders aufwändig seien. Kein Mensch, beklagt Ederer, kümmere sich um die Finanzierung von Features, das Kulturfernsehen habe allemal mehr Geld.

Der von berolino gezahlte Betrag für die Videorechte sei "zu 100 Prozent" in die Kalkulation (nach ARD-Richtlinien, wie Ederer betont) eingeflossen und habe so den Dreiteiler insgesamt möglich gemacht. Der in die Kalkulation eingeflossene Kofinanzierungsanteil der Unternehmerinitiative, den keine Seite offen legen will, muss also erklecklich sein.

Der HR lehnt eine Offenlegung des Produktionsetats ab. Aber nach einer begründeten Schätzung - Minutenpreis von 1500 Euro - dürften es mindestens 200.000 Euro sein, die die drei Folgen à 45 Minuten gekostet haben. Ungefähr ein Drittel davon - also etwa 66.000 Euro - dürfte berolino, die PR-Agentur der Unternehmerverbände, für die Videorechte gezahlt haben. 66.000 Euro, das ist nicht viel für eine Kampagne, die über einen jährlichen Etat von 8,8 Millionen Euro verfügt und damit u.a. auch teure Vierfarbanzeigen in hochauflagigen Zeitschriften wie "Hörzu" schaltet (23.520 Euro, 1,8 Millionen Exemplare wöchentlich).

Enormer PR-Effekt und Videoabsatz

Eine punktuelle Anzeige oder drei Filme mit über zwei Stunden Länge? Dieser Kostenvergleich geht eindeutig für Ederer und die ARD aus. Der PR-Effekt dürfte enorm gewesen sein. Denn im Abspann zu den drei ARD/HR-Filmen wurden nicht nur Videos der Sendereihe zum Kauf angeboten, es wurde auch der Name der Initiative und ihre elektronische Kontaktadresse unters Volk gestreut.

Das Publikum, das so erreicht wurde, zählt nach Millionen: 1,82 Mio. Zuschauer sahen den ersten Teil ("Das Märchen von der gerechten Steuer" am 26.3., 8,5 Prozent Marktanteil), 2,36 Mio. den zweiten ("Das Märchen von der sicheren Rente" am 2.4., 8,5 Prozent), 670.000 den dritten und letzten ("Das Märchen vom blühenden Arbeitsmarkt", 9.4., 8,4 Prozent).

Für die VHS-Cassettenproduktion, für die der HR die Rechte wie gesagt abgetreten hatte, riskierte berolino anfangs eine Startauflage von je 2000 Stück. Doch wegen großer Nachfrage ("Riesen-Interesse", so Ederer) musste nachproduziert werden. Inzwischen sind es 5000 Stück für Folge 1 und 3 und sogar 6000 für Folge 2 ("Das Märchen von der sicheren Rente", übrigens das schwächste Stück der Reihe, weil uns Ederer darin in Schwarzweiß-Manier weismachen wollte, nur wenn unsere Renten im Kapitalmarkt investiert würden, sei der Wohlstand einigermaßen sicher; Amerika, du hast es besser: Pensionierte US-Lehrer wurden uns vorgeführt, die zufrieden wirkten, nur weil ihr Pensionsfonds die eingezahlten Gelder in Golfclubs in Alabama investiert hatte; das war wirklich ein Märchen, zu schön, um glaubhaft zu sein).

Insgesamt 16.000 Kaufcassetten also, die für 12 Euro pro Stück abgegeben werden. Der Umsatz für berolino wird über 150.000 Euro betragen (einige Stücke werden laut Rath kostenlos an die finanzierenden Verbände abgegeben), wovon natürlich die Produktions- und Vertriebskosten abzuziehen sind. Im Verhältnis zur geschätzten Zahlung von nur 66.000 Euro an den HR für die Videorechte dürfte noch einiges an Gewinn für berolino und die Initiative übrig bleiben; das nennt man wohl "return on investment". Und das alles mit Hilfe des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Massage des öffentlichen Bewusstseins

Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" ist also vergleichsweise billig an die drei Sendeplätze im Ersten gekommen - nach 20 Uhr, wo Werbung eigentlich verboten ist. Und hat viel dafür bekommen. Die auf fünf Jahre (bis 2004) angelegte Kampagne gibt ihre fast neun Mio. Euro, die von zentralen und regionalen Unternehmerverbänden (wie Gesamtmetall) gestiftet werden, für Anzeigen aus, bezahlt damit aber auch Medienkooperationen in jener Grauzone, in der auch der HR-Fall angesiedelt ist. Alles Maßnahmen, die geeignet sind, das öffentliche Bewusstsein ideologisch zu massieren.

