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Datenbank zum Schutz traditionellen Wissens  
  Immer wieder melden große Biotech-Unternehmen Patente auf Entdeckungen oder Erkenntnisse an, die in bestimmten Kulturen seit Jahrhunderten als Allgemeingut zählen. In Indien soll nun eine Datenbank diesem Trend entgegenwirken und gleichzeitig der Bewahrung des traditionellen Wissens dienen.  
Ragunath Mashelkar, Generaldirektor des Indischen Council of Scientific and Industrial Research in Neu Delhi, ist dabei, eine "digitale Bibliothek" einzurichten. Inhalt der Datenbank: Traditionelles Wissen (wie z.B. seit Generationen überlieferte Heilmethoden), dass von Gemeinschaften über Jahrhunderte hinweg entwickelt und zusammengetragen wurde.
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Präsentation bei AAAS-Konferenz
Der Wissenschaftler präsentierte das Projekt auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS), die derzeit in Boston stattfindet. Tausende Forscher aus allen Disziplinen der Wissenschaft stellen dort die Ergebnisse ihrer Studien vor.
->   Homepage der AAAS-Konferenz
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Uraltes verbunden mit Modernem
Wie Mashelkar erläutert, sei sein Projekt ein Versuch, uralte Weisheit zu bewahren und mit moderner Wissenschaft zu verbinden. Dahinter aber steht vor allem ein Ziel: der Schutz dieses allgemeinen Wissens vor der Kommerzialisierung durch Biotech-Firmen und andere Unternehmen.
Datenbank gegen Patentierungen
Verhindert werden soll etwa, dass traditionelle Heilmethoden als "neue Entdeckungen" patentiert werden, während sie vielmehr schon seit Generationen bekannt sind.

So kam es z.B. 1996 in Indien zu Protesten, nachdem in den USA ein Patent auf die wundheilenden Eigenschaften von Kurkuma (Gelbwurz) angemeldet worden war. Das Gewürz findet aber in Indien bereits seit Jahrhunderten in der Medizin Anwendung.
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Ayurverda und Sanskrit
Der für die Erstellung der Datenbank verantwortliche Ausschuss wird etwa Experten einschließen, die mit der ganzheitlichen indischen Heilmethode Ayurverda vertraut sind. Ebenso sollen Wissenschaftler beteiligt werden, die sich mit dem Schutz des geistigen Eigentums befasst haben. Zudem müssen riesige Informationsmengen aus Sprachen wie Hindi oder dem uralten Sanskrit ins Englische übersetzt werden.
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Eine Hilfe für Patentämter
Patentämter hatten bislang kaum eine Möglichkeit, solche Zusammenhänge überhaupt aufzudecken. Genau dies soll aber in Zukunft die digitale Bibliothek ermöglichen - als Suchhilfe steht sie auch denjenigen zur Verfügung, die über etwaige Patente entscheiden.

Denn es gibt natürlich auch internationale Richtlinien zum Schutz von geistigem Eigentum. Das so genannte TRIPS-Abkommen regelt diese Eigentumsrechte auf internationaler Ebene.

Doch auch hier ist vieles nicht umfassend geklärt, was vor allem in den vergangenen Jahren erst zum Thema - und Gegenstand -möglicher Patente wurde.
Patente auf Leben?
Menschliche Gene, gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere können mittlerweile tatsächlich patentiert werden. Die Rechtsgrundlage dafür liefert die Biopatent-Richtlinie der Europäischen Union.

Darin ausgenommen ist das Klonen von Menschen, Pflanzensorten und Tierarten können ebenfalls nicht patentiert werden. Gene wiederum werden vom Europäischen Patentamt als chemische Verbindung aufgefasst und können somit patentrechtlich geschützt werden.

Für Organisationen wie Greenpeace werden dadurch ethische Grenzen verletzt, sie fordern seit Jahren vehement eine Abänderung der Richtlinie, bzw. ein generelles Verbot von Patenten auf Leben - auf Gene genauso wie auf Saatgut oder Pflanzen.
->   Mehr dazu in science.ORF.at
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TRIPS-Abkommen und Biopatent-Richtlinien
TRIPS steht für "Trade Related Aspects of Intellectual Property" regelt Eigentumsrechte bzw. Patentrechte auf internationaler Ebene. Mit intellectual property sind alle Arten geistigen Eigentums gemeint: Arbeiten von Künstlern und Musikern ebenso wie wissenschaftliche Entdeckungen, z.B. neue Medikamente. Das Trips-Abkommen, nachzulesen bei der WTO

Laut Greenpeace hat das EPA seit 1990 rund 6.000 Patentanmeldungen auf menschliche Gene erhalten und mehr als 800 davon vergeben. Ob Patente des Europäischen Patentamtes in Mitgliedstaaten wie Österreich oder Deutschland in Kraft treten, ist allerdings Sache der jeweiligen Länder. Richtlinien des Europäischen Patentamtes für biotechnologische Erfindungen
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Vandana Shiva - Indische Aktivistin gegen Patente
Ragunath Mashelkar steht mit seinem Projekt nicht alleine da, in Indien ist etwa auch die Physikerin Vandana Shiva aktiv. Sie initiiert und unterstützt den Kampf gegen global agierende Saatgutfirmen, die in den ländlichen Regionen Indiens Tausende Bauern in die Abhängigkeit getrieben haben.

Ein Erfolg, den sie sich auf ihre Fahne schreiben darf: der Widerruf eines Patentes auf Produkte des Neem-Baums, das sich vor einigen Jahren der Biotechnologie-Konzern Monsanto sicherte. Der Neem-Baum gilt in Indien und Kenia als wahres Wundergewächs mit zahlreichen Heilwirkungen.

Im Mai 2000 nahm das Europäische Patentamt nach einer großangelegten Kampagne dieses Patent schließlich zurück. Damit wurde jenen Recht gegeben, die es als "geistigen Diebstahl" und "Biopiraterie" bezeichnet hatten.
->   Mehr zu Vandana Shiva in science.ORF.at
Zukunftsmusik für andere Länder
Um das Datenbank-Projekt zu realisieren, hat Ragunath Mashelkar bereits rund eine Viertel Million Dollar (etwa 287.000 Euro/fast vier Millionen Schilling) aufgestellt. Er glaubt, dass auch andere Länder diesem Beispiel folgen werden, etwa China, Indonesien oder in Lateinamerika.

Zudem hat die World Intellectual Property Organization (WIPO) eine Expertengruppe zusammengestellt, die eine mögliche Reform der internationalen Patentrichtlinien untersuchen soll. Dabei sind Experten aus den USA, der EU, Japan, China und Indien.
Weiter Forschungen an traditionellen Methoden
Die Ziele des ehrgeizigen Projektes gehen im Übrigen noch weiter: Auch zusätzliche Forschungen an den traditionellen Heilmethoden sollen möglich werden oder sind gar schon im Gange.

Wie Mashelkar erzählt, haben Tests an Tieren bereits ergeben, dass ein bestimmtes Medikament, das auf Pflanzenwirkstoffen basiert, bis zu drei mal besser gegen Geschwüre hilft, als vergleichbare Arzneien, die weltweit vertrieben werden.

Noch ist es allerdings nicht soweit, die Vorbereitungen für die Datenbank laufen noch. Bis Juni dieses Jahres soll sie jedoch in Gang sein.
->   Council of Scientific and Industrial Research
->   World Intellectual Property Organization
Mehr zu diesen Themen in science.ORF.at:
->   Dürfen Gene patentiert werden?
->   Verbot von Gen-Patenten gefordert
 
 
 
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