Rampendahl, Maria (Angeklagte im Hexenprozeß)

Lippe, Grafschaft (Lemgo)

Gisela Wilbertz 13.12.99

Maria Rampendahl (* wohl 1645 + 1705) wurde wohl 1645 zu Lemgo (-> Lemgo, Stadt) in der Grafschaft Lippe geboren. Ihr Vater Cordt Rampendahl, Bäcker und Brauer, entstammte einer Handwerkerfamilie. Mit Fleiß und Zähigkeit gelang es ihm, einigen Haus- und Grundbesitz zu erwerben und über verschiedene Ehrenämter 1677 in den Rat aufzusteigen. Ihre Mutter Catharina Bohne, deren Bruder Jodocus Bohne 1672, 1674 und 1675 zum Lemgoer Bürgermeister gewählt wurde, war die Tochter eines wohlhabenden Barbierchirurgen.

Bereits als Kind geriet Maria Rampendahl in Hexereiverdacht, nachdem 1653 ihre väterliche Großmutter Salmeke als Hexe hingerichtet worden war und im Jahr darauf auch ihr Lehrer Hermann Beschoren, mit dessen Familie die Rampendahls offenbar befreundet waren, einem Hexenprozeß zum Opfer fiel. Sie gehörte jedoch nicht zu jenen siebzehn seiner Schüler und Schülerinnen, denen er nach seiner eigenen Aussage das Zaubern beigebracht hatte und die daraufhin in Detmold interniert wurden (-> Kinder im Hexenprozeß).

Der Tod ihres jüngeren Bruders Henrich im Januar 1667 löste innerhalb der Nachbarschaft eine Welle gegenseitiger Beschuldigungen ( Besagungen ) aus, die zu mehreren Hinrichtungen führte. In diesem Zusammenhang wurde ihr Name erstmals offiziell notiert und wahrscheinlich im sog. Schwarzen Buch festgehalten. Auch der Tod ihres älteren Bruders Johann Caspar im Juni 1673 wurde als Ergebnis von Schadenzauber ihr und ihrer Mutter angelastet.

Obwohl sie anscheinend eine attraktive junge Frau war, verhinderten die in der Stadt über sie kursierenden Hexereigerüchte eine Eheschließung. Erst am 31. Oktober 1675 heiratete sie den aus der oldenburgischen Unterherrschaft Varel stammenden Barbiergesellen Hermann Hermessen. Bis 1681 wurden vier Kinder geboren. Wie zuvor schon ihrem Bruder Johann Caspar half sie ihrem Ehemann in der Barbierstube bei der Behandlung von Patienten. Außerdem betrieb sie auf dem Markt einen Butterkarren (Butter- und Milchzauber ). Der wirtschaftliche Erfolg des Ehepaares Hermessen-Rampendahl - bereits 1679 konnten sie ein ansehnliches Haus am prestigeträchtigen Marktplatz erwerben - wurde ebenso ihrer Zauberkunst zugeschrieben wie Krankheiten und Todesfälle in der Nachbarschaft.

Das 1681 gegen sie eröffnete Hexereiverfahren hing eng zusammen mit dem Prozeß gegen die Ehefrau Blattgerste Maria Vieregge. Diese hatte sich in einem Verhör selbst als Hexe bezichtigt und Maria Rampendahl als Mitschuldige schwer belastet. Der Hinrichtung der Blattgersteschen am 18. März 1681 sollte laut Ratsbeschluß aber kein weiterer Hexenprozeß folgen, weil die Stadt Lemgo wegen ihrer Hexenjustiz in Verruf geraten war und damit inzwischen bei den eigenen Bürgern, beim lippischen Landesherrn, bei der Universität Rinteln und beim Reichskammergericht auf Widerstand stieß. Hermann Cothmann, der als Motor der letzten Lemgoer Prozeßwelle später den Beinamen "Hexenbürgermeister" erhielt, ließ dennoch gegen Maria Rampendahl ermitteln und setzte ihre Verhaftung durch.

Bereits in ihrem ersten Verhör am 17. März 1681 erscheint sie als eine selbstbewußte und unerschrockene Frau, die durch Drohungen nicht einzuschüchtern war. Auch auf der Folter zwei Tage später legte sie kein Geständnis ab. Das aufgrund eines Gutachtens (Responsum) der Universität Jena abgefaßte und am 15. April 1681 ausgeführte Urteil konnte daher nur auf ewige Stadt- und Landesverweisung lauten. Damit endete der letzte Hexenprozeß in der Stadt Lemgo. Die Aufhellung ihres sozialen Hintergrunds und neue Erkenntnisse über die Person der Maria Rampendahl und ihrer Familie sind vor allem einem biographischen Forschungsansatz zu verdanken.