Initiativenmanager Rath macht keinen Hehl daraus, dass öfters auch mit bezahlten Anzeigen der Goodwill honoriert wird, den Zeitungen und Zeitschriften vorher im redaktionellen Teil bezeugt hatten. Namen will er nicht nennen. Es seien "kleinere Blätter", die ohne diese "Kompensation" "nicht leben und nicht sterben" könnten. Es sei halt "das übliche Koppelungsgeschäft". Andere nennen es Schleichwerbung, und die ist verboten, ein Verstoß u.a. gegen den Pressekodex. Es sind übrigens nicht nur kleinere Blätter, mit denen die Initiative kooperiert. Auch namhafte Wirtschaftsblätter wie "Wirtschaftswoche" und "Impulse" räumen ihre Spalten frei, kooperieren mit der Unternehmerinitiative. Freiwillig und unbezahlt, natürlich.

Hafner: Die Verantwortung lag beim HR

Ebenso freiwillig will der HR gehandelt haben. Georg M. Hafner, der verantwortliche Fernseh-Abteilungsleiter "Politik und Gesellschaft", beteuerte auf epd-Anfrage, "dass die Redaktion von Anbeginn, von der Idee bis zur Ausstrahlung, Ederers Arbeiten begleitet und verantwortet hat". "Ederers Erfolgsrezept" sei "gerade seine Unabhängigkeit". Laut Hafner gibt es keinerlei Grund für die Annahme, es sei von außen auf die "Märchen"-Filme Einfluss genommen worden. Man habe "kein fertiges Produkt gekauft", die drei Filme allerdings wegen des Videorechtegeschäfts günstiger bekommen.

berolino und die Initiative, vertreten durch Enzweiler und Rath, bestätigen das dem Grunde nach. Kein Drehbuch habe man abgesegnet und keinen Meter Film vor der Ausstrahlung gesehen. Aber, sagt Enzweiler: "Wir machen ihm auch Vorschläge", dem Ederer, zu dem man "ein gutes Verhältnis inhaltlicher Art habe". Rath geht noch einen Schritt weiter: Ederer habe versprochen, er werde "sicherlich einige Protagonisten finden, die unsere Aussage verstärken". So kam es wohl, dass Prominente wie der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof und Arbeitsamtschef Florian Gerster, beide sog. Botschafter der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft", in den Ederer-Filmen auftraten.

"Alles recht, was die Inhalte weiterbringt"

Enzweiler und Rath relativieren damit Hafners Beteuerung völliger Unabhängigkeit. Ederer selbst, der sein Fernsehprojekt der Initiative zur Mitfinanzierung angetragen und angeblich vorab nur die Themen (Steuern, Renten, Arbeitsmarkt) bekannt gegeben hatte, fühlt sich natürlich völlig unabhängig. Es habe nicht mal den Versuch einer Einflussnahme gegeben, denn das wäre "das sofortige Ende" der Zusammenarbeit gewesen, so Ederer. Die Initiative rede ihm selbst bei Auftragsproduktionen, die er für deren Kongresse fertige, nicht rein. Wozu auch, wenn man einer Meinung ist?

"Mir ist alles recht, was die Inhalte weiterverbreitet", sagt der frühere ZDF-Redakteur und Tokio-Korrespondent, der seit bald 40 Jahren Fernsehen macht und der Unternehmerinitiative mannigfaltig verbunden ist: Anfang April zeigte er auf dem Initiativenkongress "Mut zur Zukunft - Reformen für den Aufbruch" in Hannover einen Kurzfilm zur Einstimmung auf eine Podiumsdiskussion, die übrigens vom neuen HR-Intendanten Helmut Reitze moderiert wurde (auch MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich war mal im Jahre 2000 unter Vertrag). Ederer ist des weiteren Jurymitglied des aktuellen Journalistenwettbewerbs der Initiative: "Ausgebremst: Wer in Deutschland neue Jobs verhindert".

Ederer: "Wir sitzen da mal zusammen"

An die von Hafner betonte intensive Redaktionsmitwirkung und gemeinsame Stoffentwicklung erinnert sich Ederer etwas anders: "Wir sitzen da mal zusammen." Kurz vor Toresschluss - Endproduktion des dritten Teils am 7./8. April, Sendung am 9. - habe die Redaktion noch bei dieser oder jener Einkürzung und Formulierung geholfen. Ansonsten aber: "Meistens haben die Redakteure wenig Vorstellungsvermögen, wie man einen solchen Film machen kann."

