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Dr. Paul Leopold Friedrich
Chirurg
* 1864 † 1916

Paul Leopold  F r i e d r i c h, geb. 26.01.1864 in Roda, gest. 15.01.1916 in Königsberg. Sohn des Baldreich Louis Friedrich (1828-1901). 1900 vermählt mit Charlotte von Bülow (1878-1976).


Zentralblatt für Chirurgie 1976 Heft 9

Das chirurgische Erbe

Am 26.1.1864 wurde Paul Leopold F r i e d r i c h in Roda (Sachsen-Altenburg) geboren. Er studierte in Leipzig und verließ die dortige Universität 1888 als Doktor der Medizin. Als junger Assistenzarzt der sächsischen Armee war er von 1889 bis 1891 am Reichsgesundheitsamt in Berlin tätig, das damals unter der Leitung von Robert K o c h stand. Im Jahre 1892 kam F r i e d r i c h als Hofarzt zu König Albert von Sachsen, und er war außerdem verantwortlicher Cholera-Arzt für das obere Elbgebiet Ende 1892 ging er wieder als Assistent an die Chirurgische Universitätsklinik nach Leipzig. Durch T h i e r s c h, der sich selbst mit Fragen der Wundantiseptik beschäftigte, wurde F r i e d r i c h mit der praktischen Chirurgie vertraut gemacht.
1894 habilitierte F r i e d r i c h und wurde bereits 1896 Direktor der selbständigen Chirurgischen Poliklinik der Universität Leipzig und als solcher zum Extraordinarius ernannt. 1903 trat er die Nachfolge von A. B i e r als Ordinarius für Chirurgie an der Chirurgischen Universitätsklinik in Greifswald an. Hier in Greifswald fand F r i e d r i c h eine glückliche Arbeitsatmosphäre, besonders auch durch die Fertigstellung der neuen Chirurgischen Klinik, vor. Als am 2.11.1903 die feierliche Einweihung der neuen Klinik erfolgte, hielt F r i e d r i c h die Festrede. Ausdruck seines tiefen Sozialempfindens war der Spruch, den der Redner sich an der Stirn der neuen Klinik wünschte: "Arm sein ist hart, arm und krank sein noch härter, darum ist das schönste Haus, das wir bauen, für den armen kranken Mann gerade gut genug." Nach dem Tode von v. M i k u l i c z (1905) kam F. S a u e r b r u c h nach Greifswald, der hier, zusammen mit
F r i e d r i c h, die Entwicklung der Thoraxchirurgie fortsetzte. Im Jahre 1907 folgte F r i e d r i c h dem Ruf nach Marburg und ging von dort nach Königsberg, wo er bis zu seinem frühen Tod am 15.1.1916 wirkte.

Für den wissenschaftlichen Werdegang von F r i e d r i c h war zunächst entscheidend das Studium der Bakteriologie bei R. K o c h in Berlin. Exaktheit und Präzision dieses Faches wirkten sich bestimmend über lange Jahre auf seine wissenschaftliche und praktische Tätigkeit aus. Bis zu seiner Greifswalder Zeit befasste er sich vorwiegend mit chirurgisch-bakteriologischen Problemen. Aus der Fülle der Veröffentlichungen dieses Zeitabschnittes ist seine Arbeit "Die aseptische Versorgung frischer Wunden" (1898) als besonders wichtig und für die praktische Chirurgie bestimmend, hervorzuheben. An Hand von experimentellen Untersuchungen demonstrierte F r i e d r i c h die Bedeutung der Wundausscheidung und der Primärnaht innerhalb der 6-Stunden-Grenze. Das eine generelle Anwendung seiner tierexperimentell gewonnenen Ergebnisse auf den Menschen nicht übertragbar waren, ist ihm selbst klar gewesen.
F r i e d r i c h hat nach der Wundausschneidung nur recht selten genäht und in seiner Klinik wurde ebenfalls mehr die operative Wundversorgung nach
B e r m a n n - L e x e r durchgeführt. Weitere Arbeiten von F r i e d r i c h sind die über Streptokokkeninfektionen, septische Erkrankungen, die Aktinomykose, über die Verunreinigung der Luft mit Keimen und über das Gesichtserysipel. Es folgten Veröffentlichungen über die Gesichtsneuralgie, die Resektion des Ganglion Gasseri, die Rekurrenslähmung sowie Ursachen und Behandlung der Peritonitis. Daneben erschienen auch zahlreiche Arbeiten über die Tuberkulose der Knochen, Gelenke, Nieren und besonders der Lungen, mit deren operativer Behandlung sich F r i e d r i c h bis zu seinem Tod beschäftigte.

Zu den großen Verdiensten von F r i e d r i c h muss man seinen Beitrag zur Einführung der nahtlosen Gummihandschuhe in die chirurgischen Praxis nennen, die er auf der Chirurgentagung 1898 demonstrierte.

Seit 1903 in Greifswald widmete er sich mehr der Hirnchirurgie, der Abdominalchirurgie und besonders der Lungenchirurgie. Mit dem neuen Druckdifferenzverfahren eröffneten sich der Lungenchirurgie ungeahnte Möglichkeiten, die auch von F r i e d r i c h genutzt wurden. Daneben beschäftigte sich F r i e d r i c h mit der Tumorchirurgie der Verdauungsorgane, der Magen-Darmatonie und den Pankreaserkrankungen im Zusammenhang mit dem Ulcus duodeni.

Als akademischer Lehrer erfreute sich F r i e d r i c h auf Grund seiner sehr anschaulichen und klaren Vorlesungen, zu denen er alles Verfügbare aufbot, allgemeiner Beliebtheit bei seinen Studenten. Durch seine offene und kritische Einstellung fand er zwar nicht immer die Zustimmung und den Beifall der Kollegen, war aber als Mensch eine gern gesehene markante Persönlichkeit. Von seinen Schülern dürfen so bekannte Chirurgen wie F. S a u e r b r u c h,
E. H e l l e r und C. R i t t e r genannt werden.

Als P. F r i e d r i c h im besten Alter von 51 Jahren an einem schweren Nierenleiden verstarb, hatte er in seinem kurzen Leben bereits Bedeutendes für die Weiterentwicklung der Chirurgie vollbracht. Sein ganzes Leben und Schaffen stand im Zeichen der Worte Immanuel K a n t s, die er in seinem Königsberger Hörsaal anbringen ließ: "Außerhalb der Erfahrungen wird kein Dokument der Wahrheit angetroffen".

Dr. med. V. Worm

 
 
100 Jahre Friedrich’sche Wundausschneidung
 
    Quellen und verwendete Literatur:  
   

Zentralblatt für Chirurgie 1976 Heft 9
Aus der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

 
   

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