Nicht nur wegen seines Ausgangs stellt das Verfahren gegen Maria Rampendahl eine Besonderheit unter den Lemgoer Prozessen dar. Von vornherein wurde es offenbar mit einer gewissen Halbherzigkeit geführt. In dem für ihr Verhör vorbereiteten Fragenkatalog, den Interrogatoria, wollte man weder etwas über eine Teufelsbuhlschaft wissen noch die Namen von Komplizen/-innen erfahren. Man beließ es bei einer einmaligen Tortur, der es zudem an letzter Härte fehlte, und begnügte sich mit dem Jenaer Gutachten, obwohl man sonst bei unerwünschten Ergebnissen durchaus mehrere Universitäten konsultiert hatte.

Ungewöhnlich für Lemgo war auch die bedingungslose Unterstützung, die Maria Rampendahl von ihrer Familie und besonders von ihrem Ehemann Hermann Hermessen erfuhr. Umgekehrt war dies für sie, ihrer eigenen Aussage nach, ein starkes Motiv, die Folter auszuhalten. Hermann Hermessen, der ihr sehr zugetan war und fest an ihre Unschuld glaubte, nahm sie sofort nach der Urteilsvollstreckung wieder als seine Ehefrau an und nahm dafür in Kauf, daß seine Genossen im Barbiereramt ihm das Handwerk legten. Er widerstand auch der bequemen Möglichkeit einer Scheidung und folgte seiner Frau in die Landesverweisung nach Rinteln.

Bereits während des Prozesses hatte er sich von der dortigen Universität ein Gutachten beschafft, das die Indizien für ihre Verhaftung und Folterung als nicht ausreichend und somit den Prozeß als nichtig erklärte (-> Nichtigkeitsklage, Nullitätsprozeß). Aufgrund dieses Gutachtens appellierte er anschließend an den Landesherrn zu Detmold. Als er dort abgewiesen wurde, verklagte er den Grafen zur Lippe und die Stadt Lemgo beim Reichskammergericht in Speyer, untertstützt von dem Rintelner Professor Hermann Zoll. Die Aussagen der Maria Rampendahl vor dem Herforder Notar Hermann Cruwell, worin sie am 3./13. Juni 1681 berichtete, wie sie Folter, Gefangenschaft und Urteilsvollstreckung erlebte, stellen eines der beeindruckendsten Ego-Dokumente dar. Der Reichskammergerichtsprozeß, der am 30. Oktober 1682 endete, ging für das Ehepaar Hermessen-Rampendahl verloren. Laut Urteil - eines der wenigen, die im Wortlaut überliefert sind - waren die Beklagten, der Graf zur Lippe und die Stadt Lemgo, von jeder weiteren Vorladung in der Sache entledigt, doch sollten sie - höchst ungewöhnlich - die Hälfte der Prozeßkosten tragen.

Wohl im Laufe des Jahres 1683 zogen Maria Rampendahl und ihre Familie nach Varel, der Heimatstadt ihres Mannes, wo sie 1705 starb und am 27. August begraben wurde. Das Hexereiverfahren scheint man ihr dort nicht weiter angelastet zu haben. Da drei der Töchter unverheiratet blieben, drängt sich der Verdacht auf, daß der Prozeß die wirtschaftlichen Reserven der Familie aufgezehrt hatte, so daß nichts mehr für eine Mitgift übrig blieb. Die älteste Tochter, die nach Lemgo zurückkehrte, weil sie dort einiges geerbt hatte, konnte zwar noch im Alter von 40 Jahren eine späte Ehe schließen, aber nur mit einem geschiedenen und hochverschuldeten Mann.

Der Name der Maria Rampendahl, als der letzten in Lemgo wegen Hexerei angeklagten Frau, die zudem als eine von ganz wenigen kein Geständnis ablegte und den Prozeß überlebte, besaß schon früh einen gewissen Symbolwert und wurde in der lokalen Historiographie vor allem durch die Arbeiten von Karl Meier bekannt gemacht. Seine Interpretation, Maria Rampendahl habe durch ihre Widerstandskraft die Lemgoer Hexenprozesse gewissermaßen im Alleingang beendet und sei durch den anschließenden Reichskammergerichtsprozeß rehabilitiert worden, wird bis heute immer wieder aufgegriffen, obwohl durch neuere Arbeiten nachgewiesen ist, daß das Ende der Lemgoer Hexenverfolgungen auf ganz anderen Faktoren beruhte und mit der Person der Maria Rampendahl nichts zu tun hatte. Ihr Prozeß wäre auf jeden Fall der letzte gewesen, selbst wenn er mit ihrer Hinrichtung geendet hätte.

Als sich 1990 in Lemgo ein Arbeitskreis bildete, mit dem Ziel, für die Opfer der Lemgoer Hexenverfolgungen ein Denkmal zu errichten, benannte er sich ebenfalls nach Maria Rampendahl. Dieses Denkmal ("Stein des Anstoßes"), geschaffen von der Lemgoer Künstlerin Ursula Ertz und gelegen auf dem Kirchplatz von St. Nicolai in der Nähe des Rathauses, wurde am 24. September 1994 eingeweiht.


Beilagen


Siehe auch folgende Artikel:


Textlinks: Reichskammergericht Karl Meier Folter Hermann Cothmann Lemgo, Stadt



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