Unklar bleibt, wie die Mitfinanzierung durch berolino vertraglich abgewickelt wurde. Rath will "mit dem HR direkt nichts unterschrieben haben". Sollte der HR die Videorechte zunächst an seinen Auftragsproduzenten Ederer als Mittelmann abgetreten haben? Genauere Auskünfte dazu waren von keinem der drei Beteiligten zu erhalten.

Wertarbeit für Dritte

Jedenfalls wird Ederers Darstellung, der Finanzierungsanteil der Initiative habe drei statt nur zwei Teile möglich gemacht, vom HR nicht bestritten. Hafner erklärte dem epd schriftlich: "Die Tatsache, dass der HR Videorechte abtritt, ist ebenfalls nichts wirklich Bemerkenswertes, das machen wir auch bei anderen Produktionen. Angesichts der in den letzten Jahren gestiegenen Kosten ist das auch eine Möglichkeit, herausragende Filme kozufinanzieren."

Der HR gerate also nicht in ein "Zwielicht", wie Hafner unter Anspielung auf die Kritik von Dieter Deul (epd 28/03) weiter schrieb, sondern bemühe sich, "trotz enormer Produktionskosten seinen Zuschauern ein ebenso wertvolles wie journalistisch unabhängiges Programm anzubieten".

Eine Wertarbeit also, aber doch eine für Dritte, für Fremdfinanziers. Das neue Drittmittel-Fernsehen: Nach allem, was man hört, greift diese Art der Kofinanzierung immer mehr um sich. Nur die extremsten Beispiele dafür sind die jüngsten EU-Förderungen spezieller Berichterstattungsvorhaben: Das Deutsche Welle TV erhält 300.000 Euro für seine programmliche Begleitung der Osterweiterung (epd 3/03), und EuroNews bekommt, wie inzwischen bestätigt wurde, sogar drei Millionen und bedankt sich mit der Neueröffnung eines Büros in Brüssel sowie neuen Europa-Sendeformaten (epd 33-34/03).

Volle fünf Millionen Euro kassiert der Kinderkanal von ARD und ZDF jetzt fünfeinhalb Jahre lang von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die 1990 auf Grund eines Bundesgesetzes errichtet wurde und ihr Geld aus der Verzinsung dessen erhält, was der 1989 beschlossene Verkauf der bis dahin bundeseigenen Salzgitter AG erbrachte (über 1,2 Milliarden Euro). Der Staat redet noch immer gehörig mit bei der DBU: Ein Landesfinanzminister, vier Staatssekretäre, ein ehemaliger Staatssekretär sowie drei Bundestagsabgeordnete sitzen mit im Kuratorium. Mit den fünf Millionen (und eigenem Geld) produziert der Kinderkanal die Serien "Die Graslöwen" (vgl. Kritik in dieser Ausgabe), "Die Hydronauten" und "Die Hollies" sowie den "Umweltmärchenfilm" "Benny und der Kobold".

DW-tv, EuroNews und Kinderkanal: Selbst Staatsknete ist also für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr tabu. Da sollte Unternehmergeld stinken? So scheint man zu denken. Der "Deutsche Fernsehpreis 2002" für Ederer sei ein Beweis dafür, dass der HR diesem Anspruch (Programmniveau trotz Kostenproblem) gerecht werde, schrieb der HR-Fernsehchef für Politik und Gesellschaft abschließend. Wofür Auszeichnungen doch alles gut sind. Kein Geld, nirgends? Muss sich die ARD, obwohl doch milliardenschwer aus den Gebühren ihrer Zuschauer finanziert, wirklich Geld bei Unternehmerverbänden besorgen, um ihrer Berichterstattungspflicht nachzukommen? Da passt es ins Klagelied, dass die ARD von den Gebührenzahlern ab 2005 noch mal 1,12 Euro mehr will, auch wenn das nur dem "Gegenwert von einem Liter Benzin" entspreche, wie die Forderung gleich PR-politisch abgefedert wurde (epd 35/03).

Unzureichende Richtlinien

Im konkreten Fall fragt sich nur noch, warum die Initiative, offenbar über Umwege, Videorechte kaufte, statt einfach als ordentlicher Sponsor aufzutreten. Dieser Lösungsweg aber war rechtlich versperrt, sind doch die "ARD-Richtlinien für die Werbung, zur Durchführung der Trennung von Werbung und Programm und für das Sponsoring" zumindest in diesem Punkt - zu Recht - eindeutig: "Politische, weltanschauliche oder religiöse Vereinigungen dürfen Sendungen nicht sponsern."

Einige Absätze zuvor heißt es eher nebulös: "Die unentgeltliche oder verbilligte Entgegennahme von Produktionsmitteln oder sonstigen Leistungen (Produktionshilfe) ist nur zulässig, wenn damit keine Einschränkung der journalistischen oder künstlerischen Darstellungsfreiheit verbunden ist."

