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  | GEO Magazin  06/01 - Chinesische Medizin |  Seite 1 von 3 |  
 
  TEXT VON Hania Luczak
Chinesische Medizin: Wie sie wirkt, wie sie hilft
Westliche Ärzte bemühen sich, die fernöstliche Heilkunst zu erlernen, internationale Labors versuchen, die Wirkungsweisen von deren Methoden zu verstehen. Ein GEO-Team reiste nach China, um den Konzepten dieser fremdartigen Medizin auf die Spur zu kommen, die mit Begriffen wie Qi oder Yin und Yang arbeitet, für die uns die Worte fehlen
GEO Magazin 06/01
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© Eric Meola / Image Bank
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Akupunktur ist eine der auch im Westen akzeptierten "TCM"-Disziplinen
Fünf Uhr früh in Jinan, der Hauptstadt der chinesischen Provinz Shandong, rund 500 Kilometer südlich von Beijing. Jeden Morgen um diese Zeit erlebt die Fünf-Millionen-Metropole eine merkwürdige Prozession. Wie magnetisiert streben Tausende Männer und Frauen aller Altersstufen zum Qian Fo Shan, dem Berg der tausend Buddhas, der am Südwestrand aus der von Fabrik- und Heizschloten beherrschten Ebene der Industriestadt ragt. Unter ihnen eine deutsche Medizinerin: Linda Tan, die Tochter einer Deutschen und eines aus Singapur stammenden Chinesen. Sie hofft hier zu finden, wonach Millionen in der westlichen Welt suchen: eine ganzheitliche Heilkunde. Mit ihr studieren Ärzte aus Schweden, Kanada, Korea und den USA. Ein Unbehagen an der Apparatemedizin, der Wunsch nach "sanfteren" Methoden, die Sehnsucht nach einem neuen Menschenbild in der Medizin haben sie hergelockt. Und die Gewissheit, auf ein gleichermassen komplettes wie kompliziertes System zu treffen: eine Kombination von Ernährung und Bewegung, von Entspannung und Meditation, von Prävention und Therapie, die auf die Selbstheilungskräfte des Körpers setzt.
 
 
© Lynn Johnson / Albert Leung / Phyto-Technology Inc.
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5767 Drogen bilden das Kernstück der TCM. Einige werden seit Jahrtausenden erfolgreich angewandt - gegen die Disharmonien im Körper
Ausser der westlichen Heilkunde hat sich im 20. Jahrhundert kein zweites originäres Medizinsystem derart in anderen Kulturräumen etabliert wie die Traditionelle Chinesische Medizin. Das englische Fachblatt "Lancet" spricht sogar von einer "Globalisierung der TCM". Dozenten lehren bereits an deutschen Universitäten, und selbst ein Ordinariat für TCM ist in Planung. Heilkräuter und sogar Ärzte aus dem Reich der Mitte sind zu einem Exportschlager geworden.
 
  Der Lebenshauch Qi
Dabei gelten die Prinzipien der TCM nicht nur für Heilende und Heilungssuchende, "sie durchdringen unsere Kultur, unser Denken, unseren Alltag, sie begleiten uns überall, auch jetzt, während wir zum Berggipfel hinaufsteigen." Linda Tan weiss inzwischen, wie sehr Chinesen auf das Gleichgewicht der Gegensätze Yin und Yang achten - damit es nicht zu Qi-Blockaden kommt, der Krankheitsursache Nummer eins. Sie weiss, dass ihre "Yang-Schwäche" ein Übermass an Yin bedeutet und mit Symptomen wie Blässe, kalten Extremitäten und verlangsamtem Puls einhergeht; dass Yang-Überschuss dagegen gekennzeichnet ist von rotem Gesicht, schnellem Puls und Unrast. Sie hat auch gelernt, dass die Menschen, mit denen sie den Berg hinaufsteigt, nach der passiven Ruhe der Nacht, einem Prinzip von Yin, den Ausgleich suchen und durch körperliche Aktivität ihr Yang stimulieren. Chinesen führen alle Formen des Lebens im Universum auf Qi zurück. Qi bedeutet in der chinesischen Sprache ursprünglich "Hauch", "Dampf" oder "Atem" - erfüllt also auch europäische Vorstellungen von einem "Odem". Qi ist unsichtbar, körperlos, durchdringt aber wie ein Äther den gesamten Kosmos. Englische Wissenschaftler haben mit dem Begriff "matter-energy" den Zustand zwischen Materie und Energie zu beschreiben versucht.
 
 

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