Verheiratete Priester fordern Abschaffung, rechnen aber kaum mit Erfolg / Zum Kongress kamen Teilnehmer aus 30 Ländern nach Naurod
Vom 20.09.2005
Von Stefan Weiller
WIESBADEN Wir sind Deserteure und Abtrünnige jedenfalls werden wir von der katholischen Kirche so behandelt", moniert Damian Sassin, Teilnehmer des internationalen Kongresses der Föderation verheirateter Priester und ihrer Frauen. Nicht etwa der Papstwechsel und die damit einhergehende Hoffnung auf eine liberalere Haltung der katholischen Kirche zu Zölibat und Frauenpriestertum gaben den Anlass zum Treffen in Naurod. Die Föderation tagt regelmäßig, um sich über ihre Ziele zu verständigen. "Von den 70 Teilnehmern glauben nur etwa vier an die Abschaffung des Pflichtzölibats", sagt Sassin. Mit dieser Einschätzung dämpft er Optimismus, der im Umfeld der Tagung durch Medien verbreitet worden sei.
"Faktisch gibt es keine Argumente für die Pflicht zur Ehelosigkeit eines Priesters", erklärt Sassin, der vor sieben Jahren aus dem Jesuitenorden ausgeschieden ist, "um heute mit einer tollen Frau und unserem tollen Kind zu leben." So glücklich er über die Entscheidung zugunsten seiner Familie sein mag, gegen die Kirche hegt er offenbar Groll. " Zölibat ist ein unmenschliches, überholtes Kirchenrecht und keinesfalls ein theologisch begründetes Dogma."
Die Bibel kennt das Priesteramt in der heutigen Form nicht. Somit bieten weder das Alte noch das Neue Testament deutliche Hinweise auf das Gebot der Ehelosigkeit für kirchliche Amtsträger. Im Gegenteil: In 1. Timotheus 3,2 werden verheiratete Bischöfe erwähnt.
Nach Angaben der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen (VkPF) haben seit 1965 weltweit mehr als 85 000 Priester ihr Amt bei der Kirche wegen der Liebesverbindung zu einer Frau aufgeben müssen. Weshalb die Kirche trotz dramatisch rückläufiger Zahlen beim Pfarrernachwuchs am Zölibat festhält, kann Sassin nur spekulieren: "Das dürfte ein psychologisches Problem alter Würdenträger sein."
Die Interessen gehen aber auch innerhalb des VkPF auseinander. Während für die einen die Abschaffung des Zölibats im Vordergrund steht, fordern die anderen umfassendere Reformen von der katholischen Kirche. In ihrem Vortrag zitierte Kongressteilnehmerin Alice Gombault sogar den Begriff der "anthropologischen Apartheid", derer sich die katholische Kirche schuldig mache, weil sie Frauen das Priesteramt verweigert.
Abschließend verlangten die Kongressteilnehmer aus rund 30 Ländern von der katholischen Weltkirche mehr Offenheit, Ehrlichkeit und den Abbau starrer hierarchischer Strukturen. "Diese Forderungen gleiten an der Ölpelle der Kirchenoberen einfach so ab", meinte Sassin.
Warum sich die ehemaligen Pfarrer und ihre Familien nicht von der katholischen Kirche abwenden, begründet der Vorsitzende des Vereins, Ernst Sillmann: "Ich bin katholisch sozialisiert und ein leidenschaftlicher Vertreter des christlichen Glaubens." "Außerdem sei es für die Kirche am bequemsten, wenn sich ihre Kritiker zurückzögen. "Abtauchen in der schweigenden Masse, das will ich nicht", sagt Sillmann und kämpft weiter für das, was er für richtig hält.
Bedauerlicherweise fand im Rahmen der Tagung kein Dialog mit Vertretern der Amtskirche statt. Bemerkenswert war jedoch der Ort des Kongresses: Das Kempf-Haus des Bistums Limburg. Eine Teilnehmerin aus dem Bistum Mainz mutmaßte, für eine solche Veranstaltung würde das Tagungshaus Erbacher Hof in Mainz "niemals seine Türen öffnen."