Der neue Trend zum Drittelmittel-Fernsehen ist von den ARD-Richtlinien im Grunde noch gar nicht berücksichtigt. Dass die ARD den Videoabsatz der Initiative gewinnbringend ankurbelte, ist durch das Hausrecht leider gedeckt: "Hinweise der Rundfunkanstalten auf eigene Programme und auf Begleitmaterialien, die direkt von diesen Programmen abgeleitet sind, (...) gelten nicht als Werbung im Sinne von Satz 1", so Ziffer 1.1 der ARD-Richtlinien.

Position legitim, aber drei Teile?

Wohlgemerkt: nicht dass eine neoliberale Politikerschelte wie die von Günter Ederer im pluralistisch angelegten ARD-Programm vertreten wird, ist das Problem. Dazu hat er alles Recht, wenn denn die verantwortlichen Redakteure sich überzeugen lassen. Ederer hat ja tatsächlich manch Bedenkenswertes vorzutragen, so dass der Zuschauer sich alarmiert fragen muss: Warum nur setzen unsere Politiker das einsehbar Gute nicht schnellstens um?

Es ist aber doch sehr die Frage, ob diese politischen Positionen in der Extension von drei Filmen à 45 Minuten ins Programm mussten. Oder ob nicht auch zwei genügt hätten. Wenn der dritte Teil nur mit Unternehmergeld möglich wurde - und das war unbestritten der Fall -, beginnt die Sache zu stinken. Übrigens: einen Gewerkschafts-Dreiteiler, der mit Unterstützung des DGB entstanden und ins Programm gehievt worden wäre, müsste man ebenso kritisieren.

Von der Tann: HR-Begründung "bemerkenswert"

ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann, ein bekennender "Ederer-Fan", war über die Konzeption der "Märchen"-Reihe frühzeitig informiert und wollte sie fürs Erste haben. Nicht informiert war von der Tann aber eigener Darstellung zufolge über die hintergründige Mitfinanzierung des Dreiteilers durch die Unternehmerinitiative.

Die HR-Begründung, eigenes Gebührengeld hätte nur für zwei Folgen gereicht, findet der ARD-Chefredakteur "bemerkenswert". Gegenüber epd erinnerte von der Tann an die Verpflichtung der Hessen, einen bestimmten Anteil zum Gemeinschaftsprogramm beizusteuern; dafür habe der Sender auch den nötigen Etat.

Als ARD-Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur will von der Tann den dritten Teil, "Das Märchen vom blühenden Arbeitsmarkt", sobald möglich noch mal ins Programm hieven. Eine kleine Entschädigung, denn bei der ersten Ausstrahlung am 9. April war der Film wegen der aktuellen Irak-Berichterstattung zeitlich weit nach hinten gerückt; obendrein hatte ein Laufband wartenden Interessenten einen viel späteren Sendebeginn (0.51 Uhr) als den tatsächlichen (23.51 Uhr) angekündigt. Nur 670.000 Zuschauer blieben dafür noch wach (8,4 Prozent Marktanteil).

Perfekter Medienverbund der Arbeitgeber

Die "Initiative Soziale Marktwirtschaft" wird es freuen, dass besonders der dritte Teil noch mal eine Chance im Ersten bekommt. War doch in dieser Arbeitsmarkt-Folge besonders viel von schädlichen Kündigungsschutzgrenzen, die dringend gelockert gehörten, die Rede.

Abermals wird dann im Abspann der E-Mail-Hinweis auf die Kampagne der Unternehmerverbände (info@chancenfueralle.de) und die Einladung zur telefonischen VHS-Bestellung (0800 - 100 46 34) zu lesen sein. Das wird den Absatz nochmals ankurbeln, ebenso wie die derzeit laufenden Ederer-Wiederholungen in den Dritten Programmen der ARD und die zusätzlichen Ausstrahlungen auf Phoenix, die für den 26./27. Mai, den 2./3. und den 16./17. Juni geplant sind.

Erneute Fernsehpräsenz jeweils im Doppelpack: Ausstrahlung um 20.15 Uhr, Wiederholung um 7.30 Uhr am Morgen danach. Man sieht: der Medienverbund der Arbeitgeberverbände funktioniert bestens. Nur die öffentlich-rechtliche Programmautonomie kommt dabei unter die Räder. Wo sind sie noch: die viel beschworenen qualitativen Unterschiede zum werbefinanzierten Fernsehen?



epd medien Nr. 37, 14. Mai 2003



 
 

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